Daniel Scheinert

Everything Everywhere All at Once (2022)

Regie: Dan Kwan und Daniel Scheinert
Original-Titel: Everything Everywhere All at Once
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Fantasy, Science Fiction, Drama
IMDB-Link: Everything Everywhere All at Once


Diesen Durchmarsch hätten im Vorfeld wohl nicht viele erwartet. Aber am Ende der Oscarnacht 2023 standen 7 Goldmännchen für „Everything Everywhere All at Once“ zu Buche: Für die beste Hauptdarstellerin (Michelle Yeoh, sehr verdient), den besten Nebendarsteller (Ke Huan Quan mit einem eindrucksvollen Schauspiel-Comeback), die beste Nebendarstellerin (Jamie Lee Curtis, die den Oscar, bei allem Respekt vor ihrer kleinen, aber feinen Rolle, wohl auch für ihr Lebenswerk zugestanden bekommen hat), für das beste Drehbuch, den besten Schnitt, die beste Regie (die Daniels, die mich schon mit ihrem Vorgängerwerk „Swiss Army Man“ begeistert haben) und nicht zuletzt für den besten Film. Andere Kaliber wie Spielbergs The Fabelmans oder das herausragende The Banshees of Inisherin mussten sich geschlagen geben. Doch ist der Hype nun gerechtfertigt? Wie so oft im Leben ist die Antwort weder ein klares Ja noch ein klares Nein. Jein halt, die Lieblingshaltung der diplomatischen (man könnte auch sagen: opportunistischen) Österreicher. Denn während der Film einerseits volle Punktzahl für Originalität und die stilistisch atemberaubende Umsetzung seiner Idee verdient, hat er dennoch auch seine Längen und Problemzonen. (Und damit meine ich nicht Jamie Lee Curtis‘ Hüftspeck.) Zu Beginn wird man als Zuseher ins kalte Wasser geworfen, und es dauert eine Weile, bis man sich in der Geschichte zurechtfindet. Doch ist man dann an diesem Punkt angelangt, zeigt der Film auch unnötige Längen. Über den Inhalt darf man eigentlich nicht zu viel verraten, um den Spaß nicht zu verderben, nur soviel: Michelle Yeoh als überforderte Wäschereibesitzerin stellt fest, dass nicht nur eloquente Zauberkünstler mit rotem Umhang durch Multiversen reisen können. „Everything Everywhere All at Once“ ist dem (intelligenten) Fantasy- bzw. Science Fiction-Genre zuzuordnen. Umso überraschender kam der Oscar-Regen, da die Academy bei Genrefilmen für gewöhnlich eher die Nase rümpft. Diese bedingungslose Detailarbeit, mit der die Daniels ihr Multiversum umsetzen, während sie zusätzlich auch noch eine herzergreifende Familiengeschichte einbauen, beeindruckt allerdings und ist aller Ehren wert. Dies lässt den Preisregen durchaus nachvollziehen. Für einen perfekten Film hätte man das Geschehen allerdings noch etwas straffen und den Zuseher von Beginn an mehr an die Hand nehmen können. Anstrengend ist das alles nämlich schon. Das größte Mysterium rund um den Film erzeugen aber nicht die Daniels, sondern Michelle Yeoh. Wie kann es sein, dass die schon über 60 ist? Die Frau hat Gene!


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Allyson Riggs, Quelle http://www.imdb.com)

Swiss Army Man (2016)

Regie: Dan Kwan und Daniel Scheinert
Original-Titel: Swiss Army Man
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Komödie, Fantasy, Abenteuerfilm
IMDB-Link: Swiss Army Man


Ein junger Mann (Paul Dano), schiffbrüchig und gestrandet auf einer winzigen Insel, halb wahnsinnig vor Einsamkeit, will seinen Qualen ein Ende setzen und sich erhängen. Davon abgehalten wird er von einer Leiche (Daniel Radcliffe), die just in diesem Moment an den Strand gespült wird. Und diese Leiche erweist sich recht rasch als äußerst nützlich (so erzeugen beispielsweise die durch die Verwesung entstehenden Flatulenzen einen ziemlichen Antrieb, durch den die Leiche mal schnell zum Jet Ski umfunktioniert werden kann, wodurch der Gestrandete nun doch von seiner Insel entkommen kann) und mit der Zeit auch gesprächig. Gemeinsam schlägt sich das seltsame Paar nun durch einen Wald auf der Suche nach dem Heimweg und durch die Vergangenheit des Verschiedenen, der auch sonst noch allerhand Überraschungen bereithält. Was nach dem schrägsten Film des Jahres klingt … ist der schrägste Film des Jahres. Allerdings sind diese herrlichen Absurditäten kein Selbstzweck. Vielmehr entfaltet sich allmählich eine wunderbar zarte, poetische Geschichte über Einsamkeit, über Begehren, über Ängste, Schüchternheit und verpasste Gelegenheit. Das Ende ist konsequent, logisch und gleichermaßen zum Heulen schön. Vielleicht hätte man ein paar Fürze und die eine oder andere Derbheit auf dem Weg zu diesem wundervollen Ende auslassen können, aber sei’s drum – „Swiss Army Man“ ist mutiges, gefühlvolles und gehaltvolles Kino.


8,5
von 10 Kürbissen