Komödie

Office Christmas Party (2016)

Regie: Josh Gordon und Will Speck
Original-Titel: Office Christmas Party
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Komödie, Weihnachtsfilm
IMDB-Link: Office Christmas Party


Mit Firmenweihnachtsfeiern ist es ja so eine Sache. Der Sollzustand, der so gut wie nie erreicht wird, ist, dass man mit den Kolleg:innen eine nette, ungezwungene Zeit auf Firmenkosten außerhalb der Arbeitszeit hat, das eine oder andere gute Glaserl Wein trinkt und mit dem zugeknöpften Kollegen aus dem online-Marketing aufs Du anstößt. Am nächsten Morgen kommen alle mit einem Lächeln ins Büro und tauschen Fotos aus. Wenn dieser Sollzustand den Mittelpunkt einer Waage darstellt, schlägt der Istzustand meistens aber klar auf einen dieser gegensätzlichen Pole und Endpunkte der Waage aus: Variante 1 ist, dass man stundenlang bei einem stinklangweiligen Abendessen, das man sich beim besten Willen nicht interessant saufen kann, der Kollegin in der Strickweste zuhören darf, wie grandios ihre Gschrappen sind, da sie mit 14 schon allein über den Zebrastreifen gehen können. Variante 2 ist hingegen der totale Exzess, wenn beim kollektiven Besäufnis herauskommt, dass die Chefin schon seit Monaten den Praktikanten vögelt, während das minderjährige Lehrmädel sturzbetrunken auf den Christbaum kotzt. In „Office Christmas Party“ (Alternativtitel: „Dirty Office Party“) läuft es auf eine (noch exzessivere) Spielart der zweiten Variante hinaus. Um einen wichtigen Kunden zu beeindrucken, ehe Jennifer Aniston in einer biestigen Rolle den Laden dicht macht, müssen TJ Miller und Jason Bateman eine Weihnachtsfeier organisieren, die schon binnen kürzester Zeit trotz gestrenger Blicke der Personalchefin (Kate McKinnon in einer wirklich witzigen Rolle) komplett aus dem Ruder läuft. Das ist dann auch schon die gesamte Handlung des Films, der nur darauf abzielt, die Exzesse immer wahnwitziger werden zu lassen. Teils ist das auch echt lustig und unterhaltsam, doch der Schmäh nutzt sich schon bald ab, und das Ende ist dann sehr wirr. Doch wer noch nie komplett besoffen und zugedröhnt auf Koks während der Firmenweihnachtsfeier seinen Hintern kopiert hat, während einem die Sekretärin aus dem Nachbarbüro einen geblasen hat, werfe den ersten Bildschirm.


4,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Photo Credit: Glen Wilson – © 2016 PARAMOUNT PICTURES. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Das Wunder von Manhattan (1994)

Regie: Les Mayfield
Original-Titel: Miracle on 34th Street
Erscheinungsjahr: 1994
Genre: Komödie, Drama, Weihnachtsfilm
IMDB-Link: Miracle on 34th Street


Manche Menschen sind dazu geboren, Santa Claus zu spielen. Richard Attenborough mit seinem rundlichen Gesicht und dem eindrucksvollen weißen Bart gehört in diese illustre Runde. Im Remake des Weihnachtsklassiker „Das Wunder von Manhattan“ spielt er Kriss Kringle, der als Weihnachtsmann von einem Kaufhaus angestellt wird, um den Spielzeugabsatz vor Weihnachten zu steigern. Die recht zugeknöpfte Dorey Walker (Elizabeth Perkins), Marketingchefin des Kaufhauses, hält das für eine glanzvolle Idee, und Kriss macht seinen Job so gut, dass sie ihm sogar ihre Tochter Susan (Mara Wilson) anvertraut, damit sie nach einem romantischen Abend ihren Freund Bryan (Dylan McDermott) abblitzen lassen kann, als ihr dieser einen Heiratsantrag macht. Blöd wird es erst, als Kriss Kringle von sich selbst felsenfest behauptet, der Weihnachtsmann höchstpersönlich zu sein. Kurzerhand wird ihm der Prozess vor Gericht gemacht, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Ist der nette Herr mit dem Rauschebart tatsächlich Santa Claus oder einfach nur ein verwirrter, älterer Mann, der gerne Kinder auf seinem Schoß sitzen hat? „Das Wunder von Manhattan“ lebt vor allem von Richard Attenborough, der den zuckersüßen Kitsch durch seine charmante Präsenz glaubwürdig(er) macht, als es das Drehbuch eigentlich hergibt. Dazu hat er eine gute Chemie mit Mara Wilson, damals eine der begehrtesten Kinderschauspielerin, die auch Matilda getragen hat. Über den hintergründigen Konsumterror, der hier naiv verherrlicht wird, sei mal mit wohlwollenden Blicken hinweggesehen, das ist generell ein Problem vieler Weihnachtsfilme. Wenn man das ausblenden und sich auf die Geschichte und ihren Eskapismus einlassen kann, wird mit einer der vollkommendsten Santa Claus-Darstellungen ever belohnt, und das ist zu Weihnachten schließlich das, worauf es ankommt.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Verwünscht nochmal (2022)

Regie: Adam Shankman
Original-Titel: Disenchanted
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Fantasy, Komödie, Musical
IMDB-Link: Disenchanted


Was passiert nach dem Happy End im Märchen? Nun, im Fall von Giselle und Robert (Amy Adams und Patrick Dempsey) aus Verwünscht nimmt das Leben seinen erwartbaren Verlauf: Kinder, Pubertät, der Umzug in den Vorort mitsamt beruflichem Pendeln und der Erkenntnis, dass solch große Veränderungen nicht immer nur reibungslos verlaufen. Vor allem Morgan (Gabriella Baldacchino), die grumpy Teenager-Tochter, nimmt die neue Situation, die ihr ihre Stiefmutter eingebrockt hat, nicht sonderlich gut auf. So weiß sich die desillusionierte Giselle bald nur noch mittels Magie zu helfen, doch der Zauberstab nimmt ihren Wunsch, ein Leben wie im Märchen zu führen, etwas zu wörtlich, was zu ungeahnten Komplikationen führt. Ich muss an dieser Stelle (nochmal) eine Lanze für „Verwünscht“ brechen. Das fantasievolle Abenteuer rund um eine Disney-Prinzessin, die es in das New York der Realität verschlägt, glänzt durch unerwartete Selbstironie des Mäusekonzerns, absurden Humor und eingängigen Songs. Die Fortsetzung „Verwünscht nochmal“ hat von alldem so gut wie nichts mehr. Stattdessen wird eine breiige Geschichte aufgetischt, die nicht weiß, wohin sie möchte; alles fühlt sich aufgewärmt wie ein Gulasch an, nur dass aufgewärmtes Gulasch schmackhaft ist. Die Songs sind langweilig und stören in den schlimmsten Fällen sogar den Film (Idina Menzel, ich schaue dich an!), der dadurch noch länger wird. Amy Adams ist bemüht, aber auch ihr gelingt es nicht, den Zauber des ersten Films wieder greifbar zu machen. Patrick Dempsey spielt auch nur mit, weil er sichtlich Geld brauchte – seine Figur trägt zur Story etwa gleich viel bei wie ein Kugelfisch zum Weltfrieden. Ob er dabei ist oder nicht, ist genaugenommen wurscht. Der Fokus auf die Stieftochter Morgan ist eine dadurch unausweichliche Notwendigkeit, auch wenn Gabriella Baldacchino ihre Sache gut macht. Aber nichts hilft gegen die gähnende Langeweile und die dümmliche, allzu vorhersehbare Story. Wenn man genau die wichtigsten Zutaten des ersten Films, nämlich die augenzwinkernde Selbstironie, das flotte Erzähltempo und die tollen Songs, aus dem Rezept entfernt, bleibt halt nur eine wässrige Suppe übrig, die man runterwürgt, weil man vergessen hat, einkaufen zu gehen und der Kühlschrank nicht mehr hergibt.


3,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of Disney/Courtesy of Disney – © 2022 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Rush Hour (1998)

Regie: Brett Ratner
Original-Titel: Rush Hour
Erscheinungsjahr: 1998
Genre: Action, Komödie, Krimi
IMDB-Link: Rush Hour


Es gab mal eine Zeit, in der Chris Tucker angesagt war. Es waren die 90er, Cancel Culture war noch kein Begriff, Jackie Chan war der heißeste Asien-Export seit Toyota und man hat in Actionkomödien noch politisch unkorrekt auf alles eingeprügelt, solange es der Unterhaltung diente. (Möglicherweise färbt das gerade ein wenig auf diese Filmrezension ab, *hüstel*.) Und Chris Tucker durfte sich als legitimer Nachfolger von Eddie Murphy sehen, wenn es darum ging, ein möglichst breites Grinsen und eine große Klappe als Asset in leichtgewichtige Komödien einzubringen. Wie eben „Rush Hour“. Die Story ist dabei nicht wirklich relevant. Asiatisches Mafiazeug schwappt auf die USA über, Hongkong sendet seinen besten Polizisten (Jackie Chan), der mit einem überforderten und gleichzeitig übermotivierten Großmaul einen Kindersitter zur Seite gestellt bekommt, da die Amis ja immer alles besser können, und man lässt sich schon gar nicht bei laufenden Ermittlungen von so einem dahergelaufenen Schlitzauge reinpfuschen. Natürlich raufen sich Großmaul und Hongkong-Cop zusammen und lösen den Fall dann auf ihre (eher unkonventionelle) Weise. „Rush Hour“ lebt von seinem ungleichen Hauptdarstellergespann, der Tatsache, dass es Jackie Chans erster Großauftritt in Hollywood war und natürlich den aberwitzigen Prügeleien. Wie gut so ein Rezept funktionieren kann, zeigen ja auch die unzähligen Terence Hill & Bud Spencer-Filme, die den gleichen Modus Operandi schon Jahrzehnte früher angewendet haben. „Rush Hour“ war dermaßen erfolgreich, dass daraus gleich zwei Fortsetzungen sowie eine Fernsehserie entstanden. Der Film ist eindeutig ein Kind seiner Zeit. Ist er vielleicht ein bissi rassistisch? Ja, das ist er. Aber lustig und kurzweilig ist er trotzdem.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat:© 1998 – New Line Cinema, Quelle http://www.imdb.com)

Der Gott des Gemetzels (2011)

Regie: Roman Polanski
Original-Titel: Carnage
Erscheinungsjahr: 2011
Genre: Komödie, Satire
IMDB-Link: Carnage


Obacht, jetzt kommt eine Liebeserklärung. „Der Gott des Gemetzels“ von Roman Polanski, basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmine Reza, ist ein brillantes Beispiel dafür, wie wenig es braucht, um einen herausragenden Film zu drehen: Eine Wohnung, vier gigantische Schauspieler:innen (Jodie Foster, Kate Winslet, John C. Reilly und Christoph Waltz) und ein messerscharfes Drehbuch, das die menschliche Natur mit unglaublicher Komik seziert und zur Schau stellt. Zwei Elternpaare treffen sich nach einem Streit ihrer Söhne, bei dem der eine dem anderen mit einem Stock zwei Zähne ausgeschlagen hat. Natürlich ein unangenehmer Vorfall, doch beide Seiten bemühen sich um einen zivilisierten Umgang mit der Geschichte. Ein Schreiben wird verfasst, in dem der Vorfall geschildert wird, und dann sind Nancy und Alan schon bei der Tür raus – man hat das geregelt, wie Erwachsene solche Angelegenheiten eben regeln. Doch das ist erst der Auftakt für ein Kammerspiel, das mit doppelten Böden und unter dem Deckmantel der Höflichkeit ausgetauschten Gehässigkeiten die Spannungsschraube immer fester dreht, bis schließlich alle Nerven blank liegen, jeder auf jeden losgeht und alle Fassaden fallengelassen werden. Hier prallen unvereinbare Werte aufeinander, und Spannungen in den Beziehungen werden nach draußen getragen. Dass dieses Meisterwerk des abgründigen Humors bei den Oscars dermaßen übergangen wurde, ist eine Schande. Ob Winslet, Foster, Reilly oder Waltz – alle hätten Oscarnominierungen bzw. auch Oscargewinne verdient. Ein besseres Ensemble wird man kaum finden.


9,5 Kürbisse

(Bildzitat:© 2011 – Sony Pictures Classics, Quelle http://www.imdb.com)

The Hand of God (2021)

Regie: Paolo Sorrentino
Original-Titel: È stata la mano di Dio
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: È stata la mano di Dio


Paolo Sorrentino gehört für mich zu den interessantesten Regisseuren unserer Zeit. Er hat eine ganz eigene, sinnliche Bildsprache, die er in „La Grande Bellezza“ zur Meisterschaft brachte. „The Hand of God“ ist sein persönlichster Film und stark autobiographisch geprägt. Die Geschichte spielt in Neapel, wo der junge Fabietto davon träumt, dass sich sein großes Idol Diego Maradona dem hiesigen Fußballclub anschließt (daher auch der Titel, der Bezug nimmt auf das berühmt-berüchtigte Tor von Maradona gegen England im WM-Halbfinale 1986, das er mit der Hand erzielte). In Fabiettos Familie geht es italienisch chaotisch zu – die Tante, an die juvenile erotische Fantasien geknüpft sind, kann kein Kind bekommen und tickt zunehmend aus, Vater und Mutter haben trotz offensichtlicher Zärtlichkeit in ihrer Beziehung doch auch Probleme, die Fabietto bislang vorenthalten wurden, der Bruder ist ein Taugenichts, die restliche Verwandtschaft ein Skurrilitätenkabinett. Der Sommer vergeht, man geht schwimmen und spielt sich gegenseitig Streiche. In dieser ersten Hälfte ist der Film eine grandiose Liebeserklärung an die Familie und die Adoleszenz, wenn sich Fabietto allmählich zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickelt. Doch die unerträgliche Leichtigkeit des Seins ist nicht von langer Dauer, und bald bricht das Schicksal über Fabietto hinein. Ab diesem Zeitpunkt wird der Film schwer und schwermütig, auch ein wenig ziellos (was allerdings die Entwicklung der Figur widerspiegelt). Es ist ein harter Bruch, auf den man sich einstellen muss. Ich wäre gerne länger beim unbeschwerten Fabietto geblieben und hätte ihm und seiner Familie zugesehen, wie sie in den Tag hineinleben. Daher fällt die Bewertung auch etwas schaumgebremster aus als für „La Grande Bellezza“ oder auch „Youth“, die ich insgesamt für die konzentrierteren Filme halte. Nichtsdestotrotz ist „The Hand of God“ ein weiterer sehenswerter Film aus der Feder Sorrentinos, den man nicht verpassen sollte.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von JoJo Whilden/JoJo Whilden / Netflix – © 2022 © Netflix, Quelle http://www.imdb.com)

Ishtar (1987)

Regie: Elaine May
Original-Titel: Ishtar
Erscheinungsjahr: 1987
Genre: Komödie, Abenteuerfilm
IMDB-Link: Ishtar


5,5 Kürbisse – so die Vorhersage für „Ishtar“ auf Moviepilot. Diese Internetdatenbank ist der festen Überzeugung, dass die Abenteuerkomödie von Elaine May kaum meinen Geschmack trifft. Ich muss sagen: Es ist ein beruhigendes Gefühl, dass Algorithmen manchmal so dermaßen danebenhauen können. So wird es noch eine Weile dauern bis zur kompletten Übernahme der Weltherrschaft durch die Maschinen. „Ishtar“ ist schlicht grandios, auch wenn das viele Kritiker anders sehen. Dustin Hoffman und Warren Beatty tingeln als talentbefreites Musiker-Duo, das sich für genialer als Simon & Garfunkel hält, durch die marokkanische Wüste, um in versifften Clubs ihre Künste darzubieten. Dabei werden sie in einen kuriosen Plot zwischen CIA (Charles Grodin) und Rebellen (Isabelle Adjani), die den diktatorischen Emir stürzen wollen, hineingezogen – auf verschiedenen Seiten. „Ishtar“ ist pure Comedy. Allein die Songs, die die beiden Dilettanten in ihrem Anflug kreativen Wahnsinns komponieren, reichen aus, um ihn zu einem der lustigsten Filme, die ich jemals gesehen habe, zu machen. Der aberwitzige Plot, der immer absurder und konfuser wird, trägt das Seinige dazu bei, dass der Film das Tempo hoch hält und ein Lachanfall den nächsten jagt. Die Darsteller haben sichtlich Freude an diesem Wahnsinn. Vor allem Warren Beatty ist komplett gegen den Strich besetzt – der Beau gibt hier einen Simpel ohne Selbstbewusstsein, der an den einfachsten Dingen im Leben glorios scheitert. Apropos „glorios scheitern“: An den Kinokassen war der Film ein Flop, und Elaine May bekam die Goldene Himbeere für die schlechteste Regie zugesprochen. Was sagt das nun über meinen Geschmack aus, wenn ich diesen Film so feiere? Ich schieb’s mal darauf, dass May ihrer Zeit voraus war und das richtige Publikum für dieses kleine Meisterwerk einfach noch nicht existierte. Mein erster Film von ihr, aber mit Sicherheit nicht mein letzter.


8,5 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Kafka for Kids (2022)

Regie: Roee Rosen
Original-Titel: Kafka for Kids
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Musical, Komödie, Experimentalfilm
IMDB-Link: Kafka for Kids


Franz Kafka war schon ein lustiges Kerlchen. Ihm verdanken wir erbauliche und quietschfidele Geschichten wie „Der Prozess“, „Das Schloss“ oder natürlich die vielleicht berühmteste Metamorphose der Literaturgeschichte, „Die Verwandlung“. Man hat sich eigentlich schon all die Jahrzehnte lang gefragt, warum es noch keine illustrierten Kinderbuchausgaben dieser wundervollen Werke gibt. Der israelische Filmemacher Roee Rosen hat sich nun des Problems angenommen und mit „Kafka for Kids“ endlich eine kindgerechte Adaption der „Verwandlung“ auf die Leinwand gebracht, aufgebaut als Pilotepisode für eine neue Kindershow. Ein seriöser Erzähler liest einem dreiundvierzigjährigen Kind aus der Geschichte vor, während im Hintergrund das Mobiliar fröhliche Lieder dazu singt. (Man fühlt sich zeitweise ein wenig an „Die Schöne und das Biest“ erinnert, aber auf eine eher ungute, leicht pädophile Weise.) Farbenfrohe Animationen begleiten Gregor Samsas Verwandlung zum Insekt. Warum man trotz des Titels und dieser Beschreibung allerdings auf keinen Fall Kinder in die Vorstellung mitnehmen soll, wenn man nicht gewillt ist, für die nächsten zwei Jahrzehnte teure Therapiestunden zu bezahlen, erklärt sich meiner Meinung nach aus dem Drogentrip, auf dem Rosen gewesen sein muss, als er „Kafka for Kids“ entsann. Denn das Wort, das den Film am ehesten beschreibt, ist „trippy“. Da singt ein unvermutet auftretender „Bearer of Bad News“ von wachsenden Tumoren, zwischendurch werden Werbeclips für Delikatessen eingespielt, die nahrhaftes Essen möglichst eklig darstellen, komplett unzusammenhängende Songs werden geträllert, die mit der Story nichts zu tun haben, und am Ende darf man sich noch den Vortrag einer Rechtswissenschaftlerin (das dreiundvierzigjährige Kind) anhören, das über Kinderrechte in Israel und Palästina doziert, während sie an den eigenen Achseln schnüffelt und immer wieder abgleitet in Ausdrücke sexuellen Verlangens. Das mag alles eine unheimlich intelligente Metaebene haben, die mir aber verschlossen bleibt. Ja, es geht darum, wann ein Kind ein Kind ist, wo wir da die Grenzen ziehen zwischen Kindheit und Adoleszenz, aber das ist dermaßen wirr erzählt und von ständigen Ablenkungen durchbrochen, dass man den Eindruck gewinnt, der Regisseur hätte einfach nur versucht, einen zweistündigen Egotrip auszuleben. Es gibt mit Sicherheit Publikum für diese Art von Film, aber der Kürbis gehört nicht dazu.


2,5 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

The Banshees of Inisherin (2022)

Regie: Martin McDonagh
Original-Titel: The Banshees of Inisherin
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: The Banshees of Inisherin


Das Trio Martin McDonagh, Colin Farrell und Brendan Gleeson hat mit der schwarzen Komödie Brügge sehen … und sterben? für Furore gesorgt. Die drei passen auch wunderbar zusammen: Gleeson spiegelt die McDonagh’sche Lakonie, und Colin Farrell trägt mit seiner Verhuschtheit die Geschichte. Doch funktioniert das auch ein zweites Mal? Die Antwort als Spoiler vorab: Und wie! „The Banshees of Inisherin“ spielt auf der titelgebenden abgeschiedenen Insel vor der irischen Küste zu Beginn der 20er Jahre. Auf dem Festland tobt ein Bürgerkrieg, den niemand hier verstehen kann, und die einzigen Freizeitbeschäftigungen bieten das lokale Pub sowie das Verbreiten von Klatsch im Dorf. Klar bricht da erst einmal eine Welt zusammen, wenn der langjährige beste Freund einen plötzlich meidet, und, noch schlimmer, dann unumwunden zugibt, dass er nichts mehr mit dieser Freundschaft zu tun haben möchte, er langweile sich und habe Besseres vor in seinem Leben, Musikstücke komponieren zum Beispiel. Pádraic, der Abgewiesene, versteht die Welt nicht mehr und versucht, seinen alten Freund Colm von diesem Nonsens abzubringen. Der droht mit drastischen Maßnahmen, würde seine Privatsphäre weiterhin verletzt werden. Und so schaukelt sich die Geschichte allmählich hoch, aber mit einer solchen Lakonie und einem dermaßen trockenen Witz, dass man die Handschrift McDonaghs schon von weitem erkennt. „The Banshees of Inisherin“ ist so vieles gleichzeitig: Lakonische Komödie wie Shakespeare’sches Drama, und dazu auch noch (man muss genau hinblicken, aber dann erkennt man es) eine Allegorie auf den irischen Bürgerkrieg von 1922 bis 1923, als aus Freunden plötzlich verbitterte Feinde wurden. Man könnte in stundenlangen Diskussionen Schicht für Schicht des Films abtragen und würde immer noch neue Facetten entdecken. Verletzter Stolz? Soziale Zwänge? Die Sprachlosigkeit der Männer, die sich stur lieber ihrem Schicksal ergeben, als aufeinander zuzugehen? Die Machtlosigkeit, mit der man manchen Veränderungen gegenübersteht? Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt? Alles da in Martin McDonaghs Meisterwerk. Dennoch hätte das alles auch fürchterlich schief gehen können, hätte er nicht mit Farrell (mit seiner vielleicht besten Schauspielleistung überhaupt) und Gleeson zwei Giganten an seinem Set gehabt, die diesen Facettenreichtum stemmen können. So aber ist der Film ein großer Wurf und eines der Highlights des Jahres.


8,5 Kürbisse

(Foto: Photo by Jonathan Hession. Courtesy of Searchlight Pictures (c) 2022 20th Century Studios. All Rights Reserved. Quelle: http://www.viennale.at)

Triangle of Sadness (2022)

Regie: Ruben Östlund
Original-Titel: Triangle of Sadness
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Satire
IMDB-Link: Triangle of Sadness


Ruben Östlund ist schon ein Schlingel. Knallt er uns eine bitterböse Satire nach der anderen hin, nach dessen Sichtung wir uns eigentlich verschämt ins Bett verkriechen sollten, so grauslich ist das Bild, das aus dem Spiegel starrt, und was macht die Filmwelt? Überschüttet ihn mit Preisen, wie zuletzt in Cannes, sodass er einfach weitermacht mit diesen Grauslichkeiten. Gut, mit dem vielgefeierten The Square konnte ich wenig bis gar nichts anfangen, dafür mochte ich „Höhere Gewalt“ umso mehr. Wenn einer das Animalische unter der glattgebügelten Oberfläche des wohlhabenden Anstands hervorkratzen kann, dann Östlund. Und diese Meisterschaft zeigt er nun auch in seinem neuen Film, eine derbe Satire über Reich&Schön, die sich auf einer Luxusyacht zur Luxuskreuzfahrt versammeln. Dort fallen bald die Fassaden, wenn der Seegang zunimmt und die Lage außer Kontrolle gerät. Der Film ist in drei Episoden unterteilt: In der ersten sieht man einen Beziehungsstreit des jungen, modischen Paars Carl und Yaya (Harris Dickinson und die viel zu früh verstorbene Charlbi Dean), der sich an einer Restaurantrechnung entzündet und sich zu einer Abrechnung mit Geschlechterrollen auswächst, in der zweiten dann die besagte Kreuzfahrt auf dem Schiff des dauerbesoffenen Kapitäns Thomas (Woody Harrelson, der sichtlich Spaß daran hat, den Besoffenen zu spielen), und in der dritten Episode schließlich ist das Kind in den Brunnen gefallen, die Würde liegt im heißen Sand begraben und Rollen kehren sich um. Man kann Östlund vorwerfen, dass er in seinen 2,5 Stunden etwas zu sehr mäandert und die Geschichte ausfransen lässt, doch halte ich entgegen, dass jede Minute dieser 2,5 Stunden dank des beißenden Humors, der die Geschichte wie ein roter Faden durchzieht, unterhaltsam ist. Ja, es ist ein Blick von oben herab, den Östlund auf uns armen Würstchen wirft, die versuchen, uns in einer konfusen Welt in zwar tradierten, aber ständig neu verhandelten Rollen zurechtzufinden, aber wenn das Ding so fetzt wie hier, sei ihm verziehen. Immerhin erbarmt sich Östlund dahingehend, dass er eben die Extrareichen und Extraschönen in die Misere reiten lässt, was immerhin die Möglichkeit eröffnet, sich davon ein wenig zu distanzieren. Max Frisch, auch so einer, der ständig die Rollen, die wir im Leben spielen, hinterfragt hat, hätte wohl auch seine diebische Freude an dem Chaos gehabt. Allerdings sei noch gewarnt: Ein Saumagen kann nicht schaden, möchte man den Film sichten.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)