Autor: Filmkürbis

Oppenheimer (2023)

Regie: Christopher Nolan
Original-Titel: Oppenheimer
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Biopic, Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Oppenheimer


Christopher Nolan ist vielleicht der kompromissloseste Regisseur unserer Zeit. Er macht keine halben Sachen. Ein dreistündiges Biopic über einen theoretischen Physiker? Warum nicht? Es ist Nolans große Kunst, dass er diese drei Stunden so spannend gestaltet wie einen Thriller und so kurzweilig, als würde er maximal zwei Stunden dauern. Lediglich das Steißbein verkündet gegen Ende des Films die tatsächliche Sitzdauer. J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy), wie gesagt theoretischer Physiker in den USA, gilt heutzutage als „Vater der Atombombe“. Mitten im Nirgendwo stampfte er während des Krieges mit den Mitteln des Militärs (verkörpert durch Matt Damon als General Groves ) die Forscherstadt Los Alamos aus dem Boden, um dort in zwei Jahren die Atombombe zu entwickeln, bevor den Nazis, die ebenfalls daran forschen, der Durchbruch gelingt. Um sich versammelt er die besten Köpfe der Physik samt deren Familien, um das Unmögliche möglich zu machen. So weit, so gut bzw. so bekannt. Was Nolan allerdings aus dem an sich drögen Stoff macht, ist überwältigendes Kino. Wie so oft in seinen Filmen sind unterschiedliche Zeitstränge miteinander verwoben. Die eigentliche Rahmenhandlung bildet eine Befragung eines Ausschusses in einem Hinterzimmer nach dem Krieg zu Oppenheimers Sympathie für den Kommunismus mit dem Ziel, ihn, den Star der Wissenschaft und Berater des Kabinetts, zu diskreditieren und ihm seine Sicherheitsstufe zu entziehen. Eingewoben ist hierbei ein kurzer biographischer Exkurs, die Arbeit an der Bombe selbst und eine weitere Anhörung in der Zukunft, diesmal seinen Förderer und Mentor, den ehemaligen Leiter der Atomenergiekommission Lewis Strauss (Robert Downey Jr.), betreffend. Es liegt an Nolans penibler Regie, dass diese Zeitstränge genuin so miteinander verwoben sind, dass man nach einiger Eingewöhnung gut den Überblick behält. Gleichzeitig erforscht Nolan auch das Innenleben des genialen, aber schwierigen Wissenschaftlers Oppenheimer. Unter Nolans Blick bleibt dieser bis zum Schluss eine ambivalente Figur, die sich völlig im Klaren darüber scheint, was die Erfindung der Atombombe bedeutet, dennoch aber fast schon besessen auf dieses inhumane Ziel hinarbeitet. Eine der intensivsten Szenen des Films spielt sich ab, als der Verteidigungsminister samt seinem Stab, dem auch Oppenheimer beratend angehört, fast kaltblütig mathematisch das Für und Wider des Abwurfs einer Atombombe auf Japan und die Frage nach den „besten“ Zielen erörtert. Die Hintergründe für diese letztlich geschichtsverändernde Entscheidung werden dadurch greifbar, was den Schrecken über die Konsequenzen dieser Handlung allerdings in keinster Weise mindert. „Oppenheimer“ ist ein klarer Anwärter auf den Film des Jahres. Mich würde es wundern, wenn er während der Award-Season nicht abräumen würde, was es abzuräumen gibt. Und ich rechne mit einem Regen an Nominierungen für die Oscars Anfang nächsten Jahres: Cillian Murphy, Robert Downey Jr. scheinen gesetzt zu sein, dazu vielleicht sogar noch Emily Blunt und/oder Florence Pugh, dazu erwarte ich Nominierungen für den besten Film, die beste Regie, den besten Schnitt, die besten Visual Effects, den besten Ton, die beste Kamera, die beste Maske und die beste Musik. In einigen Monaten werden wir sehen, ob die Rechnung aufgeht.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Universal Pictures – © Universal Pictures. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Bill & Ted retten das Universum (2020)

Regie: Dean Parisot
Original-Titel: Bill & Ted Face the Music
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: Bill & Ted Face the Music


Sie waren in der Vergangenheit, sie waren in der Hölle, sie waren im Himmel, und doch ist das Schicksal von Bill und Ted (Alex Winter und Keanu Reeves) immer noch nicht erfüllt. Von den zukünftigen Anführer:innen werden sie zum Rapport gerufen: In ihrer Zeit heute am Abend sollen sie den Song spielen, der alle Menschen vereint und das Universum rettet. Keine leichte Aufgabe, vor allem, wenn man diesen Song noch gar nicht geschrieben hat. Bill und Ted sind klassische Has-Beens, sie hatten ihren Ruhm, doch heute spielen sie in abgefuckten Bars vor 40 Leuten. Und nun sollen sie binnen weniger Stunden den wohl größten Song aller Zeiten schreiben und performen? Doch als alte Zeitreise-Experten fällt ihnen gleich eine Lösung ein: Sie müssen lediglich ein paar Jahre in die Zukunft reisen, denn dann haben sie den Song ja schon geschrieben und aufgeführt und können ihn ganz einfach von sich selbst klauen. Das klingt erst einmal nach einer guten Idee, doch die Ausführung gestaltet sich überraschend schwierig. Parallel dazu machen sich ihre Töchter Billie und Thea (Brigette Lundy-Paine und Samara Weaving) auf den Weg in die Vergangenheit, um ihren Vätern auf eine etwas andere Weise zu helfen. Und schon ist das Zeitreise-Chaos komplett. Und damit werden leider auch die groben Schwächen des Drehbuchs offensichtlich. Denn so viel Charme der dritte Teil der Saga rund um die verpeilten Musiker hat (und Hut ab vor Keanu Reeves, dass er als aktueller Superstar noch einmal in diese schräge Rolle geschlüpft ist), so wenig Sinn macht das Drehbuch. Ja, Zeitreise-Geschichten sind per se logisch herausfordernd, und doch hat man hier das Gefühl, dass man sich um Paradoxen, Zeitlinien und Konsequenzen so gut wie gar keine Gedanken gemacht hat – Hauptsache, die Heldinnen und Helden stürzen von einer absurden Situation in die nächste. Das ist schade. Denn abgesehen von dieser groben Schwäche hätte der Film durchaus Potential gehabt, die ersten beiden Teile in den Schatten zu stellen. Man merkt jedenfalls, mit wie viel Laune alle Beteiligten an die Sache herangehen. Aber so bleibt auch der dritte Teil der Geschichte wie auch die beiden Filme davor nur ein lauwarmes Vergnügen mit einigen tollen Stellen, aber eben auch vielen Schwächen.


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Bill & Teds verrückte Reise in die Zukunft (1991)

Regie: Peter Hewitt
Original-Titel: Bill & Ted’s Bogus Journey
Erscheinungsjahr: 1991
Genre: Science Fiction, Komödie, Fantasy
IMDB-Link: Bill & Ted’s Bogus Journey


„Don’t fear the reaper“, sangen schon 1976 Blue Öyster Cult. Vor allem, wenn der so knuffig ist und mit Akzent spricht wie der von William Sadler gespielte Sensenmann, hat man wenig zu befürchten, selbst wenn man tot ist. Was auf Bill und Ted, die beiden musikalischen Chaoten, die einst historische Persönlichkeiten aus der Geschichte eingesammelt haben und künftig die Zivilisation retten sollen, leider zutrifft. Denn ein Schurke aus der Zukunft hat genug vom Rockgedudel und schickt zwei verpeilte, böse Roboter, die den Teenagern aufs Haar gleichen, in die Vergangenheit, um eben jene zu beseitigen und so den Lauf der Welt zu ändern. Doch Bill und Ted, naiv wie sie sind, lassen sich von so einer Kleinigkeit wie dem eigenen Ableben nicht aufhalten und fordern den Tod persönlich heraus, sie wieder zurückzubringen und den bösen Robotern den Garaus zu machen. Fast nebenbei steht mal wieder die gesamte Menschheit auf dem Spiel, denn wenn es ihnen nicht gelingt, bis zum Abend zurück im Leben zu sein und einen wichtigen Musikcontest zu gewinnen, war’s das mit der schönen Zukunft. Wie schon im ersten Teil besteht die hauptsächliche schauspielerische Leistung von Keanu Reeves und Alex Winter, möglichst debil zu schauen und Luftgitarren anzudeuten. Doch das ist durchaus gewollt – Bill und Ted sind eben nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. Dafür haben sie das Herz am rechten Fleck. In der Fangemeinde der mittlerweile drei Bill & Ted-Filme wird sehr oft dieses zweite Abenteuer der beiden musikversessenen Teenies als noch besser und bunter und abenteuerlicher als das erste gelobt. Und ja, „Bill & Teds verrückte Reise in die Zukunft“, wie der deutschsprachige Titel etwas irreführend heißt (denn die meiste Zeit verbringen die beiden in der Nachwelt), ist noch schräger, surrealer und abgefahrener als Teil 1. Leider bin ich allerdings nicht unbedingt ein Fan dieser Richtung, denn noch mehr als der erste Film zerfällt dieses zweite Abenteuer in Stückwerk. Einzig die Figur des Todes erachte ich als eine gelungene Ergänzung dieses filmischen Universums des Wahnsinns und der Gitarrensolos. Der Rest ist mir zu schrill und zu beliebig. Aber das ist natürlich Geschmackssache.


4,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 1991 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved. Quelle http://www.imdb.com)

Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit (1989)

Regie: Stephen Herek
Original-Titel: Bill & Ted’s Excellent Adventure
Erscheinungsjahr: 1989
Genre: Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: Bill & Ted’s Excellent Adventure


Manchmal braucht man einfach eine gehörige Portion Schwachsinn. Und manchmal wird Schwachsinn Kult, wie „Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit“. So ganz nachvollziehen lässt sich das nicht immer, aber dennoch kann man getrost attestieren, dass dieses überdrehte Zeitreise-Abenteuer mit einem blutjungen Keanu Reeves und Alex Winter in den Hauptrollen jede Menge unschuldigen Charme versprüht. Die beiden verpeilten Teenies, die gelegentlich Pech beim Denken haben und davon träumen, als Musiker berühmt zu werden (ohne jedoch überhaupt ihre Instrumente spielen zu können), werden durch einen mysteriösen Herren aus der Zukunft auf eine Zeitreise in die Vergangenheit geschickt, da der Fortbestand der Zivilisation davon abhängt, dass die beiden Flachwurzler ihren Geschichte-Vortrag an der Schule bestehen. Und was ist besser als learning by doing? Also sammeln sie auf dem Weg durch die Geschichte allerlei historische Persönlichkeiten ein, um hautnah von ihnen zu lernen. Der Witz an der ganzen Sache besteht darin, dass eben diese honorigen Herrschaften und Damen ganz einfach mittels Telefonzelle eingesammelt und im Amerika der späten 80er-Jahre ausgesetzt werden. Es ist schon witzig zu sehen, wenn Napoleon beispielsweise seine Vorliebe für Wasserrutschen entdeckt oder vom Eissalon einen „Orden“ ans Revers gesteckt bekommt für die erfolgreiche Bewältigung eines Rieseneisbechers. Oder wenn Dschingis Khan die Vorzüge moderner Baseballschläger gegenüber seiner Keule entdeckt. Das macht schon Laune. Allerdings ist „Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit“ ehrlicherweise schon ein gutes Stück davon entfernt, ein guter Film zu sein. Was auch an den Hauptcharakteren liegt, die zwar liebenswürdig doof sind, aber doch etwas over the top dargestellt werden. Auch diverse Logikfehler fallen immer wieder auf – man merkt, dass es im Drehbuch weniger darum ging, eine in sich kohärente Zeitreisegeschichte zu verfassen als so viele schräge Einfälle wie möglich zu verarbeiten. Und so bleibt der Film ein Stückwerk mit einigen wirklich netten, denkwürdigen Szenen, aber auch viel Ballast. Die Botschaft am Ende kann ich aber nur unterschreiben: „Be excellent to each other!“.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 1989 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Die Ferien des Monsieur Hulot (1953)

Regie: Jacques Tati
Original-Titel: Les Vacances de Monsieur Hulot
Erscheinungsjahr: 1953
Genre: Komödie
IMDB-Link: Les Vacances des Monsieur Hulot


Unter den 1001 Filmen, die man gesehen haben sollte, ehe das Leben vorbei ist, befindet sich auch Jacques Tatis „Die Ferien des Monsieur Hulot“, sein erster Langfilm rund um den sympathischen, leicht schusseligen Gentleman. Meine erste Begegnung mit Tati, unter Filmkritikern und -historikern anerkanntermaßen eine Koryphäe seines Fachs, fällt ambivalent aus. Zunächst muss man sich von dem Gedanken verabschieden, einen Film mit einer durchgängigen Handlung zu sehen. Vielmehr ist „Die Ferien des Monsieur Hulot“ eine Aneinanderreihung von kurzen Sketches und visuell komischen Einfällen rund um den besagten Monsieur Hulot (Jacques Tati selbst) und weitere Feriengäste eines französischen Strandhotels. Dabei ist Monsieur Hulot, der im ganzen Film nur ein einziges Wort spricht, nämlich seinen Namen, nicht der Einzige, der für Chaos und Verwirrung sorgt, wenngleich er den Löwenanteil daran trägt. Wenn es um körperlichen Slapstick geht, fällt einem sofort Charlie Chaplin ein, und Jacques Tati bedient sich jedenfalls dieser komödiantischen Tradition. Sein Film könnte genauso gut ein Stummfilm sein und würde dennoch funktionieren. Viel Komik geht von der stoischen Figur des Monsieur Hulot aus, der im Grunde nur friedlich sein Ding machen will, aber aufgrund einer Verkettung unglücklicher Ereignisse ungewollt Chaos stiftet. Die Qualität des Films ist offensichtlich, auch wenn ich die sozialkritische Komponente, für die Tati immer wieder gelobt wird, (noch) nicht erkenne. Problematisch erscheint mir vielmehr die fehlende Struktur des Films, die Verweigerung einer Erzählung, und eben das Gefühl, diese körperliche Komik in früheren Filmen, speziell eben von Chaplin, schon besser gesehen zu haben, auch wenn Tati ein tolles Gespür für Timing hatte. Filmhistorisch ist Tati zweifellos relevant, und viele Szenen in „Die Ferien des Monsieur Hulot“ machen auch heute noch Spaß, aber so ganz ist der Funke nicht übergesprungen. Vielleicht dann beim nächsten Tati.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Der Hauptmann (2017)

Regie: Robert Schwentke
Original-Titel: Der Hauptmann
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Kriegsfilm, Biopic
IMDB-Link: Der Hauptmann


Deutschland, knapp hinter der Frontlinie in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Der Gefreite Willi Herold hat die Nase voll und flüchtet. Blöd für ihn, dass Deserteure mit dem Tod bestraft werden. Glück für ihn, dass er auf der Flucht zufälligerweise über die verwaiste Uniform eines Hauptmanns stolpert. Denn wie es so schön heißt: Kleider machen Leute. Und so eine blitzende Uniform mit vielen Knöpfchen dran macht Eindruck, vor allem, wenn der Träger derjenigen auch noch zackige Befehle gibt. Sofort wird der ehemalige Gefreite Herold als nunmehriger Hauptmann Herold, der in Sondermission im Auftrag des Führers persönlich unterwegs ist, vom mutmaßlichen Deserteur Freytag (Milan Peschel) akzeptiert. Die Anspielung auf den gestrandeten Robinson Crusoe und seinen ergebenen Diener kommt wohl nicht von ungefähr. Bald schon scharen sich eine Menge anderer suspekter Gestalten, alle vom Krieg gezeichnet, um den vermeintlichen Hauptmann. Als er schließlich in ein Lager geführt wird, in dem Kriegsverbrecher, hauptsächlich Deserteure und Diebe, in Baracken auf ihr Schicksal warten, wie es von einem trägen Justizministerium bestimmt werden soll, entdeckt Herold die Freude an der Macht über Leben und Tod. Die Figur des Hauptmann Herold beruht auf einer tatsächlichen historischen Person: Willi Herold sicherte sich seinen unrühmlichen Eintrag in die Geschichtsbücher als Henker von Emsland. Die Geschichte, so bizarr sie auch klingt, ereignete sich tatsächlich. Nun reicht es Robert Schwentke in seiner Verfilmung allerdings nicht aus, die grausigen historischen Tatsachen einfach nachzuerzählen. Vielmehr bastelt er mit eindrucksvollen Bildern, einem nervösen Soundtrack und teils in surreal kippenden Feierszenen eine grimmige Allegorie auf das Böse, die durch Max Hubacher perfide stoisch personifiziert wird. Aber es ist nicht die Figur des Herold allein, die einen schaudern lässt – es ist die Darstellung der Entmenschlichung bei allen Figuren, als würden alle im Angesicht der drohenden totalen Niederlage alles Menschsein abstreifen und sich nihilistischen Trieben hingeben. Sind wir Menschen so? Vielleicht. Der Film deutet dies jedenfalls auf eine vielleicht leicht überzeichnete, aber dennoch plausible Weise an. „Der Hauptmann“ ist ganz bitteres Kino, das uns in die tiefsten Abgründe wirft. Der kontrovers diskutierte Abspann kann gleichermaßen als Mahnmal gelten: Geschichte kann sich wiederholen, wenn man sie vergisst.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Alamo – Der Traum, das Schicksal, die Legende (2004)

Regie: John Lee Hancock
Original-Titel: The Alamo
Erscheinungsjahr: 2004
Genre: Western, Kriegsfilm, Drama
IMDB-Link: The Alamo


The Alamo – Der Traum, das Schicksal, die Legende. Und natürlich: Der Offizier, der Westernheld, die Kanone, die Mexikaner, das Messer, die Geige, die Befestigung, die Belagerung, der Ansturm, das Gefecht, der Tod und die Schlacht danach. Habe ich irgendwas vergessen an Substantiven, die unbedingt noch in den deutschen Titelzusatz eingebaut werden müssten? Ich glaube nicht. „The Alamo“, wie der Film im Original schlicht heißt, ist jedenfalls ein hierzulande eher unbekanntes Remake eines John Wayne-Westernklassikers. Schändlicherweise kenne ich das Original nicht, und so war John Lee Hancocks Neuverfilmung mein erster Zugang zu dem historischen Stoff. Die Story spielt zu Zeiten des texanischen Unabhängigkeitskrieges zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Befestigung The Alamo in der Nähe von San Antonio genießt besondere strategische Bedeutung sowohl für die Mexikaner als auch die Texaner, die auf diesem Boden ihren eigenen Staat nach Manier der damaligen Zeit gründen möchten: Wir kommen einfach in ein besiedeltes Land und sagen nun, dass das ab sofort uns gehört. Man kann schon verstehen, dass die Mexikaner das nicht so leiwand finden, auch wenn sie streng genommen auch wieder nicht die ersten waren, die einen Fuß auf dieses Land gesetzt haben. Aber die indigene Bevölkerung kommt in diesem Konflikt nicht vor – die haben sich wohl schon aus dem Staub gemacht und lassen Mexikaner und Texaner sich vernünftigerweise einfach gegenseitig die Köpfe einschlagen. Der junge, unerfahrene Offizier William Travis (Patrick Wilson) hat jedenfalls die undankbare Aufgabe, mit etwa zweihundert Mann The Alamo gegen heranstürmende Mexikaner, mehr als Tausend an der Zahl, zu verteidigen. Diese werden von Santa Anna (Emilio Echevarría) angeführt, der sichtlich nicht alle Murmeln beisammen hat. Und das dürfte historisch sogar korrekt sein. Das Kommando der belagerten Texaner teilt sich Travis mit James Bowie (Jason Patric), dem Anführer der Miliz, und auch Western- und Volksheld Davy Crockett (Billy Bob Thornton) hat sich zur Verteidigung der Festung eingefunden. Doch eines ist klar: Wenn der texanische Präsidentschaftsaspirant Sam Houston (Dennis Quaid) nicht bald ordentliche Verstärkung schickt, kommt keiner lebend aus dem Fort. Doch der sitzt lieber untätig herum und faselt was von offizieller Anerkennung des Staates Texas, bevor er den Arsch hochbekommt. Die Geschichte nimmt also ihren erwartbaren Lauf. „The Alamo“ ist ein historisch durchaus akkurates Stück Kino, mehr Kriegsfilm als Western, mehr Verzweiflung als Pathos. Was ich an dem Film durchaus schätze, ist, dass er sich um leise Töne bemüht und auch das Kampfgeschehen nicht in einer Gewaltorgie verheizt, sondern lieber punktuell die Tragik zeigt, wenn Männer, die eigentlich allesamt lieber woanders sein wollen, mit Gewehren und Bajonetten aufeinander losgehen. Die wohl schönste Szene des ganzen Films und damit auch ein inhärentes Statement ist, als die Mexikaner wie vor jedem Beschuss des Forts einen Kriegsmarsch spielen, um den belagerten Texanern Angst einzujagen, und Davy Crockett schließlich zu seiner Geige greift, um den Marsch zu begleiten. Für einen kurzen Moment sind Belagerer und Belagerte in Harmonie vereint, und ausnahmsweise verzichten die Mexikaner anschließend auf den obligatorischen Kanonendonner. Allerdings sind gelungene Momente wie diese etwas zu selten, und viele Szenen zu träge inszeniert, um echte Spannung aufkommen zu lassen. Auch die meisten Charaktere bleiben seltsam blass trotz schauspielerischer Grandezza, die diese ausfüllen. Historische Genauigkeit stand hierbei über allem anderen und führte in der Umsetzung zu einem zwiegespaltenen Ergebnis.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2003 Buena Vista Pictures Distribution. All Rights Reserved., Quelle http://www.imdb.com)

Flash Gordon (1980)

Regie: Mike Hodges
Original-Titel: Flash Gordon
Erscheinungsjahr: 1980
Genre: Science Fiction, Komödie, Abenteuerfilm, Action
IMDB-Link: Flash Gordon


„Flash Gordon“ hat einfach alles! Billige Kostüme, Pappmaché-Kulissen, schreckliche Dialoge, Darsteller:innen, die zwischen Overacting und völliger Überforderung agieren, eine Story, die man in einer Pfeife rauchen kann und knallbunte Farben, wie sie kaum ein LSD-Trip erzeugen kann. Und das ist grandios! Denn „Flash Gordon“, mittlerweile ein absoluter Kultfilm, will gar nicht qualitativ überzeugen oder ein hochwertiger Film sein. „Flash Gordon“ ist ein Trash-Fest, das sich selbst auf die Schaufel nimmt, und zelebriert dies in jeder Szene. Sam J. Jones spielt, oder sagen wir so: verkörpert den Titelhelden, einen Quarterback im American Football, der aufgrund einer Verkettung seltsamer Umstände zusammen mit Zufallsbekanntschaft Dale Arden (Melody Anderson) und dem verrückten Wissenschaftler Dr. Hans Zarkov (Chaim Topol) auf dem Planeten Mongo (ja, genau, Mongo!) landet, um dort dem fiesen Imperator Ming (Max von Sydow) Einhalt zu gebieten. Der will nämlich die Erde zerstören, just for fun natürlich. Daneben gibt es noch die undurchschaubare, sexy Tochter des Imperators, Prinzessin Aura (Ornella Muti in Kostümen, die man sonst nur in Pornos sieht), den rachsüchtigen Waldschrat Prinz Barin (Timothy Dalton) und den fliegenden Berserker Prinz Vultan (Brian Blessed) samt ihrer Anhängerschaft. Macht irgendwas davon Sinn? Nein! Will das auch nur zeitweise ernstzunehmende Unterhaltung sein und keine Kinderei? Nein! Aber genau das macht den Film so großartig. Wenn eine Schlägerei mit den Schergen des Imperator wie ein American Football-Spiel inszeniert wird, ehe der Quarterback vom eigenen Team aus dem Spiel genommen wird, ist klar, in welcher Tonalität es weitergeht. Flash ist Trash, aber vom feinsten! Ihren Job noch am ernstesten genommen haben die Mitglieder der Band Queen, die den (legendären) Soundtrack beisteuert. Apropos Soundtrack: Interessant ist, dass manche Themen aus diesem Film an den von Vangelis komponierten, deutlich düstereren Soundtrack zu Blade Runner, der zwei Jahre später in die Kinos kam, erinnern. Da hat sich wohl wer inspirieren lassen.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 1980 Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Die Royal Tenenbaums (2001)

Regie: Wes Anderson
Original-Titel: The Royal Tenenbaums
Erscheinungsjahr: 2001
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: The Royal Tenenbaums


Mit „Bottle Rocket“ und „Rushmore“ hatte Wes Anderson schon zwei vielbeachtete Langfilme in die Kinos gebracht, doch „The Royal Tenenbaums“ aus 2001 war sein endgültiger Durchbruch, der Andersons ganz eigenen, persönlichen Stil in Hollywood einzementierte. Dabei lässt sich sagen, dass „The Royal Tenenbaums“ viel zugänglicher ist als seine jüngeren Werke, in denen er seine visuelle Vision bis zum Exzess durchspielt. In „The Royal Tenenbaums“ liegt der Fokus noch mehr auf der Geschichte selbst. Und diese verpackt schwerste Melancholie in leichte Töne. Eine dysfunktionale Familie mit drei hochbegabten Kindern: ein angenehmes Finanzgenie, ein Tennis-Ass und eine vielversprechende Dramatikerin. Ein schlitzohriger Lebemann als Vater (Gene Hackman). Eine schmerzhafte Scheidung. Und 22 Jahre später steht plötzlich der lange verschollene Vater wieder vor der Haustüre und begehrt Einlass, da er nur noch sechs Wochen zu leben habe. Was zwischenzeitlich in den 22 Jahren passiert ist: Das ehemalige Finanzgenie (Ben Stiller) hat selbst zwei Söhne und ist nach dem Unfalltod seiner Frau zu einem paranoiden Sicherheitsfanatiker geworden. Der Tennis-Champion (Luke Wilson) hatte bei einem der wichtigsten Matches seiner Karriere einen Zusammenbruch und gondelt seither in der Weltgeschichte umher. Und die Dramatikerin (Gwyneth Paltrow) verbringt ihr Leben in der Badewanne und verbirgt vor ihrem besorgten Ehemann (Bill Murray), dass sie Kettenraucherin ist – und ihm mit dem besten Freund der Familie (Owen Wilson) Hörner aufsetzt. Kurz gesagt: Es ist nicht viel geblieben außer schwere Verwundungen und tiefe Gräben. Die Ankunft des Vaters fördert diese allesamt zu Tage. Und nun kommt der unwahrscheinlich schöne, der so lebensnahe und gelungene Aspekt des Films zum Tragen: Wes Anderson und Owen Wilson, die gemeinsam das oscarnominierte Drehbuch geschrieben haben, negieren diese Wunden nicht und tun nicht so, als ob ein paar schöne, gemeinsame Tage alles verheilen lassen könnten. Aber sie geben dem Zuseher dennoch eine Hoffnung mit: Dass selbst kleine Schritte ein großer Erfolg sein können, dass es mehr darauf ankommt, wie sehr man sich wirklich und aufrichtig bemüht, als auf das Ergebnis dieser Bemühungen selbst. „The Royal Tenenbaums“ ist einer der traurigsten Filme, die ich kenne, und gleichzeitig einer der hoffnungsvollsten. Es sind die leisen Zwischentöne, auf die es ankommt. Ein Film, der die gesamte Aufmerksamkeit beansprucht, diese aber reich entlohnt.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Die Studentenvertretung (2023)

Regie: Michaël Youn
Original-Titel: BDE
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Komödie
IMDB-Link: BDE


Auf Amazon Prime läuft seit einigen Monaten eine sehr außergewöhnliche Neuerscheinung des Jahres 2023, ein ungewöhnlicher Film, wie es ihn kaum ein zweites Mal gibt. Man muss schon beeindruckt sein von Michaël Youns Regiearbeit: In dieser Qualität bringen das nur die Wenigsten zustande. Gebannt sitzt man vor dem Bildschirm und verfolgt eine Katastrophe nach der anderen. Allerdings sind es weniger die Katastrophen, die Bob (ebenfalls Michaël Youn) und seiner Gang ehemaliger Studentenvertreter:innen, die in einem Luxuswinterressort die Sau bzw. den Berliner Löwen rauslassen wollen, widerfahren, sondern die filmischen Katastrophen, die sich nahtlos aneinanderreihen. Es gibt Filme, so selten diese auch sind, bei denen stimmt gar nichts. Nichts. Nada. Niente. Filme, die einfach nur strunzdumm sind, die das auch gar nicht beschönigen wollen, sondern glauben, dass sie mit strunzdumm durchkommen. Hauptsache, ein paar Fäkalwitze irgendwo einbauen und einen langen Dingdong zeigen. Der Rest ist Gekreische, Gefuchtel, Geschreie, und natürlich, Drogen müssen auch mit rein, garniert mit ein bisschen Sexismus und allem, was sonst unter die Gürtellinie geht. „Die Studentenvertretung“ versucht erst gar nicht, eine Geschichte zu erzählen: Hauptsache, möglichst viel Chaos! Die Story kann man daher auf einem winzig gefalteten Origami noch erzählen: Vier prätentiöse Säcke (korrigiere: drei Säcke, eine Säckin) finden trotz viel Kohle und guter Jobs (korrigiere: drei haben viel Kohle und gute Jobs) nichts leiwander, als mit den alten Spezis von der Uni damals ein Wochenende zu verbringen, wozu sie sich banalste Lügen ihren Partner:innen, Angestellten und Mitarbeiter:innen einfallen lassen – als ob es ein Verbrechen wäre, mit Freunden auf Urlaub gehen zu wollen. Die Begegnung mit einer völlig durchgeknallten Studentenclique, die außer Drogen, Ficken und Saufen nichts im Kopf hat, lässt ein an sich entspannt geplantes Wochenende eskalieren. Prinzipiell ließe sich ja nichts gegen ein solches Konzept sagen, wäre es charmant-frech umgesetzt wie beispielsweise Ferris macht blau. Von diesem Meisterwerk juveniler Unterhaltung ist „Die Studentenvertretung“ allerdings so weit entfernt wie Vladimir Putin vom Friedensnobelpreis. Jede Szene macht die Geschichte noch anstrengender, unglaubwürdiger und die Charaktere unsympathischer. Einzig die Schlussszene birgt ein wenig Erlösung für den Zuseher, der diese gleich mit dem frommen Wunsch verbindet, dass Michaël Youn eben diese genauso erlebt, wenn er noch einmal einen solchen Film dreht. Dass nicht einmal Amazon diese Eigenproduktion bewirbt, hat schon einen Grund …


1,0 Kürbis