2019

Noelle (2019)

Regie: Marc Lawrence
Original-Titel: Noelle
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Weihnachtsfilm, Komödie, Fantasy
IMDB-Link: Noelle


Ja, es ist halt die Saison dafür. Also lasst das Meckern, ich will jetzt hier ein bisschen Weihnachtsstimmung spüren! Und da sich das Amazon Prime, Netflix, Disney+, und wie sie alle heißen, auch denken und weil Weihnachten so ein einträgliches Geschäft ist, werden die Streamingdienste unserer Wahl in dieser Jahreszeit mit Weihnachtsfilmen überflutet – alten Klassikern, neuen Rom-Coms, die kein Mensch braucht, da muss man nichts beschönigen, und allem dazwischen. „Noelle“ aus dem Hause Disney von Marc Lawrence ist so ein „dazwischen“. Denn auch wenn die Geschichte auf ausgetretenen Pfaden verläuft, so bringt sie dennoch jede Menge gute Laune und Anna Kendricks unvergleichlichen Charme mit. Kendrick spielt hier Noelle Kringle, die Schwester des neuen Weihnachtsmanns, nachdem dieser nach langen Jahren das Zeitliche gesegnet und somit den Zuckerstab an seinen Sohn Nick weitergereicht hat. Das Problem dabei: Nick (Bill Hader) ist mit dem neuen Job offensichtlich überfordert, und Weihnachten ist in Gefahr. Den leichtfertig gegebenen Rat des Schwesterherzes, kurz vor dem Fest mal ein Wochenende blau zu machen, nimmt dieser dankend an, nur dass er den zeitlichen Horizont seiner Auszeit ein wenig anders deutet als Noelle und alle im Weihnachtsdorf. Und so muss Noelle zusammen mit ihrer Babysitter-Elfin Polly (Shirley MacLaine) ausrücken, um ihren Bruder rechtzeitig vor Heiligabend wieder einzusammeln und ihn an seine Pflichten zu erinnern. Wie gesagt, „Noelle“ erfindet das Rad nicht neu. Im Gegenteil: Wer sich von der einfach gestrickten Geschichte überraschen lässt, glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann. Und dennoch hat dieser Film vieles, was andere Weihnachtsfilme vermissen lassen: Nämlich einige wirklich gelungene Gags, ein bunt-fröhliches Treiben und viel Herz, ohne dass die Stimmung allzu sehr ins Rührselige umkippt. Einfach ein warmherziger und witziger Weihnachtsfilm und wohl genau das, was man in dieser Jahreszeit braucht.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.tobis.de)

Sound of Metal (2019)

Regie: Darius Marder
Original-Titel: Sound of Metal
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Sound of Metal


Ich habe ein Faible für Schlagzeuger, ich liebe Rockmusik. Ich liebe die mitreißende Energie eines guten Songs, drehe die Lautstärke dabei gerne einmal auf Anschlag. Wie grausam muss es sein, wenn man etwas, was man so liebt, plötzlich verliert? Der von Riz Ahmed genial verkörperte Musiker und Schlagzeuger Ruben erleidet eines Tages während einer Tournee mit seiner Freundin Lou (Olivia Cooke), zusammen sind sie die Hard Rock-Band Blackgammon, einen Hörsturz. Die Diagnose ist erschütternd: Nur noch etwa 20% Hörfähigkeit bleiben Ruben, und auch diese verschlechtern sich und reichen bei weitem nicht aus, die Geräusche des Alltags aufzunehmen oder sich an Gesprächen zu beteiligen. Ruben ist mehr oder weniger taub. Er wird in einer Gemeinschaft von Gehörlosen unter der Leitung von Joe (Paul Raci) aufgenommen, wo er lernen soll, mit seiner Situation umzugehen. Doch kann er sein altes Leben hinter sich lassen? „Sound of Metal“ ist ein überragendes Regiedebüt von Darius Marder und gleichzeitig eine gewaltige Schauspielleistung von Riz Ahmed und Paul Raci, beide völlig zu Recht mit Oscarnominierungen geehrt, im Falle von Raci sogar die erste, die jemals an einen gehörlosen Schauspieler ging. Die große Leistung, die alle drei vereint, ist eine völlige Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit bei Verzicht auf Sentimentalität. Niemand heischt hier um Mitleid, und gerade dadurch nimmt die Zuseher das Geschehen so mit, wird dieser Verlust einer ganzen Welt, eines ganzen Lebens so greifbar. Ohne allerdings das kongeniale Sounddesign, das verdientermaßen mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, würde dem Film eine wesentliche Komponente fehlen. Der Film schafft es allerdings mit seinem Sound, die Zuseher auf physisch mitzunehmen auf diese Reise in die Stille. Immer wieder werden die Szenen durch die Ohren von Ruben vermittelt, man fühlt seine Konfusion, sein Verlust von Verbindungen mit und bekommt dadurch ein Gespür vermittelt, wie wichtig dieser oft unterschätzte Sinn des Hörens für unser Leben ist. „Sound of Metal“ ist wahrlich kein Feelgood-Movie, aber ein in allen Belangen exzellenter, hochseriöser Film, der sich seinen Platz in der Filmgeschichte sichern wird.


8,5 Kürbisse

(Bildzitat: © Courtesy of TIFF, Quelle http://www.imdb.com)

Le Mans 66 – Gegen jede Chance (2019)

Regie: James Mangold
Original-Titel: Ford v Ferrari
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Sportfilm, Biopic, Action, Drama
IMDB-Link: Ford v Ferrari


Im Kino damals verpasst, nun im Patschenkino nachgeholt und tatsächlich ein wenig bedauert, den damals nicht auf der großen Leinwand gesehen zu haben: „Le Mans 66 – Gegen jede Regel“ (im Original: „Ford v Ferrari“) von James Mangold darf sich wohl als einer der besten Rennsportfilme aller Zeiten bezeichnen. Nie zuvor habe ich in einem Film dermaßen nachempfinden können, was es heißt, solche schnellen Autos bis ans ihr Limit und darüber zu pushen, nicht einmal im von mir hochgeschätzten „Rush“. Der Oscar für den besten Schnitt ist hochverdient! Wenn man den Film allerdings auf diese technischen Aspekte und auf die Adrenalin getränkte Darstellung des Motorsports reduziert, tut man ihm Unrecht. Den zunächst ist „Ford v Ferrari“ eine Außenseitergeschichte. Der Titel impliziert dies bereits, doch es wäre falsch, sich hier auf den ersten Eindruck zu verlassen und darauf zurückzuziehen. Die Ford Motor Company war und ist beileibe kein Außenseiter, auch wenn ihr bis Anfang der 60er Jahre nicht eingefallen ist, in der höchsten Motorsportklasse gegen renommierte Rennsportautoerzeuger wie Ferrari oder Porsche anzutreten. Aber was tut man nicht alles, wenn die Verkaufszahlen sinken? Auftritt Carroll Shelby (Matt Damon), ehemaliger Rennfahrer und Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, der nun Autos verkauft und seine eigenen Rennwägen bastelt. Der soll Ford ein Auto hinstellen, das den als unbesiegbar geltenden Ferraris in Le Mans davonfährt. Doch dazu braucht es nicht nur ein schnelles Auto, sondern auch einen schnellen Fahrer, und der impulsive, nonkonforme Kriegsveteran Ken Miles (Christian Bale) ist ein solcher. Gemeinsam bilden die beiden das ungewöhnliche Dreamteam, das den Giganten der Familienschaukelerzeugung zu Lorbeer führen soll. Und das ist nun die eigentliche Außenseitergeschichte, denn weder Shelby noch Miles passen zu dem strikt hierarchisch geführten Konzern. Der größte Gegner ist nicht Ferrari auf der Strecke. Wie in vielen Biopics nimmt sich das Drehbuch künstlerische Freiheiten, um die Dramatik zu erhöhen, doch verwässern diese Freiheiten im Fall von „Ford v Ferrari“ nicht die Geschichte. Der Fokus bleibt immer auf diesen beiden Motorsportfanatikern und ihrem Kampf um Erfolg – nicht um des Erfolgs willen, sondern weil sie ganz einfach nicht anders können, als ständig aufs Gaspedal zu drücken, mit allen entsprechenden (auch negativen) Folgen. So gesehen ist „Ford v Ferrari“ ein Film über unbeugsamen Willen und die Opfer, die damit einhergehen, und somit überraschend tiefgängig.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Merrick Morton – © 20th Century Fox, Quelle http://www.imdb.com)

Bombshell – Das Ende des Schweigens (2019)

Regie: Jay Roach
Original-Titel: Bombshell
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: Bombshell


Der wohl denkwürdigste Spruch in Jay Roachs „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ lautet sinngemäß: „Es ist eine Fox-Nachricht, wenn es entweder deine Großmutter verängstigt oder bei deinem Großvater Ärger erregt“. Fox-News ist so etwas wie die amerikanische Bild-Zeitung im Fernsehen, nur konservativer. Dass sich der einflussreiche und cholerische CEO Roger Ailes (John Lithgow) gerne mal an hübschen Moderatorinnen vergreift als Gegenleistung für deren berufliches Fortkommen, kann man also getrost als perfekte Schlagzeile für Fox-News betrachten. Nur, dass die Frauen intern die Mauer machen – zu groß ist die Angst vor dem weitreichenden Einfluss des Ekels. Auch Megyn Reilly (eine dank Oscar-gekrönter Maske fast unkenntliche Charlize Theron), Aushängeschild des erzkonservativen Senders, möchte zunächst ihrer gefeuerten Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) nicht beispringen. Attacken seitens des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, der sich von Reillys kritischen Fragen zu seinem sexistischen Verhalten angegriffen fühlt, sind ihr erst einmal genug Action im Job, zumal plötzlich auch windige Fotografen auf ihrer Veranda stehen und versuchen, ihr Privatleben in die Öffentlichkeit zu zerren. Doch steter Tropfen höhlt den Stein, und allmählich wagen sich auch andere belästigte Frauen nach vorne. Das Imperium von Roger Ailes scheint angreifbar zu werden. „Bombshell“ ist ein weiterer Film, der die MeToo-Bewegung thematisiert und aufzeigt, wie oft Grenzen überschritten werden und wie das System die Grenzüberschreiter deckt. Das Thema allein muss man dem Film schon mal hoch anrechnen. Und auch schauspielerisch wird der Film von absoluten Größen der Branche getragen. Selbst Nebenrollen sind mit Kapazundern wie Margot Robbie, Malcolm McDowell, Allison Janney oder Richard Kind besetzt. Allerdings hat der Film ein Problem mit dem Pacing. Die Geschichte wird recht wirr erzählt, Zusammenhänge muss sich der Zuseher selbst erarbeiten, und es gibt wenige entscheidende Momente, die den Plot wirklich voranbringen. Vielmehr tröpfelt dieser vor sich hin, passend wiederum zu den realen Ereignissen, die auch nur langsam in Fahrt gekommen sind. Eine straffere Inszenierung hätte dem Film aber insgesamt gutgetan.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Hustlers (2019)

Regie: Lorene Scafaria
Original-Titel: Hustlers
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Krimi, Komödie
IMDB-Link: Hustlers


Dass es bei Jenny on the Block mal zu einer Oscarnominierung reicht, hätte sich vor zehn Jahren wohl auch niemand gedacht. Doch für ihre Leistung in dem 2019 erschienenen Film „Hustlers“ von Lorene Scafaria ist genau das eingetreten – und man muss sagen: nicht unverdient, denn ihre Leistung als Stripperin Ramona, die kreative Wege findet, ihre Kunden noch etwas mehr abzuzocken, steht einsam wie Kubricks Monolith in ihrer filmischen Karriere. Besser war sie nie, und besser wird sie auch kaum mehr sein. Manche Menschen sind für manche Rollen wie geboren – siehe Mickey Rourke in „The Wrestler“ und nun eben Jennifer Lopez in „Hustlers“. Die Hauptrolle gehört aber Constance Wu als aufstrebende Stripperin Dorothy, die sich mit der besagten Ramona auf ein Packerl haut. Man merkt Hustlers wohltuend an, dass der Film von einer Frau geschrieben und inszeniert wurde. Wer auf reine Fleischbeschau aus ist, möge zu einem anderen Film greifen. Klar, milieubedingt gibt es auch die eine oder andere nackte Tatsache zu sehen, doch der „Male Gaze“ bleibt aus. Stattdessen konzentriert sich Scafaria auf die Krimigeschichte, die langsam entfaltet. Bis dahin hat der Film tatsächlich einige Längen und wirkt irgendwie unentschlossen, aber wenn dann die Hauptstory Fahrt aufnimmt, wird auch die Inszenierung frecher und frischer. Ob es den Rahmen mit der Journalistin Elizabeth (Julia Stiles), die über den Fall berichten möchte, gebraucht hätte, sei dahingestellt – er stört jedenfalls nicht, ohne wirklich Mehrwert beizutragen. Aber gut, es bleibt dennoch das Fazit, dass „Hustlers“ nach leichten Startschwierigkeiten zu einem gelungenen Schelmenstück wird mit einer wirklich großartigen Jennifer Lopez. Man kann sich den gut und gerne mal ansehen. Wo? Auf Netflix, wo er dieser Tage angelaufen ist.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Courtesy of STXfilms – © Motion Picture Artwork © 2019 STX Financing, LLC., Quelle http://www.imdb.com)

Midsommar (2019)

Regie: Ari Aster
Original-Titel: Midsommar
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Horror, Thriller, Drama
IMDB-Link: Midsommar


Der legendäre Hans Huber wusste es schon lange, nachzusehen auf Youtube: „Die Schweeeeeeden sind ein ganz harter Brocken.“ Und so ist trotz schönstem Wetter und langer Tage während des Midsommar-Fests in einer entlegenen schwedischen Kommune bei weitem nicht alles eitel Sonnenschein, wie Dani (Florence Pugh), die sich kurzerhand ihren Freunden bei diesem ethnologisch interessanten Trip angeschlossen hat, im Verlauf von Ari Asters Horrordrama feststellen muss. Dabei hätte Dani ein bisschen Ruhe und Abstand gebraucht, nachdem sich ihre depressive Schwester umgebracht hat und dabei auch noch gleich ihre Eltern mitgerissen hat. Freund Christian (Jack Reynor, das Ergebnis einer wilden Party der Gene von Chris Pratt und Chris Hemsworth) ist keine große Unterstützung. Immerhin bietet sich hier in der Kommune seines schwedischen Kumpels Pelle (Vilhelm Blomgren) die Möglichkeit einer interessanten Abschlussarbeit in Anthropologie. Doch Vorsicht, hätten sie bloß Herbert Prohaska dabei gehabt: Seine Warnung „Da san a poa Hurnkinda dabei“ wäre wohl nicht ungehört verhallt. Aber gut, der Mensch lernt durch Erfahrungen. Das einzige Problem: Diese Erfahrungen müssen erst mal überlebt werden, damit man von ihnen lernen kann. Ari Aster hat ein richtig stimmungsvolles und gleichzeitig abgründiges Horrordrama vorgelegt, das eingefleischte Horroraficionados ob des Mangels an Schreckmomenten wohl eher enttäuschen wird. Vielmehr schleicht sich das Grauen auf leisen Füßen ein. Es ist genau dieser Kontrast zwischen den in der Mittagssonne grell ausgeleuchteten Szenen und der rätselhaften Handlung, die die Stimmung immer bedrückender macht. „Midsommar“ ist kein Horrorfilm im klassischen Sinne, eher ein langsamer, aber unentrinnbarer Strudel ins Herz des Mystischen und der Folklore. In Schweden wird der Film angeblich als schwarze Komödie gefeiert. So kann man es auch sehen. Jedenfalls ist „Midsommar“ ein starker Film, der sich alle Zeit nimmt, die er für seine Geschichte braucht, doch die Zeit ist gut investiert, denn viele Bilder und Szenen lassen einen lange nicht mehr los.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Photo by Gabor Kotschy – © A24, Quelle http://www.imdb.com)

Klaus (2019)

Regie: Sergio Pablos
Original-Titel: Klaus
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Animation, Weihnachtsfilm
IMDB-Link: Klaus


„Klaus“ ist die Geschichte, wie ein einfacher Mann auf einer abgelegenen Insel seine magischen Kräfte entdeckt, sich in ein rotes Kostüm schmeißt, fliegen lernt und fortan seine Dienste im Sinne des Wohles der Menschheit einsetzt. „Klaus“ ist eine Superhelden-Origins-Story. Und: „Klaus“ ist vielleicht der beste Weihnachtfilm seit Jahren. Dabei beginnt der Film gar nicht mal so weihnachtlich, nämlich mit dem verwöhnten Bengel Jesper, der dank des Reichtums seines Vaters, eines Postmagnaten, nur auf der faulen Haut liegen kann, während sich um ihn herum die Postbediensteten den Arsch abrackern. Sein Vater gibt ihm eine letzte Chance, sich zu beweisen: Jesper soll auf der entlegenen Insel Smeerensburg eine Postfiliale aufbauen und 6.000 Briefe innerhalb eines Jahres zustellen. Gelingt ihm das nicht, droht die Enterbung. Also macht sich Jesper widerwillig auf den Weg, nur um festzustellen, dass Smeerensburg der unfreundlichste Ort der Welt ist. Zwietracht herrscht zwischen den beiden wichtigsten Familien des Dorfes und ihrer Angehöriger. Kein Wunder, dass sich niemand hier Briefe schreibt. Als Jesper eher zufällig auf den Einsiedler Klaus und seine Sammlung an selbst gefertigtem Spielzeug stößt, entsteht ein verwegener Plan, der ihm helfen soll, von diesem verdammten Eiland wegzukommen. Was soll ich sagen? „Klaus“ macht einfach in allen Belangen alles richtig. Der Film hat das Herz am rechten Fleck, ohne zu sehr in Richtung Kitsch abzudriften, die Animationen sind simpel und traditionell, aber in einem sehr markanten Stil mit Wiedererkennungswert gehalten, und der Story gelingt es tatsächlich, dem altbekannten Santa Claus-Thema neue Facetten abzugewinnen. Der Film ist da ernst, wo er ernst sein muss, und da komisch, wo es auch mal lustiger zugehen soll. Keine der Hauptfiguren wirkt eindimensional, alle haben ihre Probleme, ihre Schwächen, aber auch die Stärke, sich diesen zu stellen. Ein überaus erwachsener Animationsfilm, der trotzdem kindliche Freude bereitet. Ein Film, der das Zeug zum absoluten Weihnachtsklassiker hat.


8,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Official Secrets (2019)

Regie: Gavin Hood
Original-Titel: Official Secrets
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Thriller, Krimi, Biopic
IMDB-Link: Official Secrets


Spionagethriller, vor allem, wenn sie auf wahren Begebenheiten beruhen, können eine zähe Angelegenheit sein. Da werden irgendwelche Geheimdokumente, deren Inhalt ohnehin kaum jemand versteht, auf USB-Sticks gespeichert und durch die Weltgeschichte geschickt, man flüstert sich in dunklen Ecken Geheimnisse zu, aber ehrlich: Wer kapiert die schon, wenn man nicht zufälligerweise selbst für einen Geheimdienst arbeitet? Gavin Hoods „Official Secrets“ mit Keira Knightley in der Rolle der realen britischen Whistleblowerin Katherine Gun geht mit der Materie überraschend eingängig um. So komplex der Sachverhalt auch ist, er wird dem Zuseher durchaus nachvollziehbar präsentiert, ohne aber allzu sehr simplifiziert werden so müssen (so jedenfalls mein Eindruck). Unterm Strich ist es eine einfache Geschichte: Haben Großbritannien und die USA die Invasion des Irak 2003 unter Zuhilfenahme illegaler Methoden gegen UNO-Staaten durchgepeitscht, um ihre eigenen Interessen zu wahren? Das Memo, das Katherine Gun der Zeitung The Observer zuspielt, lässt ebendies jedenfalls annehmen. Natürlich möchte man in einem solchen Fall, wenn man es sich mit gleich zwei Weltmächten auf einmal verscherzt, lieber anonym bleiben, aber weil Katherine Gun halt keine Jane Bond ist, sondern nur eine einfache Geheimdienstmitarbeiterin, die noch dazu recht frisch dabei ist, fliegt sie bald auf. Natürlich sind George W. Bush und Tony Blair keine Blofelds, also wird Katherine Gun nicht an einen Stuhl gefesselt, der langsam in ein Haifischbecken abgesenkt wird, während Bush und Blair fies grinsend die letzten Details ihres perfiden Plans verraten, aber auch der Rechtsstaat findet unangenehme Druckmittel, um ein bürgerliches Leben ungemütlich zu gestalten. Da hilft dann nur Rechtsbeistand in Form von Ralph Fiennes. „Official Secrets“ ist ein angenehm gedrosselter, auf das Wesentliche reduzierter Spionagethriller mit echten Figuren und echten Problemen. Er geht nicht tief genug, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben, aber für die Dauer der Sichtung unterhält er spannend und ist handwerklich gut erzählt. Wie wir Österreicher sagen: Passt schon.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Marie Curie – Elemente des Lebens (2019)

Regie: Marjane Satrapi
Original-Titel: Radioactive
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Biopic, Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Radioactive


Biopics gehen immer. Man kennt die Namen, vielleicht die grundlegenden Errungenschaften der Person, aber in der Regel nicht den Hintergrund, nicht die private Seite, nicht die Niederlagen und Tiefschläge, die diese Person auf dem Weg zum ewigen Ruhm einstecken musste. Gleichzeitig sind Biopics oft sehr formelhaft angelegt. Junge Jahre, erste Erfolge, gröbere Misserfolge und dann schließlich der Durchbruch, der Sieg, die Anerkennung – das Ganze vielleicht vom Ausgangspunkt des Lebensendes aus erzählt als Reflexion über das gelebte Leben. „Radioactive“, so der eingängigere Originaltitel, von Marjane Satrapi (ein Film, der übrigens auf einer Graphic Novel beruht) ist diesbezüglich keine Ausnahme. Die Formelhaftigkeit des Films über die bedeutende Wissenschaftlerin Marie Curie, die zusammen mit ihrem Mann Pierre unter Anderem die Radioaktivität entdeckte, kann man diesem durchaus anlasten. Gleichzeitig kann Marjane Satrapi auf die Fähigkeiten ihrer beiden Hauptdarsteller vertrauen. Rosamund Pike und Sam Riley spielen das Ehepaar Curie mit Verve und vielschichtig angelegt. Auch zündet (bei mir zumindest) der Regieeinfall, die Konsequenzen der Forschung der Curies, die Errungenschaften, die daraus entstanden sind, in einer Art Vorblende in den Film einzubauen. So verweist das Biopic über das Leben der Hauptfigur hinaus – etwas, was die Formelhaftigkeit des Films dann auch wieder ein wenig durchbricht. Das muss man nicht mögen, und ich kann jegliche Kritik daran nachvollziehen. Aber für mich hat diese Idee gut gepasst und (neben den Leistungen von Pike und Riley) dabei geholfen, den Film über den üblichen Durchschnitt hinwegzuheben. Und liebe Schüler der Zukunft, die diesen Film mit Sicherheit im Unterricht sehen müsst: Ja, der Film ist lang und ja, es gibt hier herzlich wenige Explosionen und blutige Aliens zu sehen, aber das ist doch immer noch besser, als Formeln von der Tafel abzuschreiben, oder?


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

The Assistant (2019)

Regie: Kitty Green
Original-Titel: The Assistant
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama
IMDB-Link: The Assistant


Gleich mal vorweg: Der Trailer zu Kitty Greens „The Assistant“ kann durchaus in die Irre führen. Was sich beim schnellen Zusammenschnitt anfühlt wie ein spannender Bürothriller rund um dunkle Machenschaften ist – beim genauen Hinsehen – eben genau das. Nur ganz anders als erwartet. Nämlich sehr subtil gestrickt und mit Schweinereien, die weniger mit Bankkonten und sinisteren Geschäften gemein haben, sondern mit Ausbeutung und Sexismus. Julia Garner spielt Jane, die Assistentin eines einflussreichen Filmmoguls. Dieser wird den ganzen Film über nicht gezeigt und auch nicht namentlich erwähnt, aber man braucht nicht viel Fantasie, um hier einen realen Namen einsetzen zu können. Dieser Filmmogul ist schwer beschäftigt, lässt die Angestellten nach seiner erratischen Pfeife tanzen, und am Abend, wenn die Lichter ausgehen, bleibt er gerne noch etwas länger im Büro – vorwiegend in Gesellschaft junger, hübscher, hoffnungsvoller Schauspielerinnen. Die eigentliche Schweinerei aber ist, dass Jane, seit zwei Monaten in dieser Stelle tätig, bei ihren Versuchen, die Machenschaften des Chefs aufzuzeigen, auf eine Wand des Schweigens und Vertuschens stößt. Jeder weiß, was los ist, keiner sagt etwas. Zu mächtig sind die Mächtigen, zu schmächtig die Untergebenen. Genau auf dieses strukturelle Problem hat es Kitty Green mit ihrem Film abgesehen. Wer sich einen schnellen, spannungsgeladenen Thriller erwartet, ist hier falsch, aber als hintersinniges Drama über die moralischen Zustände unter den oberen Zehntausend ist der Film absolut gelungen, gerade durch seinen bitteren Realismus und seiner Weigerung, die Handlung hollywoodmäßig dramatisch zuzuspitzen.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm Verleih)