Thriller

Dead Flowers (1992)

Regie: Peter Ily Huemer
Original-Titel: Dead Flowers
Erscheinungsjahr: 1992
Genre: Drama, Fantasy, Krimi, Liebesfilm, Thriller
IMDB-Link: Dead Flowers


Der große Hype des österreichischen Kinos begann Ende der 90er. „Nordrand“ von Barbara Albert wird hierbei immer wieder als Initialzündung genannt. Seitdem erhält der österreichische Film auch international viel Beachtung, und Filmschaffende wie Michael Haneke, Ulrich Seidl, Götz Spielmann, Jessica Hausner, die schon genannte Barbara Albert oder der kürzlich verstorbene Michael Glawogger heimsen wichtige Preise ein bis hin zu den Oscars. „Dead Flowers“ von Peter Ily Huemer kam da vielleicht ein paar Jahre zu früh. Denn an sich hätte der Film alles gehabt, um in dieser Runde reüssieren zu können. Alex, die Hauptfigur, hätte durchaus einem Jim Jarmusch-Film entsprungen sein. Der stoische Kammerjäger lebt friedlich vor sich hin, bis er eines Tages die mysteriöse Alice am Straßenrand aufgabelt. Die ist verdreckt, ein bisschen verwirrt und offenbar auf der Flucht. Aber vor wem? Auch seine resolute Großmutter kann ihm da nicht weiterhelfen. Aber eigentlich will er ja nur seine Ruhe haben. Und Alice. Aber erstaunlich, wie viel Elan dieser Dandy der Raststättencafés entwickeln kann, wenn ihm mal die Liebe in die Knochen einschießt und ihm die Begehrte entrissen wird. Dann steigt er wie Orpheus in die Unterwelt, um seine geliebte Alice wieder zurückzuholen. Und diese Unterwelt sieht aus wie ein Industrieviertel in Wien. Fad. Ein bisschen versifft. Man schweigt sich vielsagend beim Bier an. Aber damit kennt sich Alex ja aus.

„Dead Flowers“ ist ein interessantes, in Vergessenheit geratenes Kapitel in der österreichischen Kinogeschichte. Laut Peter Ily Huemer hatte der Film, der auch auf der Berlinale lief und dort gut aufgenommen wurde, das Problem, dass zu jener Zeit der Erfolg oder Misserfolg von den zwei wesentlichsten österreichischen Kinokritikern bestimmt wurde. Einer der beiden mochte den Film. Der Andere nicht. Und damit waren die Blumen tot, ehe sie eine echte Chance hatten, auf ihr Publikum einwirken zu können. Vielleicht ist dieser Erklärungsansatz etwas zu kurz gegriffen, denn frei von Schwächen ist der Film definitiv nicht. Er sitzt zwischen den Stühlen mehrerer Genres, er ist sehr simpel und einfach gehalten, verzichtet weitgehend trotz des fantastischen Themas darauf, den Zuseher staunen zu lassen, und manche Handlungsstränge oder Gefühle entwickeln sich etwas zu schnell, als dass sie von jedem im Publikum nachvollzogen werden könnten. Dennoch ist „Dead Flowers“ auch heute noch gut anzusehen und zeigt auf, dass der österreichische Film schon länger diese Qualität aufweist, für die er seit zwei Jahrzehnten bekannt ist, und nicht erst seit Barbara Albert & Co.


6,0
von 10 Kürbissen

Logan – The Wolverine (2017)

Regie: James Mangold
Original-Titel: Logan
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Action, Science Fiction, Thriller
IMDB-Link: Logan


Mittwochabend. 20:15 Uhr. Es ist angerichtet, die Sitze sind bezogen, das Popcorn ist bereit. Jetzt noch eine halbe Stunde Werbung, dann geht es los. Man ist durchaus skeptisch angesichts der Berichte aus den Vorwochen. Noch nie hat eine Mannschaft ein 0:4 in der Champions League-K.O.-Phase umgedreht.

Und los. Keine drei Minuten sind durch, schon liegen die ersten zerfetzten Leichen rund um den Luxus-Schlitten, mit dem sich Logan, ehemals Wolverine, seine Brötchen als Chauffeur verdient. Luis Suarez trifft zum 1:0 für Barcelona gegen eine indisponierte Pariser Abwehr. Nach diesem Auftakt ist alles angerichtet, die Geschichte entwickelt sich, Barcelona drückt an, Logan auch. Düstere Zeiten drohen: Barcelona vernebelt eine Chance nach der anderen, Professor Xavier ist ein uralter, seniler, tablettensüchtiger Mann, die Mutanten wie ausgelöscht von der Erde. Kurz vor Halbzeit: Dramatisches geschieht. Ein Eigentor zum 2:0. Logan und Xavier treffen auf ein junges Mädchen, das interessante Fähigkeiten besitzt. Ein schönes Gemetzel vor der Pause. Zur Halbzeit wissen wir: Hier wird mehr geboten als erwartet.

Kurz nach der Pause: Elfmeter. Messi verwandelt sicher zum 3:0. Hoffnung kommt auf, dass das Superhelden-Genre mit „Logan“ einen unerwarteten und erfrischenden Beitrag erhält. Dann aber der Schock: Im zweiten Drittel des Films wird es richtig düster und emotional heftig. Cavani schießt das 1:3. Barcelona müsste jetzt schon 6:1 gewinnen. Aber gehen die Lichter tatsächlich aus? Nein! Logan und Barcelona halten dagegen und in einem dramatischen, herzerweichenden Finish scoren zweimal Neymar und einmal Sergi Roberto zum unmöglich gehaltenen 6:1 und Logan macht das für unmöglich Gehaltene war: Die X-Men werden erwachsen und erhalten ein brutales, blutiges und unfassbar trauriges Requiem. Am Ende feiert Barcelona das Wunder, die Spieler fallen sich in die Arme, während auf einem anderen Schauplatz ein hölzernes Kreuz in der Erde steckt und man weiß, dass man Zeuge eines historischen Ereignisses wurde. Nein, nicht vom Aufstieg Barcelonas, sondern vom Abgesang der Superhelden-Filme. Ganz groß. Ich war froh, im Kino gewesen zu sein und nicht vor dem Fernseher.


8,0
von 10 Kürbissen

Operation Avalanche (2016)

Regie: Matt Johnson
Original-Titel: Operation Avalanche
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Satire, Thriller
IMDB-Link: Operation Avalanche


War Neil Armstrong 1969 der erste Mensch auf dem Mond, oder war er es nicht? Um diese Frage wird ja seit Jahrzehnten gestritten. Aluhüte werden befragt, im Chemtrail-Satz gelesen, es ist alles nicht so einfach, denn niemand von uns war ja dabei. Alles, was wir als Beweis haben, sind ein paar grobkörnige Schwarzweißaufnahmen und das Ehrenwort von Uncle Sam. Matt Johnson, ein kanadischer Filmemacher, dachte sich Folgendes: ‚Nehmen wir an, das Ganze wäre tatsächlich eine große Verschwörung gewesen – irgendwer musste ja dann die Bilder der Mondlandung faken. Und das wäre doch eine verdammt gute Geschichte, jene über die Filmemacher, die diese Mondlandung nachstellen.‘ Und so passierte nun Folgendes: Matt Johnson drehte einen Film mit Matt Johnson in der Hauptrolle, der als Matt Johnson vorgibt, einen Dokumentarfilm über die 60er Jahre der NASA zu drehen, um in den Räumlichkeiten der NASA einen Film zu drehen über ein Filmteam, das in den 60er Jahren bei der NASA angeblich einen Dokumentarfilm dreht, aber in Wahrheit die Mondlandung nachstellt. All das im besten Mockumentary-Style als abendfüllender Spielfilm. Die NASA hatte keinen Plan, stellte aber brav für fünf Drehtage die Räumlichkeiten zur Verfügung und ist jetzt leicht angepisst, nachdem der Film nun fertig und alles Andere als eine Doku über die NASA der 60er Jahre ist. Allein schon für diese Chuzpe gibt’s mal einen halben Bewertungspunkt extra. Der Film an sich ist, sofern man sich auf diesen Stil einlassen kann, phasenweise recht witzig (allerdings auf eine subtile, hintergründige Weise) und bekommt dann auch noch Thriller-Elemente, die allerdings ein bisschen fehlplatziert wirken angesichts der Komik der ersten Hälfte. Auch hat „Operation Avalanche“ unübersehbare Längen. So bleibt das Ganze ein wenig unter den Möglichkeiten zurück, bietet aber dennoch gute Unterhaltung.


6,5
von 10 Kürbissen

Die Hölle – Inferno (2017)

Regie: Stefan Ruzowitzky
Original-Titel: Die Hölle – Inferno
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Thriller
IMDB-Link: Die Hölle – Inferno


Mit Spannung wurde der neue Film von Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky erwartet. „Die Hölle“ soll ein knallharter Thriller made in Austria sein. Und es beginnt gleich mal vielversprechend: Die Taxifahrerin und Thaiboxerin Özge, die einige ungelöste Wutprobleme mit sich herumträgt, wird Augenzeugin eines bestialischen Mordes in der Wohnung gegenüber. Blöd nur, dass der Täter, der im Dunkeln bleibt, mitbekommt, dass Özge hinüberspechtelt. Der rassistische Polizist (gespielt von Tobias Moretti, der sichtlich Freude daran hat, mal das Arschloch zu sein) ist auch keine große Hilfe. Soll sie doch schauen, wo sie bleibt, notfalls zeigt man ihr halt, wie sie sich selbst verteidigen kann. Und natürlich – allmählich laufen die Dinge aus dem Ruder, und Özges Leben ist in Gefahr. Allerdings hat sie keinen Bock darauf, das Opferlamm zu sein, also packt sie selbst ordentlich mit an. Das ist auch die größte Stärke des Films neben der Milieuschilderung von Österreichern zweiter Generation: Özge ist kein Mädchen, das gerettet werden muss, sondern teil selbst kräftig aus, ohne dass aus dem Film ein Rache-Epos a la „Kill Bill“ wird. Das Setting bleibt realistisch. Gleichzeitig tappt der Film allerdings in so ziemlich jede Klischeefalle, die man sich vorstellen kann. Immer, wenn man meint: ‚Also, es wäre schon verdammt abgedroschen, wenn sie jetzt das bringen würden“, kann man schon einen Hunderter darauf verwetten, dass der Film im nächsten Moment genau das bringt. Jedes Mal. Und so ist „Die Hölle“ am Ende ein leider extrem uninspiriertes, manchmal sogar ziemlich dummes, aber nicht unspannendes Handwerksstück.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Luna Filmverleih)

Personal Shopper (2016)

Regie: Olivier Assayas
Original-Titel: Personal Shopper
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Horror, Thriller
IMDB-Link: Personal Shopper


Beim Ansehen von Olivier Assayas‘ Film „Clouds of Sils Maria“ habe ich begriffen, dass Kristen Stewart eine Schauspielerin ist, eine großartige noch dazu. Wenn man sie lässt, dann können sich auf ihrem Resting Bitch Face wirklich viele Emotionen abspielen, dann ist da plötzlich eine Verletzlichkeit zu sehen, die ich erstaunen lässt. Also musste ich nach „Clouds of Sils Maria“ Abbitte leisten und war schon gespannt wie ein Gummiringerl auf die neueste Zusammenarbeit mit Assayas. Diese ist leider nicht ganz so geglückt wie der Vorgänger, so viel sei gleich gesagt. „Personal Shopper“ weiß nicht so recht, ob er ein Gruselfilm sein soll, ein Film über die Verarbeitung von Trauer und Verlust, ein Thriller, ein Krimi vielleicht, eine Selbstfindungsgeschichte, irgendwie ist er von allem ein bisschen was und damit etwas unentschlossen. Die Geschichte erzählt von der jungen Maureen (Kristen Stewart), die in Frankreich als Personal Shopper, eine Art Einkaufsassistentin für ein Supermodel (Nora von Waldstätten), arbeitet und gleichzeitig ihrem toten Zwillingsbruder nachspürt, denn sie haben einst einen Pakt geschlossen: Wer zuerst stirbt, gibt dem überlebenden Geschwisterteil ein Zeichen aus dem Jenseits. Maureen, die am gleichen Herzfehler leidet wie ihr toter Bruder, wartet also auf dieses Zeichen. Währenddessen bekommt sie seltsame Nachrichten von einer unbekannten Nummer, die sie dazu einladen, ein seltsames Spiel zu spielen. Das alles ist sehr gut anzusehen, ist stimmungsvoll aufgebaut und gut gespielt, allerdings fehlt mir manchmal der Fokus auf den Aspekt der Geschichte, um den es Assayas tatsächlich geht. Auch wenn sich am Ende irgendwie alles zusammenfügt, so bleibt der Weg dahin dennoch Stückwerk. Das Ende lässt viele Interpretationsmöglichkeiten offen (was ich ja sehr mag), wird aber viele Zuseher unbefriedigt zurücklassen. So ist „Personal Shopper“ zwar ein interessanter Film, aber kein großer Wurf.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Passengers (2016)

Regie: Morten Tyldum
Original-Titel: Passengers
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Science-Fiction, Thriller
IMDB-Link: Passengers


„Gravity“ meets „2001 – Odyssee im Weltraum“ meets „Moon“ meets „Titanic“ meets „Kramer gegen Kramer“ meets „Shining“. Damit ist das Grundproblem, das Morten Tyldums „Passengers“ aufweist, schon umrissen. Der Film geht kein Risiko ein und den Weg des geringsten Widerstands. Die Ausgangslage hätte Potential für einen weitaus interessanteren, gewagteren Film gehabt: Auf einer 120 Jahre dauernden Reise durchs All zu einem neuen bewohnbaren Planeten kommt es zu einem Defekt, wodurch einer der Passagiere (Chris Pratt) aus dem Tiefschlaf erwacht. Während er die ersten Stunden noch im Glauben verbringt, er nähere sich nun dem neuen Heimatplaneten an, muss er bald zu seinem Entsetzen feststellen, dass ihn noch 90 Jahre von der Ankunft trennen. Heißt: Vor ihm liegt ein ganzes Leben in Einsamkeit auf einem Raumschiff, als einzige Gesellschaft der von Michael Sheen gespielte Bar-Roboter. Natürlich kommt man dann mit der Zeit auf dumme Gedanken. Und der dümmste davon ist sicherlich, eine hübsche Mitpassagierin (Jennifer Lawrence) vorzeitig aus dem Tiefschlaf zu holen. Was also eine Geschichte über die großen moralischen Fragen des Lebens hätte sein können – inwieweit man in das Leben eines anderen Menschen eingreifen darf, wie wir mit Einsamkeit umgehen, was menschliche Kontakte für uns bedeuten – biegt etwa zur Hälfte des Films ab, um konventionellere Sci-Fi-Thriller-Katastrophen-Pfade zu bestreiten. Das Raumschiff spielt verrückt, es muss gegen die Zeit angerannt werden, um das Werkl doch noch irgendwie zusammenzuhalten, und moralische Fragen werden bei all der Rennerei natürlich beiseite geschoben. Aber hier wird aus „Moon“ meets „2001 – Odyssee im Weltraum“ meets „Shining“ meets „Kramer gegen Kramer“ nun leider ein (schlechtes) „Gravity“ meets „Titanic“. Die Action ist leider ziemlich lächerlich und over-the-top und versenkt gegen Ende hin den an sich guten Film in die Durchschnittlichkeit. Für ein passables Kinovergnügen reicht es aus, aber man ärgert sich halt dann doch ein bisschen ob der verschenkten Chancen. So wie im Fußball über den Ausgleich, den der bislang gegen den Titelanwärter führende Underdog in der 90. Minute doch noch hinnehmen muss.


6,0
von 10 Kürbissen

Open Windows (2014)

Regie: Nacho Vigalondo
Original-Titel: Open Windows
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Thriller
IMDB-Link: Open Windows


Was für eine wunderbar absurde Ausgangslage: Ein Hobbit und ein Pornostar spielen in einem spanischen High-Tech-Thriller, der das Geschehen ausschließlich auf dem Bildschirm eines Laptops zeigt. „You had me at Hello!“ Die Geschichte ist rasch erzählt: Nick (gespielt von Elijah Wood), ein Nerd und Betreiber der Fanseite einer berühmten Hollywoodschauspielerin, wird zu einer Convention eingeladen, auf der seine Angebetete Jill (Sasha Grey) ihren neuen Film vorstellt. Er sitzt im Hotelzimmer, streamt die Veranstaltung und soll anschließend ein Interview mit ihr führen, als er einen mysteriösen Anruf bekommt. Der Anrufer erklärt ihm, dass Jill das Interview abgesagt hätte, dass sie dafür bestraft gehört, und er installiert lauter interessante Apps auf Nicks Computer, mit denen er beispielsweise ihre Telefonate abhören kann, die sich in Überwachungskameras hacken können und ähnliche nützliche Dinge, die der Stalker von Welt so braucht. Und Nick muss feststellen, dass er in einem perfiden Spiel als Marionette eingespannt ist, denn der Anrufer hat Böses im Sinn. Gut, dass da drei konfuse französische Hacker in der anderen Leitung hängen. Vielleicht können die ihm ja aus der Patsche helfen und auch seine heißgeliebte Jill retten?

„Open Windows“ ist so ein Fall von „gut gemeint, aber schlecht ausgeführt“. Die Grundidee, dass sich nämlich alles ausschließlich auf dem Bildschirm von Nicks Laptop abspielt – via Überwachungskamera-Videos, Video-Chats und dergleichen – ist reizvoll und interessant. Allerdings ist die Thrillerhandlung selbst so öde und so voller Klischees und Logikbrüche, dass man sich irgendwann nur noch auf den Kopf greift und dem Drehbuchautor sämtliche Viren und Trojaner, die im Internet je kursiert sind, auf den Hals wünscht.


3,0
von 10 Kürbissen

Pusher 3 (2005)

Regie: Nicolas Winding Refn
Original-Titel: Pusher 3
Erscheinungsjahr: 2005
Genre: Drama, Thriller, Krimi
IMDB-Link: Pusher 3


Mit „Pusher 3“, das passenderweise den Untertitel „I’m the Angel of Death“ trägt, beschließt Nicolas Winding Refn seine Pusher-Trilogie rund um das Drogenmilieu Kopenhagens, diesmal ohne Mads Mikkelsen. Der dritte und letzte Teil konzentriert sich auf die Figur des Milo, jener Drogenboss, dem in Teil 1 der Dealer Frank verpflichtet war. Milo, ein albanischer Serbe, der ein wenig aus Zeit und Raum gefallen scheint, wirkt zu Beginn des Films ein wenig geläutert, müde vielleicht. Er nimmt an den Sitzungen anonymer Drogenabhängiger teil und bereitet das Fest zum 25. Geburtstag seiner geliebten Tochter Milena vor. Doch weil Milo immer noch Milo ist, hat er nebenbei ein paar Geschäfte am Laufen, dummerweise mit Ecstasy anstatt mit Heroin, denn mit Letzterem kennt er sich aus, mit Ersterem jedoch nicht. Kein Problem, sein Kumpel Muhammad, ein Türke, verkauft das Zeug für ihn. Angeblich. Denn plötzlich ist Muhammad verschwunden, das Ecstacy auch, und die eigentlichen Besitzer der Drogen rücken Milo auf den Leib. Als Gegenleistung muss er einen Polen aufnehmen, der ein 17jähriges Mädchen als Prostituierte verkaufen will (eine Szene, in der es einen Schlag in die Magengrube nach dem anderen setzt). Milo, treuer Familienvater, der zwischen Fest und kriminellen Geschäften hin und her hetzt, hat aber irgendwann genug davon und greift ein – was die Sache nicht unbedingt angenehmer macht. Also muss Radovan, sein alter Mann fürs Grobe, noch ein letztes Mal ausrücken, obwohl er sich eigentlich als Pizzabäcker zur Ruhe gesetzt hat. Blöderweise hat nämlich Milo, ein leidenschaftlicher, aber mieser Hobby-Koch, versehentlich seine ganze Mannschaft mit seinem Essen vergiftet. Konfrontiert mit den dreckigen Problemen, für die er eigentlich schon zu alt ist, gänzlich auf sich gestellt und immer mit einem Auge auf seine Tochter, setzt sich bei Milo allmählich ein Prozess in Bewegung. Am Ende geht sein Blick ins Leere, und man weiß: Da steht ein Mann, der bereut. „Pusher 3“ fängt harmlos und fast belanglos an, steigert sich aber von Minute zu Minute und zieht schließlich die Daumenschrauben fest an. Wenn dann Radovan seine Arbeit erledigt, weiß man, warum auf dem Cover leuchtend rot ein FSK18-Hinweis prangt. Aber die Gewalt ist hier nicht unterhaltsam -im Gegenteil. Sie deprimiert. Hier sind Menschen am Werke, die eigentlich niemandem weh tun möchten, auch wenn sie auf der falschen Seite des Gesetzes stehen. Aber irgendwann entgleiten einem die Dinge halt. Ein harter Film und eine großartige Charakterstudie – und damit ein würdiger Abschluss der Trilogie.


7,5
von 10 Kürbissen

Pusher II: Respect (2004)

Regie: Nicolas Winding Refn
Original-Titel: Pusher II
Erscheinungsjahr: 2004
Genre: Drama, Thriller, Krimi
IMDB-Link: Pusher II


Tonny (Mads Mikkelsen), der etwas dämliche Kleinganove aus Pusher, kommt aus dem Gefängnis raus. Immer noch trägt er den Schädel luftig, sodass man sein großflächiges Tattoo sieht, das den Hinterkopf ziert. RESPECT ist dort zu lesen, und darum geht es ihm auch. Er möchte den Respekt seines Vaters zurückgewinnen, der eine Autowerkstatt betreibt und nebenbei krumme Dinger dreht. Also klaut Tonny (wie gesagt, nicht der Hellste) bei einer sich bietenden Gelegenheit einen Ferrari. Damit muss der Vater ja zu beeindrucken sein, oder? Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Der Vater is not amused, denn so ein protziger Sportwagen ist schwer zu verticken. Und Tonny hat bald richtig Ärger. Dass die drogenabhängige Charlotte felsenfest behauptet, ihr Kind, ein kleines Baby, sei von ihm, verkompliziert alles nur noch mehr. Plötzlich steht Tonny vor Entscheidungen, die er bislang nie treffen musste, und der Herausforderung, erwachsen zu werden. „Pusher II“ ist, was die Charakterentwicklung betrifft, noch interessanter als der Vorgänger „Pusher“ aus dem Jahr 1996. Allerdings mäandert der Film manchmal auch ein wenig umher. Die Geschichte rund um Tonny und seinen Versuch, einen Platz in der Welt zu finden, ist zwar interessant, aber vielleicht zu sehr dem tatsächlichen Leben nachempfunden. So muss der Zuseher auch die eine oder andere Redundanz durchstehen. Das echte Leben ist nun mal auch streckenweise langweilig. Was allerdings – neben der unheimlich gut gezeichneten Charakterentwicklung Tonnys und den, wie schon bei „Pusher“, schonungslosen und ehrlichen Bildern verwüsteter Leben – „Pusher II“ richtig gut macht, ist das Schauspiel Mads Mikkelsens. Ich könnte ihm stundenlang zusehen. Ein ganz Großer seiner Zunft.


6,5
von 10 Kürbissen

Nocturnal Animals (2016)

Regie: Tom Ford
Original-Titel: Nocturnal Animals
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Thriller
IMDB-Link: Nocturnal Animals


Es ist nicht leicht, über „Nocturnal Animals“ von Tom Ford zu schreiben. Für gewöhnlich habe ich kein Problem damit, nach der Sichtung eines Films einen kernigen Satz oder ein Leitthema zu formulieren als Ausgangsbasis für meine Filmbetrachtung. Das ist hier aber nicht möglich. Zu viele Eindrücke müssen erst einmal sortiert werden, erneut durchdacht, noch mal im Stillen genossen – aber bis ich damit fertig bin, ist der Film schon längst auf DVD oder Blu-ray draußen, und es kräht kein Hahn mehr nach meiner Meinung. (Passiert ohnehin nicht, Hähne sind unzuverlässig und verstockt, aber trotzdem.) Also frisch aus dem Kino und ran an die Tasten, hilft ja alles nix. Wir haben: Einen seinen Film stylisch durchkomponierenden Tom Ford, der es aber schafft – anders als zB ein Nicolas Winding Refn in seinen schwächeren Momenten – nicht nur bloße Oberfläche zu produzieren, sondern die Ästhetik in den Hintergrund rücken zu lassen, sodass sie sich dem Zuseher nicht aufdrängt. Wir haben auch: Grandiose Darsteller, durch die Bank, bis in die kleinste Nebenrolle. Die Speerspitze sind Amy Adams (seufz, wenn mich Scarlett und Felicity verschmähen, Amy, wie wäre es mit uns beiden?) und Jake Gyllenhaal, die heimlichen Stars in den Nebenrollen sind aber Michael Shannon (überschüttet den Mann doch endlich mal mit Oscars, ihr Banausen!) und Aaron Taylor-Johnson in der Rolle seines bisherigen Schauspielerlebens. Ehrlich, ich habe den Burschen erst im Abspann erkannt. Er zaubert einen derart fiesen Bösewicht auf die Leinwand, dass einem bei jeder seiner Bewegungen das Blut in den Adern gefriert. Ein denkwürdiger Schurke, der für mich in die Annalen der Filmbösen eingehen wird. Verdiente Globe-Nominierung. Und wir haben: Eine faszinierende Story in einer Story, einen knallharten und auch mit seinem Publikum schonungslos umgehenden Thriller, der in eine Art Selbstfindungs-/Reflexions-Drama gegossen wird. Eine Ein-Satz-Inhaltsangabe des Films könnte wohl lauten: Amy Adams liest ein Buch. Aber es ist so viel mehr. Fiktion und Wirklichkeit greifen ineinander, und am Ende lese ich selbst eine Art Befreiungsgeschichte eines beinahe gescheiterten Autors heraus. Aber das ist meine persönliche Interpretation. Das Schöne an dem Film: Jeder, der ihn sieht, wird eine eigene Interpretation finden. Und das ist doch das Beste an den richtig guten Filmen, dass sie ein intimer Teil ihres Publikums werden, dass sie erst durch die persönlichen Erfahrungen, mit denen sie von jedem Einzelnen angereichert werden, tatsächlich komplett sind (aber sich dennoch weiterhin wandeln können, je nachdem, an welchem Moment des Lebens man den Film wieder sieht). „Nocturnal Animals“ ist so ein Film, jedenfalls für mich.


9,0
von 10 Kürbissen