Musical / Musikfilm

Nine (2009)

Regie: Rob Marshall
Original-Titel: Nine
Erscheinungsjahr: 2009
Genre: Liebesfilm, Musical
IMDB-Link: Nine


Daniel Day-Lewis ist die männliche Meryl Streep. Gewaltig, unantastbar, immer grandios und allein die Ankündigung eines neuen Films geht einher mit einer sicheren Oscar-Nominierung. Dass Meryl Streep 2008 plötzlich auch noch damit anfing, in einem Musical („Mamma Mia“) mitzusingen und zu -tanzen, konnte Daniel Day-Lewis nicht auf sich sitzen lassen und ließ sich für die Musical-Verfilmung „Nine“ von Rob Marshall verpflichten. Darin spielt, singt und tanzt er Guido Contini, einen gefeierten Filmregisseur der 60er Jahre, der aber nun zu Beginn der Produktion seines neuesten Films mit dem großspurigen Titel „Italia“ in einer veritablen Schaffens- und Lebenskrise steckt (Assoziationen zu Fellini kommen nicht von Ungefähr). Was er zu viel in seinem Leben hat: Frauen. (Marion Cotillard. Nicole Kidman. Penélope Cruz. Kate Hudson. Fergie. Judi Dench als mütterliche Kostümschneiderin. La Grande Sophia Loren als tote Mutter. Völlig nachvollziehbar, dass es einem das Oberstübchen da ein bisschen durcheinanderwürfelt zwischen Libido und Mutterkomplexen.) Was er zu wenig hat: Inspiration. Auch die Flucht in einen entlegenen Kurort hilft nicht, denn wenn Guido Contini nicht zum Filmdreh kommt, dann kommt der Filmdreh eben zu ihm. Und im Grunde ist das auch schon die ganze Geschichte. Das ist leider ein bisschen gar wenig, was meine Freude am Spektakel schon mal trübt. Dann: Die Musik. Von einem Musical sollte man eigentlich erwarten, dass zumindest der eine oder andere Song des Soundtracks im Ohr hängenbleibt. Fehlanzeige, jedenfalls bei mir (wobei ich zugeben muss, dass ich kein sonderlich Musical-trainiertes Ohr besitze). In „Nine“ klingen für mich alle Nummern gleich. Sie werden nur von unterschiedlichen Frauen vorgetragen, die sich dazu in enge Kostüme zwängen, die ihre prachtvollen Oberweiten dem Zuseher ins Gesicht drücken, während sie sich lasziv auf Bühnen räkeln (dass auch die Dame Judi Dench davon betroffen ist, erhöht den Fremdschämfaktor zusätzlich) – so ist das zwar (aus männlicher Perspektive) zwar recht ästhetisch anzusehen, aber was soll man sagen angesichts dieser Zurschaustellung sekundärer Geschlechtsmerkmale, die nicht unbedingt was zum Inhalt beitragen? Für einen Unterhaltungsfilm ist es zu viel, für einen Porno zu wenig. Es sieht ein wenig so aus, als wollte sich Rob Marshall mit dem Film einen feuchten Traum erfüllen und wäre gerade mal so im letzten Augenblick von seinen Cuttern auf FSK16 hinuntergebremst worden. Daniel Day-Lewis bemüht sich, seinem Contini so etwas wie Tiefe zu geben, und er ist auch wieder gut in dem, was er tut, auch Penélope Cruz und Marion Cotillard kann man keinen Vorwurf machen, aber die guten schauspielerischen Leistungen und mancher Schauwert retten den Film trotzdem nicht davor, phasenweise peinlich und meistens langweilig zu sein.


4,5
von 10 Kürbissen

Hard Core Logo (1996)

Regie: Bruce McDonald
Original-Titel: Hard Core Logo
Erscheinungsjahr: 1996
Genre: Drama, Komödie, Musical/Musikfilm, Roadmovie, Satire
IMDB-Link: Hard Core Logo


Hard Core Logo – so heißt die Band von Leadsänger Joe Dick, Gitarrist Billy Tallent, Bassist John Oxenberger und Drummer Pipefitter. In den 80ern hatte die kanadische Punkrockband große Erfolge, dann lösten sie sich auf. Mitte der 90er bringt Joe Dick die Band wieder zusammen, um ein Benefizkonzert zu Ehren des auf seiner Ranch angeschossenen Mentors Bucky Haight zu spielen. Daraus wird eine kleine Tour durch Westkanada. Der Filmemacher Bruce McDonald begleitet die Band auf ihrer Tour und ist live dabei, wenn die zwischenmenschlichen Abgründe, die einst zur Auflösung der Band geführt haben, zwischen Tourbus und Bühne sichtbar werden. Joe Dick, nur auf den ersten Blick geläutert, ist auf einem Egotrip durch die glorreichen Jahre der Vergangenheit, Billy Tallent möchte endlich die große Karriere machen, John Oxenberger ist nur ein buddhistisch angehauchter Literat, solange die Medikamente wirken, und Pipefitter hat keinen Plan. Der Clou an der ganzen Sache: Es handelt sich dabei um eine Mockumentary. Band und Musiker gibt es nicht wirklich. Bruce McDonald gelingt es aber (anders als beim glasklar satirisch aufgezogenen „This Is Spinal Tap“), nie den Bogen zu überspannen und bei allem Augenzwinkern die Musiker und deren Probleme lebensecht und nachvollziehbar darzustellen. „Hard Core Logo“ ist gleichzeitig eine Verbeugung vor dem Spirit des Punkrocks und dessen Abgesang. Ein ernster Spaß.


7,0
von 10 Kürbissen

Frühling für Hitler (1968)

Regie: Mel Brooks
Original-Titel: The Producers
Erscheinungsjahr: 1968
Genre: Komödie, Musikfilm / Musical, Satire
IMDB-Link: The Producers


Der ehemals so erfolgreiche Broadway-Produzent Max Bialystock (Zero Mostel, herrlich überdreht) hat ein Problem: Er ist nicht mehr erfolgreich. Im Gegenteil – um sich irgendwie über Wasser zu halten, bandelt er mit alten Witwen an, um ihnen ein paar Dollars für fiktive Theaterproduktionen abzuluchsen. Auftritt des Buchhalters Leo Bloom (Gene Wilder, hysterisch und Oscar-nominiert). Der überkorrekte und völlig neurotische Angsthase spinnt ein theoretisches, buchhalterisches Konstrukt, das Bialystock aufhorchen lässt: Wenn es einem gelänge, einen geplanten Flop zu produzieren, könnte man damit eine Menge Geld machen. Und zwar ist der Plan ganz simpel: Man bringt eine hohe Summe von Sponsoren auf, verwendet nur einen Bruchteil davon für die Produktion des Stücks und kassiert den Rest selbst ein. Je weiter man weg ist von der Gewinnzone, desto höher ist der Betrag, der den Produzenten bleibt, da die Sponsoren nur mitknabbern, wenn das Stück Geld abwirft. Diese Idee greift Bialystock sofort auf. Es gilt also, das schlechteste Broadway-Stück aller Zeiten zu produzieren. Und was wäre dafür vielversprechender, als das Theaterstück „Frühling für Hitler“ des Alt-Nazis Franz Liebkind (Kenneth Mars, nie ohne Stahlhelm) zu nehmen, der damit dem Führer Gerechtigkeit widerfahren lassen möchte, und darauf den schlechtesten Regisseur aller Zeiten anzusetzen, der daraus eine Revue-Musical-Nummer macht? Ein todsicherer Plan …

Allein schon wegen der Musicalnummer am Ende weiß man, warum „The Producers“ regelmäßig zu den besten Komödien der Filmgeschichte gezählt wird. Mel Brooks, selbst Jude, zieht den Erzfeind Hitler dermaßen konsequent ins Lächerliche, dass einem beim Ansehen auch heute noch die Spucke wegbleibt. Wenn die SS im Stechschritt eine Hakenkreuz-Formation tanzt, dann wird klar: Mel Brooks hatte wirklich Eier. „The Producers“ ist eine hinreißend hysterische, völlig durchgeknallte und wirklich vor nichts und niemanden Halt machende, bitterböse Satire auf die Geldgier, auf das Hitler-Regime, auf windige Broadway-Produktionen und die seltsamen Blüten des Kapitalismus. Das Nummernschild des Schlachtschiffs in „Spaceballs“, einer weiteren grandiosen Mel Brooks-Komödie, fällt einem in diesem Zusammenhang ein: „We break for nobody!“

Allein die Tonalität des Films ist gewöhnungsbedürftig. Hier wird geschrien, gefuchtelt, getanzt, gebrüllt, geschwitzt und hysterisch gelacht. Da ist kein leiser Ton dabei, alles ist bis zum Exzess überdreht. Das war mir persönlich an manchen Stellen sogar ein bisschen too much, aber saukomisch ist und bleibt der Film dennoch.


7,5
von 10 Kürbissen

Die Schöne und das Biest (2017)

Regie: Bill Condon
Original-Titel: Beauty and the Beast
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Fantasy, Liebesfilm, Musikfilm / Musical
IMDB-Link: Beauty and the Beast


Ladies Night im Artis Cinema. „Die Schöne und das Biest“. Und ich, männlich, den Altersschnitt deutlich anhebend, mitten drin. Weil: Kindheitserinnerungen. Und: Emma Watson. Plus ein Cast, der sich bis in den kleinsten Nebenrollen gewaschen hat: Ewan McGregor. Ian McKellen. Emma Thompson. Kevin Kline (den ich bis zum Schluss nicht erkannt habe). Stanley Tucci. Luke Evans (ein stimmlich und schauspielerisch herausragender Fiesling Gaston). Doch wie ist „Die Schöne und das Biest“ nun? Kommt die Realverfilmung von Bill Condon an den Trickfilmklassiker der 90er Jahre heran? Eines gleich mal vorweg: Wer den Zeichentrickfilm liebt, muss sich vor der Realverfilmung keineswegs fürchten. Im Gegenteil: Alle Zeichentrickfans, die mit mir im Kino waren, waren begeistert von diesem prunkvoll inszenierten Spektakel. „Die Schöne und das Biest“ ist kein Film der leisen Töne – hier wird so richtig protzig aufgetragen, man singt sich die Seele aus dem Leib. Dass diese dennoch nicht in der Luft verschwindet, sondern an einem Faden festgehalten wird, ist eben dem gewaltigen Cast zu verdanken, der (in den meisten Fällen ausschließlich als Sprechrollen und mit Gesang) jeder Figur Leben einhaucht und für den einen oder anderen lockeren Moment sorgt. Das Herzstück des Films ist aber Emma Watson als Belle. Ich muss gestehen, dass ich die erste Gesangsnummer gebraucht habe, bis ich mich an sie an Belle gewöhnt hatte, denn Emma Watson spielt sie nicht als unschuldiges, naives Liebchen, sondern verleiht der Figur eine Stärke und Unabhängigkeit, die ich erst mit den Erinnerungen an die Figur aus dem Zeichentrickfilm zusammenbringen musste, aber dann durchwegs genießen konnte. Belle ist durch Watsons Darstellung eine emanzipierte und moderne Frau geworden. Der neue Anstrich steht dem Disney-Klassiker sehr gut. Natürlich ist der Film nicht frei von Schwächen. Die CGI sieht manchmal ein bisschen daneben aus. Die Wölfe zum Beispiel. (Offenbar gehören Wölfe generell zu den größten Herausforderungen der Visual Effects Departments, an denen man regelmäßig scheitert.) Und oft wurde mir persönlich bei den Gesangs- und Tanznummern ein bisschen zu dick aufgetragen. Dass ich da nicht immer 100%ig mitgehen konnte, liegt aber auch daran, dass ich nicht unbedingt die passgenaue Zielgruppe für diesen Film bin. Dennoch habe ich mich gerne mitreißen lassen von dieser bunten, melodramatischen Fantasy-Welt. Und bin wieder ein bisschen Kind geworden.


6,5
von 10 Kürbissen

La La Land (2016)

Regie: Damien Chazelle
Original-Titel: La La Land
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Musikfilm / Musical
IMDB-Link: La La Land


Diese Rezension wurde verfasst im Rahmen der Viennale 2016.

Das Beste kommt zum Schluss. Ein sehr guter Viennale-Jahrgang wird beendet mit einer quietschvergnügten und knallbunten Explosion. „La La Land“ von Damien Chazelle, der mich schon mit seinem Erstling „Whiplash“ begeistert hat, ist so ganz anders als das sinistere Psychospiel, weist aber die gleichen Tugenden auf (das hohe Tempo, die großartigen Bilder, das gewitzte Spiel mit Licht und Schatten) und macht so ziemlich alles richtig. Ryan Gosling macht eine wunderbare Wandlung vom bemitleidenswerten Fiesling zum absoluten Sympathieträger durch, und Emma Stone ist überragend. Smells like Oscars, jedenfalls für Emma Stone. Die Story ist zwar recht konventionell und weitestgehend überraschungsfrei (mein einziger größerer Kritikpunkt), aber das bunte und laute Abenteuer macht einfach Spaß. Nach den vielen stillen und subtilen Filmen der letzten Tage kam dieser Knall zum Abschluss gerade recht. „La La Land“ ist ganz klar kein Film, der sich an seine Zuseher heranschleicht, sondern er kommt mit Pauken und Trompeten, nein, einer ganzen Blasmusikkapelle. Kitsch? Ja, klar – und wie! Mich hat es mitgerissen, ich bin hingerissen.

Nachtrag:

„La La Land“ hat auch beim zweiten Ansehen großartig funktioniert – jedenfalls für mich. Ich verstehe, warum dieser Film polarisiert, warum ihn viele als belanglos halten. Er behandelt kein wichtiges politisches oder soziales Thema, sondern ist einfach nur eine Liebesgeschichte mit Musik und Tanz. Aber hey – sind es nicht die banalen Dinge wie Musik und Tanz und ist es nicht das große, allumfassende Gefühl der Liebe, was uns Menschen schließlich ausmacht? „La La Land“ wird bei den Oscars durchmarschieren, und das passt schon so.


8,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Constantin)

Frank (2014)

Regie: Lenny Abrahamson
Original-Titel: Frank
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Komödie, Musikfilm
IMDB-Link: Frank


„Frank“ ist ein erstaunlicher Film. Er ist skurril, ohne seine Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Er ist witzig, ohne die tragischen Seiten des Lebens zu verleugnen. Dessen Hauptdarsteller läuft die ganze Zeit über in einem Pappmaché-Kopf herum und ist ohne Mimik ausdrucksstärker als viele andere Darsteller. Und Träume sind manchmal zu groß, aber kein Grund, ihnen deshalb nicht nachzujagen.

Die eigentliche Hauptfigur ist Jon (Domhnall Gleeson, und ja, ich musste googeln, wie man seinen Namen schreibt), ein junger Musiker oder vielmehr: Möchtegern-Musiker, den es durch Zufall als Keyboarder in die Band von Frank (herausragend: Michael Fassbender) spült. Frank hat besagten Pappmaché-Kopf auf, und nicht einmal seine langjährigen Bandkollegen wissen, wie er darunter aussieht. Die Bandkollegen: Eine furchteinflößende Maggie Gyllenhaal (Reminder an die Academy: die Dame wäre auch längst mal fällig für den Goldmann), ein nicht wiederzuerkennender Scoot McNairy und zwei tatsächliche Musiker, die dem ganzen Toben auf der Bühne mit ihrer Präsenz zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen. In dieser bunten Truppe ist Jon, der Musik-Nerd, der normalste und in Folge konsequenterweise auch jener, der den Laden zusammenhängt. Frank nämlich ist ein exzentrischer Freigeist, er lebt in und für die Musik, aber die Erfordernisse der realen Welt prallen an ihm ab. Der Plan, in einer Blockhütte im Wald ein Album aufzunehmen und danach auf Tour zu gehen, wird daher auch immer wieder vor neue Probleme gestellt. Dieser sind manchmal lustiger Art, manchmal abgrundtief traurig, meistens aber beides zugleich.

„Frank“ ist ein wunderbar zarter Film über Freundschaft, Träume und die Widrigkeiten des Schicksals. Der Film erzählt die Geschichte von Menschen, die aus ihrer Bahn geworfen werden und in andere Umlaufbahnen fallen, wo sie mehr oder weniger verzweifelt versuchen, zu sich und/oder zu ihrem Glück zu finden. Es ist eine Geschichte von Außenseitern, mit viel Liebe und großartiger Musik erzählt.


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)