Komödie

Radio Dreams (2016)

Regie: Babak Jalali
Original-Titel: Radio Dreams
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Komödie, Musikfilm
IMDB-Link: Radio Dreams


PARS Radio ist ein iranischer Radiosender in San Francisco, der die erste afghanische Alternative Rock-Band Kabul Dreams (gibt es wirklich) zu einer Session mit der US-Metal-Band Metallica (gibt es auch) eingeladen hat. Mr. Royani (Mohsen Namjoo), der Programmdirektor, war einst ein gefeierter Autor im Iran und muss sich nun mit amateurhaften Mitarbeitern, dummen Werbe-Einspielungen, einer Carlos Valderrama-Gedächtnis-Frisur in Grau und einem vagen Gefühl des Heimwehs herumplagen. Beckett hat einst „Warten auf Godot“ geschrieben. Dieser zauberhafte, sehr lakonische Film ist „Warten auf Metallica“. Der Tag vergeht. Das Programm geht zur Neige. Man muss improvisieren. Da draußen, außerhalb der sicheren Räume des Radiosenders, befindet sich eine fremde, einschüchternde Welt (was ausnahmsweise mal nicht an Metallica liegt). Und allmählich begreift man als Zuseher das Thema des Films: Das Fremde. Die Suche nach Identität, das Leben in der Diaspora, wo die Träume an den Mauern der Stadt zerschellen. „Radio Dreams“ ist witzig, hintersinnig und melancholisch. Und fühlt sich kurioserweise trotz aller Fremdheit trotzdem sehr vertraut an. Vielleicht, weil die Musik auch das Fremde miteinander verknüpft. Und das weiß schließlich auch Lars Ulrich, seines Zeichens nach Schlagzeuger von Metallica.

 


8,0
von 10 Kürbissen

The Dead Don’t Die (2019)

Regie: Jim Jarmusch
Original-Titel: The Dead Don’t Die
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Horror, Komödie, Satire
IMDB-Link: The Dead Don’t Die


Ich glaube, selten hatten Maskenbildner weniger zu tun als bei Iggy Pops Transformation in einen Zombie für Jim Jarmuschs Horror-Groteske „The Dead Don’t Die“. Allein für diesen Besetzungcoup gebührt den Machern des Films alle Ehre. Wenn man dann noch Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Chloë Sevigny, Steve Buscemi, Tom Waits, Danny Glover usw. in seinem Cast hat, sollte ja eigentlich nichts schiefgehen. Doch während Jim Jarmusch und Vampire herausragend harmonieren (siehe „Only Lovers Left Alive“), passen Jim Jarmusch und Zombies überraschend wenig zusammen. Vielleicht ist es dieses Mal einfach der Lakonie zu viel. Bill Murray und Adam Driver kommen tatsächlich mit je einem einzigen Gesichtsausdruck durch. Chloë Sevigny darf wenigstens mit einer lakonischen, an Baldrian erinnernden Variante eines hysterischen Ausbruchs gen Ende hin aufwarten. Aber schauspielerisch ist das alles sehr schaumgebremst – natürlich von Jarmusch so gewollt. Wenn allerdings die Story selbst auch keine Fahrt aufnimmt, bleibt am Ende wenig übrig, was den geneigten Zuseher interessieren könnte. Dabei geht es mit einem rätselhaften Stimmung und Tom Waits als Buschmann im Wald recht erquicklich los. Hier fängt Jim Jarmusch die nahende Endzeitstimmung gut ein. Nur verliert er ein wenig den Faden, als die Zombies dann tatsächlich auftreten. Denn plötzlich wirkt es, als könne er sich nicht mehr entscheiden, welche Geschichte er eigentlich erzählen möchte. Da muss also noch ein bisschen Satire hinein mit der Durchbrechung der vierten Wand (die zwar für komische Momente sorgt, aber im Film selbst dann doch etwas deplatziert wirkt), ein bisschen Gesellschaftskritik (so tun die Zombies das, was sie zu Lebzeiten am liebsten getan haben – was heißt, dass die meisten der relativ frischen Untoten verzweifelt auf der Suche nach W-Lan sind), ein bisschen Science Fiction, die allerdings wie ein Fremdkörper wirkt – ein rundes Bild wird daraus jedenfalls nicht mehr. Auch dauert der Film gefühlt fünf Stunden. Weniger wäre hier mehr gewesen. Dafür aber ein strengerer Fokus. Aber gut, auch ein Jim Jarmusch kann mal danebenhauen.

 


5,0
von 10 Kürbissen

Long Shot – Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich (2019)

Regie: Jonathan Levine
Original-Titel: Long Shot
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Rom-Com, Satire, Komödie
IMDB-Link: Long Shot


Seth Rogen und Charlize Theron sind per se schon mal ein sehr unwahrscheinliches Leinwandpaar. Er: der verpeilte Brachialkomiker; sie: die elegante Dame mit Stil. „Long Shot“ von Jonathan Levine bringt nun diese beiden sehr unterschiedlichen Charaktere zusammen und würzt die ohnehin schon schräge Prämisse mit entgegengesetzten Berufen und Idealen: Fred Flarsky ist ein wütender (und arbeitsloser) Investigativjournalist mit Tendenz zum Slacker, Charlotte Field die Secretary of State und künftige Präsidentschaftskandidatin. Wer aus dieser Konstellation nun derben Slapstick erwartet, hat die Rechnung ohne dem Drehbuchduo Liz Hannah und Dan Sterling, ohne Regisseur Levine und vor allem ohne Seth Rogen gemacht. Dem haftet ja noch immer der Ruf an, hauptsächlich Kindereien zu fabrizieren. Dabei geht es ihm wie den meisten der Riege rund um Judd Apatow. Man vergisst, dass beispielsweise Steve Carell und Jonah Hill (dieser sogar zweifach) oscarnominiert waren für ihre darstellerischen Leistungen. Und dass Seth Rogen schon großartige ernste Rollen wie in Take This Waltz oder „Steve Jobs“ gespielt hat. Der Mann kann spielen, und zwar richtig, richtig gut. Nur haben es Komödianten wie die gerade Genannten oft schwer, dieses Können unter Beweis zu stellen. In „Long Shot“ glänzt Rogen nun neben Charlize Theron, und über die Begabung der schönen Südafrikanerinnen muss man, denke ich, nicht groß diskutieren. Um es auf den Punkt zu bringen: Wer von Charlize Therons magischer Präsenz nicht an die Wand gespielt wird, hat höchsten Respekt verdient. Womit „Long Shot“ neben der tollen Chemie seiner beiden Hauptdarsteller noch aufwarten kann, ist ein satirisch überhöhtes, aber zeitgemäßes Drehbuch, das den Politbetrieb mit einigen gezielten Wirkungstreffern bearbeitet. In einer Zeit, in der eine Orange mit dem IQ einer ausgepressten Orange Bundespräsident sein kann, ist ein turbulentes Szenario, wie es in „Long Shot“ beschrieben wird, nicht undenkbar. Das sympathische Paar kämpft allein auf weiter Flur gegen Vollidioten um seine Ideale. Und so zynisch das zunächst auch anmuten mag, so weit weg von der Wahrheit ist der Film am Ende wohl gar nicht. Dass die eigentliche Rom-Com-Handlung arg vorhersehbar ist und gängigen Mustern vielleicht ein bisschen zu genau folgt, kann man dem Film angesichts seiner subtilen Stärken auch leicht verzeihen. Die 7 Kürbisse bilden derzeit das untere Limit ab, vielleicht steigt die Bewertung nach erneuter Sichtung auch noch weiter an.


7,0
von 10 Kürbissen

Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt (2012)

Regie: Lorene Scafaria
Original-Titel: Seeking a Friend for the End of the World
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Liebesfilm, Komödie, Drama, Roadmovie
IMDB-Link: Seeking a Friend for the End of the World


Was würdet ihr tun, wenn ein gewaltiger Asteroid auf die Erde zuhält, in drei Wochen alles Leben auslöschen wird und jegliche Hoffnung auf Rettung vergebens ist? Das Naheliegende ist wohl, sich in den Kreis seiner Familie und Freunde zu begeben und hemmungslos alles zu tun, was bislang verboten oder moralisch anrüchig war. Weil: Who cares? Dodge Petersen (schön zurückhaltend gespielt von Steve Carell), ein Versicherungsmakler, dem angesichts der Apokalypse die Ehefrau schneller weggerannt ist als er „Asteroid“ sagen konnte, tut nichts von alledem. Für eine Midlife-Crisis ist es zwar schon reichlich spät, aber wenn man sonst nichts mehr hat, bleibt halt nur das Selbstmitleid. Da helfen auch Aufmunterungs- und Verkuppelungsversuche der Freunde nichts. Doch dann schneit überraschend seine deutlich jüngere Nachbarin Penny (Keira Knightley, als Hippie-Mädchen vielleicht nicht ganz glaubwürdig, aber charmant) in sein Leben. Diese hat den letzten Flug zu ihrer Familie verpasst und ist dementsprechend geknickt. Gemeinsam machen sich die beiden unterschiedliche Charaktere auf den Weg, um Penny doch noch mit ihrer Familie zu vereinen und Dodges alte Jugendliebe aufzusuchen. „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ von Regie-Debütantin Lorene Scafaria, die auch fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet, baut voll und ganz auf das Gedankenexperiment, das wohl jeder von uns schon mal durchgedacht hat. In der Darstellung dieses Szenarios findet sie aber – trotz gut eingesetztem Humor – eher leise Töne, die dem Film gut stehen. Die Grundstimmung des Films ist wohl leicht melancholisch mit überraschend zarten Anklängen zwischendurch. Der Humor fügt sich gut ein und ist nie aufdringlich. Zwar hüpft Scafaria im letzten Drittel des Films durchaus in die Kitsch-Pfütze, aber dennoch ist „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ vor allem dank Steve Carell ein Feelgood-Movie, das man wirklich gerne sieht. Und das auch länger nachhallt. Aber jetzt will ich von euch wissen: Was würdet ihr tun, wenn in drei Wochen die Welt unrettbar unterginge?


7,0
von 10 Kürbissen

Stan & Ollie (2018)

Regie: Jon S. Baird
Original-Titel: Stan & Ollie
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Biopic, Komödie, Drama
IMDB-Link: Stan & Ollie


Wir schreiben das Jahr 1953. Die legendären Komiker Stan Laurel (Steve Coogan) und Oliver Hardy (John C. Reilly) sind schon etwas in die Jahre gekommen, ihre Filme gelten bereits als Klassiker, doch statt große Hallen zu füllen, spielen sie vor einem kleinen Publikum in englischen Industriestädten und wohnen in heruntergekommenen Hotels. Der Zahn der Zeit. Diese England-Tournee soll den Weg bereiten für einen neuen Film der beiden, die Adaption des Robin Hood-Stoffs, an dem Stan Laurel arbeitet. Doch es ist alles nicht so einfach. Der Produzent ist telefonisch nicht erreichbar, der Tournee-Veranstalter Bernard Delfont hat im Vorfeld kaum Werbung gemacht und dann plagen Oliver Hardy auch noch gesundheitliche Probleme. Die Ankunft der Ehefrauen (Shirley Henderson und Nina Arianda) bringt eine zusätzliche Dynamik in das Geschehen. Am Ende ist „Stan & Ollie“ ein recht konventionelles Biopic über eine langjährige Freundschaft und die Zeit nach dem Ruhm und die Suche nach dem Erfolg der Vergangenheit, das den Zuseher in alter Tradition zufrieden aus dem Kinosaal gehen lässt. Allerdings hat der Film zwei, eigentlich drei große Trümpfe in der Hand, die er gekonnt ausspielt: Steve Coogan, John C. Reilly und Nina Arianda. Die beiden Ersteren sind genial in ihren Rollen als Laurel & Hardy. Die beiden gehen vollends auf in den Rollen der beiden Komiker, die so großartig darin waren, die Komik im Körperlichen zu finden. Sie haben alle Nuancen drauf und verschwinden als Schauspieler völlig in ihren Rollen. Vor allem Steve Coogan spielt unglaublich charismatisch, aber auch John C. Reilly ist toll. Zwei wahnsinnig unterschätzte Schauspieler, auch wenn beide bereits für einen Oscar nominiert waren. Es ist schön, sie dabei zu sehen, wie sie ihr ganzes Können ausspielen. Der dritte kleine Trumpf ist die schon erwähnte Nina Arianda, die mir vorher kein Begriff war. Sie spielt ihre Ida, die russische Frau von Stan Laurel, zum Niederknien mit einem trockenen Humor und gleichzeitig einem solch liebevollen Stolz auf ihren berühmten Mann, dass sie wirklich allen die Szenen stiehlt, wenn sie zu sehen ist. „Stan & Ollie“ ist also großes Schauspielkino, das Spaß macht und dem man dann gerne auch die eine oder andere kleine Schwäche im Drehbuch verzeiht.


7,0
von 10 Kürbissen

Pokémon: Meisterdetektiv Pikachu (2019)

Regie: Rob Letterman
Original-Titel: Pokémon: Detective Pikachu
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Komödie, Fantasy
IMDB-Link: Pokémon: Detective Pikachu


Für Pokémon bin ich einfach ein paar Jahre zu alt. So sind mir zwar Pikachu und das Grundprinzip von Pokémon bekannt, aber eine richtige Bindung konnte ich dazu bislang nie aufbauen. In Sachen Werkstreue der Realverfilmung der beliebten Anime-Serie und Computerspiel-Reihe muss ich mich also auf die Expertise meiner Freundin verlassen. Und nachdem sie mit einem begeisterten Grinsen den Kinosaal verließ, gehe ich davon aus, dass Pokémon-Fans hier voll auf ihre Kosten kommen. Das spricht also schon mal sehr für Rob Lettermans Film. Aber haben auch jene Zuseher, die mit Pokémon bislang nicht oder nur wenig in Berührung gekommen sind, auch Spaß? Ein bisschen kindisch wirken sie ja schon, diese knuffigen Anime-Tierchen mit den großen Knopfaugen. Selbst ein Ryan Reynolds als Pikachus Stimme hält sich hier zurück mit Zoten und macht keinen auf Seth MacFarlanes Ted. „Pokémon: Meisterdetektiv Pikachu“ ist ein Vergnügen auch für Jüngere. Der Film weiß, wen er ansprechen möchte, und er findet auch die richtigen Mittel dazu bzw. den gemeinsamen Nenner zwischen 11jährigen und 31jährigen Pokémon-Fans. Wenig überraschend geht dieses Fan-Pleasing ein wenig zulasten der Story, die die fast schon üblichen Logiklöcher aufweist, die man von einer solchen Produktion erwarten kann – wenn beispielsweise 50 Stockwerke zu Fuß binnen drei Sekunden überwunden werden. Aufs Detail darf man eben nicht schauen. Wenn man solche Grobschnitzereien aber übersehen und Fünf mal gerade sein kann, wird man mit diesem Film überraschend gut unterhalten – auch als Pokémon-Neuling.


6,0
von 10 Kürbissen

Winter Flies (2018)

Regie: Olmo Omerzu
Original-Titel: Všechno bude
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Roadmovie, Komödie
IMDB-Link: Všechno bude


Auf diesen Film am letzten Tag des Crossing Europe Filmfestivals in Linz habe ich mich sehr gefreut. Ich mag Roadmovies. Ich mag Geschichten über Jugendliche, wie sie ausbrechen aus dem starren Gerüst, das sie zurückhält, und wie sie ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Der Geruch von Freiheit. Born to be wild. Vielleicht, weil ich selbst nie so ein Kind oder Jugendlicher war. Ich habe keinen Audi gestohlen, um damit quer durchs Land zu fahren. Und ich hatte keinen dicken Freund im Tarngewand an meiner Seite, der die ganze Zeit davon redet, endlich mal ein Mädchen flachzulegen. Stattdessen habe ich FIFA Soccer gezockt und dämliche Sitcoms angeschaut. Verwegene Freiheit: Wenn man mal im Garten die olympischen Spiele nachgespielt hat und beim Speerwurf mit Ast des Birnenbaums ein Kellerfenster dran glauben musste. Ja, in diesem Moment hätte ich mir gewünscht, in einem gestohlenen Auto abzuhauen mit einem Kumpel an meiner Seite. Und dann hätten wir vielleicht dieses eine hübsche Mädchen aufgegabelt und mitgenommen. Und wir hätten Abenteuer erlebt, andere, als wir uns vorgestellt haben, aber aufregend wären sie dennoch gewesen. Nachdem ich nun „Winter Flies“ von Olmo Omerzu gesehen habe, weiß ich aber: Es gibt für alles eine bestimmte Zeit. Ich habe sie damals verpasst. Vielleicht fiel es mir auch deshalb so schwer, mich in diesen Film, den ich so gern gemocht hätte, hineinfallen zu lassen. Ein anderer Faktor waren die Jugendlichen selbst, die trotz aller Bemühungen ihrer Hauptdarsteller für mich nicht glaubwürdig wirkten. Beziehungsweise zu eindimensional. Der Rebell. Der notgeile Dicke. Nur wenige Momente strahlen Glaubwürdigkeit aus, darunter eine sehr seltsame, aber doch nachvollziehbare Masturbationsszene. Aber unterm Strich konnte der Film mit meiner Erwartungshaltung nur viel zu selten mithalten. Sind wir doch ehrlich: Die besten Abenteuer sind die, die wir nie erlebt haben.


5,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

The Announcement (2018)

Regie: Mahmut Fazıl Coşkun
Original-Titel: Anons
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Politfilm, Drama, Komödie, Satire
IMDB-Link: Anons


Istanbul 1963. Vier Militäroffiziere versuchen, die Radiostation von Radio Istanbul in ihre Gewalt zu bringen, um einen Staatsstreich zu verkünden. Dabei stoßen sie auf unerwartete Probleme wie beispielsweise einen Fahrer, der die Gelegenheit nutzen möchte, seine Brötchen in der Nacht auszuliefern, da die Lieferung eh am Weg zu Radio Istanbul liegt. Oder einen Manager der Radiostation, der leider keine Ahnung von Technik hat, weshalb er den Senderaum nicht bedienen kann. Da muss erst der Techniker her, nur der ist gerade unterwegs. Stoisch nehmen die Putschenden jede neue Komplikation zur Kenntnis. Dagegen wirken Figuren von Kaurismäki wie geschwätzige Tratschtanten. Und ja, das ist teils auch sehr amüsant anzusehen. Allerdings übertreibt es Mahmut Fazıl Coşkun in meinen Augen mit der Lakonie. Denn man erfährt so gut wie nichts über diese Hanseln, die da eine Revolution anführen wollen. Nichts Persönliches, keine politischen Beweggründe, gar nichts. Erstaunlich ist, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht, insofern wäre es für einen Laien, was die türkische Geschichte der 60er Jahre betrifft, durchaus interessant gewesen, zu erfahren, warum es überhaupt zu diesem versuchten Staatsstreich gekommen ist. Aber diesen Gefallen tut uns Coşkun nicht. Seine Figuren bleiben sperrig und distanziert. Und damit verfolge ich auch das Geschehen distanziert – und am Ende ist es mir egal, ob diese Würstel ihr Ziel erreichen oder nicht. Auch ist diese extrem reduzierte Erzählweise, in der sich die Figuren nur in statischen Kamera-Tableaus bewegen, auf Dauer recht ermüdend. So ist der Film zwar gelegentlich unterhaltsam, insgesamt aber eher eine anstrengende Sache. Ein Kaurismäki kann das besser.


4,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

https://www.youtube.com/watch?v=1hPWgdcA0bU

Das melancholische Mädchen (2019)

Regie: Susanne Heinrich
Original-Titel: Das melancholische Mädchen
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Experimentalfilm, Komödie, Episodenfilm
IMDB-Link: Das melancholische Mädchen


Es gibt Dinge, die einfach nicht zusammenpassen. Vegetarier und Schlachthäuser zum Beispiel. Oder Marillenlikör und Schweinsbraten. FPÖ-Politiker und die Menschenrechtskonvention. Mario Barth und Humor. Wiener und Tiroler. Und: Der Filmkürbis und nach Brecht’schen Stilmitteln verfremdete Essayfilme. Das musste ich bereits mit den Filmen von Helma Sanders-Brahms feststellen, die im Übrigen in Susanne Heinrichs Spielfilmdebüt „Das melancholische Mädchen“ auch erwähnt wird. Darin stolpert ein junges, melancholisches Mädchen (Marie Rathscheck mit wirklich wunderbar traurigen Augen) durch verschiedene Episoden, die allesamt vereint, dass das Mädchen auf der Suche nach einem Bett für eine Nacht ist und dabei mit ihren männlichen Gesprächs- (und teilweise) Bett-Gefährten kritische Gedanken über Feminismus und Neoliberalismus austauscht. Bekannte Sätze wie „Der Körper einer Frau ist ein Kriegsgebiet“ fallen. Vorgetragen wird alles stark verfremdet, ausdruckslos und abgehakt. Susanne Heinrich war es wichtig, wie sie im anschließenden (sehr interessanten) Q&A beschrieb, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler auf alles vergessen sollten, was man üblicherweise an Schauspielschulen so lernt. Sie sollten jede Verbindung zu ihren Figuren kappen und stattdessen die Sätze nach Brecht’schem Vorbild rezitieren. So weit, so gut. Ich mag es ja prinzipiell, wenn man beim Film die klare Sprache und Intention der Regisseurin erkennt. Nur mag ich abstrakte Brecht’sche Deklamation von intellektuellen Problemstellungen, die damit „in your face“ geschmissen werden und sich auf diese Weise dem Publikum gegenüber erhöhen, noch weniger als ich eine klare, identifizierbare Filmsprache mag. Das ist nun blöd für den Film und die Bewertung. Aber ehrlich. Für alle Helma Sanders-Brahms-Fans wird dieser Film ein Genuss sein, da kann ich auf jeden Fall eine Empfehlung aussprechen. Wer aber Wert auf konventionelles Storytelling legt (was Susanne Heinrich für sich und ihre Filme ablehnt – was ja auch wiederum voll okay ist) und wer gelegentlich bei einer Komödie auch mal lachen möchte, sitzt hier im falschen Film.


2,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

Ein Gauner & Gentleman (2018)

Regie: David Lowery
Original-Titel: The Old Man & the Gun
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Krimi, Komödie
IMDB-Link: The Old Man & the Gun


Mit der Anhebung des Pensionsantrittsalter ist es so eine Sache. Prinzipiell natürlich richtig, dass wir bei gesteigerter Lebenserwartung auch länger einzahlen. Dass man aber wie der Redford Bertl bis 82 hackeln muss, ist dann jedoch ein ziemlicher Härtefall. Der Bertl hat es aber wie der Gentleman genommen, der er ist, und seine wohl endgültig letzte Kinorolle mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen veredelt. Gelernt ist gelernt. Und so darf er in David Lowerys 80er-Hommage noch mal zeigen, weshalb ihm ein halbes Jahrhundert lang die Frauenherzen zugeflogen sind. Ganz ehrlich: Eine bessere Abschluss-Rolle als jene des Gentleman-Gauners, der höflich und gewaltfrei Banken ausraubt, hätte es für ihn nicht geben können. Tatkräftig zur Seite stehen ihm dabei Danny Glover und Tom Waits, die ihrerseits auch schon langsam über den Ruhestand nachdenken dürfen. Sissy Spacek spielt den Love Interest, Casey Affleck den (grundsympathischen) Gegenspieler. In diesem Film ist selbst das Schlechte der Welt (und Banküberfälle zähle ich ehrlicherweise dazu) irgendwie gut. Wohlfühlkino eben. Das Erzähltempo ist extrem reduziert, und es braucht auch eine Weile, um sich darauf einzustellen. Überhaupt ist alles an diesem Film gedrosselt – das Tempo, die Schnittfolge, das Schauspiel selbst, die Dialoge. Was vielleicht nicht jedem gleichermaßen zusagt, folgt aber David Lowerys System. Denn der Film spielt Anfang der 80er. Und David Lowery ist bei der Umsetzung enorm konsequent. Es reicht ihm nicht aus, die Sets mit hübschen Requisiten aus jener Zeit vollzustopfen und den Protagonisten lustige Frisuren und Bärte zu verpassen. Nein, „The Old Man & the Gun“ lebt und atmet das Jahrzehnt, das er verkörpert. Das Bild ist körnig, die Farben weisen gelegentlich einen leichten Rotstich auf, und dazu passt eben auch das langsame Tempo, dazu gehören die unspektakulären, vor sich hinplätschernden Dialoge. Der Film will nicht 80er-Jahre sein, er ist 80er-Jahre. Nach dem grandiosen Mid90s von Jonah Hill der zweite Film, den ich innerhalb kürzester Zeit gesehen habe, der sein Jahrzehnt so völlig absorbiert. Allerdings ist „The Old Man & the Gun“ zwar gut umgesetzt, die Story aber tatsächlich nicht unbedingt mitreißend, sodass die Spuren, die er hinterlässt, wohl nicht allzu tief ausfallen werden. Als Robert Redfords Abschied vom Schauspiel passt er aber perfekt. Mach’s gut in der Pension, Bertl. Und wenn dir fad sein sollte, kannst du gern mal in Wien vorbeischauen, und wir gehen auf eine Melange. In Ordnung?


6,0
von 10 Kürbissen