2022

Other People’s Children (2022)

Regie: Rebecca Zlotowski
Original-Titel: Les enfants des autres
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Les enfants des autres


Rachel (Virginie Efira) ist Lehrerin, 40, unverheiratet und eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben. Ihre Liaison mit dem Gitarrenlehrer und Automobiltechniker Ali (Roschdy Zem) läuft gut an – es deutet sich ein Wendepunkt an in ihrem Leben. Nun ist es so, dass Ali aus seiner früheren Beziehung eine entzückende, vier Jahre (nein, viereinhalb, das halbe Jahr ist wichtig, wie Rachel beim ersten Kennenlernen festhält) alte Tochter namens Leila hat. Patchwork-Familien sind ja heute kein großes Ding mehr, und mit der Zeit festigt sich das Beziehungsdreieck Rachel-Ali-Leila. Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht – das wussten schon die Fantastischen Vier, und das weiß auch Regisseurin und Drehbuchautorin Rebecca Zlotowski. Denn Rachel fühlt, dass ihre Uhr tickt; das bestätigt auch der Gynäkologe (mit viel augenzwinkerndem Humor gespielt von Frederick Wiseman). Möchte Rachel noch eigene Kinder haben, sollte sie mal ein bisschen Gas geben. Der Mann wäre ja jetzt schon da, aber hat ein weiteres Kind in dieser Familie noch Platz? Wie fragil dieses Familiengebilde ist, erfährt Rachel immer wieder selbst am eigenen Leib, wenn beispielsweise Leila ihren Vater lautstark fragt, warum denn Rachel so oft bei ihnen wäre, sie solle doch mal wieder gehen. Es sind diese kleine Verletzungen, aus denen große Verunsicherungen entstehen, und Virginie Efira, eine Batzenschauspielerin, gelingt es, diese Verunsicherungen mit präzisem, einfühlsamem Spiel sichtbar werden zu lassen. Ihre Rachel ist eine erfolgreiche, gut aussehende, selbstbewusste Frau, die aber begreift, dass dies alles womöglich nicht ausreicht, um Herzenswünsche wahr werden zu lassen. In Efiras Gesicht spiegelt sich das Drama, das in ihrer Figur tobt – der Wunsch, den eigenen Bedürfnissen nachzukommen und die zunehmende Unsicherheit, ob dies gelingen kann, wird in Zaum gehalten von dem Versuch, sich die Würde zu bewahren und das Leben weiter positiv zu sehen. Das ist schon große Schauspielkunst. Da wir aber immer noch in einem französischen Film sitzen, geht alles mit Leichtigkeit vonstatten und wird von fröhlicher Musik untermalt. So sind sie halt, die Franzosen. Hätte man einen Ulrich Seidl auf die Thematik losgelassen, frage nicht – die Telefonseelsorge hätte nach der Sichtung Überstunden schieben müssen. Aber so kann man sich entspannt zurücklehnen in dem Wissen, dass es am Ende so etwas wie eine Katharsis gibt, wenn auch nur im Kleinen.


7,0 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Father’s Day (2022)

Regie: Kivu Ruhorahoza
Original-Titel: Father’s Day
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama
IMDB-Link: Father’s Day


Man könnte ja meinen, es gibt keine anderen Erkrankungen mehr als COVID. Doch ich kann bestätigen: Auch eine hundsordinäre Verkühlung kann einem die Viennale verhageln. Jedenfalls den Nationalfeiertag. Einen Tag später ist der Kürbis eures Vertrauens zumindest wieder fit genug, um sich Kivu Ruhorahozas (kein Finne!) Film „Father’s Day“ anzusehen. Um dann doch wieder ins Grübeln zu kommen, ob nicht alles irgendwie gerade COVID ist. Der Film spielt während der Pandemie, und eines muss man ja sagen: Was die Maskendisziplin betrifft, so kann sich der „besorgte Bürger“ hierzulange einiges abschauen von den Menschen in Ruanda, die den Fetzen sogar pflichtbewusst draußen in der Pampa tragen. Aber darum geht’s ja eigentlich nicht. Sondern um zwei Frauen, die beide großen Kummer mit sich tragen. Da wäre die Mutter Zaninka (Mediatrice Kayitesi), die ihren Sohn bei einem Unfall verloren hat und sich in ihrer Trauer von ihrem Mann distanziert. Da wäre auch die junge, reiche Mukobwa (Aline Amike), die ihrem lungenkranken Vater das Leben retten könnte, indem sie einen Teil ihrer Lunge spendet. Doch kann sie sich nicht zu diesem Entschluss durchringen. Ein dritter Erzählstrang schließlich folgt dem Kleinganoven Karara (Yves Kijyana), der ein Aggressionsproblem mit sich herumträgt und seinen kleinen Sohn wie einen Soldaten formen möchte. All diese Geschichten eint, dass – vielleicht auch verstärkt durch die Pandemie und die Umwälzungen, die diese auslöst – das althergebrachte Bild des Patriachats zu bröckeln beginnt. Die Frauen sowie die nächste Generation begehren leise auf gegen die gottgegebene Ordnung, dass nur der (starke) Mann das Sagen hat. Besonders schön ist dies zu erkennen, wenn sich der kleine Kadogo (Cedric Ishimwe mit einer intensiven Darstellung) seinem Vater widersetzt, indem er den gestohlenen Hundewelpen, nachdem er mit ihm gespielt hat, heimlich zu seinen Besitzern zurückbringt. Auf diese kleinen Momente muss man aufpassen, denn darin verbirgt sich die Geschichte, die Ruhorahoza erzählen möchte. Insgesamt ist das alles vielleicht einen Tick zu indirekt um die Ecke gedacht, und die Handlungsstränge brauchen wohl auch zu lang, um zusammenzulaufen und ein Ganzes zu ergeben. Dennoch ist „Father’s Day“ ein interessanter Blick auf die Gesellschaft von Ruanda und die subtilen Veränderungen, die sie durchläuft. (Oder ist dies ein Wunschdenken des Regisseurs?) Fazit: Durchaus sehenswert.


6,0 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Aftersun (2022)

Regie: Charlotte Wells
Original-Titel: Aftersun
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama
IMDB-Link: Aftersun


Jetzt geht der Wahnsinn wieder los. Treue Leser:innen dieses Blogs kennen meinen Hang zum Exzess, wenn es um das wichtigste Wiener Filmfestival, die Viennale, geht. Mit Schaudern erinnert man sich vielleicht an den Versuch vor einigen Jahren, mein Hirn mit über dreißig Filmen in zwei Wochen zu Matsch zu verarbeiten. Ich verspreche aber: Ich gehe es heuer ruhiger an. So wie Charlotte Wells in meinem Auftaktfilm „Aftersun“, die sehr unaufgeregt von einem Vater-Tochter-Urlaub in einem türkischen Urlaubsresort erzählt. Die Kamera ist nah an Sophie (Frankie Corio mit einer vielversprechenden Talentprobe) und Calum (Paul Mescal) dran, es passiert nicht viel. Die Geschichte findet in den Lücken statt. Immer wieder blitzt in stroboskopischem Gewitter das Gesicht der erwachsenen Sophie auf, die den Blick zurück wirft. Der Urlaub ist längst Vergangenheit und Erinnerung. So ist die Geschichte dieses Urlaubs in einem intimen Blickwinkel erzählt, passend dazu einige verwackelte Aufnahmen von einem Camcorder, wenn Sophie versucht, sich auf diese Weise ihrem Vater zu nähern. Es sind die Annäherungen und das zwischenzeitliche Scheitern daran, woran Wells interessiert ist. Familie ist kompliziert, vor allem, wenn der Vater offensichtlich im regulären Familienleben keinen festen Platz mehr hat und unbeholfen versucht, sich wieder in die Rolle einzuarbeiten. Man kann den Film unspektakulär und langweilig nennen, aber dennoch berührt er auf einer tieferen Ebene. Man merkt die Bedeutung dieser Erinnerung und spürt das Fehlen des Vaters im Leben der heutigen Charlotte. Ein poetischer, durchaus gelungener Auftakt.


6,5 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Was Katzen denken (2022)

Regie: Andy Mitchell
Original-Titel: Inside the Mind of a Cat
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Inside the Mind of a Cat


Was Katzen denken, das weiß so ziemlich jeder Katzenbesitzer eigentlich ganz gut. ‚Hm … es ist Nacht, mein Mensch schläft gerade tief und fest, das ist doch ein guter Zeitpunkt, um mal mit vollem Gewicht über ihn drüber zu latschen.‘ Oder: ‚Das Fressen, das ich vor fünf Minuten hinuntergeschlungen habe, interessiert mich nicht, das ist Schnee von gestern – ich habe HUNGER! JETZT!‘ Oder auch: ‚Ich bin hier voll der Macker, der Herr im Haus, hier habe ich das Sagen … HUI! DIE TÜRKLINGEL!!! HILFE!!!!!‘ Die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Als Dosenöffner für zwei solche Gfraster war ich natürlich sehr an der Netflix-Doku interessiert in der Hoffnung, ich könne hier neues Insider-Wissen direkt aus dem Hirn dieser unergründlichen Geschöpfe aufsaugen. Doch leider weit gefehlt. Dass Katzen miauen, wenn sie ihren Menschen etwas mitteilen wollen, ist nun keine bahnbrechende Erkenntnis. Auch nicht, dass sie auf ihren Namen hören (wenn sie wollen) oder dass ihnen per Clicker-Training Kunststücke beigebracht werden können. Gut, das war der Teil der Doku, bei dem mir der Kater einen vernichtenden Blick a la ‚Wage es nicht!‘ zugeworfen hat, aber ja, Katzen sind schlauer und lernfähiger, als es Nicht-Katzen-Besitzer glauben wollen. Insofern richten sich Inhalt und Erkenntnisse dieser Dokumentation wohl eher an jene, die bislang noch kaum Berührungspunkte mit Katzen hatten. Doch die Zielgruppe wird damit schon recht eng: Menschen, die mit Katzen bislang kaum zu tun hatten (ergo bislang kein großes Interesse an Katzen gezeigt haben), sollen sich einen Film über Katzen ansehen. Das klappt nur, wenn draußen gerade ein Sauwetter herrscht, einem fad ist und man keinen großen Bock auf zweistündige Familiendramen hat. Für Katzenliebhaber und Dosenöffner im Dienst gibt es immerhin ein paar süße Katzen zu bewundern. („Keine Sorge, Faber, ich tausche dich schon nicht gegen Carl ein!“ Der nächste warnende Blick.). Mehr ist es nicht. Aber immerhin kurz(weilig).


4,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Triangle of Sadness (2022)

Regie: Ruben Östlund
Original-Titel: Triangle of Sadness
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Satire
IMDB-Link: Triangle of Sadness


Ruben Östlund ist schon ein Schlingel. Knallt er uns eine bitterböse Satire nach der anderen hin, nach dessen Sichtung wir uns eigentlich verschämt ins Bett verkriechen sollten, so grauslich ist das Bild, das aus dem Spiegel starrt, und was macht die Filmwelt? Überschüttet ihn mit Preisen, wie zuletzt in Cannes, sodass er einfach weitermacht mit diesen Grauslichkeiten. Gut, mit dem vielgefeierten The Square konnte ich wenig bis gar nichts anfangen, dafür mochte ich „Höhere Gewalt“ umso mehr. Wenn einer das Animalische unter der glattgebügelten Oberfläche des wohlhabenden Anstands hervorkratzen kann, dann Östlund. Und diese Meisterschaft zeigt er nun auch in seinem neuen Film, eine derbe Satire über Reich&Schön, die sich auf einer Luxusyacht zur Luxuskreuzfahrt versammeln. Dort fallen bald die Fassaden, wenn der Seegang zunimmt und die Lage außer Kontrolle gerät. Der Film ist in drei Episoden unterteilt: In der ersten sieht man einen Beziehungsstreit des jungen, modischen Paars Carl und Yaya (Harris Dickinson und die viel zu früh verstorbene Charlbi Dean), der sich an einer Restaurantrechnung entzündet und sich zu einer Abrechnung mit Geschlechterrollen auswächst, in der zweiten dann die besagte Kreuzfahrt auf dem Schiff des dauerbesoffenen Kapitäns Thomas (Woody Harrelson, der sichtlich Spaß daran hat, den Besoffenen zu spielen), und in der dritten Episode schließlich ist das Kind in den Brunnen gefallen, die Würde liegt im heißen Sand begraben und Rollen kehren sich um. Man kann Östlund vorwerfen, dass er in seinen 2,5 Stunden etwas zu sehr mäandert und die Geschichte ausfransen lässt, doch halte ich entgegen, dass jede Minute dieser 2,5 Stunden dank des beißenden Humors, der die Geschichte wie ein roter Faden durchzieht, unterhaltsam ist. Ja, es ist ein Blick von oben herab, den Östlund auf uns armen Würstchen wirft, die versuchen, uns in einer konfusen Welt in zwar tradierten, aber ständig neu verhandelten Rollen zurechtzufinden, aber wenn das Ding so fetzt wie hier, sei ihm verziehen. Immerhin erbarmt sich Östlund dahingehend, dass er eben die Extrareichen und Extraschönen in die Misere reiten lässt, was immerhin die Möglichkeit eröffnet, sich davon ein wenig zu distanzieren. Max Frisch, auch so einer, der ständig die Rollen, die wir im Leben spielen, hinterfragt hat, hätte wohl auch seine diebische Freude an dem Chaos gehabt. Allerdings sei noch gewarnt: Ein Saumagen kann nicht schaden, möchte man den Film sichten.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Sonne (2022)

Regie: Kurdwin Ayub
Original-Titel: Sonne
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama
IMDB-Link: Sonne


Drei Teenager-Mädels twerken im Hijab und singen dazu „Losing My Religion“ von REM. Zwei Faktoren dabei sorgen dafür, dass diese Geschichte nicht einfach an dieser Stelle aufhört, sondern eine Eigendynamik entwickelt: Faktor 1: Nur eines der Mädchen ist Kurdin und trägt tatsächlich aus religiösen Gründen Hijab, nämlich Yesmin, die zentrale Figur der Geschichte. Faktor 2: Das witzige Video, das die drei Mädchen dazu drehen, geht auf Youtube und schon bald viral. Das sorgt natürlich für allerlei Aufmerksamkeit. Wer nun aber erwartet, dass sich „Sonne“, das Regiedebüt von Kurdwin Ayub, die eigene Erfahrungen in den Film hat einfließen lassen, in Richtung eines moralisierenden Zeigefingers bewegt, der die Strenge religiöser Vorschriften anprangert und Yesmin als Gefangene ihrer Kultur darstellt, irrt gewaltig. Klar, mit der protektiven Mutter gibt es ein wenig Stress, die findet die ganze Geschichte nicht so leiwand. Aber schon der Vater ist ein gemütlicher Haberer, der die Mädchen in ihrem Tun unterstützt und sich gleich mal als größter Fan outet. Gerade diese Unaufgeregtheit, was Kultur, Religion und Herkunft betrifft, macht „Sonne“ zu einem gelungenen Beitrag zum Thema Integration und miteinander statt nebeneinander leben. Dass der Fokus des Films aber nicht einmal auf diesem Aspekt liegt, sondern mehr an der Freundschaft der drei Mädchen und den ersten Reifeprüfungen des Lebens, die diese bestehen müssen, macht den Film noch mal interessanter. Und dass schließlich „Sonne“ so genuin die Welt der Jugend von heute in den Film einwebt, durch verwackelte Handyaufnahmen, Tiktok-Videos und authentische Jugendsprache, ist das ganz große Plus. Hier hat jemand wirklich zugehört und die Jugend von heute mal einfach ihr Ding machen lassen. So alte Säcke wie ich können dabei viel lernen. „Sonne“ ist in diesem Sinne weit mehr als eine übliche Coming-of-Age-Geschichte. Der Film gewährt uns Außenstehenden einen Blick in die Jugend von heute, der nicht verstellt ist von Vorurteilen und Klischees.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Corsage (2022)

Regie: Marie Kreutzer
Original-Titel: Corsage
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Biopic, Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Corsage


In den vergangenen Jahren ist es offenbar in Mode gekommen, heroisch verklärte Frauenfiguren aus der Geschichte zu sezieren und in ein neues (nicht immer vorteilhaftes) Licht zu rücken. Pablo Larraín hat es in dieser Kunstform zu erklärter Meisterschaft gebracht und uns originelle Filme wie Spencer beschert, und zuletzt hat Andrew Dominik aufhorchen lassen, indem er Marilyn Monroe in Blond durch die sieben Kreise der Hölle geschickt hat. Marie Kreutzer reiht sich nahtlos in diese Riege ein. Ihre Kaiserin Elisabeth, romantisch mit kiloweise rosa Kitschpulver in den Sissi-Filmen bestäubt, wird hier als sehr eigenständige, eigensinnige, vom Hofzeremoniell angeödete und des Lebens verdrossene Melancholikerin dargestellt. Die Parallelen zu Prinzessin Diana in „Spencer“ sind unübersehbar – beide Filme zielen in die gleiche Richtung: Das scheinbar glamouröse Leben der Monarchinnen wird Schicht für Schicht abgetragen, bis der innerste, verwundbare und auch schon schwer verwundete Kern der Seele übrigbleibt. Sisi- und Romy Schneider-Fans mögen Schnappatmung bei diesem Vorgang finden, und ja, Vicky Krieps bringt nichts von dieser unschuldig-zärtlichen Anmut einer Romy Schneider in die Rolle ein, aber nichtsdestotrotz (oder gerade deshalb) funktioniert sie als Kaiserin Elisabeth hervorragend – wenn man sich von dem Gedanken verabschiedet, ein klassisches Biopic zu sehen. Denn das ist „Corsage“ nicht, das will der Film auch gar nicht sein. Einsprengsel von modernen Elementen, die fast so wirken, als hätte das Produktionsteam schlicht vergessen, diese aus dem Bild zu nehmen (ein modern wirkender Traktor, ein im Gang herumstehender Wischmop aus türkisem Plastik, oder aber auch ein Song aus den 60ern, der auf einer Geige gezupft wird oder etwas gar verfrühte Filmaufnahmen), deuten auf eine Metaebene hin. Kaiserin Elisabeth ist hier sinnbildlich zu nehmen für den Kampf aller Frauen, sich von ihrem zu eng geschnürten gesellschaftlichen Korsett zu befreien. So ist der Film vielleicht etwas anstrengend und manchmal auch irritierend, bleibt aber aufgrund seiner Doppelbödigkeit stets interessant. Ich glaube, auch Romy Schneider hätte er gut gefallen.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

The Businessman (2022)

Regie: Nathan Ginter
Original-Titel: The Businessman
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Kurzfilm, Horror
IMDB-Link: The Businessman


Das Schöne an Filmfestivals ist es, dass man hier Filme entdecken kann, auf die man sonst im Leben nicht gestoßen wäre, da sie einfach nicht verfügbar sind hierzulande. Nathan Ginters „The Businessman“, der als Vorfilm zu Blaze seine Weltpremiere auf dem SLASH Filmfestival hatte, ist so ein Beispiel dafür. Der fiese, mit einfachen Mitteln effektive Horrorfilm zeigt eine Begegnung eines jungen Schulmädchens im Wald mit einem Geschäftsmann, adrett im Anzug gekleidet mit einem Aktenkoffer bei sich, der dem Mädchen einen Deal anbietet. Der Horror spielt sich hierbei im Kopf der Zuseher:innen ab. „The Businessman“ zeigt auf, dass es auch mit geringem Budget gelingen kann, dem Auditorium das Gruseln zu lehren. Alles, was es dafür braucht, ist eine gute Idee und einen Darsteller, der so spielen kann, dass man seiner Figur keine zwei Zentimeter weit traut. Mit Steve Gamble hat Nathan Ginter einen solchen Schauspieler gefunden, und deshalb funktioniert der Grusel auch. Natürlich, unterm Strich ist „The Businessman“ nicht viel mehr als ein kurze Episode mit bitterer Pointe, aber diese Limitation liegt auch am Genre des Kurzfilms selbst. Immerhin wird man 9 Minuten lang gut unterhalten, und das ist schon mal nicht wenig, wie ich finde.


6,0 Kürbisse

Unicorn Wars (2022)

Regie: Alberto Vázquez
Original-Titel: Unicorn Wars
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Animation, Anti-Kriegsfilm
IMDB-Link: Unicorn Wars


Jeder findet Teddybären süß. Und Einhörner. Und bunte, quietschfidele Animationsfilme. All das bringt Alberto Vázquez in seinem Film „Unicorn Wars“ zusammen, doch dominiert schon bald eine ganz bestimmte Farbe auf der Leinwand: Blutrot. Denn er lässt seine putzigen Teddybären mit Pfeil und Bogen und Schwertern in den Krieg gegen die Einhörner ziehen, die die Teddys vor langer Zeit aus dem magischen Wald vertrieben haben. Seitdem verspüren die Bären Rachegelüste, und in ihrem heiligen Buch steht auch geschrieben, dass derjenige unsterblichen Ruhm erringen soll, der das letzte Einhorn getötet hat. Der Film folgt den beiden Teddybärenbrüdern Bluey und Tubby und deren Einheit auf ihrem Feldzug. Aus dem Pfadfinderausflug in den Wald wird schon bald blutiger Ernst, und es wird gemetzelt, dass selbst Quentin Tarantino überrascht die Augenbraue hebt. „Unicorn Wars“ ist auf den ersten Blick ein stilistisch sehr eigener, derber Spaß, der eine süß-klebrige Kinderwelt in einen Albtraum verwandelt. Doch den Film allein darauf zu beschränken, wäre zu kurz gegriffen. (Als ob die Behandlung von Genozid nicht schon genügend Tiefgang bieten würde.) Die kraftvolle Schlussszene macht nämlich noch einmal deutlich, worauf Vázquez eigentlich hinaus wollte mit seinem doch sehr speziellen Zugang. Und auch wenn das Ende etwas plakativ erscheint, so bietet es genügend Inhalt, um einerseits länger nachzuhallen und andererseits auch Diskussionen zu entfachen. Vielleicht einer der schrägsten Filme des Jahres, und sicherlich nicht für jeden Geschmack gedacht. Vor allem Einhornfans sollten sich gut überlegen, ob sie sich auf diesen Film einlassen möchten. Lohnen würde es sich jedoch schon.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle Slash Festival)

Shin Ultraman (2022)

Regie: Shinji Higuchi
Original-Titel: Shin Ultraman
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Action, Science Fiction
IMDB-Link: Shin Ultraman


Ich muss zugeben, japanische Populärkultur ist für mich unbekanntes Terrain. Klar, Godzilla kenne ich, die Bücher von Haruki Murakami mag ich, und dass Anime ein großes Ding sind, weiß ich auch, aber damit erschöpft sich mein Wissen um diesen Aspekt des japanischen Lebens auch. So musste mir Olaf Möller, der eine kurze Einführung in „Shin Ultraman“ im nachmittäglich gut besuchten Filmcasino gab, unter anderem erklären, dass „shin“ auf Japanisch „neu“ bedeutet. Einen neuen Ultraman gab’s also zu sehen, und, damit solch kulturell verkommenen Taugenichtse wie ich auch der Geschichte folgen können, das quasi als neue Origin-Story. Ultraman ist ein japanisches Phänomen, ein Gigant aus dem All mit allerlei Superkräften, der auf die Erde kommt, um diese vor böswilligen Kaijū, riesigen Monstern, zu beschützen. Shinji Higuchi nimmt sich dieses Helden, den es schon seit den 60er Jahren in Japan gibt, an und stellt ihn nun einem internationalen Publikum vor. Die Geschichte ist sehr kurzweilig umgesetzt und auch die Special Effects können sich wirklich sehen lassen. Man muss sich, vor allem als jemand, der abseits diverser Festivalfilme noch wenig Kontakt mit der japanischen Filmlandschaft hatte, erst einmal hineinarbeiten in die doch sehr spezielle Art und Weise, wie der Film gemacht ist – in das Spiel der Darsteller:innen, das zwischen leeren Blicken und blitzartigen Gefühlsausbrüchen schwankt, in den teils recht abrupten Schnitt, in die Lichtgestaltung. Das geht doch ein wenig entgegen europäischer Sehgewohnheiten. Doch hat man sich erst einmal daran gewöhnt, ist „Shin Ultraman“ ein vielleicht etwas zu lang geratenes, aber durchaus spannendes Vergnügen. Für Japanophile wohl ein Muss, aber auch für ein breiteres Publikum geeignet.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)