Filmreisechallenge 2018

The Rider (2017)

Regie: Chloé Zhao
Original-Titel: The Rider
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Western
IMDB-Link: The Rider


Wenn man nur den ersten Satz des Wikipedia-Eintrages zu „The Rider“ liest, in dem der Plot kurz zusammengefasst wird, könnte man meinen, dass es sich hierbei um eine Art „Der Pferdeflüsterer“ für Erwachsene handelt. Einen Rodeo-Reiter schmeißt es dermaßen deppert aus dem Sattel, dass er das Reiten aufgeben muss – woran er logischerweise erst mal zu knabbern hat. Allerdings wären alle Assoziationen mit equinen Selbstfindungstrips a la „Der Pferdeflüsterer“ viel zu kurz gegriffen. Denn „The Rider“ ist vor allem erst einmal ein sehr stilles, fast meditatives Drama, das eine Subkultur einer Subkultur zeigt – Rodeoreiter in einem Indianerreservat, wobei die alten Klischees zwischen Cowboy und Indianer auf eine wundersame Weise verschmelzen oder viel mehr: sich auflösen. Der nächste interessante Aspekt des Films ist, dass Chloé Zhao, die Regisseurin, keinerlei Wert auf die Exploitation des fatalen Sturzes legt. Der Film setzt ein, als die Wunden des Rodeo-Reiters Brady schon langsam zu verheilen beginnen. Der Sturz wird später nur in einem kurzen Youtube-Video gezeigt. Denn darum geht es Zhao in dem Film nicht – sondern vielmehr um die Frage, wie es danach weiter geht und was übrig bleibt von dem, was Brady einst ausgemacht hat. Einen großen Teil der Faszination bezieht der Film auch aus der Tatsache, dass die Laiendarsteller tatsächlich ihr eigenes Leben nachspielen. Denn Brady Blackburn heißt in Wirklichkeit Brady Jandreau, und der Sturz, der in diesem Video gezeigt wird, war echt – das war sein eigener Unfall, der ihm fast das Leben gekostet hätte. Auch seine Familie spielt sich selbst. Am dramatischsten wird diese Authentizität greifbar am Schicksal seines Freundes Lane Scott, der (im Film) nach einem Abwurf dermaßen schwer verletzt wurde, dass er nicht mehr sprechen und sich kaum mehr bewegen kann. Die Szenen, wenn Brady seinen alten Kumpel im Pflegeheim besucht, sind innig, warm und echt. Gleichzeitig – und das ist die große Kunst, die hier gezeigt wird – ist „The Rider“ meilenweit davon entfernt, zu einem sentimentalen Rührstück zu verkommen. Mit außergewöhnlicher Sensibilität wird die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der lernen muss, loszulassen, um sich neu zu finden. Man muss wohl etwas Geduld aufbringen für diese stille Weise des Erzählens, doch wenn man sich darauf einlassen kann, ist „The Rider“ ein großer Wurf.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 38 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Luna Filmverleih)

Rocky (1976)

Regie: John G. Avildsen
Original-Titel: Rocky
Erscheinungsjahr: 1976
Genre: Sportfilm
IMDB-Link: Rocky


Nicht nur im Oktober hat ein Kürbis Lücken und Löcher, sondern auch unterjährig in cineastischen Belangen. Um eine davon zu schließen, habe ich mir also nun die gesamte Rocky-Filmreihe hineingezogen, wobei ich „Rocky Balboa“ und „Creed“ bereits kannte. Ich habe also das Pferd von hinten aufgesattelt. Nun also der erste Film, der zu den wohl einflussreichsten Filmen der Filmgeschichte gehört. Bei der Oscar-Verleihung schlug er „Taxi Driver“ von Martin Scorsese und wurde als bester Film ausgezeichnet. Und auch John G. Avildsen, der Regisseur, durfte sich, so wie seine Cutter, über einen Goldmann freuen. Der Mastermind von Rocky ist allerdings Sylvester Stallone, der nicht nur den Titelhelden auf eine Weise verkörpert, dass Filmfigur und Darsteller völlig miteinander verschmelzen, sondern auch das Drehbuch geschrieben hat. Für beide Leistungen wurde er (was vielleicht überraschend sein mag angesichts seiner späteren Filme) völlig zurecht für den Oscar nominiert. Sein Rocky ist eine fantastische Figur, das muss man einfach so sagen. Recht einfältig, aber mit dem Herz am rechten Fleck – ein Mann, der viel Gefühl und Empathie aufbringt, aber in den seltensten Fällen schafft, dies tatsächlich in Worte zu kleiden. Viel mehr drückt er über seine linkischen Bewegungen aus, sein Schulterzucken und dieses glückliche Lächeln, wenn er merkt, dass er verstanden wird. Gleichzeitig hat er ein Kämpferherz wie kein Anderer. Und dem ist es auch zu verdanken, dass er gegen den Weltmeister Apollo Creed (Carl Weathers) in den Ring steigen darf. Der Fokus des Films liegt allerdings weniger auf dem Boxkampf, sondern auf der Frage, was es bedeutet, eine einmalige Chance im Leben zu erhalten und was eine solche Chance aus einem Mann macht. Und vor allem auch, wie man Respekt vor sich selbst erarbeitet. Neben Stallone glänzen Talia Shire als Adrian, Burt Young als deren Bruder Paulie und Burgess Meredith als alter Boxtrainer Mickey. Alle drei wurden für ihre Leistungen mit einer Oscarnominierung belohnt. Ich halte es zwar nach wie vor für eine Sünde, „Taxi Driver“ nicht als besten Film ausgezeichnet zu haben, aber unabhängig davon, ob man mit dem Genre des Boxerfilms etwas anfangen kann, kann auch „Rocky“ sich sehen lassen – im Gegensatz zu den meisten Fortsetzungen dieser Filmreihe, aber darüber in den nächsten Tagen mehr.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 37 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

Paisà (1946)

Regie: Roberto Rossellini
Original-Titel: Paisà
Erscheinungsjahr: 1946
Genre: Episodenfilm, Drama, Kriegsfilm
IMDB-Link: Paisà


Als „Paisà“ bezeichneten die Italiener während des Zweiten Weltkriegs die amerikanischen Soldaten, die in Sizilien landeten und von dort aus nordwärts Richtung Alpen marschierten. Um die Begegnungen zwischen den Soldaten und der zivilen Bevölkerung geht es auch in Rossellinis Episodenfilm, der zu den Klassikern des italienischen Neorealismus gezählt wird. Wie auch die amerikanischen Truppen selbst arbeitet sich Rossellini vom Süden in den Norden vor: Auf Sizilien begegnet ein Spähtrupp einer jungen Sizilianerin, die nach ihrer Familie sucht. Im besetzten Neapel führt ein armer Junge einen betrunkenen Militärpolizisten durch die Ruinen der Stadt. In Rom laufen sich zwei ehemals Liebende in die Arme, die sich nach den fürchterlichen Grauen, die der Krieg in die Stadt gebracht hat, nicht wiedererkennen. In Florenz versucht eine amerikanische Krankenschwester zusammen mit einem Bekannten in den noch von Deutschen besetzten Teil der Stadt vorzudringen, um ihren Geliebten zu suchen. In einem entlegenden Kloster in der Romagna nehmen Mönche amerikanische Militärkaplane bei sich auf. Und in der Po-Ebene kämpfen im Schilf des Ufers erbittert eingeschlossene Partisanen zusammen mit einer amerikanischen Einheit mit Unterstützung der Bevölkerung gegen die Deutschen. Manche dieser Geschichten sind wunderbare, in sich geschlossene Dramen (wie etwa die erste und die dritte Episode), die auch einen ganzen Film allein tragen würden. Nicht alle Episoden sind gleichermaßen fesselnd, aber alle zeichnet ein unverzerrter, jedoch nicht verbitterter Blick auf die Verhältnisse im besetzten Italien aus. Die Dialoge sind hervorragend geschrieben (am Drehbuch arbeiteten Federico Fellini und Klaus Mann mit), die Kamerarbeit ist exzellent, und hin und wieder blitzt sogar ein Funke Humor durch – der allerdings schon in der nächsten Einstellung von der Realität des Krieges unterlaufen wird. Den Fortschritt der amerikanischen Truppen zeichnet Rossellini in kurzen Zwischensequenzen mit Aufnahmen aus der Nachrichten nach, was dem Film zudem eine dokumentarische Note verleiht. Ein sehr eindringlicher und phasenweise intensiver Film, dessen einzelne Episoden zwar nicht alle durchgängig auf dem gleichen herausragenden Niveau sind, aber insgesamt ist „Paisà“ ein großes Werk, das sehr gut gealtert ist.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 15 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


8,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=ZGSK7Hzspyc

Körper und Seele (2017)

Regie: Ildikó Enyedi
Original-Titel: Testről és lélekről
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Liebesfilm, Drama
IMDB-Link: Testről és lélekről


Der introvertierte Finanzdirektor eines Schlachthofs träumt jede Nacht davon, ein Hirsch zu sein und mit seiner Gefährtin durch den Wald zu streifen. Das allein würde schon ausreichen, dass sich Sigi Freud die Hände reibt. Richtig interessant wird es allerdings, als zufällig herauskommt, dass die neu angestellte Qualitätskontrolleurin, die ebenfalls sehr introvertierte (und wie sich später zeigen wird: autistische) Mária jede Nacht den gleichen Traum träumt – aus der Hirschkuhperspektive. Und so bröckeln allmählich Schutzmauern, man nähert sich vorsichtig – wie eben zwei Hirsche im Wald – einander an. „Körper und Seele“ von Ildikó Enyedi, der 2017 mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet wurde, ist ein stiller und ungewöhnlicher Liebesfilm. Das Thema ist der Einklang zwischen Körper und Seele bzw. das Fehlen dessen. Beide Protagonisten leben in ihrer eigenen Welt, die keine wirkliche Nähe zulässt. Endre, der versehrte Finanzdirektor, hat schon lange Beziehungen und der Liebe abgeschworen und nähert sich Frauen nur noch auf einer rein körperlichen Ebene an. Mária ist schlicht überfordert mit zwischenmenschlichen Interaktionen und dem Interpretieren von Zeichen und Gesten. Berührungen machen ihr Angst. Es erscheint logisch, dass sich die beiden nur auf der Ebene des Traums annähern können – und der Film reizt dieses Gedankenspiel auf eine sehr poetische Weise aus. Immer wieder blitzt auch eine sehr dunkle Komik durch. Außerdem ist wirklich alles fragil in diesem Film. Jede Bewegung, jedes Wort kann falsch sein und alles zum Einstürzen bringen. So gesehen sind nicht nur die Protagonisten introvertiert, sondern der ganze Film ist es. Wie gesagt, ein poetisches Werk, das getragen wird von wunderschönen Bildern dank der herausragenden Kamera von Máté Herbai und den beiden Hauptdarstellern, denen in punkto Verletzlichkeit alles abverlangt wird. Umso eindrucksvoller, dass Endre vom Laiendarsteller Géza Morcsányi verkörpert wird, der seiner versierten Berufskollegin Alexandra Borbély um nichts nachsteht. Ein sehr schöner, sehr berührender Film.

 

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 25 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


8,0
von 10 Kürbissen

Back in the Game (2012)

Regie: Robert Lorenz
Original-Titel: Trouble With the Curve
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Sportfilm
IMDB-Link: Trouble With the Curve


 

Eine kleine Sensation war es schon: Erstmals seit 1993 trat Clint Eastwood wieder als Schauspieler in einem Film auf, bei dem er nicht selbst Regie führte. Dafür zeichnete nämlich Robert Lorenz verantwortlich in seinem Filmdebüt „Back in the Game“ (im Original: „Trouble With the Curve“ – wie sehr ich diese englischen Alternativtitel für englische Titel liebe …). Immerhin: Man kennt sich. Robert Lorenz produzierte nämlich so ziemlich alle Clint Eastwood-Filme seit 2002. So darf man es als Gefallen werten, dass der alte Knochen für ihn noch mal in den Ring stieg, um die Geschichte des gealterten Baseball-Scouts Gus Lobel zu erzählen, der nicht nur Probleme mit seinem Chef (der ihn durch einen Computerfuzzi ersetzen will) und seinen Augen (was ja irgendwie blöd ist für einen Scout, der Talente sichten soll), sondern auch noch mit seiner Tochter Mickey (Amy Adams) hat. Die Beziehung zwischen den beiden ist ziemlich unterkühlt. Dennoch begleitet Mickey, die als erfolgreiche Anwältin kurz vor der Partnerschaft eigentlich eine Menge wichtigere Dinge um die Ohren hat, ihren alten Vater bei einer Tour durch die Provinz, wo er im Auftrag seines Teams ein großes Talent beobachten soll. Warum genau sie das macht, geht eigentlich nicht wirklich hervor. Nur weil der alte Kumpel der Familie (John Goodman) so nett gefragt hat? Na ja. Immerhin lernt sie auf dieser Reise nicht nur ihren Vater ein bisschen besser kennen, sondern auch den ehemaligen Baseball-Spieler Johnny (Justin Timberlake), der nach einer Verletzung nun ebenfalls als Scout tätig ist. So entwickelt sich eine völlig überraschungsfreie, aber zumeist charmante Geschichte, die für zwei Stunden nette Unterhaltung bietet, aber danach auch wieder sofort vergessen werden kann. Was schade ist, denn die Besetzung hätte deutlich mehr versprochen.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 34 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

Tarantula (1955)

Regie: Jack Arnold
Original-Titel: Tarantula
Erscheinungsjahr: 1955
Genre: Horror, Fantasy
IMDB-Link: Tarantula


Dank der Filmreisechallenge, an der ich dieses Jahr teilnehme, stoße ich auf Filme, die ich mir sonst wohl kaum angesehen hätte. „Tarantula“, das kultige Horror-B-Movie von Jack Arnold aus dem Jahr 1955, ist so ein Film. Ja, ich wusste, dass es den gibt, aber ihn anzusehen wäre mir wohl eher nicht in den Sinn gekommen. Da allerdings die Sichtung eines B-Movies der 1950er ein Teil der Challenge ist, habe ich also gespannt die DVD in den Player geschoben in Erwartung eines Trash-Vergnügens – und wurde nicht enttäuscht. Eines vorweg: Spinnenphobiker sollten einen großen Bogen um diesen Film machen. Aber gut, wer sich als Spinnenphobiker einen Film namens „Tarantula“ reinzieht, wendet entweder todesmutig die Schocktherapie zur Bekämpfung der Phobie an, oder hat schlicht nicht alle Murmeln beisammen. Denn das Viech ist scheußlich. Dank eines schief gelaufenen Experiments wächst sie auf eine Größe an, die man nur noch schwer satt bekommen kann, und macht die Wüste rund um das idyllische Städtchen Desert Rock unsicher. Dort lebt der Arzt Dr. Hastings (John Agar), dem das verfrühte und ziemlich hässliche Ableben eines Wissenschaftlers, der draußen in der Wüste Experimente durchführt, zu schaffen macht. Verstärkung erhält er von seinem Freund, dem Sheriff (Nestor Paiva) und der schönen Biologie-Studentin (Mara Corday), die das Team der Wissenschaftler unterstützen soll. Das wird allerdings mehr und mehr dezimiert, und bald schon stellt sich heraus, dass sie alle ein großes (und hungriges) Problem an der Backe haben. Man sieht dem Film an, dass das Budget nicht sonderlich üppig war. Dennoch gelingt es Jack Arnold, eine Stimmung von Suspense zu erzeugen, auch wenn es schnell ins Lächerliche geht, wenn das Monster dann tatsächlich zur Tat schreitet (zu blöd stellen sich die Menschen dabei an). Alle Rollen sind aber durchwegs gut gespielt. Natürlich ist das alles aus heutiger Sicht recht amüsanter Horror-Klamauk, der weit davon entfernt ist, irgendwelche Ansprüche bedienen zu wollen außer zu unterhalten. Aber das gelingt dem Film ziemlich gut. Insofern ein B-Movie, das trotz unübersehbarer dramaturgischer und technischer Schwächen auch heute noch für einen unterhaltsamen Filmabend sorgen kann.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 18 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Das Cabinet des Dr. Caligari (1920)

Regie: Robert Wiene
Original-Titel: Das Cabinet des Dr. Caligari
Erscheinungsjahr: 1920
Genre: Horror, Fantasy
IMDB-Link: Das Cabinet des Dr. Caligari


Wenn man an den deutschen Film und dabei an den Expressionismus denkt, ist „Das Cabinet des Dr. Caligari“ von Robert Wiene aus dem Jahr 1920 so etwas wie dessen Urknall. Vor windschiefen, verwinkelten Kulissen wird die dramatische Geschichte eines verrückten Gauklers, Dr. Caligari, auf dem Jahrmarkt erzählt, der einen Schlafwandler  präsentiert, der angeblich, wenn er aufgeweckt wird, die Zukunft vorhersagen kann. Das wollen sich die beiden Bohemiens und Freunde Franzis und Alan nicht entgehen lassen.  Blöd nur, dass der Somnambule Alan ein frühes Ableben, nämlich noch in der folgenden Nacht, prophezeit. Und noch blöder, dass sich der Mist bewahrheitet und Alan am nächsten Morgen ermordet in seiner Kammer aufgefunden wird. Franzis rückt aus, um dem Schurken Caligari, den er hinter dem Mord vermutet, den Garaus zu machen. So weit, so simpel die Story. Und natürlich, was das Storytelling selbst betrifft, war von Dr. Caligari aus noch ein Weg zu gehen bis zu Filmen wie „Inception“. Trotzdem kann der Klassiker auch heute noch überzeugen – durch die expressionistischen und liebevoll gestalteten Bühnenbilder, durch das charmante Overacting der Hauptfiguren, die interessante Farbgebung und natürlich auch durch die Geschichte selbst, die zwar simpel ist, aber doch spannend erzählt und gegen Ende hin auch einen unerwarteten Twist aufweist, über den sich trefflich grübeln lässt. So trefflich, dass sich Filmhistoriker bis heute mit dem Werk beschäftigen. „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ist auch heute noch solide Unterhaltung und dank einer ökonomischen Laufzeit und vieler interessanter Details am Rande auch recht kurzweilig. Gleichzeitig weiß man beim Sichten natürlich um die filmhistorische Bedeutung. Diese Perle des Expressionismus wird, wenn man sie in ihren historischen Kontext setzt, zu einem tiefenpsychologischen Werk über den Zustand der deutschen Seele kurz nach dem verheerenden Weltkrieg. Das hier im Detail auszuführen, würde aber jeden Rahmen sprengen. Kann man woanders nachlesen – dazu einfach den eigenen Kürbis gebrauchen anstelle des Filmkürbis.

Übrigens ein kleiner Tipp für alle, die sich selbst ein Bild machen möchten: Auf Youtube ist der ganze Film verfügbar (mit englischen Texten).

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 12 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

Karate Kid (1984)

Regie: John G. Avildsen
Original-Titel: The Karate Kid
Erscheinungsjahr: 1984
Genre: Action, Sportfilm
IMDB-Link: The Karate Kid


Wenn dich die Jungs an der neuen Schule ärgern, such dir einen väterlichen japanischen Freund, lass dir von ihm bei Hausarbeiten Karate beibringen, und dann vermöbele die bösen Jungs im Wettkampf. Damit sind alle Probleme gelöst. Dir gehört dann der neue Wagen, das hübsche Mädchen, der Respekt der Gegner und ein Bonsai-Baum. So jedenfalls wird es in „Karate Kid“ erzählt, ein Kultfilm der 80er, der – das muss man ihm anrechnen – mit einer recht sympathischen Besetzung (Ralph Macchio als Teenager Daniel, Pat Morita, für diese Rolle mit einer Oscarnominierung geehrt, als Mr. Miyagi) eine simple Geschichte erzählt. Im Gegensatz zu anderen Kampfsportfilmen (mir fallen hierzu spontan „Bloodsport“ oder „Mortal Combat“ ein) geht es nicht um den Kampf ums nackte Überleben und/oder gegen das ultimativ Böse, sondern einfach darum, in einer amerikanischen Highschool einigermaßen über die Runden zu kommen. Im Grunde ist „Karate Kid“ ein typischer Vertreter der Coming of Age-Filme. Familientauglich sind damit auch die Kampfszenen, die nie brutal wirken. Dennoch war ich nicht wirklich zufrieden mit der Umsetzung. Denn so sympathisch vor allem Pat Morita in der Rolle des ausgeglichenen Karatemeisters wirkt, so zweifelhaft ist dennoch die Botschaft, die der Film stellenweise vermittelt. Zwar wird „Gewalt ist vielleicht doch eine Lösung“ immer wieder relativiert, wenn beispielsweise betont wird, dass man Karate lernt, um eben nicht kämpfen zu müssen, aber irgendwie läuft es dann doch darauf hinaus, dass glücklicher ist, wer sich körperlich zur Wehr setzen kann. Und ja, ich weiß, das ist ein Film über Karate, ein Kampfsportfilm, aber ein bisschen mehrdimensionaler hätte man dennoch herangehen können. Zudem ist der Film die meiste Zeit über zwar ganz nett anzusehen, reißt aber kaum mit – und das Ende wirkt dann plötzlich extrem gehetzt. „Karate Kid“ hat ein massives Problem mit dem Timing. Warum sich dieser Film zum Kultfilm entwickelt konnte, erschließt sich mir nicht ganz – aber für einen netten Fernsehabend taugt er trotzdem.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 35 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

City of McFarland (2015)

Regie: Niki Caro
Original-Titel: McFarland, USA
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Sportfilm
IMDB-Link: McFarland, USA


Das Narrativ des Sportfilms ist wohl eines der starrsten überhaupt. Außenseiter (meist aus prekären Verhältnissen), ob Einzeln oder als Team, wächst über sich hinaus und straft die Kritiker Lügen. Am Ende steht der Sieg oder zumindest das ehrenvolle Abschneiden im Wettkampf. „City of McFarland“ von Niki Caro reiht sich nahtlos ein in die Geschichte der Sportfilme. Diesmal geht es um den Football-Coach Jim White (Kevin Costner), dem sein Temperament zum Verhängnis wird. Er wird gefeuert und findet nur noch in der kalifornischen Kleinstadt McFarland eine Anstellung an der dortigen High School. Fast alle Bewohner sind mexikanischer Abstammung, und die weiße Muster-Familie von Jim White tut sich erst einmal schwer, hier ihren Platz zu finden. Zu tief sind Vorurteile verankert. Durch Zufall findet White heraus, dass die örtlichen Burschen, gestählt vom Obstpflücken am Feld, vielleicht keine grandiosen Football-Spieler sind, aber laufen können wie die Hasen. Also gründet er kurzerhand McFarlands erstes Crosscountry-Team, das sich fortan mit Eliteschulen aus Palo Alto & Co. misst. Die klassische Außenseitergeschichte eben der Working Class, die in die elitäre Bourgeoisie einbricht und dort erst einmal Ablehnung widerfährt. Doch Jim White und seine Burschen lassen nicht locker, und die Heldengeschichte spitzt sich zu. „City of McFarland“ ist Wohlfühlkino. Das zeigt sich auch daran, dass die örtlichen Probleme wie beispielsweise eine hohe Kriminalitätsrate und Bandenschlägereien zwar nicht verschwiegen werden, aber im Grunde ihres Herzens sind eh alle gut und haben sich lieb, wenn es die Einstellung auf das jubelnde Publikum am Ende verlangt. Da treten auch ökonomische Zwänge und dergleichen mal in den Hintergrund. Und ja, das ist erbaulich, das will man sehen, aber es wird eben doch ein Stück weit von der Realität entfernt sein, in der sich Probleme nicht immer lockig-flockig in Luft auflösen, wenn man ins letzte Drittel einbiegt. Da hätte dem Film etwas mehr Realismus gut getan. Seine frohe Kunde vom Aufstieg der Außenseiter hätte er dennoch vermitteln können. Dennoch ein Film, den man sich gerne mal anschauen kann.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 33 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Die roten Schuhe (1948)

Regie: Michael Powell und Emeric Pressburger
Original-Titel: The Red Shoes
Erscheinungsjahr: 1948
Genre: Drama, Musikfilm
IMDB-Link: The Red Shoes


Rote Schuhe haben in der Filmgeschichte gerne mal besondere Eigenschaften – siehe zum Beispiel „Der Zauberer von Oz„. Warum rote Schuhe im Gegensatz zu grünen Schuhen oder gelben Schuhen so besonders sein sollen, erschließt sich mir nicht ganz, aber vielleicht ist ja Hans Christian Andersen daran schuld, der im 19. Jahrhundert das Märchen von den roten Schuhen geschrieben hat. Eben jenes Märchen möchte nun der große Ballettmanager Boris Lermontov (der österreichische Schauspieler Adolf Wohlbrück, der im englischen Exil als Anton Walbrook arbeitete) auf die Ballettbühne bringen, und zwar mit der jungen, aufstrebenden Tänzerin Victoria Page (Moira Shearer) in der Hauptrolle. Zwar ist Lermontov ein ziemliches Arschloch, doch genießt er in Kunst- und Societykreisen den besten Ruf und verspricht Victoria, aus ihr die größte Tänzerin aller Zeiten zu machen. Gleichzeitig sichert sich Lermontov die Dienste des talentierten Komponisten Julian Craster (Marius Goring), der die Partituren veredeln soll. Die Aufführung der „Roten Schuhe“ wird ein grandioser Erfolg, und die Entourage bereits die wichtigsten Städte Europas, um dort für Furore zu sorgen. Allerdings verkompliziert sich alles, wenn die Liebe ins Spiel kommt. Und so entspinnt sich eine Geschichte rund um Besessenheit, Ruhm und den Preis, den man für diesen zahlen muss. In vielerlei Hinsicht ist „Die roten Schuhe“ eine Art Blaupause für den späteren Darren Aronofsky-Film „Black Swan“. Die Themen sind ähnlich gelagert, und hier wie dort wird die Besessenheit gegen Ende hin mit den Mitteln der Fantastik verdeutlicht. Erstaunlich ist dabei das grandiose Handwerk des 1948 in Technicolor produzierten Films. Vor allem die Ballettszene, in der die „Roten Schuhe“ aufgeführt werden, ist meisterhaft inszeniert. Da verwundert es nicht, dass es Oscars für das beste Szenenbild und die beste Filmmusik gab sowie weitere Nominierungen für den besten Schnitt, das beste Drehbuch und den besten Film. Zwar hat der Film durchaus seine Längen, und die Geschichte selbst ist – trotz ihres allegorischen Wertes – nicht allzu vielschichtig, aber dennoch funktioniert der Film auch heute noch tadellos.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 47 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen