Drama

All of Us Strangers (2023)

Regie: Andrew Haigh
Original-Titel: All of Us Strangers
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: All of Us Strangers


Ein einsamer, homosexueller Drehbuchautor in einem kalten und verlassenen Appartement-Hochhaus in London. Das Leben zieht an ihm vorbei, die Tage sind gleichförmig und werden vorrangig auf der Couch verbracht, während über den Fernseher alte „Top of the Pops“-Folgen flimmern. Eines Tages klopft der einzige Mitbewohner dieses sterilen Hauses an der Tür: Betrunken, ebenfalls vereinsamt und nach Liebe und Geborgenheit suchend. Adam, der Schriftsteller, ist jedoch zu feige und schließt die Tür zunächst wieder. Doch die Neugier siegt, und bei der nächsten Begegnung lässt er sich auf die Avancen des jungen Harry ein. Was zunächst wie eine queere Liebesgeschichte in Anonymität der Großstadt beginnt, entfaltet sich unter Andrew Haighs sensibler Regie bald zu einer Studie von Vereinsamung, Trauer und Verlust. Denn bei einem Besuch seiner Geburtsstadt macht Adam bald eine unerwartete Begegnung: Er trifft auf seine Eltern, die sich im gleichen Alter wie er selbst befinden. Ein Traum? Eine Geistererscheinung? Eine Parallelwelt? Und kann ihm die aufkeimende Liebe zu Harry Halt geben in einer Situation, die Adam zu verschlingen droht? Langsam, aber keinesfalls langatmig tastet sich Haigh mit seinem grandios aufspielenden Cast vorwärts und entfaltet nach und nach das eigentliche Thema des Films bis hin zu seinem bitteren und aufwühlenden Ende. So großartig „All of Us Strangers“ auch inszeniert ist mit seinen weichen, zärtlichen Kamerabildern, dem klug eingesetzten Sounddesign und dem dichten Drehbuch, das der Geschichte dennoch genügend Raum zum atmen lässt, er würde nicht funktionieren ohne der überragenden Leistung des Casts, allen voran Andrew Scott in der Hauptrolle des Adam. Aber auch Paul Mescal als Harry sowie Claire Foy und Jamie Bell als Eltern tragen ihre Figuren mit größtmöglicher Sensibilität und Menschlichkeit und machen „All of Us Strangers“ zu einem gefühlsbetonten Drama, das mit zwar am Überirdischen anstreift, doch dank eben dieser ambivalenten und komplexen Figuren die Beine fest auf dem Boden behält.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Chris Harris/Chris Harris, Quelle: http://www.imdb.com)

Saltburn (2023)

Regie: Emerald Fennell
Original-Titel: Saltburn
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Komödie, Thriller
IMDB-Link: Saltburn


Schaut man die Oscarnominierungen 2024 durch, fehlt ein Film, der im Vorfeld hoch gehandelt wurde: „Saltburn“ von Emerald Fennell, die mit Promising Young Woman 2020 für Furore sorgte. Und da kommt man dann doch ins Grübeln. War der Academy die bitterschwarze, zynische Thrillerkomödie zu derb, zu eklig vielleicht (es gibt zwei, drei Stellen, die berechtigterweise für Kontroversen sorgen)? Andererseits hat Emerald Fennell ja auch in ihrem Vorgängerfilm bewiesen, dass sie auf Konventionen pfeift und einfach ihr Ding durchzieht. Und so ist auch „Saltburn“ ganz eindeutig ein Fennell-Film: Pulsierend, auf eine eher ungute Weise erotisch, mit tollem Soundtrack ausgestattet, mit Bildern, die wie Gemälde wirken (Kamera: der Oscar-dekorierte Linus Sandgren) und einem erneut groß aufspielendem Cast. In diesem Fall glänzt Barry Keoghan in der Hauptrolle des Oxford-Stipendiaten Oliver Quick (wer nun an Charles Dickens denkt, denkt nicht falsch), der aus einfachen Verhältnissen stammt und sich mit dem reichen Erben Felix Catton (Jacob Elordi) anfreundet. Dieser lädt Oliver ein, den Sommer über bei seiner Familie in Saltburn zu verbringen. Um das Anwesen in der Tonalität von Wolf Haas und seiner berühmten Brenner-Romane zu beschreiben: Schloss: Hilfsausdruck. Die Eltern (Rosamund Pike und Richard E. Grant) sind der neuen Bekanntschaft ihres Filius wohlgesonnen, und der lebt sich auch bald recht gut ein. So gut, dass er eigentlich gar nicht mehr weg möchte. Und schon bald zeigt sich, dass mehr in dem schüchternen Kerl steckt, als man auf den ersten Blick wahrnimmt. „Saltburn“ spielt geschickt mit den Erwartungshaltungen des Publikums, die immer wieder unterlaufen werden. Mal absurd komisch, mal sinnlich, mal bedrückend, mal zutiefst zynisch lässt sich der Film keinem Genre klar zuordnen und geht ganz eigene Wege. Auf den beißenden Humor sollte man sich einlassen können, ebenso wie auf die derben Szenen, die aber allesamt (wenig subtil) ein Sittenbild von Reich & Schön und jenen, die gerne dazugehören wollen, zeichnen. Zwar war „Promising Young Woman“ der konzentriertere und inhaltlich überraschendere Film, aber auch „Saltburn“ liefert gekonnte Unterhaltung und zeigt auf, dass Emerald Fennell ein Name ist, den man sich unbedingt merken muss.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Chiabella James/Chiabella James/Prime Video – © 2022 Amazon Content Services LLC, Quelle: http://www.imdb.com)

Sully (2016)

Regie: Clint Eastwood
Original-Titel: Sully
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: Sully


Große Passagierflugzeuge sind nicht unbedingt darauf ausgerichtet, im Wasser zu landen. Was Captain Chesley Sullenberger am 15. Jänner 2009 auf dem Hudson River vor New York gelungen ist, kann wohl als eine der größten Meisterleistungen der Luftfahrtgeschichte bezeichnet werden. Notwendig wurde dieser Stunt durch eine Kollision mit einem Vogelschwarm, der dafür sorgte, dass beide Triebwerke ausfielen. Umzukehren oder einen anderen Flughafen anzusteuern, war unmöglich, so der erfahrene Kapitän, also ging’s runter in den Fluss. Oder wäre es doch möglich gewesen, auf einem Flughafen zu landen statt das teure Flugzeug den Fischen zu überlassen? Die Luftfahrtbehörde schaut genau hin und bittet Sullenberger (Tom Hanks) und seinen Co Jeff Skiles (Aaron Eckhart) zum Gespräch. Haben die beiden etwa einen schwerwiegenden, weil teuren Fehler gemacht? „Sully“ unter der routinierten Regie von Clint Eastwood ist weniger Katastrophenfilm als Gerichtsdrama. Im Mittelpunkt stehen die Ermittlungen der Luftfahrbehörde und die Selbstzweifel von Sullenberger, die diese Ermittlungen verursachen. Ja, er hat 155 Menschenleben gerettet, aber war der Weg ins Wasser tatsächlich der einzig mögliche? Hier wird der Zynismus unserer Zeit spürbar: Es reicht nicht aus, zum Helden zu werden – es müssen auch die Interessen der Aktionäre gewahrt werden. Daraus und aus der nüchternen Nacherzählung der Ereignisse, die ohne künstliche Dramatisierung auskommt, bezieht „Sully“ seine größte Stärke. Es zeichnet einen Meister wie Eastwood aus, dass er den Unfall selbst enorm spannend, aber ohne Überhöhung zeigen kann. Andererseits wirkt sich der nüchterne, fast dokumentarische Zugang in den ruhigeren Momenten aber auch etwas bremsend aus und macht den Film gelegentlich etwas schwerfällig. Doch es überwiegen die positiven Aspekte, die einmal mehr unter Beweis stellen, dass der akribisch arbeitende Clint Eastwood trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch einer der interessanten und relevantesten Filmemacher unserer Zeit ist (von gelegentlichen Ausnahmen wie etwa dem eher drögen The Mule und dem Hurra-patriotischen „American Sniper“ mal abgesehen).


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle: http://www.imdb.com)

Im letzten Sommer (2023)

Regie: Catherine Breillat
Original-Titel: L’été dernier
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Erotik
IMDB-Link: L’été dernier


Catherine Breillat steht unter Verdacht, gerne mal filmisch mit Grenzüberschreitungen zu provozieren. Da darf dann auch mal ein *hüstel* gestandener Porno-Darsteller sein gewaltiges Gemächt herzeigen, wie beispielsweise in „Romance XXX“. In ihrem neuesten Film bedient die französische Altmeisterin des provokativen Kinos ein Genre, das für gewöhnlich freizügigen Internetseiten vorbehalten ist: Stiefmutter verführt Stiefsohn. (Jetzt wäre mir mit „Steifsohn“ gerade fast ein Tippfehler unterlaufen, den ich so hätte stehen lassen können.) Wobei: So eindeutig ist die Antwort auf die Frage, wer wen verführt, nicht zu geben. Gut, die scharfe Mama hätte eigentlich wenig Grund, den aufsässigen Gockel, der, weil schwieriges Kind, von seiner leiblichen Mutter zu seinem Vater abgeschoben wird, zum Betthupferl zu machen. Sie ist beruflich erfolgreich, hat zwei entzückende adoptierte Töchter mit ihrem Göttergatten, der zwar vielleicht schon etwas in die Jahre gekommen und leiblich auseinandergegangen ist (und, unter uns gesagt, ein Alkoholproblem hat, wenn er zu jedem Abendessen, das ihm die Gattin hinstellt, ein, zwei Glaserl Whiskey trinken muss), aber es läuft eigentlich ganz gut in ihrem Leben. Das alles auf Spiel zu setzen für ein Tête-à-Tête mit dieser Schmalzlocke von Stiefsohn: Hat sie nicht alle? Aber irgendwas hat dieser Bengel halt schon an sich, der offen rebelliert und eigentlich gar nicht dazugehören will in diese Patchwork-Familie. Warum sich der so an Muttern ranmacht, wird auch nicht ganz klar. Am ehesten kann man sein Verhalten unter jugendlichen Leichtsinn und eben Rebellion verbuchen. Aber es passiert nun mal das, was passiert, und hinterher schauen alle bedröppelt aus: Muttern, weil sie Schuldgefühle hat (Nonanet!), Söhnchen, weil er Gefühle entwickelt (oder zumindest äußert), die nicht erwidert werden. Und schon bahnt sich die große Familientragödie am Horizont an. Was Junior lernen muss: Eine Frau, die alles hat, kann auch alles verlieren und wird sich mit Zähnen und Klauen gegen eben dies zur Wehr setzen. „Im letzten Sommer“ ist natürlich auf Provokation aus. Aber darunter liegt eine Ebene, die den Film, für mich jedenfalls, sehr interessant macht: Nämlich der Umgang mit der Schuld- und Schuldgefühlfrage. Breillat zeichnet das Porträt einer Frau, die andere für ihre Fehler zahlen lässt. Dabei ist sie, hervorragend gespielt von Léa Drucker, gar keine Antagonistin, kein kaltherziges Ekel, sondern eben einfach jemand, der einen gewissen Status und Annehmlichkeiten erworben hat und diese um keinen Preis der Welt aufgeben möchte. Und in gewisser Weise gibt Breillat damit auch einen Kommentar zum Zustand unserer Gesellschaft ab, ob so intendiert oder nicht.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: http://www.imdb.com)

Die Schneegesellschaft (2023)

Regie: J. A. Bayona
Original-Titel: La sociedad de la nieve
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama
IMDB-Link: La sociedad de la nieve


Die Geschichte ist so unglaublich, dass sie nur wahr sein kann: Anfang der 70er Jahre stürzte eine Rugbymannschaft aus Uruguay auf dem Weg nach Chile über den Anden ab. Auf einem Berggipfel im Nirgendwo gestrandet, ohne Aussicht auf Hilfe oder Rettung, gingen die Überlebenden durch unfassbares Leid und standen vor der schwierigen moralischen Entscheidung, die toten Kameraden zu essen, um zu überleben, ehe sie nach über zwei Monaten im Eis wie durch ein Wunder doch noch geborgen wurden. Noch in den 70ern wurde diese Geschichte unter dem Titel „Überleben!“ verfilmt. J. A. Bayona, der sich mit Das Waisenhaus einen Namen gemacht hatte, ehe er ihn mit Jurassic World: Das gefallene Königreich wieder in den Sand setzte, gelingt nun mit der Neuverfilmung dieses Survival-Dramas ein eindrucksvolles und mittlerweile Oscar-nominiertes Comeback im Regiestuhl. Sein Geheimrezept sieht vor, sich nicht auf den reißerischen Aspekt der Geschichte, besagtes moralische Dilemma, zu konzentrieren, sondern die Gemeinschaft in den Vordergrund zu rücken, den Halt, den sich die jungen Männer in dieser Ausnahmesituation geben, und den schieren Überlebenswillen, der aber nicht niedrigste Instinkte zutage fördert, sondern sich immer noch innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens bewegt. Bayona erzählt diese Geschichte dabei in einem visuell mitreißenden, ultrarealistischem Stil und behält somit Distanz zu dem Geschehen, was angesichts der unglaublichen Ereignisse auch geboten ist, um eben nicht zu reißerisch zu werden. Andererseits birgt diese nachvollziehbare Entscheidung auch eine Schwäche: Mit der Distanz der Geschichte bleiben auch die Figuren distanziert, was den Film vor allem zu Beginn stellenweise doch ein wenig zäh werden lässt. Dennoch Hut ab vor Bayonas Regie und der stimmigen Umsetzung einer wundersamen Geschichte, die sich kein Autor jemals so hätte ausdenken können.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: http://www.imdb.com)

Meine Nacht bei Maud (1969)

Regie: Éric Rohmer
Original-Titel: Ma nuit chez Maud
Erscheinungsjahr: 1969
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Ma nuit chez Maud


Ein braver Kirchgänger, 34 Jahre alt, der gerade von einigen Auslandsjahren in die französische Provinz nach Clermont-Ferrand zurückgekommen ist, trifft auf seinen Jugendfreund, der ihn mit einer Freundin bekannt macht: der geschiedenen Ärztin Maud. Da sich draußen schon bald ein Schneetreiben entwickelt und Maud darauf besteht, dass Jean-Louis, der Katholik, bei ihr bleibt, wird dieser schon bald mit einem Zwiespalt konfrontiert, der ihn ihm tobt. Als gläubiger Christ schätzt er nichts höher als das Sakrament der Ehe, und sein Plan ist es auch, sich bald zu verheiraten – am besten in die hübsche Françoise, die er in der Kirche gesehen, die er sich aber noch nicht anzusprechen getraut hat – doch Maud, verführerisch, belesen und auch ein wenig vom Leben desillusioniert, fordert ihn heraus, sich diesem Konflikt zu stellen. „Meine Nacht bei Maud“ war der größte Kinoerfolg von Éric Rohmer, und man kann auch nachvollziehen, was diesen Erfolg gebracht hat. Denn zum einen ist der Film unglaublich gut gespielt, mit Jean-Louis Trintignant und Françoise Fabian, die sich wie in einem intensiven Tennismatch die Bälle zuschießen und zwischen denen es spürbar knistert. Auch Antoine Videz und Marie-Christine Barrault in Nebenrollen spielen sehr überzeugend. Schöne Menschen sind sie zudem alle. Zum anderen verarbeitet der Film, wenn auch in kühl vorgetragenen, sehr abstrakten Diskussionen, den gut nachvollziehbaren Konflikt zwischen Rollen, die uns zugetragen wurden (in diesem Fall jene des gläubigen Kirchgängers), und dem tief liegenden Begehren. Die Moral ist das, was dazwischen liegt. Dass Jean-Louis ausgerechnet Mathematiker ist und sich so die Welt fast formelhaft zurechtlegen möchte, letztlich aber daran scheitert, ist ein hübsches Detail. Kein einfacher Film, sondern einer, bei dem man konzentriert dabeibleiben muss, doch lohnt es sich, diesem intellektuellem Pingpong zuzuhören, regt es doch weitere Gedanken an, ohne allerdings intellektuell komplett zu überfordern. Zurecht einer der 1001 Filme, die man gesehen haben sollte, ehe das Leben vorbei ist.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.tobis.de)

Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein (1998)

Regie: Gary Ross
Original-Titel: Pleasantville
Erscheinungsjahr: 1998
Genre: Komödie, Fantasy, Drama
IMDB-Link: Pleasantville


Wenn jemand ein buntes Leben führt, ist das nicht unbedingt immer als Kompliment zu verstehen. Das empfindet auch der Teenager David (Tobey Maguire), der am liebsten die alte Schwarz-Weiß-Familienserie „Pleasantville“ schaut, denn dort ist das Leben geregelt und in Ordnung. Seine Schwester Jennifer (Reese Witherspoon) hat jedoch nichts für diese beschauliche Friede-Freude-Eierkuchen-Welt übrig, und als der Kampf um die Herrschaft über die Fernbedienung zwischen den beiden Teenies seinen Höhepunkt erreicht, werden sie plötzlich in die Serie hineingezogen und verkörpern fortan Bud und Mary, das Geschwisterpaar in Pleasantville. Während sich David/Gus gut in seiner Lieblingsscheinwelt zurechtfindet, hat Jennifer/Mary erst einmal Anpassungsprobleme. Doch dann beschließt sie: Wenn schon gefangen in einer TV-Welt, warum nicht einfach das Beste daraus machen und Spaß haben? Sie rüttelt die Prüderie und heile Welt gehörig auf – mit überraschenden Folgen. „Pleasantville“ ist ein oft unterschätztes, mittlerweile fast in Vergessenheit geratenes Kleinod, das damals immerhin für drei Oscars nominiert war und generell gute Kritiken bekam. Heute wirkt der Film zwar ein klein wenig angestaubt – die Serien, in die Teenager von heute hineingezogen würden, wären nicht so beschaulich wie „Pleasantville“ und man kann froh sein, dass solche magischen Fernbedienungen noch nicht erfunden wurden – aber Idee und Ausführung sind charmant und inspiriert. Vor allem das Spiel mit Schwarz-Weiß und Farbe funktioniert nach wie vor sehr gut und sorgt für einen unverwechselbaren Look. Auch die Besetzung funktioniert. Von Tobey Maguire wünscht man sich zwar (einmal mehr) etwas mehr Esprit, doch die junge Reese Witherspoon bringt die Energie rein, die Maguire fehlt. In weiteren Nebenrollen glänzen Joan Allen, William H. Macy, Jeff Daniels und J. T. Walsh, und es tut dem Film sichtlich gut, dass er sich auch die Zeit nimmt für ihre Geschichten und nicht ausschließlich bei David und Jennifer bleibt. Ein klein wenig aus der Zeit gefallen wirkt „Pleasantville“ zwar, ein bisschen altbacken vielleicht, aber er hat seine Qualitäten und darf gerne wieder öfter gesichtet werden.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Ein ganzes Leben (2023)

Regie: Hans Steinbichler
Original-Titel: Ein ganzes Leben
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Heimatfilm
IMDB-Link: Ein ganzes Leben


Gut möglich, dass Robert Seethaler ein Fan von John Williams‘ (der Schriftsteller, nicht der Komponist) Roman „Stoner“ ist. Ich bin es jedenfalls. Worum es in „Stoner“ geht: Um ein einfaches Leben eines Universitätsprofessors, dem das Schicksal immer wieder mal Steine in den Weg legt, und der doch unbeirrbar weitermacht, einfach, weil es halt so ist, das Leben, weil es immer weitergehen muss. Robert Seethaler scheint diese Geschichte aufgegriffen und in den Bergen angesiedelt zu haben, dort, wo das Leben ohnehin immer eine mühevolle Qual ist, weil das Wetter unbeständig und hart, die Natur grausam und die Wege weit und beschwerlich sind. In Hans Steinbichler Verfilmung plagt sich der Knecht Andreas Egger (großartig verkörpert von Stefan Gorski und August Zirner) durch dieses Leben. Vom Ziehvater (Andreas Lust als besonders fieser Fiesling) regelmäßig verdroschen, bis schließlich Schäden bleiben, bleibt Andreas ein wortkarger Außenseiter, der nur Entbehrungen und Mühsal kennt. Es verwundert nicht, dass er als junger Mann, als er die Gelegenheit dazu bekommt, ganz weit hinauf auf den Berg zieht, wo er vor seiner kleinen, kargen Hütte Gemüse zieht und den Bauarbeitern zusieht, die weiter unten die erste Seilbahn der Region bauen. Als er sich in Marie (Julia Franz Richter) verliebt, wird auch Egger ein Seilbahner – er möchte eine Familie gründen, und dafür braucht er Geld. Doch nichts geht einfach in Eggers Leben. Immer wieder muss er sich neuen, harten Schlägen stellen, doch er setzt diesen stoisch sein ganzes Wesen entgegen. Immer weiter, immer weiter, weil es ja weitergehen muss. Die ganze Grausamkeit des Lebens wird in Eggers Existenz sichtbar, doch reichen die kleinen Glücksmomente aus, um diese abzufedern oder vielleicht auszugleichen? Es ist diese existentialistische Grundüberlegung, die Steinbichlers Film trägt. Es passiert nicht viel und noch weniger Außergewöhnliches, und doch folgt man gebannt diesem einfachen und beschwerlichen Leben, nicht aus Voyeurismus, sondern weil sich dahinter eine fundamentale Wahrheit verbirgt: Das Leben ist das, was wir selbst daraus machen. Bedeutung hat das, was wir Bedeutung geben. Und das ist die tröstliche Botschaft in einem Heimat- oder vielmehr Antiheimatfilm, der sich in die Kategorie „schwere Kost“ einordnen lässt. Dennoch: Handwerklich ausgezeichnet gemacht mit eindrucksvoller Kulisse und viel Liebe zur Ausstattung ist „Ein ganzes Leben“ ein Ereignis, das man nicht missen sollte, so sperrig es sich manchmal auch anfühlt.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.tobis.de)

Der Soldat James Ryan (1998)

Regie: Steven Spielberg
Original-Titel: Saving Private Ryan
Erscheinungsjahr: 1998
Genre: Kriegsfilm, Drama
IMDB-Link: Saving Private Ryan


Mit „Der Soldat James Ryan“ von Steven Spielberg hat es angefangen: Seitdem musste Matt Damon, der immer wieder verloren ging, aus einem Kriegsgebiet hinter der Front, einem unerforschtem Planeten und dem Mars gerettet werden. Der Mann ist teuer. Das Time Magazin errechnete, dass sich die Kosten für die Rettungsmissionen auf über 900 Milliarden Dollar belaufen. Da war der Einsatz von Tom Hanks als Captain Miller und seiner Truppe in „Der Soldat James Ryan“ noch ein Schnäppchen, auch wenn diese Rettungsmission wohl mit den größten persönlichen Opfern verbunden war, die jemals geleistet wurden, um Matt Damon sicher nach Hause zu bringen. Acht Männer rücken aus unter dem Einsatz ihres Lebens, um aus einem hart umkämpften und von Deutschen besetzten Gebiet einen einzigen Mann zurückzubringen, dessen Familie das unglaubliche Schicksal erleidet, dass binnen weniger Tage drei von vier Brüdern im Fronteinsatz fallen. Es ist das Jahr 1944, die Amerikaner starten ihre Landung ihrer Normandie, und in dieser ersten halben Stunde des Genre definierenden Kriegsfilms wird das unbeschreibliche Chaos und Leid, diese pure Gewalt, auf dermaßen grimmige und authentische Weise sichtbar gemacht, dass damals, als „Der Soldat James Ryan“ im Kino lief, Veteranen scharenweise unter Tränen den Saal verlassen mussten, da der Film traumatische Erinnerungen triggerte. Den Film auf diese Nerven und Körper zerfetzende Anfangssequenz zu reduzieren, wäre allerdings viel zu kurz gegriffen. Selbst die ethisch spannende Frage, wie viel ein Menschenleben wert ist, umfasst ihn nicht vollinhaltlich. Denn neben diesen Aspekten ist „Der Soldat James Ryan“ auch ein exzellent gespieltes Drama mit starken Charakteren, allem voran dem von Tom Hanks gespielten Captain Miller. Doch alle Hauptcharaktere wachsen einem im Laufe des Filmes ans Herz, und es zerreißt eben dieses, wenn die Truppe nach und nach dezimiert wird. Viel eindringlicher kann man das Grauen des Krieges kaum darstellen. Ein Meisterwerk, das auch heute noch nichts von seiner Intensität eingebüßt hat.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Amblin Entertainment – © 1998, Quelle http://www.imdb.com)

The Lost King (2022)

Regie: Stephen Frears
Original-Titel: The Lost King
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Biopic, Drama, Komödie
IMDB-Link: The Lost King


Das Leben schreibt die besten Geschichten. Da gab es mal so einen buckligen König in England, Richard III., der in der entscheidenden Schlacht vom späteren Tudor-König Heinrich dem Vielten (ich komme immer durcheinander mit den gleich heißenden englischen Königen und ihren Nummerierungen) eins auf die Mütze bekam und dessen Leichnam danach angeblich in den Fluss geworfen wurde. Ein ebenfalls nicht unbekannter Schriftsteller mit dem Namen William Shakespeare (glücklicherweise ohne Nummerierung) brachte dann Aufstieg und Fall von König Richard III. in seinem gleichnamigen Stück auf die Bühne, woraufhin die ganze Welt inklusive dem englischen Königshaus dann der Meinung war: Das war ein böser Bursche, ein Usurpator, lange leben die Tudors! Nur eine schottische Hobby-Historikerin mag nicht so recht an die Geschichte des fiesen Herrschers glauben und auch nicht, dass sein Leichnam unauffindbar verloren ging. So steigert sich Philippa Langley (die großartige Sally Hawkins), verfolgt von einer rätselhaften und gar nicht buckligen Erscheinung des verschollenen Königs selbst, in die Mission hinein, die sterblichen Überreste von Richard III. zu finden. Wie gut, dass der Archäologe Richard Buckley (Mark Addy) gerade von seiner Universität Leicester vor die Tür gesetzt wurde und nun Geld verdienen muss. Mit den Moneten, die Philippa auftreibt, kommt man ja eine Weile über die Runden, und wenn die Dame nun Löcher ins leicester’sche Straßennetz graben will, dann sei es halt so. Doch der Rest ist … Geschichte. Stephen Frears konzentriert sich in seiner Verfilmung dieser irren Story, wie Richard III. nach über 500 Jahren dann doch noch ausgebuddelt wurde, weniger auf die Suche selbst, sondern mehr auf Philippa und ihren Kampf gegen die Männerwelt, die sie belächelt, solange sie noch keine Ergebnisse vorzuweisen hat, dann aber ganz schnell ganz vorne steht, wenn die Lorbeeren verteilt werden. Und das ist durchaus ein löblicher Aspekt, der hier beleuchtet wird. Allerdings leidet der Spannungsaufbau der Geschichte darunter, denn mindestens ebenso interessant wäre ein tieferer Einblick in Philippas Recherchen gewesen, die aber mittels ein paar angedeuteter Videocalls mit anderen Historiker:innen und dem Kauf einiger Bücher zu Richards Leben abgetan werden. Und das ist schade. Auch bin ich nicht davon überzeugt, dass Philippas Zwiesprache mit der Erscheinung des Königs einen echten Mehrwert stiften, auch wenn dieser sympathisch von Harry Lloyd dargestellt wird. So schrullig hätte Hawkins als Philippa Langley aber gar nicht sein müssen, das war dann doch ein wenig zu viel des Guten.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)