Regie: Justine Triet
Original-Titel: Anatomie d’une chute
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Anatomie d’une chute
Eine deutsche Autorin lebt mit ihrem Mann und ihrem sehbeeinträchtigen Sohn in einem Chalet bei Grenoble. Sie gibt ein Interview, bricht dieses allerdings ab, als ihr Mann im Dachboden laut Musik zu spielen beginnt, der Sohn geht mit dem Hund auf einen Spaziergang durch die Winterlandschaft, und als er zurückkehrt, findet er den Leichnam seines Vaters vor dem Haus. Was zunächst wie ein klassischer Whodunit-Krimi beginnt, schlägt schon bald in ein Justiz-/Gerichtsdrama um, doch auch diese Genreeinordnung bietet lediglich einen Rahmen für die eigentliche Geschichte, um die es Justine Triet mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnetem Film. Unter ihrer einfühlsamen und kontrollierten Regie entfaltet sich ein Beziehungsdrama, das grausam vor den Augen und Ohren der im Gerichtssaal Anwesenden seziert wird, von einem hysterischen Staatsanwalt und von der Verteidigung selbst im Versuch, die des Mordes beschuldigte Ehefrau zu rechtfertigen. Im Zentrum: Eine undurchschaubar wirkende Sandra Hüller, die ihrer Figur eine wundervolle Ambivalenz verleiht und gleichzeitig die Sympathien auf ihre Seite zeigt durch eine Wahrhaftigkeit, die immer wieder durchschimmert. Das ist nicht nur Oscar-verdächtig, das ist sogar Oscar-schuldig! Ebenfalls im Fokus von Triet: Der Sohn, der wie ein Spielball von der Justiz benutzt wird, ist er doch der einzige Zeuge in diesem Prozess. Sein Vater ist gestorben, seine Mutter steht in der Anklagebank, und der 11-jährige Junge entscheidet mit seiner Aussage über das weitere Schicksal seiner Familie. Das ist heftiger Stoff, der von Triet ohne große Gefühlsduselei und gerade deshalb so mächtig wirkend umgesetzt wird. Am Ende kann es keine Gewinner geben, sondern nur ratlos Überlebende, die nun versuchen müssen, ihren Weg weiterzugehen, nachdem ihr Leben grell ausgeleuchtet und kommentiert wurde. Ein unglaublich starker Film, dem man seine gelegentlichen Längen verzeiht, da er dann doch bis zur letzten Szene fesselt und darüber hinaus noch lange beschäftigt.

8,5 Kürbisse
(Foto: (c) Viennale)





