Greta Gerwig

Barbie (2023)

Regie: Greta Gerwig
Original-Titel: Barbie
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Komödie, Fantasy, Satire
IMDB-Link: Barbie


Pink ist die Farbe dieses Sommers. Um Greta Gerwigs „Barbie“ ist ein regelrechter Hype entstanden. So bietet das Gartenbaukino beispielsweise auf vielfachen Wunsch seiner Gäste Frühstücksvorstellungen dieses Films an. Gleichzeitig wird auch kein anderer Film des Jahres so kontrovers diskutiert wie die Realverfilmung zu dem beliebten Mattel-Spielzeug mit Margot Robbie, Ryan Gosling und America Ferrara in den Hauptrollen. Auf Google bringt es der Film aktuell auf eine Durchschnittsbewertung von 2,4 Sternen von 5 möglichen. Jeder 5-Stern-Rezension steht mehr als eine 1-Stern-Rezension gegenüber. Interessanterweise kommt ein Großteil der negativen Bewertungen wohl von männlichen Rezensenten, sofern man das aus den Usernamen schließen kann. Und damit wären wir auch schon mitten im Thema des Films. Denn wer eine seicht-amüsante Plastikweltkomödie erwartet, wird sehr schnell überrascht. Schon die Einstiegsszene ist ein großartiges und völlig respektloses Zitat von Kubricks Meisterwerk „2001: Odyssee im Weltraum“. Und in dieser Tonart geht es weiter. Greta Gerwig, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach auch das Drehbuch geschrieben hat, zersetzt mit „Barbie“ nichts weniger als die komplette Gesellschaftsstruktur und ihre Unterteilung in männliche und weibliche Rollen und verhandelt quasi nebenbei gleich mal den Feminismus komplett neu. Die Herren kommen nicht gut weg in diesem Film, was mit Sicherheit auch die eine oder andere vernichtende Kritik erklärt, doch wer nur sieht bzw. sehen möchte, dass in diesem Film auf das „starke Geschlecht“ hingedroschen wird, übersieht ganz Wesentliches: Dass es Greta Gerwig nämlich gar nicht darum geht, ein Geschlecht als besser als das andere darzustellen, sondern vielmehr, Ungleichheiten und somit auch Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und zu hinterfragen. Sie hält der Welt einen Spiegel vor, und wer mit dem Bild, das sich darin zeigt, unzufrieden ist, sollte sich demgemäß selbst hinterfragen. Wie sie das tut, ist hochgradig unterhaltsam und extrem witzig. Margot Robbie als (eine) Barbie und Ryan Gosling als (ein) Ken sind Idealbesetzungen, auch wenn die Stimme aus dem Off in einer Szene die Besetzung ironisch hinterfragt, und haben sichtlich Spaß an der Sache. Die Erschaffer von Barbieland, der bunten Plastikwelt, dürfen jetzt schon den Champagner für die nächsten Oscarnominierungen einkühlen. Das Tempo des Films ist hoch, aber nie gehetzt, und die Verschränkung der Puppenwelt mit der realen Welt bildet das Zentrum der Story, wird aber nicht für die eigentlich erwartbaren Witze, die man aus dem Aufeinanderprallen dieser beiden Welten ziehen könnte, missbraucht. Und genau dieser Aspekt zeigt exemplarisch auf, warum ich „Barbie“ für ein geniales Meisterwerk und vielleicht einen der besten, in sich stimmigsten Filme der Geschichte halte: Greta Gerwig und Noah Baumbach lassen mit ihrem Drehbuch das Offensichtliche beiseite und nutzen vielmehr den fantasievollen Raum, der sich ihnen dadurch bietet, um eine kluge, emotional aufrüttelnde und dennoch im besten Sinne komische Geschichte über Feminismus zu erzählen und unsere Gesellschaft gleichzeitig satirisch auszuleuchten. 9,5 Kürbisse gibt es hier für in meinen Augen perfekte Filme, und „Barbie“ ist ein perfekter Film. So grandios Oppenheimer auch ist und so hoch auch meine Erwartungen an den zweiten Teil von Villeneuves Dune sind, lege ich mich dennoch fest: Für mich ist „Barbie“ der Film des Jahres.


9,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of Warner Bros. Picture – © 2023 – Warner Bros, Quelle http://www.imdb.com)

Little Women (2019)

Regie: Greta Gerwig
Original-Titel: Little Women
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Historienfilm, Drama
IMDB-Link: Little Women


Gretas sind schon gut. Die eine macht auf gravierende Umwelt- und Klimaprobleme aufmerksam, die andere dreht saugute Filme, wie man seit Lady Bird weiß. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Greta Gerwig Kathryn Bigelow als Oscar-Preisträgerin für die beste Regie Gesellschaft leisten wird. So einsam ist es ja auch fad. Was wiederum gleich mal eine gute Überleitung ist zu ihrem neuesten Film „Little Women“, am vergangenen Sonntag ausgezeichnet mit einem Oscar für die besten Kostüme. Von den vier Schwestern der Familie March ist Jo (Saoirse Ronan) die einzige, die nicht traditionellen Gepflogenheiten folgt. Sie lehnt die Ehe ab und möchte sich lieber als Schriftstellerin auf eigene Beine stellen. Ihre Schwestern, allen voran Meg (Emma Watson), die älteste, sind da eher konventioneller unterwegs. Im Laufe der Jahre zerreißt es die vier Geschwister ein wenig. Während Meg ihren mittellosen Traummann heiratet, geht Jo nach New York, um zu schreiben, Amy (Florence Pugh) verschlägt es mit der reichen Tante (Meryl Streep) nach Paris, und nur Beth (Eliza Scanlen) bleibt zuhause bei der Mutter (Laura Dern), die aufgrund des Bürgerkriegs, in den der Familienvater (Bob Odenkirk) gezogen ist, ihre vier Mädels allein großziehen musste. Zwischendurch schwänzelt auch Timothée Chalamet durchs Bild. Klingt soweit recht gewöhnlich. Jetzt kommt aber Greta Gerwig ins Spiel, die der altbackenen literarischen Vorlage einen erfrischenden Anstrich verpasst und eine Meta-Ebene einzieht, auf der sich herrlich die Rolle der Frau und der männliche Blick darauf verhandeln lässt. Und so wird aus einem Kostümfilm ein zeitgemäßer Beitrag zu Sexismus und mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen. Passend dazu kann man aktuell in den Medien nachlesen, was der ansonsten so beliebte Papst zum Zölibat und zur Rolle der Frauen zu sagen hat. Ich sag’s mal so: Das 12. Jahrhundert hat angerufen, es möchte bitte sein Frauenbild wieder zurückhaben.


7,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Wilson Webb – © 2019 CTMG, Inc., Quelle: imdb.com)

Lady Bird (2017)

Regie: Greta Gerwig
Original-Titel: Lady Bird
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: Lady Bird


Hin und wieder kommt ein Film daher, der einfach alles richtig macht. Und ganz gleich, ob man die Geschichten und Figuren viel mit der eigenen Lebensrealität gemeinsam haben oder nicht – man ist von ihnen gefangen und für die Dauer des Films lebt man diese erzählte Leben. So ging es mir mit „Lady Bird“, dem Regiedebüt von Greta Gerwig. Meine Identifikationsmöglichkeiten mit Highschool-Mädchen aus Sacramento, Kalifornien, sind eher beschränkt, wie ich beim Blick in den Spiegel feststellen muss, aber dennoch sind mir alle Figuren dieses Films so wahnsinnig vertraut und nah. Und das liegt am grandiosen Storytelling. Denn auch wenn die Geschichte von der 17jährigen Christine, die sich selbst Lady Bird nennt (Saoirse Ronan mit einer unfassbar ehrlichen und authentischen Leistung), auf den ersten Blick recht unspektakulär dahindriftet (es geht um Schulschwärmereien, die Wahl des Colleges, Theaterproben, das Überstehen des letzten Schuljahres, Probleme mit den Eltern), so steckt, wenn man genauer hinsieht, so viel mehr drinnen. Freundschaft. Loyalität. Familie. Die Suche nach Status, wenn man nicht zu den Wohlhabenden in seinem Umfeld gehört, und – wichtiger – nach Anerkennung und einem eigenen Platz in der Welt. Dabei werden die Protagonisten (allesamt grandios gespielt) und die Beziehungen untereinander so unaufgeregt und gleichzeitig so wahrhaftig dargestellt, wie es Filmen nur selten gelingt. Greta Gerwig kommt ohne großes Drama und ohne Schubladen aus. Die Mutter ist liebevoll und verständnislos zugleich. Der Vater depressiv, aber freundlich. Lady Bird selbst eigensinnig, aber gutherzig. Es sind Menschen mit Stärken und Schwächen und viel Liebe füreinander, auch wenn es sie es manchmal nicht einfach miteinander haben. Die Konflikte werden unaufgeregt, aber ohne Weichzeichner gezeigt. Am Ende bekommt man eine Ahnung davon, wer diese „Lady Bird“ einmal als Erwachsene sein wird, und man denkt sich: Ja, ich glaube, wir würden uns gut verstehen.

 


8,5
von 10 Kürbissen