Horror

Halloween – Die Nacht des Grauens (1978)

Regie: John Carpenter
Original-Titel: Halloween
Erscheinungsjahr: 1978
Genre: Horror
IMDB-Link: Halloween


Für die Entwicklung der Einwohnerzahl idyllischer Kleinstädte, in denen niemand seine Vordertür absperrt, ist es eher suboptimal, wenn ein psychopathischer Killer aus der Irrenanstalt entflieht und es sich in der Stadt gemütlich macht. Wir präsentieren: Michael Myers in seinem Leben vor Austin Powers. Damals, Ende der 70er, ist er noch mit einem scharfen Messer und einer weißen Maske in Haddonfield, Illinois, unterwegs und schlitzt junge Damen lieber auf als mit ihnen ins Bett zu steigen. De gustibus non est disputandum. Naturgemäß finden die Opfer, allen voran die junge Laurie (die künftige Scream Queen Jamie Lee Curtis), eher weniger Gefallen an seinem Hobby – ein klassischer Interessenskonflikt also. Der wird aber nicht groß ausdiskutiert, sondern mit Klingen beseitigt. „Halloween“ von John Carpenter, zurecht einer der großen Horrorklassiker der letzten fünf Jahrzehnte, fackelt nicht lange herum, sondern konzentriert sich auf das Wesentliche. Wer ausgefeilte Charakterentwicklungen oder vertrackte Seitenwege in der Story erwartet, ist mit diesem Film schlecht beraten. Auch folgen die Handlungen der Figuren eher der klassischen Horrorfilmlogik, verhalten sich also immer, wenn’s brenzlig wird, erst einmal so dumm wie nur irgendwie vorstellbar, aber das macht nichts, wenn das Geschehen so spannend inszeniert ist wie hier. Vor allem die Kamerafahrten seien hervorgehoben, die den Zuseher Teil des Geschehens werden lassen. Das ist schon die große Kunst der Filmschule, die John Carpenter hier präsentiert. Natürlich hat aber der Zahn der Zeit auch an diesem Film genagt, und was unsere Elterngeneration noch Nägel beißend ganz tief in die Couch gedrückt hat, entfaltet beim abgestumpften Publikum von heute nicht mehr ganz seine Wirkung. Was für den Kürbis eures Vertrauens eine gute Sache ist, denn ihr wisst ja: Das ist ein Schisser, der sich viele der Horrorfilme von heute nicht einmal hinter vorgehaltener Hand ansehen kann. Im Buch „1001 Filme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist“ erfährt „Halloween“ seine gerechte Würdigung, und ja, zumindest einmal sollte man den Film schon mal gesichtet haben, allein schon der filmhistorischen Bedeutung wegen. Und: Er ist halt auch sehr unterhaltsam.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 1978 Compass International Pictures, Quelle: http://www.imdb.com)

Das Omen (1976)

Regie: Richard Donner
Original-Titel: The Omen
Erscheinungsjahr: 1976
Genre: Horror, Drama
IMDB-Link: The Omen


Mei, Kinder sind der Quell der Freude. Was macht es schon, wenn das Kindermädchen der reichen Botschafter-Familie eines Tages mit gebrochenem Genick vor der Fassade baumelt? Oder wenn der Priester, der ständig seltsame Warnungen und was von Kindsmord brabbelt, plötzlich von einer Kirchenspitze gepfählt wird? Alles fein im Hause Thorn (Gregory Peck und Lee Remick), ihr Damian ist ja ein herziger Bub. Aber langsam dämmert es dem Vater, dass es damals vielleicht doch nicht die allerbeste Idee war, das totgeborene eigene Kind heimlich, ohne seine eigene Frau darüber zu informieren, gegen einen anderen Buben, dessen Mutter bei der Geburt gestorben ist, auszutauschen. Als dann auch noch das neue Kindermädchen auftaucht, das sich äußerst seltsam benimmt, ist das Misstrauen endgültig geweckt, und gemeinsam mit einem Fotojournalisten macht sich Robert Thorn auf, die eigenartigen Umstände von Damians Geburt nachzuforschen. Doch ist es möglicherweise schon zu spät? Wäre der Hauptcharakter nur etwas bibelfester gewesen, so wäre aus dem Film von Richard Donner ein Kurzfilm geworden. Kapitel 13 der Offenbarung des Johannes sagt ja eh alles aus, was man wissen muss. Bildung rettet Leben, und Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Und so nimmt das Übel seinen Lauf. „Das Omen“ ist ein Grusel-Klassiker, in dem das Böse als Unschuld verkleidet hereinbricht – ein beliebtes Thema im Horrorgenre. Das Grauen schleicht sich heimtückisch durch die Hintertür in die Köpfe. Erleichternd für solche Schisser wie mich ist, dass „Das Omen“ fast komplett auf Schockmomente in Form von Jump-Scares verzichtet. Dafür baut Richard Donner durchgängig eine düstere und bedrohliche Atmosphäre auf, die für den Spannungsaufbau völlig ausreicht. Wer braucht schon Jump-Scares, wenn der von Kinderdarsteller Harvey Stephens ikonisch verkörperte Damian sein als Unschuld getarntes Grinsen zeigt, hinter dem die Kälte lauert? „Das Omen“ ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich der größte Horror immer im eigenen Kopf abspielt und es keine expliziten Gewaltdarstellungen braucht, damit dieser funktioniert. In diesem Sinne: Happy Halloween, und viel Glück, dass sich unter den Kindern, die heute bei euch läuten und nach Süßem oder Saurem verlangen, kein Damian befindet.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 2004 Shutterstock, Quelle http://www.imdb.com)

Speak No Evil (2024)

Regie: James Watkins
Original-Titel: Speak No Evil
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Horror, Thriller
IMDB-Link: Speak No Evil


James McAvoy mag privat ein ausgesprochen netter Mensch sein, doch nur wenigen Charakteren seiner Filmographie, die er in den letzten Jahren verkörpert hat, würde ich gerne im Dunkeln begegnen. Der Arzt Paddy, der mit seiner Frau Ciara das beim Italienurlaub kennengelernte Paar Louise und Ben zusammen mit ihrer Tochter Agnes auf sein Landhaus in der Einöde Südenglands einlädt, ist keine Ausnahme. Denn von Anfang an umgeben ein paar Fragezeichen den charmanten, aber sehr vereinnahmenden Paddy. Der gemeinsame Sohn Ant ist auch ein ziemlicher Sonderling, auch dadurch begründet, dass durch einen Geburtsfehler seine Zunge nicht normal ausgeprägt ist und er deshalb nicht sprechen kann. Aber Louise und Ben, die selbst gerade mit gröberen Beziehungsproblemen zu kämpfen haben, nehmen die Einladung zu einem Wochenende abseits des Großstadtstresses an, nichts ahnend, dass sie eine andere Art von Stress erwartet. Denn schon bald verschwimmen die Grenzen zwischen Schrulligkeit und nicht tolerierbarer Kontrollsucht. Da hilft es auch nicht, wenn Ciara immer wieder vermittelnd eingreift und sich für ihren Mann entschuldigt. Als geübter Thriller-Konsument ahnt man schon bald, wohin die Reise führt. Dennoch kann „Speak No Evil“ unter der Regie von James Watkins positiv überraschen durch eine konsequente Beachtung von Logik, Medizin und physikalischen Grundgesetzen, was in diesem Genre tatsächlich keine Selbstverständlichkeit darstellt. Wäre die Story, die sich da entfaltet, vermeidbar gewesen, hätten sich die Charaktere etwas weniger dümmlich verhalten? Ja, sicher. Aber Watkins bleibt darauf bedacht, dass alles im Rahmen des Möglichen und Denkbaren bleibt. Und das tut dem Film unheimlich gut – wie auch die extrem starke Besetzung mit dem schon erwähnten James McAvoy, der den Film zwar zu seiner Show macht, seinen Co-Stars Mackenzie Davies, Scoot McNairy, Aisling Franciosi und den beiden Kinderdarstellern Alix West Lefler und Dan Hough genügend Raum gibt, um ebenfalls Facetten ihres Könnens zu zeigen. „Speak No Evil“ ist ein Remake des gleichnamigen dänischen Films von 2022, der, so ist es zu lesen, in seiner Konsequenz noch grimmiger und böser ist. Und doch fühlt sich das Remake so stimmig an, dass man nicht das Bedürfnis nach der alternativen Erzählung dieser Geschichte verspürt, wenn man aus dem Kinosaal kommt. Und das ist schon ein Ritterschlag.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle: http://www.imdb.com)

Alien: Romulus (2024)

Regie: Fede Álvarez
Original-Titel: Alien: Romulus
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Science Fiction, Horror
IMDB-Link: Alien: Romulus


Ja, wo isser denn, der Filmkürbis? Doch nicht etwa in den Weiten des Weltalls, wo dich niemand schreien hört, verschollen? Glücklicherweise nicht, denn solche ekligen Begegnungen mit außerirdischen Lebensformen blieben mir erspart. Mir reicht schon, was auf der Erde herumläuft. Beziehungsweise reichen mir die 35 Grad Anfang September. Diese Hitzewelle hat mich ausgeknockt. Das Gute am Klimawandel ist, dass er unseren Planeten für die potenziellen Drecksviecher, die da oben im All über uns schwirren, zu heiß und damit uninteressant macht. Die vergnügen sich somit lieber in anderen Sonnensystemen wie etwa jenem, der die Minenkolonie Jackson’s Star angehört. Dort planen ein paar junge Erwachsene, die nicht bis zu frühzeitigen Ableben für die Weyland-Yutani Cooperation schuften wollen, ihre Flucht. Dummerweise führt sie diese auf eine abgewrackte Raumstation, die nur auf den ersten Blick verlassen scheint. Der Rest ist (gut gemachte) Menschenjagd durch Aliens, wie man sie vor allem aus den ersten vier Alien-Filmen kennt. „Alien: Romulus“ von Fede Álvarez spielt zwischen dem ersten und dem zweiten Alien-Film und nutzt diese zeitliche Verankerung für einen überraschenden und durchaus gelungenen Gastauftritt. Der Film erfindet die Reihe nicht neu, sondern besinnt sich ihrer alten Stärken. Was die Alien-Reihe abseits ihrer blutigen Schlitzerei so interessant macht, ist, dass das Grauen zwar durch eine bösartige außerirdische Lebensform verkörpert wird, es aber erst durch amoralisches Handeln der Menschen herbeigerufen bzw. immer wieder neu losgelassen wird. Was dann in den Filmen passiert, sind die Kollateralschäden, die durch einen Gotteskomplex, Profitgier und falsche Neugierde entstehen. Diesen Aspekt zeigt „Alien: Romulus“ deutlich auf. Man weiß schon, dass man in einem Alien-Film die Figuren nicht allzu sehr ins Herz schließen sollte, denn wie in bekannten Kinderabzählreimen geht es diesen einem nach dem anderen an den Kragen, aber vor allem Cailee Spaney und David Jonsson als Android Andy machen ihre Sache richtig gut, sodass man Interesse an ihren Figuren entwickelt. Und das ist im Horror-Schlitzer-Genre schon mal eine richtig gute Sache, denn viele mittelmäßige bis schlechte Horrorfilme leiden darunter, dass es einem aufgrund schlecht geschriebener Charaktere, die vielleicht auch noch nervig von den Darsteller:innen verkörpert werden, völlig egal ist, wer wann wie ins Gras beißt – schlimmer noch: dass man irgendwann einmal die Seite wechselt und den Bösen die Daumen drückt, dass sie die nervigen Figuren endlich von der Leinwand entfernen. Das passiert in „Alien: Romulus“ nicht. Allerdings meint es Álvarez mit seiner Verbeugung vor dem ersten Film etwas zu gut und strapaziert damit am Ende des Films etwas die Geduld der Zuseher, wenn sich Actionsequenzen wie Matrjoschka-Figuren verhalten: Aus jeder hüpft noch einmal eine neue hervor, bis es langweilig und repetitiv wird. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Hätte es diesen nachträglichen Zwischenteil zu den Alien-Filmen gebraucht? Das wahrscheinlich nicht. Aber er unterhält auf gutem Niveau und hat damit jedenfalls seine Berechtigung.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von 20th Century Studios/20th Century Studios – © 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved. Quelle: http://www.imdb.com)

A Quiet Place: Tag Eins (2024)

Regie: Michael Sarnoski
Original-Titel: A Quiet Place: Day One
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Horror, Drama, Science Fiction
IMDB-Link: A Quiet Place: Day One


Als gelernter Wiener kann ich dem Konzept der A Quiet Place-Welt einiges abgewinnen. Wer unnötig Lärm macht oder sonst eine Ruhestörung begeht, geht sofort über den Jordan. Man stelle sich mal diese herrliche Ruhe in Straßenbahnen oder Zugabteilen vor! Keine wilde Party morgens um zwei Uhr in der Nachbarswohnung mehr! Wundervoll! Und keine grantigen Audi-Fahrer, die glauben, die Straße gehöre ihnen, was sie mit lautem Hupen kundtun müssen. Was für eine Vorstellung! Insofern muss man den außerirdischen Entitäten mit den großen Lauschern ja fast dankbar sein, dass sie sich unseren Planeten ausgesucht haben, um für Ruhe zu sorgen. Im Grunde sind das lediglich etwas aggressivere Varianten der sudernden alten Wiener Dame, die dem Covid’schen Balkonkonzert des Tenors nebenan mit einem herzlichen „RUHE! RUHE! So schee is des a net!“ den Garaus gemacht hatte. Aber wenn man selbst der Ruhestörer ist, der dann Sekunden später in einer Blutlache liegt, ist das halt auch nur bedingt lustig. Da ist es auch kein Trost, wenn man weiß, dass man ohnehin in wenigen Wochen bis Monaten das Zeitliche gesegnet hat, so wie es der krebskranken Samira (Lupita Nyong’o) ergeht. Als die außerirdischen Musikkritiker also über New York hereinfallen, tut sie erst einmal das, was jeder in der Situation tun würde: Sie versucht zu überleben. Nachdem Ersteres (zumindest vorerst einmal) sichergestellt ist, bekommt sie aber Lust auf Pizza, nämlich in einer ganz bestimmten Pizzeria in Harlem, und so macht sie sich auf den geräuschlosen Weg nach Norden, während der Rest der Stadt (sofern er nicht von Außerirdischen zermantscht wird) nach Süden flüchtet, da das Militär relativ schnell herausgefunden hat, dass die Besucher aus fernen Galaxien zwar außergewöhnlich gut hören, aber nur schlecht schwimmen können, was dazu führt, dass im Süden der Stadt Boote bereitgestellt werden, die die restlichen Überlebenden der Invasion retten sollen. Aber Samira ist eben nicht nach Rettung, sondern nach Pizza zumute. Zusammen mit ihrem tiefenentspannten Kater Frodo (bitte um einen Oscar für den Kater Schnitzel!) zieht sie quer durch die Stadt, im Schlepptau schon bald den ängstlichen Studenten Eric (Joseph Quinn, den man aus der vierten Staffel von „Stranger Things“ kennt). Auf Zehen- (bzw. Pfoten-)spitzen schleicht das ungleiche Trio nun durch die Stadt, dabei versuchend, unvermeidliche Zusammenstöße mit den Außerirdischen zu vermeiden. Besonders originell ist das nicht, und man ahnt schon bald, worauf das alles hinausläuft, aber das Nyong’o, Quinn und Schnitzel groß aufspielen und sich das Drehbuch Zeit nimmt, die zwischenmenschlichen und -kätzischen Beziehungen aufzubauen, folgt man dem lautlosen Geschehen gerne. Überhaupt fühlt sich „A Quiet Place: Tag Eins“ die meiste Zeit über mehr wie ein Drama als wie ein Horrorfilm an – was für mich keinen Nachteil darstellt. Allerdings muss ich einen unfassbaren Logikfehler hervorheben: Es ist absolut unmöglich, dass du eine Katze in eine verlassene Bar setzen kannst, ohne dass sie leere Gläser vom Tresen stößt (und ihnen interessiert nachblickt) oder auf dem Schlagzeug der Band herumläuft! Es scheint, als wäre am Set kein einziger Katzenbesitzer anwesend gewesen.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Gareth Gatrell/Gareth Gatrell – © 2023 Paramount Pictures. All Rights Reserved. Quelle: http://www.imdb.com)

Nope (2022)

Regie: Jordan Peele
Original-Titel: Nope
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Horror, Science Fiction
IMDB-Link: Nope


Jordan Peele hat sich einen Namen gemacht. Er steht für intelligenten Horror mit sozialkritischen Untertönen. Sein erster Langfilm Get Out wurde gleich mal mit einem Oscar für das beste Drehbuch prämiert. Nach Wir aus 2019 war „Nope“ nun 2022 der dritte Langfilm, bei dem er für Drehbuch, Regie und Produktion verantwortlich zeichnete. Auch dieser Film folgt dem mittlerweile typischen Peele-Muster einer Verrätselung und Surrealität, das zu einem permanenten Gefühl einer diffusen Bedrohung wird. Und das in einem Neo-Western-Setting. Diesmal lässt er die Katze jedoch bereits zur Mitte des Films aus dem Sack, was den Effekt mit sich bringt, dass der Horroranteil in seinem jüngsten Werk geringer ausfällt als in den beiden Filmen zuvor. In „Nope“ glauben der stoische Ranchbesitzer O.J. und dessen Schwester Emerald, deren Vater vor einem halben Jahr auf sehr seltsame Weise ums Leben gekommen ist, eine UFO-Begegnung gemacht zu haben. Doch was ist dran an dieser mysteriösen Sichtung, auf die sich O.J. keinen Reim machen kann? Wie kann man Beweise für das Außernatürliche finden? Der Überwachungstechniker Angel schließt sich dem Geschwisterpaar bald an, und gemeinsam suchen sie nach Antworten. „Nope“ mag zwar nicht das konzentrierteste Werk von Jordan Peele sein, aber vielleicht ist es sein unterhaltsamstes und steht damit für mich fast auf einer Stufe mit „Get Out“. Immer wieder durchsponnen von feinsinnigem Humor, der bereits im Titel des Films zu finden ist, baut Peele eine ambivalent-bedrohliche Atmosphäre auf, aus der die gut dosierten Schreckens- und Gewaltszenen mit großer Wucht auf den Zuseher einschlagen. Einzig dem Showdown am Ende fehlt es ein wenig an Dringlichkeit und damit auch Spannung. Dennoch: Ein wilder Ritt!


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Universal Pictures – © 2022 Universal Studios. All Rights Reserved, Quelle: http://www.imdb.com)

Die neun Pforten (1999)

Regie: Roman Polanski
Original-Titel: The Ninth Gate
Erscheinungsjahr: 1999
Genre: Thriller, Horror
IMDB-Link: The Ninth Gate


Es gibt im Englischen einen Spruch, den ich sehr mag: „Play stupid games. Win stupid prizes“. Die deutsche Entsprechung dafür wäre in etwa die Abkürzung SSKM: „Selbst schuld. Kein Mitleid.“ Hätte sich das der Antiquar und Buchhändler Dean Corso (Johnny Depp) mal lieber hinter die Löffel geschrieben, denn dann wäre er wohl kaum auf die Idee gekommen, im Auftrag des betuchten Sammlers Boris Balkan (Frank Langella) ausgerechnet nach einem Buch zu suchen, das der Teufel persönlich angeblich geschrieben haben soll – bzw. nach zwei weiteren Kopien, die davon existieren, denn eine besitzt Balkan bereits. Aber da ist er auch schon mittendrin in einer Hetzjagd, in der Leib und Seele gleichermaßen auf dem Spiel stehen. Und immer wieder muss eine mysteriöse Unbekannte (Emmanuelle Seigner) eingreifen, um … nun ja … die Kohlen aus dem Feuer zu holen. „Die neun Pforten“ von Roman Polanski spielt genüsslich auf der Klaviatur des Gruselfilms und baut immer wieder auch augenzwinkernd humoristische Töne ein. Hardcore-Horrorfans könnte dieser Film etwas zu weichgespült sein, doch wer es gerne gruselig mag, ohne deshalb nächtelang um den Schlaf gebracht zu werden, ist hier an der richtigen Adresse. Außerdem gibt es hier noch einen 90er-Jahre-Johnny Depp zu sehen, frei von Manierismen, die er sich im Zuge der „Fluch der Karibik“-Reihe zugelegt hat. Das Vierteljahrhundert, das der Film mittlerweile am Buckel hat, sieht man ihm zwar an (vor allem die Spezialeffekte sind schlecht gealtert), doch bietet „Die neun Pforten“ auch heute noch solide und spannende Unterhaltung.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle: http://www.imdb.com)

A Haunting in Venice (2023)

Regie: Kenneth Branagh
Original-Titel: A Haunting in Venice
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Krimi, Horror
IMDB-Link: A Haunting in Venice


Auch Meisterdetektive sind nicht vor dem Pensionsschock gefeit. Und so fadisiert sich Hercule Poirot (zum dritten Mal verkörpert von Kenneth Branagh, der auch wieder die Regie übernommen hat) im Nachkriegs-Venedig, ehe er von einer alten Freundin, der Krimi-Autorin Ariadne Oliver (Tina Fey) aus seiner Lethargie gerissen wird. Diese versucht bislang erfolglos, ein Medium (Michelle Yeoh) zu enttarnen, das angeblich mit den Toten sprechen kann. Eine Halloween-Party in einem alten Palazzo, in dem es seit langem spuken soll, bietet den richtigen Anlass, um der Dame auf den Zahn zu fühlen. Zu Beginn ist Poirot wie gewohnt selbstsicher, doch je länger der Abend dauert, je tiefer die Nacht mit ihren Schatten in den Palazzo kriecht, desto mehr wird Poirot mit Mysterien konfrontiert, die sich jeder Logik zu entziehen scheinen. Und es dauert auch nicht lange bis zum ersten Todesfall. Nach dem grundsoliden Mord im Orient-Express von 2017 und dem enttäuschenden Tod auf dem Nil aus dem letzten Jahr ist die dritte Verfilmung eines Agatha Christie-Krimis unter der Regie von Kenneth Branagh die bislang gelungenste. Denn statt eines klassischen Whodunit-Krimis serviert uns Branagh diesmal mit einem Mystery-Gruselfilm ein in diesem Kontext der Poirot-Verfilmungen völlig neues Genre. Der Film ist düster, spannend, von einer schaurigen Atmosphäre getragen und hervorragend ausgestattet wie gefilmt. Auch der Verzicht auf die vorderste Reihe der A-Lister, die noch im ersten Film zu sehen war, tut dem Film gut, denn die Darsteller:innen (darunter Kelly Reilly, Jamie Dornan, Camille Cottin und Kyle Allen) machen ihre Sache ausgezeichnet, die darin besteht, Poirot als zentrale Figur Raum zu geben und ihm zuzuarbeiten. Allerdings fehlt es an einer zentralen Zutat, um aus „A Haunting in Venice“ einen wirklich großartigen Film zu machen, und das ist die Möglichkeit, mitzurätseln. Das Drehbuch macht es sich in dieser Hinsicht zu einfach und begnügt sich damit, dem Zuseher die Geschichte im Nachhinein zu enträtseln, anstatt ihn selbst daran partizipieren zu lassen. So ist „A Haunting in Venice“ zwar ein äußerst stimmungsvoller Gruselfilm, der auf dieser Ebene hervorragend funktioniert, aber ein nicht gänzlich überzeugender Krimi.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von 20th Century Studios/20th Century Studios – © 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved, Quelle http://www.tobis.de)

The Belgian Wave (2023)

Regie: Jérôme Vandewattyne
Original-Titel: The Belgian Wave
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie, Horror, Roadmovie
IMDB-Link: The Belgian Wave


Meine Damen und Herren, jetzt heißt es aufgepasst! Ich präsentiere die chemische Formel für die stärkste Droge der Welt: H2O. Auf die Frage an Regisseur Jérôme Vandewattyne im Q&A nach Sichtung seiner Science Fiction-Komödie „The Belgian Wave“ nämlich, wie viele Drogen er während der Realisierung dieses irren Trips konsumiert hätte, antwortete dieser mit: „Keine. Nur jede Menge Wasser“. Aber vielleicht finden sich im belgischen Wasser ja bewusstseinserweiterte Substanzen. Denn auf solche irren Bilder muss man erst einmal kommen. Es beginnt mit einem grandiosen Kameradrohnenflug mitten durch einen Rave, und Bilder wie Musik dieser ersten Szene geben schon mal den Ton an für die kommenden 1,5 Stunden. Die Journalistin Karen und der Künstler Elzo, der sich gerne mal LSD-„Microshots“ fit hält, gehen gemeinsam auf einen abgefahrenen Roadtrip, um nach dem Anfang der 90er Jahre verschwundenen Reporter Marc Vaerenbergh zu suchen. Dieser forschte einer Reiher unerklärlicher UFO-Sichtungen über Belgien nach, die als „Belgian Wave“ in die Geschichtsbücher eingehen sollten. Karen und Elzo interviewen zunächst Weggefährten des verschwundenen Reporters, zu dem sie beiden einen sehr persönlichen Bezug haben, doch je tiefer sie in die Geschichte eintauchen, desto abstruser wird diese – bis sie schließlich im ecuadorianischen Dschungel landen und dort lustige Substanzen einwerfen. Alles an „The Belgian Wave“ ist laut und schrill. Zugegeben, ich tat mir schwer, einen Zugang zu dem Film zu finden, der in allen Belangen einfach over the top zu sein scheint, in den psychedelischen Bildern, in der mit wenigen Ausnahmen permanent pulsierenden Musik, in der komplett von der Realität losgelösten schauspielerischen Leistung, doch erkenne ich an, dass das alles handwerklich ausgezeichnet und mit viel Liebe gemacht ist. Allein schon die Tatsache, das alles in 21 Tagen abgefilmt zu haben, nötigt höchsten Respekt ab, aber aus diesem minimalen Zeit- und Geldbudget dann auch noch einen solchen stilistisch eigenen und abenteuerlich geschnittenen Film herauszuholen, ist aller Ehren wert. Wie gesagt, findet man Zugang zu diesem schrillen Trip in Neonfarben, hat man großen Spaß daran. Für alle, die es etwas ruhiger bevorzugen, wird das Erlebnis aber auch schnell mal anstrengend.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Good Boy (2022)

Regie: Viljar Bøe
Original-Titel: Good Boy
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Thriller, Horror, Komödie
IMDB-Link: Good Boy


Er, Christian, ist gutaussehend, charmant, reich und hat Manieren. Sie, Sigrid, ist aufgeweckt, ein wenig verpeilt, herzlich, und bereit, sich in Christian, ihr Tinder-Date, zu verlieben. Wäre da nicht eine kleine Komplikation, nämlich Christians Haustier. Christian tut sich recht schwer, die Rasse seines Hundes Frank zu bestimmen, steckt da doch ein Mensch im Hundekostüm drinnen. Doch Liebe überwindet alle Hürden, und wer ist Sigrid schon, sich über die Fetische anderer Leute zu mokieren? „Good Boy“ von Viljar Bøe ist ein schwarzhumoriger, hundsgemeiner Film – eine groteske Lovestory wie auch ein abgründiger Thriller gleichermaßen. Solche originellen Absurditäten findet man eben beim Slash Filmfestival in Wien, das Perlen des Genrekinos zwischen Horror, Fantasy und Science Fiction zeigt. Das Slash Festival geht dorthin, wo einem das Lachen im Hals steckenbleibt, wenn sich Falltüren öffnen, wo man sie nicht erwartet hat. Dass dieses wunderbare kleine Festival von sehr entspannten Leuten organisiert und ebenso entspanntem Publikum besucht wird, ist noch mal ein Grund mehr, sich den einen oder anderen Film des Festivals zu gönnen. Aber zurück zu „Good Boy“, meinem Auftakt zu insgesamt fünf Filmen, die ich im Rahmen des Slash Festivals sehen möchte. Hätte Viljar Bøe ein stimmigeres Ende für seinen kleinen, fiesen Film gefunden, das nicht komplett im Chaos von Logiklöchern (in diesem Fall: völlig irrationalem Verhalten der Figuren) versinkt, so hätte das ein Überraschungs-Hit des Jahres für mich werden können, so unterhaltsam, wie der Film in seiner ersten Stunde exekutiert ist. Doch am Ende geht Bøe den einfachen Weg, den man von einem schwarzhumorigen Horrorthriller mit Figuren, die im Anblick der Gefahr sämtliche graue Zellen abschalten, eben erwartet. Und das ist dann angesichts der großartigen ersten Stunde schon ein wenig schade.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © Saban Films, Quelle http://www.imdb.com)