Musikfilm

Pitch Perfect (2012)

Regie: Jason Moore
Original-Titel: Pitch Perfect
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Komödie, Musikfilm
IMDB-Link: Pitch Perfect


College ist schon eine sehr seltsame Einrichtung. Wenn man den zahlreichen Hollywood-Filmen, die vom College und der Collegezeit erzählen, Glauben schenken darf, ist diese Institution im Grunde primär ein Ferienlager für hormongesteuerte Teenager, in dem alles erlaubt ist, nur nicht Lernen oder gar der akademische Abschluss. Im Fall von Beca (Anna Kendrick) wird dies auf die Spitze getrieben, denn der wird vom reichen Papa ein College-Jahr finanziert, ohne dass sie dafür irgendwas tun müsste, geschweige denn Kurse besuchen. Nein, dem Papa geht’s um etwas ganz anderes: Spaß soll es haben, das Mädel, Freundinnen soll es finden. Und natürlich hat Beca erst einmal gar keinen Spaß, denn statt auf dem Collegegelände herumzulungern, möchte sie viel lieber in L.A. ihre eigene Musik produzieren. Doch es kommt natürlich immer anders, als man denkt, und schon findet sie sich al Teil einer A-capella-Truppe wieder, der Barton Bellas, angeführt von der ehrgeizigen Aubrey (Anna Camp) und ihrer Freundin Chloe (Brittany Snow). Die haben mit dem landesweiten Gesangswettbewerb und vor allem mit der männlichen Konkurrenz der „Treblemaker“ noch eine Rechnung aus dem Vorjahr offen, doch muss die Gesangstruppe komplett neu formiert werden, was angesichts der vielen starken neuen Charaktere, darunter eben Beca oder „Fat Amy“ (die Durchbruchsrolle von Rebel Wilson), kein einfaches Unterfangen ist. „Pitch Perfect“ von Jason Moore hat vor allem ein Ziel: Der Film möchte gute Laune verbreiten und unterhalten. Und das gelingt ihm hervorragend dank sympathischer Besetzung, wirklich cool choreografierten und gesungenen Liedern und allgemein einer fröhlichen Energie, die sich auf das Publikum überträgt. Wer tiefere Lebensweisheiten sucht, wird hier eher nicht fündig, und die Figuren sind teils schon arg klischeehaft gehalten, und doch braucht es nicht viel, um sich breit grinsend in den Film hineinfallen zu lassen und zumindest mit der Fußspitze, aber gerne auch mit dem ganzen Körper zu den Songs mit zu wippen. Wer sich davon nicht mitreißen lässt, ist wohl so tief im Weltschmerz gefangen, dass selbst Nick Cave wie ein Partyclown wirkt.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 2012 – Universal Pictures, Quelle http://www.imdb.com)

Rickerl – Musik is höchstens a Hobby (2023)

Regie: Adrian Goiginger
Original-Titel: Rickerl – Musik is höchstens a Hobby
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Komödie, Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Rickerl – Musik is höchstens a Hobby


Die Wiener und ihr Sinn fürs Morbide. Während der Ambros Woifi den Zentralfriedhof hochleben hat lassen, gräbt Voodoo Jürgens gleich die Toten aus. Dieser Star der jungen neuen Welle des Austropops, dessen Musik noch eine Schicht tiefer unter die Haut geht als die seiner Vorgänger, spielt in Adrian Goigingers neuestem Film den „Rickerl“ Bohacek, einen Beislmusiker und AMS-Stammgast ohne Ambitionen. Klar, er hat einen Manager, der sichtlich an ihm verzweifelt, und vor einiger Zeit stand er schon mal kurz vor der Aufnahme seiner ersten Platte, hat aber im letzten Moment zurückgezogen. Mit seiner Exfreundin Viki (Agnes Hausmann) hat er einen Sohn, Dominik, um den er sich alle zwei Wochenenden rührend kümmert. Aber der Rickerl führt halt ein patschertes Leben. Kaum Geld, immer kurz vor der Delogierung, und die Frau König vom Arbeitsamt verliert auch zunehmend die Nerven. Nur wenn der Rickerl zur Gitarre greift und seine traurig-melancholischen Lieder anstimmt, passiert etwas mit ihm: Da schleicht sich so ein versonnenes Lächeln in sein Gesicht, die Augen geschlossen geht er völlig in seiner Musik auf, und man merkt: Dieser Rickerl sieht mehr als wir anderen. Er schaut genau hin: Auf die Obdachlosen, die Gescheiterten, auf die Alkoholiker im Stammbeisl, auf die Traurigen und die Verlebten. Er klagt nicht an, er erzählt – vom Scheitern und dem Trotzdem-Weitermachen. Und genau darin spiegelt sich auch Goigingers große Stärke in dem Film: Auch Goiginger ist ein Filmemacher, der nicht mit dem Finger auf andere zeigt und urteilt, sondern seinen Figuren einfach die Hand gibt und sie für sich selbst sprechen lässt, wie er es auch in seinem ersten Film Die beste aller Welten gehalten hat. Voodoo Jürgens ist die Idealbesetzung für den Rickerl. Es bleibt offen (und ist von Voodoo Jürgens auch so gewünscht), wie viel Rickerl in Voodoo Jürgens steckt und wie viel Voodoo Jürgens im Privatmenschen David Öllerer, der im Q&A jedenfalls darauf besteht, dass man diese Figuren, diese Identitäten auch voneinander trennt. Doch der Gedanke liegt nah, dass sowohl Rickerl als auch Voodoo Jürgens Facetten zeigen, die der Darsteller in sich trägt, wenngleich auch künstlerisch verfremdet. Ob es nun so ist oder nicht: Dem Film tut es jedenfalls gut, dass die Grenzen manchmal zu verschwimmen scheinen, denn so bleibt die Figur des Rickerl ungemein authentisch und glaubwürdig.


7,5 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Sound of Metal (2019)

Regie: Darius Marder
Original-Titel: Sound of Metal
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Sound of Metal


Ich habe ein Faible für Schlagzeuger, ich liebe Rockmusik. Ich liebe die mitreißende Energie eines guten Songs, drehe die Lautstärke dabei gerne einmal auf Anschlag. Wie grausam muss es sein, wenn man etwas, was man so liebt, plötzlich verliert? Der von Riz Ahmed genial verkörperte Musiker und Schlagzeuger Ruben erleidet eines Tages während einer Tournee mit seiner Freundin Lou (Olivia Cooke), zusammen sind sie die Hard Rock-Band Blackgammon, einen Hörsturz. Die Diagnose ist erschütternd: Nur noch etwa 20% Hörfähigkeit bleiben Ruben, und auch diese verschlechtern sich und reichen bei weitem nicht aus, die Geräusche des Alltags aufzunehmen oder sich an Gesprächen zu beteiligen. Ruben ist mehr oder weniger taub. Er wird in einer Gemeinschaft von Gehörlosen unter der Leitung von Joe (Paul Raci) aufgenommen, wo er lernen soll, mit seiner Situation umzugehen. Doch kann er sein altes Leben hinter sich lassen? „Sound of Metal“ ist ein überragendes Regiedebüt von Darius Marder und gleichzeitig eine gewaltige Schauspielleistung von Riz Ahmed und Paul Raci, beide völlig zu Recht mit Oscarnominierungen geehrt, im Falle von Raci sogar die erste, die jemals an einen gehörlosen Schauspieler ging. Die große Leistung, die alle drei vereint, ist eine völlige Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit bei Verzicht auf Sentimentalität. Niemand heischt hier um Mitleid, und gerade dadurch nimmt die Zuseher das Geschehen so mit, wird dieser Verlust einer ganzen Welt, eines ganzen Lebens so greifbar. Ohne allerdings das kongeniale Sounddesign, das verdientermaßen mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, würde dem Film eine wesentliche Komponente fehlen. Der Film schafft es allerdings mit seinem Sound, die Zuseher auf physisch mitzunehmen auf diese Reise in die Stille. Immer wieder werden die Szenen durch die Ohren von Ruben vermittelt, man fühlt seine Konfusion, sein Verlust von Verbindungen mit und bekommt dadurch ein Gespür vermittelt, wie wichtig dieser oft unterschätzte Sinn des Hörens für unser Leben ist. „Sound of Metal“ ist wahrlich kein Feelgood-Movie, aber ein in allen Belangen exzellenter, hochseriöser Film, der sich seinen Platz in der Filmgeschichte sichern wird.


8,5 Kürbisse

(Bildzitat: © Courtesy of TIFF, Quelle http://www.imdb.com)

Tár (2022)

Regie: Todd Field
Original-Titel: Tár
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Tár


Lydia Tár ist ein Superstar der Klassikszene. Die stets eloquente wie elegante Dirigentin leitet als einzige Frau weltweit ein renommiertes Philharmoniker-Orchester, nämlich in Berlin. Dazu unterrichtet sie auf Hochschulen, gibt gefeierte Interviews auf großen Bühnen und bringt auch noch ein neues Buch heraus, in dem sie ihre Sicht auf Musik teilt. Privat ist sie mit ihrer ersten Violinistin verheiratet, mit der sie auch eine Tochter hat. Alles fein also, wären da nicht seltsame E-Mails, die ihre sichtlich verunsicherte Assistentin von einem ehemaligen Orchestermitglied empfängt. Lydia Tár hat für derartige Belanglosigkeiten jedoch keine Zeit und keinen Nerv, sie hat Wichtigeres vor, nämlich Mahlers 5. Symphonie neu einzuspielen. Und darüber hinaus eine junge, knackige Cellistin zu protegieren, die neu ins Orchester gekommen ist. Doch dann entwickeln sich die Dinge allmählich so, dass Tár die Kontrolle darüber verliert. Plötzlich wird sie von einem selbst verursachten Strudel in Richtung Abgrund gezogen. „Tár“ von Todd Field ist ein intelligentes und perfides Stück Kino und eine weitere Meisterleistung von Cate Blanchett in der Hauptrolle. Ihre Lydia Tár ist eine Frau, die sich mit Ellbogen nach oben kämpfen musste und die Bodenhaftung verloren hat. Der große Erfolg verleitet sie zur Annahme, einen unsichtbaren Schutzschild zu besitzen, an dem alles abprallt, wie man es so oft bei Menschen sieht, die über lange Jahre in Machtpositionen sitzen. Erinnerungen an Harvey Weinstein und andere tief Gefallene werden wach. Perfid ist „Tár“, weil er den Machtmissbrauch dem für gewöhnlich in solchen Situationen Machtloseren umhängt und gerade dadurch ein grelles Licht darauf wirft. Streng durchkomponiert wie ein Stück klassischer Musik seziert Todd Field in seinem Film diese Machtgefälle in der Kunst (natürlich auch auf alle anderen Bereiche übertragbar) und verfremdet seine Beobachtungen mit leicht surrealen Momenten der Bedrohung, die das Innenleben der Protagonistin sichtbar machen. Um so einen Film zu tragen, braucht es schon ein Kaliber wie Cate Blanchett, die einmal mehr zeigt, warum sie als eine der besten Schauspielerinnen ihrer Zeit gehandelt wird. In allen Belangen ist „Tár“ ganz große Kunst.


8,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga (2020)

Regie: David Dobkin
Original-Titel: Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Komödie, Musikfilm, Satire, Rom-Com
IMDB-Link: Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga


Will Ferrell kann ganz schön anstrengend sein. Die stoischen Kindsköpfe, die er stets zu spielen pflegt, haben sich halt mittlerweile abgenutzt, und man könnte meinen, dass er ein One-Trick-Pony ist. Für das wunderbare „Stranger Than Fiction“ war er perfekt, aber der Film liegt halt auch schon wieder 14 Jahre zurück. Und nun spielt er in „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ einen isländischen Popmusiker, der mit seiner Partnerin Sigrid (Rachel McAdams) beim Eurovision Song Contest groß rauskommen möchte. Sein einziger Lebenstraum: Dort zu triumphieren. Was nach einem sicheren Weg ins filmische Desaster klingt, nämlich die Parodie auf eine Parodieveranstaltung mit dem stoischen Kindskopf Will Ferrell in der Hauptrolle, entpuppt sich überraschend als recht charmante Hommage an einen Wettbewerb, den keiner ernst nehmen kann und der gerade deshalb so großartig und wichtig ist. Die musikalischen Beiträge und deren Interpreten sind auf dem Punkt. Jeder einzelne von ihnen könnte im echten Eurovision Song Contest auftreten. Und so lächerlich die Veranstaltung per se auch ist, sie wird von David Dobkins Film nicht lächerlich gemacht. Da merkt man, dass die Macher mit sehr viel Liebe ans Werk gegangen sind. Und plötzlich ist auch Will Ferrell wieder erträglich, und die Musik plötzlich bei aller Absurdität gar nicht so schlecht und das Leben irgendwie schön und bunt. Soll nichts Schlimmeres passieren als der neue Will Ferrell-Film.


6,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by John Wilson/NETFLIX/John Wilson/NETFLIX – © 2020 Netflix, Inc., Quelle imdb.com)

I’m Still Here (2010)

Regie: Casey Affleck
Original-Titel: I’m Still Here
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Komödie, Musikfilm, Drama
IMDB-Link: I’m Still Here


Künstler sind sensible Seelen, und sie haben es schwer. Oft missverstanden und reduziert auf ihr Werk, das sie möglichst wiederholen sollen, aber bitte sich selbst dabei schon treu bleiben, sonst droht das Etikett „Ausverkauf!“. Joaquin Phoenix, in diesem Jahr Oscar-geadelt für seine unglaubliche Leistung in Joker, scheint ein solches Pflänzchen zu sein. Die Schauspielerei füllt ihn nicht mehr aus, außerdem sehen die Menschen ja immer nur die Rolle, nie denjenigen, der dahintersteckt. Was gäbe es also naheliegenderes, als den Brotberuf an den Nagel zu hängen und sich stattdessen als Musiker auszudrücken? Die Musik ist schließlich das Tor zur Seele. Dass sich Phoenix nun ausgerechnet das Genre des Hip-Hop ausgesucht hat, in dem er nicht übermäßig viel Talent zeigt, nun, das ist schließlich seine eigene Sache. Also bastelt er mit seinen engsten Vertrauten an seiner Karriere als Rapper, während die Welt darüber am Rätseln ist, ob nicht die eine oder andere illegale Substanz, die er sich auf dem Weg dahin hineinpfeift, nicht zu viel des Guten war. Aber halt! Vielleicht ist das alles nur ein Hoax? Vielleicht machen sich Phoenix und sein Schwager und Partner in Crime Casey Affleck nur einen Riesenspaß aus der Sache? „I’m Still Here“, die Mockumentary zu diesem schrägen Karriereknick, lässt sich nicht in die Karten schauen. Mit größter Ernsthaftigkeit verfolgt Affleck Phoenix‘ Weg durch die Abgründe von Midlife-Crisis, Drogenexzessen mit Prostituierten und Begegnungen mit schier fassungslosen Größen des Genres wie P. Diddy. Angeblich wollten Joaquin Phoenix und Casey Affleck damit ein Statement setzen zur Leichtgläubigkeit der Menschen. Vielleicht hatte Phoenix aber auch wirklich nur Lust, sich ein Jahr verbotenes Zeug reinzuziehen und auf Körperhygiene zu pfeifen. Das kann ja auch befreiend wirken. Der Zuseher erfährt es nicht und wird es wohl auch nie zur Gänze erfahren, auch wenn das Ergebnis dieses seltsamen Jahres, eben der Film, in eine bestimmte Richtung deutet. Aber was weiß man schon? Viel Substanz bietet das filmische Ergebnis dieser Reise jedenfalls nicht, bestenfalls einige genuine WTF-Momente und sehr viel Fremdschämen – sowie das ständige Rätseln darüber, wie das alles nun gemeint ist. Das kann durchaus abendfüllend sein, aber man muss sich diesem Rätsel nicht wiederholt hingeben – so viel steckt dann eben auch nicht dahinter.


5,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Fantasia (1940)

Regie: James Algar und Samuel Armstrong
Original-Titel: Fantasia
Erscheinungsjahr: 1940
Genre: Animation, Musikfilm, Episodenfilm
IMDB-Link: Fantasia


Es gibt kaum einen Filmfan, der die ikonische Sequenz mit Mickey Mouse als Zauberlehrling, der die Kontrolle über seine Zauberei verliert, nicht kennt. Ein zeitloser Klassiker der Filmgeschichte. Man tut dem Musikfilm „Fantasia“, der auf unnachahmlich kreative Weise klassische Musik und Animationsbilder verknüpft, aber Unrecht, wenn man ihn auf diese Szene reduziert. Denn „Fantasia“, produziert von Walt Disney unter der Regie von James Algar und Samuel Armstrong, bietet eigentlich ausschließlich Meisterstücke der Animationskunst – ob es nun das Tier-Ballett zur Musik von Ponchiellis „Tanz der Stunden“, die Reise durch die Urgeschichte der Erde zu Strawinskis „Le Sacre du Printemps“ oder der Totentanz am Ende zu Mussorgskis „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ ist. Musik und Animation gehen in allen Szenen eine fast schon hypnotisch anmutende Verbindung ein. Die Sequenzen sind zum Teil humorvoll, dann wieder dunkel und bedrohlich. Die Disney-Studios zeigen hier all ihr Können aus den frühen ersten Jahrzehnten und bringen dies auf ungeahnte neue Höhen. Trotz einer respektablen Laufzeit von knapp über zwei Stunden wird der episodische Film niemals langweilig – zu unterschiedlich sind die Sequenzen, zu meisterhaft inszeniert ist jede einzelne davon. Interessant ist, dass das zeitgenössische Publikum dieses Meisterwerk gar nicht zu schätzen wusste. Der finanzielle Misserfolg von „Fantasia“ trieb Disney beinahe in den Ruin. Erst später erkannten Filmliebhaber weltweit, was für eine Perle der Film tatsächlich ist. Die ersten, die den Film für sich entdeckten, waren im Übrigen Jugendliche, die den Film begleitend zu psychedelischen Drogen konsumierten. Das allein zeigt schon, wie weit Disney mit diesem Film seiner Zeit voraus war.


8,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: © 1940 – Walt Disney Productions, Quelle: imdb.com)

Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt (2010)

Regie: Edgar Wright
Original-Titel: Scott Pilgrim vs. the World
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Komödie, Musikfilm, Liebesfilm, Fantasy
IMDB-Link: Scott Pilgrim vs. the World


Scott Pilgrim (Michael Cera) ist ein verhuschter, 22jähriger Nerd, arbeitslos, Bassist in einer Band, er datet ein High School-Girl und trauert seiner Ex nach. Dann trifft er auf die geheimnisvolle Ramona (Mary Elizabeth Winstead). Alles könnte gut sein, wäre da nicht die Liga der bösen Ex-Freunde, die Scott nach und nach besiegen muss. Anders als bei vielen Comic-Verfilmungen wirkt der Film selbst wie ein Comic. Da gibt es keine Übersetzung von einem Medium zum Anderen, keine Reduktion des übertriebenen Comic-Stils, da dieser in 90 Minuten Bewegtbildern vielleicht auf die Nerven gehen könnte – nein, Edgar Wright entscheidet sich für einen ganz anderen Ansatz: Der Film IST ein Comic. Wenn das Telefon läutet, steht fett „Rrrrring!“ auf dem Bildschirm, wenn Scott Wasser lässt, leert sich der Pinkel-Balken rechts oben, Schlägereien werden sowohl akustisch als auch schriftlich entsprechend begleitet, und alles ist bunt und knallig. Auf einen solchen Film sind, denke ich, exakt zwei Reaktionen möglich: Entweder man ist davon genervt. Oder man feiert jede einzelne Szene. Ich gehöre glücklicherweise zu der zweiten Gruppe. Für mich gehört „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ zu den aberwitzigsten, liebevoll kreativsten und eigenständigsten Filmen, die jemals gemacht wurden. Ganz gleich, wie mies meine Laune ist – ich muss nur den Film einlegen und eineinhalb Stunden später bin ich der fröhlichste Mensch der Welt. Insgesamt wurde der Film sicherlich unter Wert geschlagen, als er 2010 erschien. Und vielleicht mag er heute, zehn Jahre später, auch in dieser Hinsicht schon wieder überholt sein, da die Geeks von heute andere Dinge feiern als die Geeks, für die der Film vor zehn Jahren gedreht wurde. Aber für mich bleibt „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“ ein zeitloser Klassiker, der verliebten Nerds auf der ganzen Welt ein Denkmal setzt.


9,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Felix in Wonderland (2019)

Regie: Marie Losier
Original-Titel: Felix in Wonderland
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Dokumentation, Musikfilm
IMDB-Link: Felix in Wonderland


Wenn Marie Losier dokumentarische Porträts dreht, dann ist sie weniger an biographischen Inhalten interessiert, sondern mehr in der von den gefilmten Personen selbst gewollten Inszenierung. So schon gesehen bei Cassandro the Exotico! und nun auch in „Felix in Wonderland“. In ihrem Film zeigt sie, wie Felix Kubin, ein deutscher Avantgardemusiker, die Welt sieht. Für ihn ist alles Musik, alles Rhythmus, und am liebsten sind ihm Dissonanzen, Interferenzen, die „Zwischenräume“, wie er sie beschreibt. Dass er dabei immer wieder wie ein Alien wirkt, dass nach einem Besäufnis auf der Erde notlanden musste und nun verkatert herauszufinden versucht, wie man sich auf diesem seltsamen Planeten verständlich macht, kann man durchaus als beabsichtigt voraussetzen. Denn Felix Kubin inszeniert sich selbst als Kunstfigur, und Marie Losier ist dabei Erfüllungsgehilfin. Die Stärken dieses unkonventionellen Films, der auch immer wieder avantgardistische Einschübe aufweist, sind Stellen anarchischen Humors, wenn zum Beispiel Felix Kubin eine Reihe von Experimenten durchführt, wie man Mikrofonen Schaden zufügen kann. Die witzigste dabei ist gleich zu Beginn zu sehen, wenn er das Mikrofon in ein Brötchen steckt, um einen Hund darauf herumkauen zu lassen. Allerdings muss man auch hinnehmen, dass all das, was Felix Kubin von sich präsentiert, verständlich allein für jemanden in der Welt Felix Kubins ist, im Zweifelsfall ausschließlich für Felix Kubin selbst. Kunst muss sich nicht erklären. Das ist schon okay so. Aber dann kann man als Zuseher auch für sich vermerken, dass die Angelegenheit zwar stellenweise spaßig anzusehen ist, aber darüber hinaus keinen Mehrwert bringt. Der Versuch, die Welt aus der Sicht von Felix Kubin zu zeigen, erklärt diese eben nicht.


5,0
von 10 Kürbissen

Yesterday (2019)

Regie: Danny Boyle
Original-Titel: Yesterday
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Liebesfilm, Musikfilm, Komödie, Fantasy
IMDB-Link: Yesterday


Ich mag Danny Boyle und seinen Zugang zu Filmen. Diese sind immer dynamisch, rhythmisch, voller Musik und mit einem verdammt guten Pacing gemacht. Und zumeist kann er sich auf richtig gute Schauspielerinnen und Schauspieler verlassen. Kurz: Er versteht sein Handwerk und hat einen sehr eigenen, leicht wiederzuerkennenden Stil entwickelt. „Yesterday“, eine romantische Musik-Komödie mit leichtem Fantasy-Einschlag, scheint da erst einmal nicht richtig hineinzupassen. Der Trailer sieht niedlich aus, aber so ganz klar, dass es sich um einen Danny Boyle-Film handelt, ist es nicht. Das findet man erst heraus, wenn man wirklich im Kino sitzt. Denn dann stimmt plötzlich wieder alles zusammen: Der Schnitt und das Timing, die Beleuchtung, die schrägen Kamerafahrten, vor allem aber die schauspielerischen Leistungen. Newcomer Himesh Patel spielt wunderbar sympathisch den erfolglosen Musiker Jack Malik, der eines Nachts von einem Bus angefahren wird und tags darauf feststellt, dass er der einzige Mensch weltweit ist, der sich an die Beatles und ihre Songs erinnern kann. Natürlich wird dieses Wissen zu einer Goldgrube für ihn. Lily James ist seine hoffnungslos in ihn verschossene Agentin und platonische Freundin, und ganz ehrlich: Man möchte diesem Jack Malik an die Gurgel fassen, dass er so blöd ist, die Gefühle dieses bezaubernden Wesens nicht wahrzunehmen und zu erwidern. Lily James als Ellie ist unfassbar süß. Und auch die Nebenrollen sind gut (und saukomisch) besetzt – ob nun Kate McKinnon als geldgierige Managerin, Joel Fry als verpeilter Slacker-Freund oder Ed Sheeran als Ed Sheeran – alles geht auf. Natürlich ist der Film selbst nicht mehr als nette Unterhaltung zwischendurch, die auf einer augenzwinkernden Prämisse aufbaut, die die Nostalgiker unter uns bedient. Aber der Film als solches ist einfach exzellent gemacht, streckenweise herrlich komisch, gut gespielt und rundum sympathisch. Und wer am Ende bei „Hey Jude“ nicht Lust bekommt, mitzusingen, dem ist eh nicht mehr zu helfen.


7,5
von 10 Kürbissen