Autor: Filmkürbis

Der Wein und der Wind (2017)

Regie: Cédric Klapisch
Original-Titel: Ce qui nous lie
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama
IMDB-Link: Ce quie nous lie


Wer diesem Blog schon länger folgt, weiß, dass ich mit französischen Komödien oft so meine Probleme habe. Anders sieht es aus mit französischen Alltagsdramen, denn diese Genre bespielen französische Filmemacher:innen durchaus auf gekonnte Weise. Die Mischung aus Leichtigkeit und Tragik macht’s – man sieht komplexe Menschen aus diversen Gesellschaftsschichten, wie sie versuchen, Sinn in ihr Tun und ihren Alltag zu bekommen, und das tun sie vorzugsweise über einem guten Gläschen Rotwein und mit tiefsinnigen, aber doch als ehrlich empfundenen Dialogen. Siehe 35 Rum von Claire Denis oder zuletzt Das Ereignis von Audrey Diwan oder Other People’s Children von Rebecca Zlotowski. Diese Filme vereint, dass die Geschichten alltäglich und nachvollziehbar erscheinen und dennoch eine mitreißende emotionale Tiefe erreichen. „Der Wein und der Wind“ von Cédric Klapisch reiht sich hier gut ein. Es geht um den Winzersohn Jean (Pio Marmaï), der nach vielen Jahren zurück auf das heimatliche Weingut im Burgund kommt. Sein Vater liegt im Sterben, und auch wenn seine beiden Geschwister Juliette und Jérémie (Ana Girardot und François Civil) ihn zunächst willkommen heißen, so zeigen sich bald alte Vernarbungen und Bruchlinien. Als der Vater stirbt, sind die drei Geschwister auf sich allein gestellt. Ihr Problem: Ihr Vater hat ihnen das Gut als Erbengemeinschaft hinterlassen, sprich: Niemand kann etwas veräußern ohne der Zustimmung der anderen. Und sie haben allesamt kein Geld, um die 500.000 Euro Erbschaftssteuer aufzubringen. Ja, sie haben einige gute Lagen in den Weinbergen, doch spielen sich nicht in der obersten Liga der Burgundweine mit, die mehrere Hundert bis Tausend Euro pro Flasche bringen. Dazu kommen private Probleme, die sie mit sich schleppen: Juliette zweifelt an ihrer Eignung als Winzerin und Chefin, der junge Vater Jérémie wird von seinem Schwiegervater, ein wohlhabender Winzer aus der Nachbarschaft, unterbuttert, und Jean, die zentrale Figur der Geschichte, hat eine nicht klar definierte Beziehung samt Sohn in Australien. Um vorwärts zu kommen, müssen sich die Geschwister wieder einander annähern, während gleichzeitig die Herausforderungen in Weinberg und Keller warten. Das alles klingt nicht sonderlich spektakulär und ist es auch nicht. Aber, wie gesagt, französische Filmemacher:innen haben oft ein Händchen für derartige Stoffe. Sensibel und klug erzählt werden die Konflikte, die per se allesamt gut nachvollziehbar sind, nach und nach aufgearbeitet. Der Weg ist hier das Ziel, und anders als viele Hollywood-Filme begnügt sich Klapisch in seinem Film damit, alle Figuren am Ende ein Stück weit auf den Weg gebracht zu haben, auch wenn man weiß, dass dieser noch lang sein wird. Für Wein-Aficionados fallen dazu interessante Einblicke in den Alltag und die Arbeitswelt eines Winzers an. Man spürt den Respekt, den Klapisch vor diesen Menschen und deren Erzeugnissen mitbringt. Und so ist der Film trotz einiger Längen vor allem im Mittelteil am Ende eine runde Sache, sanft und tiefgründig wie ein guter Wein, auch wenn ihm der besondere Biss, der zu einer noch höheren Bewertung geführt hätte, fehlt. Um in der Welt des Weins zu bleiben: Vielleicht kein Grand Cru der Spitzenklasse, aber ein gut gemachter, wohlschmeckender Village, der Freude bereitet.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.arthaus.de)

Sayen (2023)

Regie: Alexander Witt
Original-Titel: Sayen
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Action, Thriller
IMDB-Link: Sayen


Hach, diese Streaming-Eigenproduktionen … Für jede Perle, die man hervorholt, greift man mindestens zehnmal in den Lokus. Der chilenische Actionthriller „Sayen“ von Alexander Witt ist da leider keine Ausnahme. Es mangelt ihm nämlich an zweierlei Dingen: Action. Und Thrill. Dabei wäre die Grundprämisse eine durchaus sympathische: Die junge Studentin Sayen, dem indigenen Stamm der Mapuche angehörig, kommt zurück in ihr Heimatdorf. Dort muss sie mit ansehen, wie ein schmieriger Geschäftsmann ihrer Großmutter, der Landbesitzerin des Stammes, ein unmoralisches Angebot zum Kauf des Waldes macht, diese erwartungsgemäß das Angebot ablehnt und er die Wichtigkeit dessen für ihn noch einmal mit einer Ladung Blei unterstreicht. Sayen, die als Kollateralschaden mitsamt der toten Großmutter in deren Haus verbrannt werden soll, kann flüchten und macht fortan nun ihrerseits Jagd auf den Schnösel und seine Legionäre. Dabei stellt sie fest, dass es dem Geschäftsmann nicht um die schöne Aussicht, sondern um gewaltige Kobaltvorkommen im Gebiet ging – und die Story bekommt dadurch einen ökosozialen Anstrich, aus dem man viel machen könnte. Leider bleibt es beim Konjunktiv. Zwar gibt sich Rallen Montenegro in der Hauptrolle der wehrhaften Mapuche-Indigenen redlich Mühe, doch ist der Rest des Casts (und zuweilen auch sie selbst) heillos überfordert, wie auch der Regisseur selbst. Die Actionszenen bekommt jede Traumschiff-Episode besser hin, das Drehbuch mit dessen ständigen Begegnungen der Konfliktparteien im riesigen chilenischen Wald macht keinen Sinn, die Dialoge laden zum Klischeebingo ein, und was dem Film schließlich den Rest gibt, ist ein offenes Ende, das auf einen zweiten Teil hindeutet, der hoffentlich, so die Produzent:innen ein Einsehen mit uns armen Seelen haben, niemals gedreht werden wird. Aber nachdem selbst Amazon Prime „vergessen“ hat, diese Eigenproduktion zu bewerben, können wir diesbezüglich wohl durchatmen.


2,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Engel der Gejagten (1952)

Regie: Fritz Lang
Original-Titel: Rancho Notorious
Erscheinungsjahr: 1952
Genre: Western, Drama
IMDB-Link: Rancho Notorious


Fritz Lang ist eine Regie-Legende und vor allem für seine frühen Klassiker wie Die Nibelungen, „Metropolis“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ bekannt. Dass er in seiner späteren Hollywood-Karriere auch Western drehte, war mir neu. In „Engel der Gejagten“ (im Original: „Rancho Notorious“) spielte Marlene Dietrich die weibliche Hauptrolle – eine Zusammenarbeit, die nicht ganz friktionsfrei verlaufen sein soll. Dem Ergebnis sieht man dies aber nicht an. „Engel der Gejagten“ ist ein knackiger, staubtrockener Western mit einer grimmigen Story: Während der Cowboy Vern Haskell (Arthur Kennedy) auf der Ranch arbeitet, wird seine Verlobte, die einen Laden betreibt, von zwei Outlaws ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet. Einen findet Vern später mit einer Kugel im Rücken, doch bevor er herausfinden kann, wer der Partner des Gangsters ist, haucht dieser sein Leben aus. Die einzige Spur, die Vern hat, führt quer durch den Südwesten der Staaten zu einer mysteriösen Damen mit dem Namen Atlas Keane (in der deutschen Synchronisation: Cora Keane), gespielt von der schon erwähnten Marlene Dietrich. Diese war als Bardame tätig und betreibt nun eine Zuflucht für Gesetzlose, die eine Zeit lang untertauchen müssen. Vern gibt sich als solcher aus, um in den Reihen der Männer, die von Atlas Keane beherbergt werden, nach dem Mörder seiner Verlobten zu suchen. Hierzulande ist „Engel der Gejagten“ ein eher unbekannter Westernklassiker, aber er hat schon seine Qualitäten. Das Tempo der Inszenierung ist hoch, da geht Fritz Lang keine Umwege, sondern führt den Zuseher auf direktem Weg durch die Story, und Arthur Kennedy legt seinen Vern zwar nicht sonderlich komplex an, dennoch erspielt er sich genügend Sympathiepunkte, um die Geschichte tragen zu können. Für mich die charismatischste Figur im ganzen Ensemble ist Atlas‘ Liebhaber Frenchy Fairmont (Mel Ferrer), dem man noch lieber folgt als der eigentlichen Hauptfigur. Und das ist vielleicht auch die größte Schwäche des Films: Da er sich eben nicht allzu viel Zeit nimmt, um die Figuren sauber herauszuarbeiten, fehlt trotz der tragischen Story eine tiefere emotionale Bindung zum Geschehen. Eine Sichtung ist er dennoch wert, beweist er doch: Fritz Lang konnte alles, selbst Western.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Sachertorte (2022)

Regie: Tine Rogoll
Original-Titel: Sachertorte
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Rom-Com
IMDB-Link: Sachertorte


Wenn eine deutsch-österreichische Rom-Com nach einem picksüßen Schokokuchen benannt ist, weckt das gewisse Erwartungen von wegen „schwer verdaulich“. Und wenn dieser Film dann auch noch hemmungslos Richard Linklaters Romantikträumer-Klassiker „Before Sunrise“ zitiert, fragt man sich schon zu Beginn: Bin ich hier im richtigen Film? Dann erklingt aber Wandas „Bussi Baby“, und schon ist die Stimmung gleich viel beschwingter und man selbst geneigt, das nun Kommende vorurteilsfrei aufzunehmen. Und das ist gut. Denn „Sachertorte“, das Regiedebüt von Tine Rogoll, ist wider des süßen Titels eine leichtfüßige, charmante Komödie mit wahnsinnig viel Lokalkolorit, die nicht nur beim Soundtrack fast immer den richtigen Ton trifft. Es geht um eine Zufallsbekanntschaft in Berlin: Der Quizshowfragenersteller Karl (Max Hubacher) trifft auf die Wienerin Nini (Michaela Saba), die nur noch einen letzten Vormittag in der Stadt hat. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden verbringen schöne gemeinsame Stunden, der Funke springt über. Doch leider verliert Karl Ninis Nummer, und da er von ihr nichts weiß, außer dass sie jedes Jahr zu ihrem Geburtstag um Punkt 15 Uhr im weltberühmten Café Sacher eine Sachertorte isst, reist er, der verpeilte Romantiker, ihr kurzerhand nach, um fortan jeden Tag im Sacher auf sie zu warten. Während er wartet, macht er einige Bekanntschaften, zum Beispiel mit dem Kaffeehauspersonal (Ruth Brauer-Kvam und der für komödiantische Momente sorgende Karl Fischer als Oberkellner Schwartz), seinen etwas seltsamen, aber liebenswerten WG-Kollegen, der Dirigentenwitwe und Grand Dame Fanny Sawallisch (charismatisch: Krista Stadler) und der Kaffeehausbesitzerin und Konditorin Miriam (Maeve Metelka, die Tochter von Nicholas Ofczarek, also mit hervorragenden Schauspielgenen ausgestattet). Und je länger Karl auf Nini wartet, desto größer werden die Zweifel, ob er sich hier nicht einfach verrannt hat. Klar, die Geschichte ist angelegt wie eine typische Rom-Com, und der versierte Zuseher riecht den Braten bzw. in diesem Fall die Macarons schon kilometerweit gegen den Wind. Allerdings punktet der Film durch eine gut gelaunt aufspielenden Besetzung mit toller Chemie, sympathischen Figuren und jede Menge Wiener Charme. Ich kenne sonst keinen Film, in dem die Hauptdarstellerin ein ehrlich gemeintes „Schleicht’s eich, es Beidln!“ granteln darf, der nicht von Ulrich Seidl ist. Das unrealistischste am ganzen Film ist, dass einer über 100 Tage lang jeden Tag ein Stück Sachertorte mit Schlag essen kann und dann nicht so aussieht wie ich. Darüber hinaus ist „Sachertorte“ ein zwar zuckersüßer, aber auch leichtfüßiger, liebenswerter Film und eine positive Überraschung.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von FELIX VRATNY – © FELIX VRATNY, Quelle http://www.imdb.com)

65 (2023)

Regie: Scott Beck und Bryan Woods
Original-Titel: 65
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Horror, Thriller, Abenteuerfilm
IMDB-Link: 65


Die Prämisse dieses Films hat meine Aufmerksamkeit geweckt wie kaum ein anderer Film der letzten Jahre: Ein Raumfahrer stürzt ab und landet auf der Erde vor 65 Millionen Jahren zur Zeit der Dinosaurier. Quasi „Planet der Affen“ meets „Jurassic Park“. Und dazu noch der von mir sehr geschätzte Adam Driver in der Hauptrolle: Shut up and take my money! Im Kino habe ich den Film dann aufgrund zeitlicher Beschränkungen verpasst, aber nun im Streaming nachgeholt. Und was soll ich sagen? Ich bin froh, dass ich mir das Geld für die Kinokarte gespart habe. Von einer Ausgangsbasis a la „Planet der Affen“ darf man sich gleich zu Beginn verabschieden – der Besucher des prähistorischen Tierparks ist nämlich ein Außerirdischer aus fernen Galaxien, dessen Heimat aber praktischerweise wie unsere Erde aussieht. Außerdem trägt er fancy T-Shirts, und auch die Technologie funktioniert praktisch genau gleich wie unsere. Eigentlich wollte Astronaut Mills gar nicht weg von seinem Heimatplaneten, doch da seine Tochter schwer krank ist und die zweijährige Expeditionsmission, für die er sich einschreibt, die Arztrechnungen bezahlt, macht er sich wohl oder übel auf den Weg. Unterwegs wird das Schiff von einem Asteroidenhagel zerschossen und legt auf einem unbekannten, nicht gelisteten Planeten (man ahnt es schon) eine Bruchlandung hin. Die einzig verbliebene Rettungskapsel wird 15 km entfernt auf einen Berg geschleudert. Überlebende: Astronaut Mills und ein kleines Mädchen namens Koa, das allerdings eine andere Sprache spricht, was Scott Beck und Bryan Woods, die neben der Regie auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnen, die Arbeit erspart, sinnvolle Dialoge schreiben zu müssen. Bald schon stoßen die beiden Überlebenden auf die ersten Einheimischen. Und da kommt nun mein innerer Nerd durch: Diese Viecher sehen aus, als hätte die Creature Designer von Auslöschung den Job bekommen, und allesamt sind sie Fleischfresser und haben nur eines im Sinn: Jagd auf dieses schmackhafte Dosenfutter from outer space zu machen. Die Dinosaurier in „65“ sind keine Tiere, sind nicht instinktgetrieben, sondern durchtriebene, fiese Monster. Und so gleitet der Film schon bald von einem Science Fiction-Abenteuer in einen klassischen Horrorfilm über. Kann man machen, muss man aber nicht. Aber wenn man es so machen will, wäre es halt eine gute Idee, wenigstens ein bisschen Originalität reinzubringen und nicht alle genretypischen Muster wie anhand einer Checkliste abzuarbeiten. Und so zieht sich der Film dröge von einem vorhersehbaren Jump-Scare zum nächsten, ohne sich auch nur einen Deut um Logik, Spannung oder Figurenentwicklung zu scheren. Man sehnt den schon am Horizont auftauchenden Chicxulub-Asteroiden herbei, der nicht nur den Dinosauriern ein Ende setzen soll, sondern auch diesem uninspirierten Film.


3,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Tagebuch einer Nymphomanin (2008)

Regie: Christian Molina
Original-Titel: Diario de una ninfómana
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Erotik, Drama
IMDB-Link: Diario de una ninfómana


Gute Erotikfilme findet man in etwa so häufig wie vierblättrige Kleeblätter – die mit roten Punkten, die nach Rosen duften. Das spanische Erotikdrama „Tagebuch einer Nymphomanin“ nach dem autobiographischen Buch der Französin Valérie Tasso ist hierbei keine Ausnahme von der Regel. Geraldine Chaplin, prominentestes Gesicht der Produktion, hat das auch recht schnell erkannt – ihre Großmutterfigur ist nach einer Viertelstunde über den Jordan, und Chaplin hat’s überstanden. Davor gibt sie der promiskuitiven Enkeltochter Valérie (Belén Fabra) noch einen schicksalshaften Rat: Lebe dein Leben! Ja, genau, der gute, alte Carpe Diem-Spruch, den 50-jährige Yogalehrerinnen in Holzrahmen eingefasst über dem Küchentisch hängen haben. Wenigstens war das Drehbuch so gnädig und hat Chaplin nicht wortwörtlich diesen lateinischen Allerweltspruch aufsagen lassen. Nun, Valérie ist so naiv, diesen Spruch zu beherzigen, und landet bald im Bett und der Wohnung des Geschäftsmannes Jaime (Leonardo Sbaraglia). Dieser ist gutaussehend, charmant, witzig, ehrlich um Valérie bemüht, und so macht Valérie das, was natürlich jeder vernünftige Mensch macht: Sie zieht binnen Wochen in eine gemeinsame Wohnung mit ihm. Leider fällt dort die Fassade und zum Vorschein kommt ein impulsives, cholerisches, gewalttätiges Arschloch. Großmutter hätte Valérie wohl was hinter die Löffel gegeben, wenn sie selbigen nicht schon abgegeben hätte. Nun, ein paar traumatische Erlebnisse selbst regt sich wieder die Libido bei der jungen Frau, und was macht eine anständige Frau in ihrer Situation? Genau – sie geht in den Puff. Wo sie weitere charmante, gutaussehende Männer kennenlernt, denen jeder Blinde auf fünfhundert Meter Entfernung hinter die Fassade schaut, nur die gute Valérie eben nicht. Etliche Bettszenen und weitere traumatische Erlebnisse später stellt Valérie fest, dass Großmutters Rat „Carpe Diem“ nicht ganz vollständig war – es fehlt noch ein erleuchtendes „Liebe dich selbst!“. Und damit wäre, denke ich, ganz gut umrissen, woran es bei diesem Machwerk krankt: Das Drehbuch stammt direkt aus der Hölle und zeigt auf, dass man den verdammten Streik der Drehbuchautoren, der zuletzt in Hollywood stattfand, ernst nehmen sollte, da sonst vierzehnjährige pubertierende Teenager ihren Job übernehmen und solche Resultate liefern. Ein Trinkspiel mit einem Kurzen für jedes vollumfänglich erfüllte Klischee überlebt kein Mensch bis zur Mitte des Films. Da nutzt es auch nicht, dass sich die Darsteller:innen ordentlich ins Zeug legen – vor allem Belén Fabra zeigt nicht nur vollen Körpereinsatz, sondern auch ansatzweise Talent – wenn das Drehbuch dumm ist, schauen auch sie dumm aus. Immerhin gibt es den Film gratis auf Prime zu sehen, ich hätte sonst mein Geld zurückverlangen müssen.


2,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Woyzeck (1979)

Regie: Werner Herzog
Original-Titel: Woyzeck
Erscheinungsjahr: 1979
Genre: Drama
IMDB-Link: Woyzeck


Die Zusammenarbeit von Werner Herzog und Klaus Kinski hat zu großartigen Filmen geführt sowie zu einigen der legendärsten Wutausbrüche, die jemals auf Kamera festgehalten wurden. Ich will es mal so formulieren: Zum Glück für den Weltfrieden hat Kinski den Beruf des Schauspielers ergriffen und nicht jenen des Diplomaten. Aber nun zum Film. „Woyzeck“ ist von den gemeinsamen Filmen von Werner Herzog und Klaus Kinski wohl der schwächste, den ich kenne. Zu genau hält sich Herzog an die Vorlage von Georg Büchner. An sich ist Vorlagentreue eine gute Sache, doch wenn ein Skript einfach Wort für Wort abgearbeitet wird, fehlt am Ende etwas – der kreative Funke, der im optimalen Fall auf das Publikum überspringt. Und genau das macht Herzog in diesem Film: Er nimmt die Geschichte um den etwas einfältigen Soldaten Woyzeck, der von seinem Hauptmann und dem Garnisonsmediziner ausgebeutet wird und mit der hübschen Marie ein uneheliches Kind hat, das sein ganzes Geld verschlingt, etwas zu wörtlich. Jede Szene könnte genau so auch auf einer Theaterbühne gezeigt werden. Auch das ist an sich kein Merkmal mangelnder filmischer Qualität – es gibt Beispiele, bei denen ein solcher Ansatz ganz hervorragend funktioniert. Nehmen wir mal „Dogville“ von Lars von Trier. Aber es braucht dennoch für einen rundum gelungenen Film einen kreativen Akt, den ich bei „Woyzeck“ so nicht sehe. Dabei hat der Film seine Qualitäten: Seien es die überzeugenden Darstellungen von Eva Mattes oder Josef Bierbichler, die trügerisch-idyllische Kleinstadtkulisse, die ökonomische Laufzeit und natürlich Klaus Kinski, diese Urgewalt. Allerdings ist die Verpflichtung von Kinski als Woyzeck ein zweischneidiges Schwert: Denn auch wenn er sich einmal mehr die Seele aus dem Leib spielt, so ist Kinski für die Rolle fast zu groß, zu präsent, zu charismatisch. Jeden Moment rechnet man damit, dass sein simpler Woyzeck einen kinski’esken Wutanfall bekommt und den körperlich mächtigeren Bierbichler auf Fingerhutgröße zusammendampft. Immerhin geht das Ende des Dramas wieder gut zusammen mit seinen berühmten Ausrastern, doch der Weg dahin zieht sich trotz einer ökonomischen Laufzeit von gerade mal 77 Minuten. Wer die Zusammenarbeit von Kinski und Herzog in voller Blüte sehen möchte, greift lieber zu „Nosferatu – Phantom der Nacht“ oder „Aguirre, der Zorn Gottes“.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Zwei vom Affen gebissen (1967)

Regie: Giuseppe Colizzi
Original-Titel: Dio perdona … io no!
Erscheinungsjahr: 1967
Genre: Western
IMDB-Link: Dio perdona … io no!


1967 befindet sich der Italo-Western auf einem ersten Höhepunkt. Das Publikum lechzt nach mehr. Auftritt eines coolen Blonden mit stahlblauen Augen und eines schlagkräftigen, aber gutmütigen Bären. Das Kult-Duo Terence Hill & Bud Spencer erlebt seine Geburtsstunde. Und schon bald sehen die Filmstudios und Vertriebe das gewaltige Vermarktungspotential … und vermurksen alles. Es beginnt damit, dass die Rolle des von Hill gespielten Falschspielers, der von einem engen Freund übers Ohr gehauen wird, im Original Cat Stevens geheißen hat (praktischerweise hat der reale Cat Stevens seinen Namen etwa zehn Jahre später abgelegt, um Verwechslungen zu vermeiden, so die gerade von mir frei erfundene Legende). Die deutsche Synchronisation denkt sich: Cat Stevens, wie fad! Die Django-Filme mit Franco Nero in der Hauptrolle liefen zuletzt ja richtig gut, also warum nennen wir die Hauptfigur nicht einfach Django (was in der verhatschten Synchronisation, aber davon später, wie „Zango“ klingt) und bringen den Film im deutschsprachigen Raum unter dem Titel „Gott vergibt … Django nie!“ ins Kino? Gesagt, getan. Und nun zum zweiten Problem mit diesem Film, das uns die Synchronisation eingebrockt hat: Nachdem das Duo Spencer/Hill eine Reihe von sehr erfolgreichen Filmen, darunter etliche Westernkomödien wie Die linke und die rechte Hand des Teufels gedreht hatte, dachte man sich 1981: Hey, nachdem das Publikum diese schnoddrigen Sprüche und Prügelorgien liebt, synchronisieren wir doch einfach auch ihren Erstling noch mal neu und reichern ihn um diese markanten Kalauer an. Unter dem neuen Titel „Zwei vom Affen gebissen“ läuft der Film noch einmal durch die deutschsprachigen Kinos. Klingt gut in der Theorie, ist aber fürchterlich in der Praxis. Denn „Dio perdona … io no!“, wie der Film unter der Regie von Giuseppe Colizzi im Original heißt, ist alles andere als Klamauk. Wir haben es hier mit einem knallharten, brutalen Western der alten Schule zu tun. Hier wird gemordet, betrogen, geblutet und gefoltert. Die flapsigen Sprüche, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen hineingeschnitten wurden und die den Reiz der späteren Filme der beiden erst ausmachen, verwässern die spannungsgeladene, düstere Grundstimmung dieses Films völlig. Da hilft es nicht einmal, dass Frank Wolff einen unfassbar charismatischen Schurken spielt und Terence Hill und Bud Spencer vielleicht die seriöseste Leistung ihrer gesamten Schauspielkarriere zeigen – die Synchronisation fährt diesen knallharten Western beinahe komplett an die Wand. 5,5 Kürbisse gibt es immerhin für die nicht kaputt zu bekommende Grundstruktur. Man wünscht sich nur in fast jeder Szene, die ursprüngliche Synchronfassung sehen zu können statt dieses Gemurkses.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Le Mans 66 – Gegen jede Chance (2019)

Regie: James Mangold
Original-Titel: Ford v Ferrari
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Sportfilm, Biopic, Action, Drama
IMDB-Link: Ford v Ferrari


Im Kino damals verpasst, nun im Patschenkino nachgeholt und tatsächlich ein wenig bedauert, den damals nicht auf der großen Leinwand gesehen zu haben: „Le Mans 66 – Gegen jede Regel“ (im Original: „Ford v Ferrari“) von James Mangold darf sich wohl als einer der besten Rennsportfilme aller Zeiten bezeichnen. Nie zuvor habe ich in einem Film dermaßen nachempfinden können, was es heißt, solche schnellen Autos bis ans ihr Limit und darüber zu pushen, nicht einmal im von mir hochgeschätzten „Rush“. Der Oscar für den besten Schnitt ist hochverdient! Wenn man den Film allerdings auf diese technischen Aspekte und auf die Adrenalin getränkte Darstellung des Motorsports reduziert, tut man ihm Unrecht. Den zunächst ist „Ford v Ferrari“ eine Außenseitergeschichte. Der Titel impliziert dies bereits, doch es wäre falsch, sich hier auf den ersten Eindruck zu verlassen und darauf zurückzuziehen. Die Ford Motor Company war und ist beileibe kein Außenseiter, auch wenn ihr bis Anfang der 60er Jahre nicht eingefallen ist, in der höchsten Motorsportklasse gegen renommierte Rennsportautoerzeuger wie Ferrari oder Porsche anzutreten. Aber was tut man nicht alles, wenn die Verkaufszahlen sinken? Auftritt Carroll Shelby (Matt Damon), ehemaliger Rennfahrer und Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, der nun Autos verkauft und seine eigenen Rennwägen bastelt. Der soll Ford ein Auto hinstellen, das den als unbesiegbar geltenden Ferraris in Le Mans davonfährt. Doch dazu braucht es nicht nur ein schnelles Auto, sondern auch einen schnellen Fahrer, und der impulsive, nonkonforme Kriegsveteran Ken Miles (Christian Bale) ist ein solcher. Gemeinsam bilden die beiden das ungewöhnliche Dreamteam, das den Giganten der Familienschaukelerzeugung zu Lorbeer führen soll. Und das ist nun die eigentliche Außenseitergeschichte, denn weder Shelby noch Miles passen zu dem strikt hierarchisch geführten Konzern. Der größte Gegner ist nicht Ferrari auf der Strecke. Wie in vielen Biopics nimmt sich das Drehbuch künstlerische Freiheiten, um die Dramatik zu erhöhen, doch verwässern diese Freiheiten im Fall von „Ford v Ferrari“ nicht die Geschichte. Der Fokus bleibt immer auf diesen beiden Motorsportfanatikern und ihrem Kampf um Erfolg – nicht um des Erfolgs willen, sondern weil sie ganz einfach nicht anders können, als ständig aufs Gaspedal zu drücken, mit allen entsprechenden (auch negativen) Folgen. So gesehen ist „Ford v Ferrari“ ein Film über unbeugsamen Willen und die Opfer, die damit einhergehen, und somit überraschend tiefgängig.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Merrick Morton – © 20th Century Fox, Quelle http://www.imdb.com)

Bottle Shock (2008)

Regie: Randall Miller
Original-Titel: Bottle Shock
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Komödie, Drama, Biopic
IMDB-Link: Bottle Shock


Für Weinfreaks ist die Weinjury von Paris 1976 so etwas wie die erste Herztransplantation durch Dr. Barnard, die Präsidentschaftswahl von Donald Trump oder der Brexit: Etwas nie für möglich Gehaltenes passiert und stellt die Welt auf den Kopf. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die Überlegenheit französischer Weine in der Weinwelt als so fest wie das Amen im Gebet. Der in Paris lebende englische Weinkritiker und Händler Steven Spurrier (Alan Rickman), ebenfalls großer Fan französischer Erzeugnisse, findet aber eine kreative Möglichkeit, seinen schlecht laufenden Shop zu promoten, indem er die „Weinjury von Paris“ einberuft: Die renommiertesten Weinkritiker Frankreichs sollen eine Auswahl hochwertiger französischer Weine blind neben kalifornischen Weinen aus Napa Valley verkosten, darunter den Chardonnay von Chateau Montelena, betrieben durch den ehrgeizigen Quereinsteiger Jim Barrett (Bill Pullman) und dessen Hippie-Sohn Bo (Chris Pine). Die Kalifornier, die zwar mit Herzblut bei der Sache sind, aber auf keine lange Weintradition wie Frankreich verweisen können, sind skeptisch: Will man sie vor der Weltöffentlichkeit vorführen? Dass Spurrier durch und durch Brite ist mit allen dazugehörigen Manierismen und Eigenheiten, macht die interkulturelle Annäherung nicht einfacher. Aber man beschließt, der ganzen Sache eine Chance zu geben. Das Ergebnis wird die Fachwelt in ihren Grundfesten erschüttern. „Bottle Shock“ basiert auf wahren Begebenheiten, sowohl Steven Spurrier als auch die Barretts waren bzw. sind real lebende Persönlichkeiten, und die Weinjury von Paris 1976 gab es in dieser Form ebenfalls – mit weitreichenden Folgen für die Weinwelt. Da ich selbst einen guten Tropfen zu schätzen weiß, waren die Voraussetzungen für eine wohlwollende Bewertung des Films schon mal sehr gut. Dazu der legendäre Alan Rickman, der von mir ebenfalls sehr geschätzte Bill Pullman, ein sympathischer Freddy Rodriguez in der Rolle des Weinbaugehilfen Gustavo und Rachael Taylor als Praktikantin, die alle Blicke auf sich zieht. Alle Zutaten für einen guten Film sind da, aber es ist halt auch wie bei der Weinerzeugung selbst: Wenn man es zu formelhaft angeht, springt der magische Funke halt nicht über und das Erzeugnis ist zwar von sauberer Qualität, aber eben austauschbar und nicht mitreißend. So geht es auch „Bottle Shock“ – unterm Strich ein solider Film, aber zu routiniert inszeniert, um zum Publikum eine echte Bindung aufbauen zu können.


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2008 Twentieth Century Fox, Quelle http://www.imdb.com)