Komödie

Hilfe, die Amis kommen! (1985)

Regie: Amy Heckerling
Original-Titel: National Lampoon’s Vacation
Erscheinungsjahr: 1985
Genre: Komödie
IMDB-Link: National Lampoon’s European Vacation


Weil die Familie Griswold den ersten Preis in einer Quiz-Show gewinnt (wie auch immer solche Wunder zustande kommen), darf sie sich auf einen ausgedehnten Europaurlaub begeben – sehr zum Schaden der dort Einheimischen. Nacheinander werden London, Stonehenge, Paris, Deutschland und Rom ins Chaos gestürzt, wobei Eric Idle am meisten zu leiden hat. Die Spur der Verwüstung gibt links und rechts noch einen guten Blick auf Stereotype frei, die pflichtgemäß abgearbeitet werden müssen – von höflichen Briten über hochnäsigen Franzosen, schuhplattelnden Deutschen bis hin zu schurkischen Italienern ist alles dabei, was sich der Durchschnitts-Ami von Europa erwartet. Und genau das ist das Hauptproblem dieses internationalen Abenteuers von Chevy Chase, Beverly D’Angelo und Co: Man greift für die Blödelei halt in die unterste Schublade, die am einfachsten zu erreichen ist. Da nutzt es auch nichts, wenn sich der Cast noch so sehr abstrampelt – wirklich witzig ist der Film aufgrund der vielen Klischees, die er reihenweise präsentiert, halt nicht. Bis auf eine gelungene Ausnahme: Der Verwandtschaftsbesuch in Deutschland, bei dem durch Sprachprobleme zusammenfindet, was nicht zusammengehört. Das allein reicht aber nicht aus, um den Film über die Ziellinie zu retten. In den Staaten mag man den Film vielleicht wohlwollender aufnehmen als hierzulande. Immerhin hat Amy Heckerling vielfach in anderen Filmen gezeigt, dass sie Komödien kann. „Hilfe, die Amis kommen!“ ist trotz seines Bekanntheitsgrades qualitativ aber eher im unteren Drittel ihres Schaffens einzuordnen.


4,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Die schrillen Vier auf Achse (1983)

Regie: Harold Ramis
Original-Titel: National Lampoon’s Vacation
Erscheinungsjahr: 1983
Genre: Komödie, Roadmovie
IMDB-Link: National Lampoon’s Vacation


Hände hoch, wer nicht mit Filmen von Chevy Chase aufgewachsen ist. Über den Komödienstar als Menschen kann man vielleicht streiten, wie man so hört, aber eines lässt sich nicht bestreiten: In den 80ern war er eine richtig große Nummer. Und natürlich liefen auch im Haushalt der Kürbisse die Griswold-Filme rauf und runter (wenngleich die VHS-Kassette zu „Jagd auf einen Unsichtbaren“ noch abgenudelter war). In „Die schrillen Vier auf Achse“ macht sich die Familie Griswold auf einen irren Trip quer durch die USA von Chicago nach Kalifornien, um als heiß ersehntes Ziel der Reise den Vergnügungspark Walley World zu besuchen. Und natürlich: Wenn man vier Chaoten in ein Familienauto setzt und auf eine mehrere Tausend Kilometer lange Fahrt schickt, ist garantiert, dass so ziemlich alles passiert, aber nichts nach Plan. „Die schrillen Vier auf Achse“ sind ein überdrehter Familienspaß, an dem das jüngere Publikum vielleicht sogar noch mehr Spaß hat als die älteren Semester, wenngleich auch viele Witze von Doppeldeutigkeiten und Anzüglichkeiten leben. Dennoch kommt die Energie des Films vor allem vom Grimassen schneidenden, überdrehten Herumgehampel von Chevy Chase. Diese Komik nutzt sich zwar mit der Zeit etwas ab, aber ich erinnere mich: Als jungen Filmkürbis hat mich das damals köstlich unterhalten. Heute gibt es immerhin noch einige schöne Szenen, die das Zwerchfell nach wie vor beanspruchen, doch insgesamt ist mir das alles ein wenig zu zappelig geworden. Alles eine Frage des Humors, der sich schließlich auch verändert im Laufe der Jahre.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

See How They Run (2022)

Regie: Tom George
Original-Titel: See How They Run
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Krimi
IMDB-Link: See How They Run


Es kommt alles wieder. Die 80er. Die 90er. Klassische Whodunit-Krimis. Letztere sicherlich beeinflusst vom Erfolg der Knives Out-Filme von Rian Johnson und den Neuauflagen der Hercule Poirot-Krimis unter der Regie von Kenneth Branagh. Hercule Poirot stammt übrigens aus der Feder von Agatha Christie, der Königin des Krimis, und so verwundert es wenig, dass nach allen Reminiszenzen und Hommagen nun mal Christie selbst einen Auftritt in einem Krimi haben darf – wenngleich auch nur als Randfigur, denn rund um ihr Stück „Die Mausefalle“, das demnächst filmisch adaptiert werden soll, steigt plötzlich die Todesrate rapide an. Zunächst erwischt es den von sich selbst sehr eingenommenen Hollywood-Regisseur Leo Köpernick (Adrien Brody), der selbst im Jenseits nicht den Schlapfen halten kann und das Geschehen weiterhin fröhlich kommentiert. Auftritt Inspector Stoppard (Sam Rockwell) und Polizeinovizin Stalker (Saoirse Ronan), die große Mühe haben, sich einen Reim auf den Mord zu machen. Vor allem Constable Stalker lässt sich zu obskuren Lösungsversuchen hinreißen, die zwar von großem Enthusiasmus zeugen, aber den Fall nicht vorwärts bringen. Inspector Stoppard hingegen ist wenig begeistert, einen Rookie an die Hand nehmen zu müssen, und zeigt generell wenig Eigeninitiative. Aber, wie es halt so ist in diesem Genre: das ungleiche Paar rauft sich allmählich zusammen und kommt dem Bösen auf die Schliche. „See How They Run“ ist lakonisch erzählt, hat aber ein Problem: Gerade durch diese Reduktion in der Tonalität sind einem Helden, Opfer und Schurken irgendwie egal. Allein die Figur von Saoirse Ronan zeigt Tiefe und ist ein wenig gegen den Strich gebürstet. Ihr folgt man gerne, dem Rest nicht so ganz. Und so ist der Film zwar beileibe nicht schlecht, schöpft seine Möglichkeiten aber nicht aus. Einige skurrile Momente und eben die immer großartige Ronan allein sind zu wenig für einen guten Film.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Parisa Taghizadeh – © 2021 20th Century Studios All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

The Menu (2022)

Regie: Mark Mylod
Original-Titel: The Menu
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Satire, Thriller
IMDB-Link: The Menu


Für die Haute Cuisine muss man schon ein wenig einen Klescher haben, einen Poscher, eine Schraube locker (Übersetzung für die nördlichen Nachbarn). Da blecht man Hunderte von Euros, nur um zu essen. Aber ehrlicherweise: Wenn man einmal in den Genuss eines solchen Weltklassemenüs gekommen ist, kann man die Faszination dahinter nachvollziehen, denn plötzlich wird Essen zur Kunstform, und man trifft auf Geschmackskombinationen, die einem bislang völlig unbekannt waren. Würde ich das regelmäßig machen wollen? Nein. Dazu wäre mir das Geld zu schade. Doch hätte ich das Geld so locker sitzen wie die Gäste des fiktiven Nobelrestaurants Hawthorn, idyllisch auf einer einsamen Insel gelegen, würde ich mir das wohl öfter gönnen. Für Tyler (Nicholas Hoult), Fanboy der Haut Cuisine und großer Verehrer von Küchenchef Julian Slowik (Ralph Fiennes), geht ein Traum in Erfüllung, als er einen der begehrten Plätze zu einem Abendessen im Hawthorn ergattert. Seine Begleitung Margot (Anya Taylor-Joy) ist weniger beeindruckt, aber die junge Dame zieht mit und lässt sich vom enthusiastischen Tyler in die geheimnisvolle Welt der Spitzengastronomie einführen. In diesem Sinne fungiert das junge Paar als Tourguides für das außenstehende Publikum. Julian Slowik erweist sich schon bald als genialer, aber exzentrischer Kontrollfreak, der sein Menü bis ins kleinste Detail durchgeplant hat. Und er hat die eine oder andere Überraschung in petto. Bald schon sind die Gäste ins Abendessen involvierter, als sie sich das jemals hätten erträumen können. „The Menu“ ist ein bitterböser, schwarzhumoriger Film über das Ausloten und Überschreiten von Grenzen in einer Welt, die auf Extreme ausgerichtet ist. Wehe, dir brennt als Haubenkoch einmal die Suppe an – die Karriere ist ruiniert. Diese Extreme greift Mark Mylod in seinem Film auf und spielt sie bis zum bitteren Ende weiter. „The Menu“ ist einer der seltenen Filme, die sich auf abwegige Pfade begeben und sich dabei selbstbewusst auf ihre Wirkung verlassen, ohne ihre Handlung bis ins Detail erklären zu wollen. Ob satirische Allegorie auf die Verschwendungssucht unserer Zeit, zynischer Kommentar auf die Scheinwelt von Reich und Schön oder einfach eine schwarzhumorige Horrorkomödie – was auch immer das Publikum daraus mitnehmen möchte, bleibt den Zusehern überlassen. Angelegt ist alles, der Rest freie Interpretation und persönlicher Zugang. Und das finde ich großartig.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Photo Credit: Eric Zachanowich/Eric Zachanowich – © 20th Century Studios. All Rights Reserved. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Stichtag (2010)

Regie: Todd Phillips
Original-Titel: Due Date
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Komödie, Roadmovie
IMDB-Link: Due Date


Der Mann: Ein erfolgreicher Architekt in Atlanta. Die Frau: Hochschwanger, nur wenige Tage vor der Geburt, in Los Angeles. Das Problem: Der völlig verpeilte Möchtegern-Schauspieler Ethan Trembley, der nicht nur dafür sorgt, dass der arrogante Architekt von allen Airlines Flugverbot bekommt, sondern diesen im Zuge der Zwangs-Fahrgemeinschaft, die die beiden fortan bilden, an den Rande des Wahnsinns bringt. Das ist dann auch schon der ganze Film. Es geht darum, dass sich Robert Downey Jr. und Zach Galifianakis Nettigkeiten an den Kopf werfen und in möglichst absurde Situationen geraten. So ein Buddy-Movie wieder Willen kann ja sehr amüsant sein, wenn sich anfangs komplett konträre Charaktere im Verlauf des Films zusammenraufen müssen, doch sollte in einem solchen Fall die Chemie zwischen den Darstellern stimmen und beide Charaktere verständliche Motivationen für ihre Handlungen und Handlungsweisen mitbringen. Die vielfältigen Probleme von „Stichtag“ sind, dass beide Charaktere hochgradig unsympathisch sind (da hilft nicht einmal das Charisma von Robert Downey Jr.), es keinerlei Chemie zwischen den beiden gibt, die erkennen lässt, warum sich die beiden am Ende der Reise nicht noch einmal kräftig anschreien und dann für immer getrennt ihrer Wege gehen (sorry für den hier enthaltenen Spoiler, der aber kaum jemanden, der mit diesem Genre vertraut ist, sonderlich überraschen wird), und die Figur von Zach Galifianakis komplett over the top dämlich agiert. Ja, es gibt skurrile Personen, doch die sollten dennoch eine Herkunft unter der Spezies der Menschen erkennen lassen. Zach Galifianakis‘ Figur kann man im besten Fall als „abgespaced“ beschreiben. Abgesehen von einigen vereinzelten, wirklich lustigen Szenen, die aber komplett für sich stehen, funktioniert somit der Film überhaupt nicht.


4,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Melinda Sue Gordon – © 2010 Warner Bros. Entertainment Inc. and Legendary Pictures, Quelle http://www.imdb.com)

Amsterdam (2022)

Regie: David O. Russell
Original-Titel: Amsterdam
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Krimi, Drama, Komödie
IMDB-Link: Amsterdam


David O. Russell macht es mir nicht einfach. Für mich ist der renommierte Regisseur ein Überraschungsei. Oder, um es mit Forrest Gump zu sagen, eine Schachtel Pralinen. „Three Kings“ gehört zu den wenigen Filmen, die ich abgebrochen habe. Dann kam „The Fighter“, den ich richtig gut fand. Über „Silver Linings“ habe ich mich wieder geärgert. Zwar ein guter Film, aber hey, verdammt noch mal, der Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gehörte Emmanuelle Riva für „Amour“. (Sorry, JLaw. Ich mag dich ja trotzdem, solange du keine russischen Spioninnen spielst.) Über „American Hustle“ konnte man sich hingegen gar nicht ärgern. Ein grandioser Film. Und dann „Joy“, wieder Jennifer Lawrence, diesmal aber in einem richtig miesen Film. Was ist nun „Amsterdam“ – Top oder Flop? Geht man nach den meisten Kritiken, hat hier David O. Russell eine veritable Bruchlandung hingelegt. Und ja, ich verstehe, wie man dazu kommt, den Film nicht zu mögen. „Amsterdam“ springt in der Tonalität recht erratisch umher, versucht, Komödie, Drama, Krimi und Thriller zu vereinen, um am Ende relativ unspektakulär auszulaufen. Und doch hat der Film etwas, das über die (erneut) überragende Darstellung von Christian Bale hinausgeht: Der Film will so erratisch sein. In einer chaotischen Zwischenkriegszeit (der letzte Krieg hat noch sichtbare Narben hinterlassen, der kommende ist zwar noch nicht greifbar, aber es brodelt sich etwas zusammen in der Weltpolitik) läuft eben nicht alles in einem klaren Bogen ab. Da gibt es Raum für Leid genauso wie für Hoffnung. „Amsterdam“ ist auch mehr an der Geschichte dreier durch das Schicksal verbundenen Freunde (Bale, Margot Robbie und John David Washington) interessiert als an der Krimi-Handlung, die die drei nach vielen Jahren wieder zusammenführt. Es geht mehr um die Frage, wie eng Freundschaften sein können, die aus gemeinsamem Schmerz geboren wurden. Und das ist vielleicht der hoffnungsvollste Aspekt des Films: Auch wenn die Welt durchzudrehen scheint, solange man sich auf seine Freunde verlassen kann, gibt es immer einen Grund, jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of 20th Century Studios/Courtesy of 20th Century Studio – © 2022 20th Century Studios. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Codename U.N.C.L.E. (2015)

Regie: Guy Ritchie
Original-Titel: The Man from U.N.C.L.E.
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Action, Komödie
IMDB-Link: The Man from U.N.C.L.E.


Guy Ritchie hat eine Nische für sich gefunden: Er dreht Guy Ritchie-Filme. Was ich damit sagen will: Der britische Regisseur pflegt einen derart einzigartigen Stil, dass er nicht Gefahr läuft, irgendwann einmal durch halbgare Copycats vom Thron der lakonischen schwarzhumorigen Thriller gestoßen zu werden, die allesamt im Zwielicht zwischen Legalität und Illegalität (immer ein wenig mehr in Richtung zweiteres geneigt) spielen. Im Grunde dreht er fast immer den gleichen Film, und nur selten wagt er sich in andere Genres vor wie beispielsweise in Aladdin. Sein Metier bleiben eben die Agenten- und Ganoven-Thriller. Harte Kerle mit perfekten Manieren, die selbst während gewagten Stunts immer noch einen lockeren Spruch auf den Lippen haben. Kommt euch bekannt vor? Klar, James Bond tickt genauso. Kein Wunder, dass Henry Cavill, der in „Codename U.N.C.L.E.“ neben Armie Hammer die Hauptrolle geben darf, immer wieder als nächster James Bond-Kandidat in den Ring geworfen wird. Aber James Bond ist zwar ein sarkastischer Bastard mit Manieren, gerät aber nie in derart schräge Bredouillen wie die Helden aus Ritchies Filmen. In diesem Fall müssen sich am Höhepunkt des Kalten Krieges ein amerikanischer und ein russischer Geheimagent zusammentun, um einem finsteren Weltuntergangsszenario Einhalt zu gebieten. Nun ja, raffiniert ist der Plot nicht. Aber die sich zart entwickelnde Bromance zwischen Cavill und Hammer macht vieles wett – sogar das überraschend hölzerne Spiel von Alicia Vikander, die es eigentlich besser kann, in diesem Film aber schnell in Vergessenheit gerät. „Codename U.N.C.L.E.“ gehört nicht zu Ritchies stärksten Filmen, ist aber ein typischer Ritchie. Wer dessen sehr eigenwilligen Stil mag, wird hier gut bedient.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Daniel Smith – © 2013 Warner Bros. Entertainment Inc., Quelle http://www.imdb.com)

Weißes Rauschen (2022)

Regie: Noah Baumbach
Original-Titel: White Noise
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: White Noise


Noah Baumbach hat eine sehr eigene, durchaus lakonische Sicht auf die Dinge. Unter seiner Regie sind einige bemerkenswerte Filme wie Marriage Story oder „Frances Ha“ entstanden, letzterer mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin Greta Gerwig in der Hauptrolle, die wiederum ihrerseits sehr umtriebig ist (auf ihre Barbie-Verfilmung mit Margot Robbie und Ryan Gosling in den Hauptrollen freue ich mich schon besonders). Das neueste Werk, „Weißes Rauschen“, ist mit Sicherheit Baumbachs ambitioniertestes. Die Millionen, die Netflix in den Film gepumpt hat, werden in einen überragenden Cast (Adam Driver, Don Cheadle, natürlich Greta Gerwig und in einer Nebenrolle am Schluss Lars Eidinger) und überzeugende Spezialeffekte investiert, und doch bleibt der Film zuallererst ein typischer Baumbach-Film. Es passiert nicht viel, Menschen reden aneinander vorbei und treffen sich in Supermärkten. Für die literarische Vorlage hat Don DeLillo gesorgt, doch ist „Weißes Rauschen“ mehr Baumbach als DeLillo. Adam Driver spielt ein kurioses Mash-Up aus Woody Allen und Jeff Goldblum (die Dialogzeilen und die verhuschten Blicke scheinen von Woody Allen zu stammen, der körperliche Stoizismus, der die Dialoge begleitet, von Jeff Goldblum), und Greta Gerwig ist mit 80er-Jahre-Locken kaum wiederzuerkennen. Als Oberhäupter einer Patchwork-Familie müssen sie sich mit den Folgen eines Chemie-Unfalls auseinandersetzen, der das Familienleben auf eine harte Belastungsprobe stellt. Die scheinbare Nahtod-Erfahrung legt Risse frei, die sich unterhalb der Oberfläche durch die Familie ziehen. Das alles wird aber dermaßen nüchtern und beiläufig erzählt, dass es schwer ist, eine Bindung zu den Figuren aufzubauen. Schlimmer noch: Abgesehen von ein paar wirklich gelungenen Szenen plätschert der Film dermaßen ereignisarm vor sich hin, dass man Gefahr läuft, auf dem Sofa friedlich einzubüseln. „Weißes Rauschen“ macht es dem Zuseher nicht leicht. Wenn der Abspann mit einer witzigen Tanzeinlage der gefühlte Höhepunkt des ganzen Films ist, dann läuft in den zwei Stunden davor etwas grundlegend falsch. Es gibt zugänglichere Baumbach-Filme.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von WILSON WEBB/NETFLIX © 2022/WILSON WEBB / NETFLIX ©2022 – © 2022 NETFLIX, Quelle http://www.imdb.com)

Clueless – Was sonst! (1995)

Regie: Amy Heckerling
Original-Titel: Clueless
Erscheinungsjahr: 1995
Genre: Komödie, Satire, Liebesfilm
IMDB-Link: Clueless


Es gibt Filme, die zünden nicht beim ersten Ansehen, sondern es braucht ein paar Durchläufe. Fand ich „Clueless“ als Teenager noch mäßig unterhaltsam, kann ich diese Perle erst jetzt im zarten Alter von 40 Jahren so richtig schätzen. Aber gut, als Teenager ist man sowieso erst mal anti, egal, worum es geht. Außer man ist so reich und gut behütet wie Cher (Alicia Silverstone), dann ist man auch cool ohne aufmüpfige Attitüde. Das Geldbörserl richtet es. Und so kann die liebe Cher den ganzen Tag lang mit ihrer besten Freundin Dionne shoppen oder den Neuzugang der Schule (die viel zu früh verstorbene Brittany Murphy) in die wichtigen Belange des Lebens einführen, nämlich die Frage, welches Shirt man mit welchem Rock kombiniert. Doch etwas nagt schon an der beliebten Cher: Während ihre Freundinnen schon in den Genuss sexueller Ekstase gekommen sind, ist sie selbst noch Jungfrau, Die Versuche, dies zu ändern, erweisen sich zunächst als wenig erfolgreich. Und auch ihr Irgendwie-Stiefbruder Josh (Paul Rudd, dieser Vampir, der im Jahr 2022 genauso aussieht wie 1995), der Sohn einer Frau, mit der Chers Vater kurz mal verheiratet war, trägt zu den dunklen Wolken an ihrem Himmel bei, weiß der smarte Weltverbesserer ihre tief liegenden Probleme nicht richtig zu würdigen. Auf den ersten Blick ist „Clueless – Was sonst!“ von Amy Heckerling eine überdrehte Teenager-Komödie über eine verzogene Göre. Tatsächlich ist der Film aber so viel mehr. Er ist saukomisch, temporeich erzählt und hat trotz aller Oberflächlichkeit sein Herz am rechten Fleck. Am Ende zählen halt nur die echten Gefühle, und die siegen immer über den Kommerz. Halleluja! Und jetzt mach‘ ich ’n Schuh.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 1995 Paramount HE. All rights reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Glass Onion: A Knives Out Mystery (2022)

Regie: Rian Johnson
Original-Titel: Glass Onion: A Knives Out Mystery
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Krimi, Komödie
IMDB-Link: Glass Onion: A Knives Out Mystery


Sein Name ist Blanc. Benoit Blanc. Daniel Craig hat nach der Abgabe des 007-Staffelstabes eine neue Rolle gefunden, die sich wunderbar auf viele Jahre ausdehnen lässt. Ähnlich wie Kenneth Branagh, der kurzerhand seinen Schnurrbart hochgezwirbelt hat, um in Neuauflagen berühmter Agatha Christie-Krimis als Hercule Poirot auf launige Verbrecherjagd zu gehen. Daniel Craigs Figur des smarten Südstaaten-Detektives hat zwar (noch) keine dermaßen langlebige popkulturelle Vorgeschichte wie sein belgisches Pendant Poirot, doch ist Benoit Blanc ganz in der Tradition smarter Gentleman- und Lady-Ermittler geschrieben. Rian Johnson, Autor und Regisseur der nunmehr zwei Knives Out-Filme, lehnt sich stark an seine legendären Vorbilder an. Der erste Knives Out-Film war ein großes Vergnügen, nicht zuletzt dank eines grandiosen Casts, der sichtlich Freude an dem familiären Verwirrspiel hatte. Das zweite mordslustige Abenteuer rückt Benoit Blanc mehr in den Fokus. Zwar hat er wieder eine Reihe prominenter Verdächtiger an seiner Seite (Edward Norton, Kate Hudson, Dave Bautista, Janelle Monáe, Leslie Odom Jr. und Kathryn Hahn), doch wirken diese Figuren weniger facettenreich als der Kreis der Tatverdächtigen im ersten, dichten Landhaus-Krimi. Dafür darf Daniel Craig eben groß aufspielen, was ihm prompt eine Golden Globe-Nominierung eingebracht hat. Die Kritiken überschlagen sich aktuell mit Lob für das stimmungsvolle Whodunit in exotischem Setting mit (erneut) sozialkritischer Komponente, doch mich persönlich hat dieses Versteckspiel weniger mitgerissen als der erste Film. Dieser war raffinierter, hintergründiger und dichter. Mit dem Versuch, in allen Belangen noch mal eine Schippe draufzulegen, hat sich Johnson keinen Gefallen getan. Immerhin ist der Film schön anzusehen und immer noch unterhaltsam. Doch die Qualität seines Vorgängers erreicht er nicht.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)