Autor: Filmkürbis

The Day After Tomorrow (2004)

Regie: Roland Emmerich
Original-Titel: The Day After Tomorrow
Erscheinungsjahr: 2004
Genre: Abenteuerfilm, Science Fiction
IMDB-Link: The Day After Tomorrow


Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der größte Hurra-Patriot Hollywoods ausgerechnet ein Deutscher ist. Die Formel für Filmstudios ist einfach: Willst du pathetische Reden mit wehenden amerikanischen Flaggen vor dem Hintergrund einer totalen Apokalypse (die aber natürlich nur für die USA von Bedeutung ist, der Rest der Welt wird einfach mal nebenher in Schutt und Asche gelegt, weil’s eh wurscht ist), dann heuere Roland Emmerich an. In Independence Day, eigentlich, wenn man’s genau betrachtet, ein saudämlicher Film, funktioniert dieser Hurra-Patriotismus mit Fokus auf die Militärpotenz der US und A, ausnehmend gut, da sich ein sympathischer Cast durch die vertrottelte Prämisse arbeitet und der Film spannend inszeniert ist. Doch genau diese beiden Elemente, nämlich der sympathische Cast und die spannende Inszenierung, fehlen „The Day After Tomorrow“ leider gänzlich – und das trotz großartiger Darsteller wie Dennis Quaid oder Jake Gyllenhaal. Nur gehen einem die Figuren spätestens fünf Minuten, nachdem sie zum ersten Mal eine Dialogzeile aufsagen dürfen, ziemlich auf den Keks. Und wenn eine Gruppe von Leuten vor sich blitzartig bildendem Eis (!) davonläuft, ist das nicht spannend, sondern lächerlich. Ich meine, einmal gelesen oder gehört zu haben, dass „The Day After Tomorrow“ zum unwissenschaftlichsten Film aller Zeiten gekürt wurde. Und das eigentlich Traurige an der ganzen Sache ist, dass das Thema eigentlich ein enorm brisantes und heutzutage noch aktuelleres als damals ist: Der Feind ist hier nämlich der von Menschen beeinflusste Klimawandel. Doch genau das Bemühen Emmerichs, die dramatischen Auswirkungen desselben sichtbar zu machen, ziehen diese aufgrund völlig unpassender Mittel, die die Dramatik überhöhen sollen, ins Lächerliche. Und das ist ärgerlich. Auch wenn die Action sauber inszeniert ist und der Film seine Momente hat, kann ich dafür keine höhere Bewertung geben. Schade um die an sich hehre Botschaft.


3,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 2004 Twentieth Century Fox. All rights reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Her (2013)

Regie: Spike Jonze
Original-Titel: Her
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama, Liebesfilm, Science Fiction
IMDB-Link: Her


2013: Spike Jonze bringt einen visionären Science Fiction-Liebesfilm auf die Leinwand, in dem sich ein einsamer Schreiber von persönlich gestalteten Grußkarten und Briefen in ein Betriebssystem verliebt. Gut, es hat die Stimme von Scarlett Johansson, aber trotzdem kann ich mich an meine Verblüffung erinnern, als ich den Film zum ersten Mal im Kino sah. 2023: Statte ChatGPT mit Johanssons Stimme aus, und der Film ist Realität. Spooky. Was wohl Jonze selbst heutzutage über seinen Film denkt? Ich möchte ihm nicht einmal unterstellen, dass es seine Grundintention war, einen möglichst prophetischen Blick in die Zukunft zu werfen, denn ihm geht es in „Her“ sichtlich um andere Dinge: um das Gefühl der Verlorenheit, das uns alle manchmal überfällt, und um den Wunsch, mit jemanden eine emotionale Verbindung einzugehen, und sei es auch nur eine künstliche Intelligenz. Gleichzeitig aber verhandelt der Film auf weiteren Ebenen genau die Problematik, vor der wir heute stehen: Was, wenn sich diese von uns geschaffene Intelligenz weiterentwickelt? Welche Folgen hat das für uns? Hier ist Spike Jonze weniger pessimistisch, als ich es im Moment bin (man spürt vielleicht ein klein wenig, dass diesmal Charlie Kaufman, mit dem Jonze eine lange und denkwürdige kreative Zusammenarbeit verbindet, nicht involviert war), aber dennoch lässt er diese Frage nicht außer Acht. Dass „Her“ auch abseits seiner klugen Erzählung ein kleines Wunderwerk ist, liegt primär am sensationellen Cast. Joaquin Phoenix gehört zu den Meistern seiner Generation – er kann schlicht alles spielen, ob ein vom Leben gebrochener Psychopath wie in Joker, ein von Inzest- und Machtfantasien gebrochener Psychopath wie in Gladiator, oder eben jenen Theodore Twomley, von seiner früheren Beziehung gebrochen, aber alles andere als ein Psychopath, vielmehr eine unglaublich gutherzige, wenn auch verletzte Seele. Der Mann ist ein schauspielerisches Chamäleon. Daneben Scarlett Johansson, die nur deshalb um eine Golden Globe-Nominierung gebracht wurde, weil sie keine einzige Sekunde im Film zu sehen ist. Aber was sie mit ihrer Stimme anstellt, ist aller Ehren wert. Die hervorragende Amy Adams in einer kleinen, aber wichtigen Nebenrolle bringt schließlich so etwas wie eine Erdung in die Geschichte ein. „Her“ ist ein herausragender Film, der in allen Teilen meisterhaft und gleichzeitig auch mehr als die Summe seiner Teile ist.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of Warner Bros. Picture – © 2013 – Untitled Rick Howard Company LLC, Quelle http://www.imdb.com)

Bombshell – Das Ende des Schweigens (2019)

Regie: Jay Roach
Original-Titel: Bombshell
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: Bombshell


Der wohl denkwürdigste Spruch in Jay Roachs „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ lautet sinngemäß: „Es ist eine Fox-Nachricht, wenn es entweder deine Großmutter verängstigt oder bei deinem Großvater Ärger erregt“. Fox-News ist so etwas wie die amerikanische Bild-Zeitung im Fernsehen, nur konservativer. Dass sich der einflussreiche und cholerische CEO Roger Ailes (John Lithgow) gerne mal an hübschen Moderatorinnen vergreift als Gegenleistung für deren berufliches Fortkommen, kann man also getrost als perfekte Schlagzeile für Fox-News betrachten. Nur, dass die Frauen intern die Mauer machen – zu groß ist die Angst vor dem weitreichenden Einfluss des Ekels. Auch Megyn Reilly (eine dank Oscar-gekrönter Maske fast unkenntliche Charlize Theron), Aushängeschild des erzkonservativen Senders, möchte zunächst ihrer gefeuerten Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) nicht beispringen. Attacken seitens des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, der sich von Reillys kritischen Fragen zu seinem sexistischen Verhalten angegriffen fühlt, sind ihr erst einmal genug Action im Job, zumal plötzlich auch windige Fotografen auf ihrer Veranda stehen und versuchen, ihr Privatleben in die Öffentlichkeit zu zerren. Doch steter Tropfen höhlt den Stein, und allmählich wagen sich auch andere belästigte Frauen nach vorne. Das Imperium von Roger Ailes scheint angreifbar zu werden. „Bombshell“ ist ein weiterer Film, der die MeToo-Bewegung thematisiert und aufzeigt, wie oft Grenzen überschritten werden und wie das System die Grenzüberschreiter deckt. Das Thema allein muss man dem Film schon mal hoch anrechnen. Und auch schauspielerisch wird der Film von absoluten Größen der Branche getragen. Selbst Nebenrollen sind mit Kapazundern wie Margot Robbie, Malcolm McDowell, Allison Janney oder Richard Kind besetzt. Allerdings hat der Film ein Problem mit dem Pacing. Die Geschichte wird recht wirr erzählt, Zusammenhänge muss sich der Zuseher selbst erarbeiten, und es gibt wenige entscheidende Momente, die den Plot wirklich voranbringen. Vielmehr tröpfelt dieser vor sich hin, passend wiederum zu den realen Ereignissen, die auch nur langsam in Fahrt gekommen sind. Eine straffere Inszenierung hätte dem Film aber insgesamt gutgetan.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

The Long Goodbye (2020)

Regie: Aneil Karia
Original-Titel: The Long Goodbye
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama
IMDB-Link: The Long Goodbye


Riz Ahmed ist ein vielseitiger und interessanter Künstler, der bei mir bislang unter dem Radar geflogen ist. Doch spätestens mit seiner Oscar-Nominierung für „The Sound of Metal“ 2020 (den ich schändlicherweise immer noch nicht gesehen habe) und dem Gewinn 2022 gemeinsam mit Aneil Karia für den Kurzfilm „The Long Goodbye“ ist er nicht mehr zu übersehen. Dieses 11-minütige Drama ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit ökonomischen Mitteln eine facettenreiche Geschichte erzählt, die unter die Haut geht. Zunächst wird erst einmal fünf Minuten lang in einer fröhlichen Familie in England mit Migrationshintergrund herumgeblödelt, doch dann bricht unvermittelt eine Tragödie über die friedliche Szene herein, und am Ende sitzt man traurig und wütend, jedenfalls emotional aufgepeitscht, vor dem Bildschirm und versucht irgendwie, diesen Schlag in die Magengrube zu verdauen. In 11 Minuten wird hier mehr über Rassismus, Ausgrenzung und unfairer Behandlung von Minderheiten in unserer westlichen Gesellschaft erzählt, als es so mancher Zweistünder zustandebringt. Die drastischen Mittel, die Karia und Ahmed dafür wählen, dienen der emotionalen Aufladung und erfüllen somit ihren Zweck. Natürlich hätte man das Thema auch in einen subtiler vorgehenden Langfilm packen können, doch die Botschaft sitzt und von daher kann man konstatieren: Alles richtig gemacht. Den kompletten Kurzfilm gibt es übrigens auf Youtube zu sehen, siehe Verlinkung unten. Diese 11 Minuten sind gut investiert.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023)

Regie: James Mangold
Original-Titel: Indiana Jones and the Dial of Destiny
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Abenteuerfilm, Action
IMDB-Link: Indiana Jones and the Dial of Destiny


Ich bin der Meinung (und damit stehe ich wohl nicht alleine da), dass das Hollywood-Blockbuster-Kino ein kreatives Problem hat. Statt neue, originäre Stoffe auf die große Leinwand zu bringen, setzt man lieber auf Prequels, Sequels und Remakes bestehender Stoffe und spielt auf der Nostalgieflöte. Auch die beliebte Figur des Indiana Jones ist davon betroffen. Teil 4 war schon der Versuch, das Gulasch neu aufzuwärmen, doch anders als ein Gulasch schmeckte dieser Teil eben nicht besser als die Vorgänger (auch wenn er ehrlicherweise unter Wert geschlagen wurde). Das finale Abenteuer des schlagkräftigen Archäologen Dr. Jones (final deshalb, weil Harrison Ford nun auch schon 80 Lenze zählt und man sich einfach niemand anderen als ihn unter dieser legendären Hutkrempe vorstellen kann) versucht nun erst gar nicht, eine neue, spannende Geschichte zu erzählen oder dem Stoff irgendwie sonst einen Hauch von Originalität einzuverleiben. Nein, das ist einfach nur Fan-Pleasing bis zum Exzess. Beliebte Nebenfiguren aus früheren Filmen laufen kurz über die Leinwand, ohne mehr beitragen zu müssen als beim Zuseher eine Erinnerung hochzuholen, und der Rest besteht aus Grabmälern, historischen Artefakten mit magischen Fähigkeiten und Zügen voller Nazis. Alles wie gehabt. Das muss aber gar nicht schlecht sein, und das ist es in diesem Fall auch nicht. Der Film hat abseits des gekonnten Spielens auf der Nostalgieklaviatur einige durchaus positive Aspekte: So ist Phoebe Waller-Bridges Figur der Helena Shaw eine der denkwürdigsten Figuren der gesamten Indiana Jones-Reihe und bringt viel frischen Wind hinein, und auch ihr von Ethann Isidore gespielter Sidekick Teddy ist eine charmante Bereicherung des Indiana Jones-Universums, auch wenn der nicht viel mehr ist als eine Reminiszenz an den legendären „Shorty“ aus Teil 2. Dennoch: Die beiden fügen sich gut ein und stehlen dem alternden Indiana Jones in vielen Szenen auch die Show. Auch das Szenenbild ist positiv zu erwähnen – der Film sieht einfach aus, wie man sich einen Indiana Jones-Film erwartet. Mit Mads Mikkelsen hat man dazu noch einen charismatischen Schurken verpflichtet, auch wenn man dessen schauspielerisches Potential weitestgehend ungenutzt lässt. Was das kontrovers diskutierte Ende betrifft, so wird es für meine Begriffe etwas zu gehetzt abgehandelt und lässt viele interessante Möglichkeiten links liegen, bringt die Reihe aber dennoch zu einem versöhnlichen Abschluss. Alles in allem lässt sich sagen, dass der Zauber der ersten drei Filme auch mit diesem letzten, fünften Film nicht erreicht wird, was wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass man seitens der großen Studios den Filmemachern damals noch kreativen Freiraum zustand, der heute in einer Zeit, in der Blockbuster fast schon wie mathematische Formeln durchberechnet werden, monetären Sicherheitsüberlegungen zum Opfer fallen. Doch die Rechnung geht auch da nicht immer auf, wie das Einspielergebnis des fünften Teils an den Kinokassen zeigt. Was ich aber über Teil 4 denke, gilt ebenfalls für Teil 5: Er wird doch etwas unter Wert geschlagen. Denn wäre dieser letzte Indiana Jones-Film der erste, den wir jemals zu Gesicht bekommen hätte, würde das Urteil mit Sicherheit gnädiger ausfallen. Das Problem ist schlicht, dass wir alle die ersten drei Filme kennen.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Lucasfilm Ltd./Lucasfilm Ltd. – © 2023 Lucasfilm Ltd. & TM. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Speed (1994)

Regie: Jan de Bont
Original-Titel: Speed
Erscheinungsjahr: 1994
Genre: Action, Thriller
IMDB-Link: Speed


Jan de Bont weiß, wie es geht. Er kennt sich aus im Action-Genre. Einen durch Luftschächte robbenden Bruce Willis in Stirb langsam hat er mit seiner Kamera eingefangen. Auch die klaustrophobische Enge eines U-Boots in „Jagd auf Roter Oktober“ hat er als Kameramann begleitet. „Speed“ aus 1994, der große Durchbruch von Sandra Bullock in Hollywood, war schließlich seine erste Regie-Arbeit, und man kann sagen: Er hat auf den Filmsets, die er zuvor durch die Linse der Kamera beäugt hat, gut hingesehen. Vor allem hat er verstanden, dass es in einem guten Action-Film nicht auf die Anzahl der Explosionen ankommt (I’m looking at you, Michael Bay!) und auch nicht auf den Bodycount, sondern auf den Thrill, auf das Nerven zerfetzende Gefühl der ständigen Bedrohung, die über den Heldinnen und Helden hängt. In diesem Fall ist die Prämisse so einfach wie wirkungsvoll: Ein verrückter Bombenleger hat noch ein Hühnchen zu rupfen mit einem Spezialisten der Polizei (ein sehr junger Keanu Reeves – nicht, dass das einen großen Unterschied machen würde zu einem gealterten Keanu Reeves), und so nimmt er kurzerhand einen Linienbus in Geiselhaft. Der perfide Mechanismus: Fährt der Bus weniger als 50 Meilen die Stunde, also umgerechnet etwa 80 km/h, fliegt er samt Fahrgästen in die Luft. Und da aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände schon bald der eigentliche Busfahrer blutend auf dem Boden liegt, muss die extrovertierte und leicht verpeilte Annie (Sandra Bullock) hinters Lenkrad. Der Rest ist Filmgeschichte und ein Paradebeispiel für gelungene Suspense. „Speed“ ist auch gut gealtert, ähnlich wie Keanu Reeves. Klar, heute würden die Polizisten ganz einfach übers Handy miteinander telefonieren, was vielleicht manche Abläufe des Films beschleunigt hätte, aber die Grundprämisse des Films funktioniert immer noch. Dass die Motivation des Bösewichts, mit Verve gespielt von Dennis Hopper, relativ blass bleibt: Geschenkt. Das nimmt dem Film seinen würdigen Platz im Olymp der Actionfilme nicht weg. Schade, dass Jan de Bont sein Niveau als Regisseur nicht halten konnte und mit „Speed 2“ das Fundament seines Denkmals, das man ihm schon setzen wollte, selbst wieder abgetragen hat.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Asteroid City (2023)

Regie: Wes Anderson
Original-Titel: Asteroid City
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Komödie, Science Fiction
IMDB-Link: Asteroid City


Es gibt ja zwei Arten von Menschen: Jene, die im Sommer bei über 30 Grad bevorzugt im Freien herumturnen (vorzugsweise natürlich im Freibad), und es gibt herbstliche Gewächse wie Kürbisse beispielsweise, die sich bei solchen Temperaturen lieber in einen dunklen, klimatisierten Kinosaal verkriechen, da sich der Aggregatszustand draußen rasend schnell von fest in flüssig ändert. Das Wüstensetting von Wes Anderson neustem Film „Asteroid City“ passt immerhin zu den Außentemperaturen, auch wenn man fairerweise dazu erwähnen muss, dass just an jenem Nachmittag, an dem es den Kürbis samt Kürbisin ins Kino verschlagen hat, ein frühlingshafter Regen über die Stadt niederging. Apropos Regen: Von einem „Besetzungsregen“ kann man durchaus sprechen, wenn man auf die Liste der Beteiligten schaut. Wes Anderson hat den Punkt in seiner Karriere erreicht, an dem er a) für jeden Film mehr Anfragen von renommierten Darsteller:innen reinbekommt, die mit ihm zusammenarbeiten wollen, als er sinnvollerweise ins Drehbuch schreiben kann, und b) einen Zustand der kompletten Selbstreferenz erreicht hat, was aber wurscht ist, weil a). Wenn beispielsweise eine Margot Robbie als Neuzugang im Anderson’schen Universum gerade mal auf einem Foto und ca. eine Minute am Ende zu sehen ist, dann ist es fast schon egal, ob man etwas zu erzählen hat oder nicht. Wobei ich Wes Anderson nicht absprechen möchte, gute Geschichten erzählen zu können. Ich bin ja ein großer Fan seiner Arbeit, doch muss ich auch zugeben, dass die Casts immer größer, die Sets immer geometrischer und die Nebenstränge immer zahlreicher werden, und das geht zulasten der Story. In „Asteroid City“ treffen sich unterschiedliche Charaktere in den 50ern bei einem Meteroidenkrater, um der Verleihung eines Wissenschaftspreises an Jugendliche beizuwohnen, als sie unverhofft Zeugen eines außergewöhnlichen ersten Kontakts mit Außerirdischen werden. (Sehr schön an dieser Stelle ist die akustische Verbeugung vor Tim Burtons Trash-Meisterwerk Mars Attacks! – Wes Anderson kann also auch andere zitieren als sich selbst.) Gleichzeitig wird aber als zweiter Strang die Entstehung dieser Geschichte des Erstkontakts erzählt – in Form von Vorbereitungen auf ein Theaterstück. Ob diese Verschachtelung der Ebenen nun einfach nur dazu gedacht ist, auch alle Schauspieler:innen wirklich unterbringen zu können (Edward Norton als Dramatiker, Bryan Cranston als Erzähler, Adrien Brody als Regisseur, Hong Chau in einer Minirolle als dessen Exfrau, Jeff Goldblum in einer noch kleineren Minirolle als Alien-Darsteller), sei mal dahingestellt. Eine zweite These ist natürlich, dass Wes Anderson mit dieser Ebene selbst Einblick in seinen kreativen Schaffensprozess gewähren wollte, der so wahnwitzig und anders ist, dass kein Anderer jemals so arbeiten kann, ohne des Plagiats beschuldigt zu werden. Wie auch immer: Allein diese bunten, durchkomponierten Tableaus und die witzigen Details machen einen Wes Anderson-Film immer zum Ereignis, und in „Asteroid City“ treibt er diese auf die Spitze. Wenn man das mag: Nur rein ins Kino, auch wenn man vielleicht eher dem Typus „Freibad-Aficionado“ angehört. Wenn man mit Wes Anderson und seinem ganz eigenen Stil allerdings nichts anfangen kann, sollte man um diesen Film lieber einen großen Bogen machen, denn mehr Wes Anderson als hier geht eigentlich nicht. (Wobei mir auffällt, dass ich mir das mittlerweile bei jedem neuen Wes Anderson-Film denke, und dann setzt er dem Ganzen doch noch mal eine neue Krone auf.)


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of Pop. 87 Productions//Courtesy of Pop. 87 Productions – © 2022 Pop. 87 Productions LLC, Quelle http://www.imdb.com)

All the Beauty and the Bloodshed (2022)

Regie: Laura Poitras
Original-Titel: All the Beauty and the Bloodshed
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: All the Beauty and the Bloodshed


Über Nan Goldin, die mit ihren Fotografien in den berühmtesten Kunstmuseen der Welt, darunter die Tate Modern Gallery, das Metropolitan Museum, das Guggenheim Museum oder der Louvre in Paris, ausgestellt wird, wusste ich vor Laura Poitras Porträt recht wenig, was eine Umschreibung für „nichts“ ist. Allein schon aus diesem Grund ist die Sichtung von „All the Beauty and the Bloodshed“ eine durchaus erhellende Sache, kommt man doch einer faszinierenden Künstlerseele näher. Allein schon das Eintauchen in ihre bunte, sehr bewegte Biographie (mit von ihr selbst schonungslos offen gelegten Tiefen, aber auch den Höhen), die sich hauptsächlich in wilden New Yorker LBGTQ-Kreisen bewegt, unterhält und bewegt den Zuseher über die volle Filmlänge. Doch Laura Poitras gibt sich nicht damit zufrieden, ein einfühlsames Künstlerporträt zu zeigen, so wie sich Nan Goldin auch nicht damit zufrieden gibt, ihre Fotos zu schießen und auszustellen. Beide Frauen haben weitere Antriebe, sie wollen ein Stachel im Fleisch sein – Nan Goldin in jenem der Familie Sackler, bedeutende Kunstmäzene, nach denen ganze Flügel in den größten Museen der Welt benannt wurden, und Laura Poitras in unserem, jenem der Zuseher, die sich mit Abschweifungen und Foto-Collagen konfrontiert sehen, die zuweilen gegen die üblichen Sehgewohnheiten gehen. Aber was hat es nun mit dem Grant der rüstigen Dame gegen die Familie Sackler auf sich? Nun, die Sacklers beziehen ihren unermesslichen Reichtum, der sie Kunstschätze aus aller Welt anhäufen ließ, durch ihre Pharmakonzerne. Diese wiederum sind unter anderem für die Einführung von Valium verantwortlich (ein durchaus einträgliches Geschäft), aber auch für die Opioid-Krise in den USA, da deren Schmerzmittel, das die Ärzte dort wie Hustenbonbons verschreiben, hochgradig süchtig macht und oft als Einstiegsdroge für die dann ganz harten Sachen dient. Nan Goldin war eine der vielen Abhängigen, sie spricht also aus Erfahrung und hat somit mit der Familie Sackler auch eine persönliche Rechnung offen. In die Künstlerbiographie ist also auch geschickt der Kampf von Nan Goldin gegen die übermächtige Familie Sackler eingewoben, und nach und nach begreift man, dass Werk, Künstlerin und Frau zu einem großen Ganzen verschmelzen – dass das künstlerische Werk Ausdruck eines inneren Antriebs ist, Ausdruck eines Aufbegehrens gegen gesellschaftliche Einschränkungen und die Allmacht der herrschenden Klasse. So formt sich über Werk und Wirken das Bild einer schillernden Persönlichkeit, die mit ihrer Courage, ihrem Gerechtigkeitssinn und einer schonungslosen Ehrlichkeit auch gegenüber sich selbst für viele als Vorbild dienen kann. Der Film, der sie porträtiert, mag zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig wirken, entwickelt aber mit der Zeit einen unwiderstehlichen Sog, der der großartigen Nan Goldin gerecht wird.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Kung Fu Panda 3 (2016)

Regie: Alessandro Carloni und Jennifer Yuh Nelson
Original-Titel: Kung Fu Panda 3
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Animation
IMDB-Link: Kung Fu Panda 3


Ja, ich habe eine Schwäche für den flauschigen Kung Fu-Krieger Po, der im ersten Teil zum legendären Drachenkrieger wurde, und im zweiten Teil inneren Frieden fand. Da ich nicht der einzige Fan der Filmreihe war, schob Dreamworks unter der Regie von Alessandro Carloni und erneut Jennifer Yuh Nelson 2016 noch einen dritten Film nach – der Bambus muss gegessen werden, solange er noch roh ist oder so ähnlich. Und was sich am Ende des zweiten Films schon angedeutet hat, ist nun die Ausgangslage für das dritte Abenteuer des tapferen Pandas Po, dessen große Klappe nur durch seinen noch größeren Hunger übertroffen wird. Denn eines Tages steht ein weiterer Panda in seinem Dorf und sucht nach dem verlorengegangenen Sohn. Nach anfänglicher Verwirrung glückt die Familienvereinigung, und das Leben aller im Dorf könnte friedlich seinen Lauf nehmen, wäre da nicht eine Bedrohung aus der Geisterwelt durch einen wahnsinnigen Kung Fu-Meister, der eine Rechnung mit dem verblichenen Meister Oogway und dem ganzen Kung Fu an sich eine Rechnung offen hat. Wieder strebt ein Bösewicht nach allumfassender Macht, wieder muss sich der dicke, fette Panda dem entgegenstellen, doch diesmal sieht die Lage noch schlimmer aus als sonst, da allein die Meisterschaft des Kung Fu die Welt nicht retten wird. Stattdessen braucht es die Kenntnis des Ch’i, das angeblich alle Pandas beherrschen – nur halt blöderweise nicht diejenigen, die aktuell am Leben sind. Zwischen Trainings- und Gefechtspausen wird dann noch der Konflikt zwischen leiblichem Vater und Ziehvater ausgetragen, und Po muss versuchen, seinen inneren Panda zu channeln, was gar nicht so einfach ist. Im Grunde ist „Kung Fu Panda 3“ more of the same. Wieder muss Po einen Schritt in seiner Entwicklung nehmen, um den Schurken auszuschalten, wieder gibt es viel über die Bedeutung von Freundschaft und Familie zu lernen, und wieder hat der Schurke keine andere Motivation als Rache für eine angebliche Fehlbehandlung in der Vergangenheit. Gäbe es in dieser Kung Fu Panda-Welt einen guten Therapeuten, wären aus den drei abendfüllenden Filmen lediglich zehnminütige Mini-Episoden geworden. Im Vergleich zu den beiden Gegenspielern aus den ersten zwei Filmen, wirkt Kai, der Wüterich, aber tatsächlich motivationslos und völlig austauschbar. Auch trifft die Prämisse „mehr Pandas = besser“ nicht unbedingt zu, denn so amüsant das schwarz-weiße Panda-Treiben gelegentlich auch ist, so wird es doch fast beiläufig abgehandelt. Daraus hätte man mehr machen können. So ist der dritte Film der Reihe am Ende ein Aufguss, den es nicht unbedingt gebraucht hätte, auch wenn er für sich selbst gesehen nicht schlecht ist – halt eben im Kontext der anderen Filme ohne besonderem Mehrwert.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von DreamWorks Animation – © KUNF FU PANDA 3 ©2015 DreamWorks Animation LLC. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Der perfekte Ex (2011)

Regie: Mark Mylod
Original-Titel: What’s Your Number?
Erscheinungsjahr: 2011
Genre: Rom-Com
IMDB-Link: What’s Your Number?


Es ist doch fast immer so: Wenn Hollywood Komödien mit „schlüpfrigen“, also sexuell konnotierten Themen drehen will, kommt am Ende ein Film dabei heraus, der mehr über die Prüderie der Traumfabrik aussagt als über tatsächliches zwischenmenschliches Begehren. „Der perfekte Ex“ von Mark Mylod (der vergangenes Jahr mit The Menu gezeigt hat, dass er es besser kann) ist ein wunderbares Beispiel für dieses Problem. Hier macht sich eine überspannte Tussi (Anna Faris, deren Filmographie sich zum größten Teil mit einer Auflistung der am schlechtesten bewerteten Filme auf IMDB deckt) komplett fertig, weil sie nach der Lektüre von Frauenmagazinen, diesem ewigen Quell der Wahrheit, wie auch immer zum Schluss kommt, dass sie den zwanzigsten Mann, mit dem sie Sex hat, auch heiraten muss. Ihr Problem: Da sie es, wie halt viele junge Menschen, die letzten Jahre schon hat krachen lassen, kommt sie bereits auf diese ominöse Zahl von zwanzig Männern. Die Lösung des Dilemmas: Einer ihrer Ex-Freunde muss zum künftigen Gemahl werden. Ihr dabei zur Seite steht der attraktive Nachbar Colin (Chris Evans), der selbst körperlich recht aktiv zugange ist, was die Legion an Super-Models, die aus seinem Apartment kommt, bezeugt. Und auch wenn er eine Miss World nach der anderen datet: Er möchte sich nicht binden. Als Gegenleistung dafür, dass er sich vor diesem Schrecken bindungswilliger, attraktiver junger Damen in Allys (so der Name der überspannten Tussi mit den zwanzig Ex-Sex-Partnern) Wohnung verstecken kann, hilft er ihr dabei, eben jene vergangenen Gspusis ausfindig zu machen, denn Allys Meinung nach verbirgt sich hinter einem dieser Frösche doch noch ein Traumprinz, den sie damals einfach übersehen hat. Der Rest der Story läuft routiniert und komplett überraschungsfrei auf der erwartbaren Schiene dahin, und das Einzige, was einem heutzutage gelegentlich die Augenbraue heben lässt, ist die Besetzung und damit verbunden die Erkenntnis, dass hier Captain America nach einigen seiner Co-Avengers und Captain Spock sucht (Anthony Mackie, Martin Freeman, Chris Pratt und Zachary Quinto). Thanos hätte sich gewundert. Unterhaltsamer wird der Film dadurch aber auch nicht, zumal – und da sind wir wieder bei den einleitenden Worten – über Sex zwar gerne geredet wird, man ihn dann aber doch verschämt versteckt und durch die absurde Prämisse zu etwas ruchbar Unmoralischem macht. Ein Film für Katholiken und alle, die es noch werden wollen.


3,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Claire Folger – © 2011 Twentieth Century Fox Film Corporation. All rights reserved , Quelle http://www.imdb.com)