Adrian Goiginger

Rickerl – Musik is höchstens a Hobby (2023)

Regie: Adrian Goiginger
Original-Titel: Rickerl – Musik is höchstens a Hobby
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Komödie, Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Rickerl – Musik is höchstens a Hobby


Die Wiener und ihr Sinn fürs Morbide. Während der Ambros Woifi den Zentralfriedhof hochleben hat lassen, gräbt Voodoo Jürgens gleich die Toten aus. Dieser Star der jungen neuen Welle des Austropops, dessen Musik noch eine Schicht tiefer unter die Haut geht als die seiner Vorgänger, spielt in Adrian Goigingers neuestem Film den „Rickerl“ Bohacek, einen Beislmusiker und AMS-Stammgast ohne Ambitionen. Klar, er hat einen Manager, der sichtlich an ihm verzweifelt, und vor einiger Zeit stand er schon mal kurz vor der Aufnahme seiner ersten Platte, hat aber im letzten Moment zurückgezogen. Mit seiner Exfreundin Viki (Agnes Hausmann) hat er einen Sohn, Dominik, um den er sich alle zwei Wochenenden rührend kümmert. Aber der Rickerl führt halt ein patschertes Leben. Kaum Geld, immer kurz vor der Delogierung, und die Frau König vom Arbeitsamt verliert auch zunehmend die Nerven. Nur wenn der Rickerl zur Gitarre greift und seine traurig-melancholischen Lieder anstimmt, passiert etwas mit ihm: Da schleicht sich so ein versonnenes Lächeln in sein Gesicht, die Augen geschlossen geht er völlig in seiner Musik auf, und man merkt: Dieser Rickerl sieht mehr als wir anderen. Er schaut genau hin: Auf die Obdachlosen, die Gescheiterten, auf die Alkoholiker im Stammbeisl, auf die Traurigen und die Verlebten. Er klagt nicht an, er erzählt – vom Scheitern und dem Trotzdem-Weitermachen. Und genau darin spiegelt sich auch Goigingers große Stärke in dem Film: Auch Goiginger ist ein Filmemacher, der nicht mit dem Finger auf andere zeigt und urteilt, sondern seinen Figuren einfach die Hand gibt und sie für sich selbst sprechen lässt, wie er es auch in seinem ersten Film Die beste aller Welten gehalten hat. Voodoo Jürgens ist die Idealbesetzung für den Rickerl. Es bleibt offen (und ist von Voodoo Jürgens auch so gewünscht), wie viel Rickerl in Voodoo Jürgens steckt und wie viel Voodoo Jürgens im Privatmenschen David Öllerer, der im Q&A jedenfalls darauf besteht, dass man diese Figuren, diese Identitäten auch voneinander trennt. Doch der Gedanke liegt nah, dass sowohl Rickerl als auch Voodoo Jürgens Facetten zeigen, die der Darsteller in sich trägt, wenngleich auch künstlerisch verfremdet. Ob es nun so ist oder nicht: Dem Film tut es jedenfalls gut, dass die Grenzen manchmal zu verschwimmen scheinen, denn so bleibt die Figur des Rickerl ungemein authentisch und glaubwürdig.


7,5 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Die beste aller Welten (2017)

Regie: Adrian Goiginger
Original-Titel: Die beste aller Welten
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama
IMDB-Link: Die beste aller Welten


Adrian Goiginger erzählt die Geschichte seiner Kindheit in Salzburg. Die drogensüchtige Mutter. Die Freunde, allesamt Junkies, die bis spät in die Nacht in der abgedunkelten Wohnung sitzen, der siebenjährige Adrian mitten unter ihnen, und Bier trinken, Zigaretten rauchen, Lines ziehen und sich hin und wieder was spritzen. Die Gewalt, die immer wieder einmal plötzlich ausbricht. Was nun klingt wie das unverdaulichste Sozialdrama aller Zeiten, entpuppt sich überraschend als zarter Liebesfilm. Es geht um die Liebe zwischen Mutter und Sohn. Um den Versuch, dem Sohn ein behütetes Zuhause zu geben trotz aller Schwierigkeiten, trotz des Dämons der Sucht in der Wohnung. Dieser Dämon wird kraftvoll symbolisiert durch eine zweite, surreale Traumebene des jungen Adrian, in der sich ein wagemutiger Abenteurer einem echten Dämon stellen muss, der in einer Höhle eingesperrt ist, doch die Ketten, die ihn festhalten, zu sprengen drohen. „Die beste aller Welten“ ist unsentimental und ehrlich. Adrian Goiginger wirft einen ungeschönten, nicht verklärten Blick auf seine Kindheit. Er betrachtet sich selbst als Siebenjährigen durch seine damaligen Kinderaugen. Auch die Kamera selbst bleibt oft in Bodennähe, betrachtet das Geschehen und die Abgründe, in die sich die Erwachsenen reißen, von unten, was zum Einen die Machtlosigkeit des Kindes verdeutlicht, aber andererseits eben auch eine andere Perspektive auf die Geschichte andeutet – eben jene, dass das, was „da oben“ geschieht, nicht zwangsweise 1:1 umzulegen ist auf das, was „unten“ beim Kind ankommt. „Die beste aller Welten“ ist eine Geschichte voller Hoffnung in einer fast hoffnungslosen Situation. Zudem ist der Film wirklich grandios gespielt, v.a. von Verena Altenberger, die die Mutter darstellt, und dem Kinderdarsteller Jeremy Miliker, der sehr unaufgeregt agiert – eine wirklich reife Leistung für den Burschen. „Die beste aller Welten“ ist definitiv ein Anwärter auf den besten österreichischen Film des Jahres – ein großartiges, ehrliches und mitreißendes Werk, das bleiben wird.


8,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)