Regie: Luca Guadagnino
Original-Titel: Queer
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Liebesfilm, Drama, Roadmovie, Biopic
IMDB-Link: Queer
Da ist er nun, der Überraschungsfilm der Viennale 2024. Wie Eva Sangiorgi in ihrer kurzen Ansprache vor Beginn der Vorführung erklärte, wäre der Film ohnehin als Fixpunkt im Programm gelaufen, hätte man nur rechtzeitig einen Verleih dafür gefunden. Nachdem sich dieser Prozess aber ein wenig hinzog, musste man ausweichen und dem neugierigen Publikum Guadagninos neuestes Werk mit Daniel Craig in der Hauptrolle eben als Überraschungsfilm präsentieren. Auf der einen Seite erscheint diese Vorgehensweise durchaus mutig, denn der Film nach einer literarischen Vorlage von William S. Burroughs gehört sicherlich zu jenen, die die Gemüter spalten. Andererseits: Wann kann man schon einen Guadagnino-Film als Überraschungsfilm präsentieren? Der Italiener ist so etwas wie der große internationale Aufsteiger der letzten zehn Jahre mit Filmen wie Call Me by Your Name oder Suspiria. Er gehört zu jenen Regisseuren, deren Stil man sofort wiedererkennt, da er eine ganz eigene, sinnliche Bildsprache pflegt und auch musikalisch immer wieder spannende Pfade betritt. „Queer“ bildet diesbezüglich keine Ausnahme – im Gegenteil. Der Film ist atmosphärisch enorm dicht. Die Story hingegen – und da sind wir bei dem Aspekt, der wohl die Geister voneinander scheiden wird – bleibt dünn. In seinem autobiographischen Roman erzählt William S. Burroughs von seinem Alter Ego, das in Schwulenbars in Mexico City abhängt und sich unsterblich in einen Jüngeren (Drew Starkey) verliebt, mit dem er sich schließlich auf einen Roadtrip nach Südamerika aufmacht, um dort nach der legendären Yage-Pflanze zu suchen, nach dessen Einnahme man angeblich Gedanken lesen kann. William Lee, mit vollem Einsatz von Daniel Craig gespielt, der die wohl beste und jedenfalls mutigste Leistung seiner Karriere abliefert, ist ein Suchender, doch scheint er manchmal selbst nicht zu wissen, was er sucht. Gefangen zwischen Lust und dem aufrichtigen Wunsch nach Liebe ist er ein Mensch, der niemals anzukommen scheint, ganz gleich, wohin es ihn verschlägt. Prinzipiell sieht man ihm bei seiner Reise ins Nirgendwo auch gerne zu, dafür sorgt allein schon die schon angesprochene dichte Atmosphäre. Und doch hat der Film ein Problem mit dem Pacing. Zieht sich der erste der drei Teile recht zäh hin, wird Teil zwei beinahe nebenbei rasch abgehandelt, ehe der Film in Teil drei, die Suche nach der Yage-Pflanze, ins Groteske driftet. Alle drei Teile fühlen sich auf ihre Weise wie eigene Filme an, die nur schwer zueinanderfinden. So fällt es am Ende auch schwer, eine emotionale Bindung zur Figur des William Lee aufzubauen, auch wenn sich Daniel Craig eben die Seele aus dem Leib spielt. „Queer“ ist ein Kunstwerk, eine ästhetische und intellektuelle Übung, der trotz aller Bemühungen (oder vielleicht auch gerade deshalb) ein wenig die emotionale Mitte fehlt. Ein Wagnis mit ganz klaren Stärken, aber auch Schwächen.

6,5 Kürbisse
Bildzitat: http://www.imdb.com




