1001 Filme

Little Women (2019)

Regie: Greta Gerwig
Original-Titel: Little Women
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Historienfilm, Drama
IMDB-Link: Little Women


Gretas sind schon gut. Die eine macht auf gravierende Umwelt- und Klimaprobleme aufmerksam, die andere dreht saugute Filme, wie man seit Lady Bird weiß. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Greta Gerwig Kathryn Bigelow als Oscar-Preisträgerin für die beste Regie Gesellschaft leisten wird. So einsam ist es ja auch fad. Was wiederum gleich mal eine gute Überleitung ist zu ihrem neuesten Film „Little Women“, am vergangenen Sonntag ausgezeichnet mit einem Oscar für die besten Kostüme. Von den vier Schwestern der Familie March ist Jo (Saoirse Ronan) die einzige, die nicht traditionellen Gepflogenheiten folgt. Sie lehnt die Ehe ab und möchte sich lieber als Schriftstellerin auf eigene Beine stellen. Ihre Schwestern, allen voran Meg (Emma Watson), die älteste, sind da eher konventioneller unterwegs. Im Laufe der Jahre zerreißt es die vier Geschwister ein wenig. Während Meg ihren mittellosen Traummann heiratet, geht Jo nach New York, um zu schreiben, Amy (Florence Pugh) verschlägt es mit der reichen Tante (Meryl Streep) nach Paris, und nur Beth (Eliza Scanlen) bleibt zuhause bei der Mutter (Laura Dern), die aufgrund des Bürgerkriegs, in den der Familienvater (Bob Odenkirk) gezogen ist, ihre vier Mädels allein großziehen musste. Zwischendurch schwänzelt auch Timothée Chalamet durchs Bild. Klingt soweit recht gewöhnlich. Jetzt kommt aber Greta Gerwig ins Spiel, die der altbackenen literarischen Vorlage einen erfrischenden Anstrich verpasst und eine Meta-Ebene einzieht, auf der sich herrlich die Rolle der Frau und der männliche Blick darauf verhandeln lässt. Und so wird aus einem Kostümfilm ein zeitgemäßer Beitrag zu Sexismus und mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen. Passend dazu kann man aktuell in den Medien nachlesen, was der ansonsten so beliebte Papst zum Zölibat und zur Rolle der Frauen zu sagen hat. Ich sag’s mal so: Das 12. Jahrhundert hat angerufen, es möchte bitte sein Frauenbild wieder zurückhaben.


7,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Wilson Webb – © 2019 CTMG, Inc., Quelle: imdb.com)

Gladiator (2000)

Regie: Ridley Scott
Original-Titel: Gladiator
Erscheinungsjahr: 2000
Genre: Historienfilm, Abenteuerfilm
IMDB-Link: Gladiator


Schlanke 20 Jahre ist es her, dass Ridley Scott mit „Gladiator“ den guten alten Sandalenfilm aus der Mottenkiste herausgeholte und Russell Crowe als Tribun Maximus Decimus aufstieg. Und siehe da: Für ein gutes Geschnetzeltes ist das Filmpublikum in jeder Dekade zu haben. Die Story sollte hinlänglich bekannt sein, aber für alle, die die letzten zwei Jahrzehnte im Tiefkühlfach gelegen sind, hier eine kurze Zusammenfassung: Gefeierter Tribun wird Kaiser-Emporkömmling zu mächtig, also lässt er den kurzerhand verschwinden und dessen Familie feig meucheln. Doch der Tribun, der als Sklave in einer Gladiatorenschule unterkommt, zieht als Gladiator wie ein Bumerang wieder zurück nach Rom und verdrischt dem Kaiser-Emporkömmling fest den Arsch. Das Ende ist eine glückliche Familienvereinigung unter dem Jubel von Tausenden. Was „Gladiator“ so herausragend macht, ist also weniger die Story, die recht uninspiriert auf dem Reißbrett entworfen worden scheint, als vielmehr die Umsetzung. Während das Kino der 90er gerne mal ein bisschen verkopft, vertrackt und desillusioniert war, setzte Ridley Scott mit seinem 2,5 Stunden langen Film einen epischen Kontrapunkt: Kino, größer als das Leben selbst, ein Schinken in der Tradition von „Ben Hur“, „Spartacus“, Cleopatra und all die anderen Monumentalschinken der goldenen Ära von Hollywood. So ein Unterfangen ist wie ein All-In beim Poker: Entweder gewinnst du damit den Schaß, oder das Publikum rümpft angesichts der Rückwärtsgewandtheit die Nase, und du bist weg vom Tisch. Ridley Scott und sein Team haben aber alles richtig gemacht. Und „Gladiator“ ist heute zurecht ein moderner Klassiker, der aus der Filmgeschichte nicht mehr wegzudenken ist. Große Gefühle, große Schlachten, große Gesten, und ein Ende, bei dem ich selbst nach der zehnten Sichtung immer noch schlucken muss. Vielleicht einer der besten Filme aller Zeiten.


9,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: © 2000 – Dreamworks LLC & Universal Pictures, Quelle imdb.com)

Ich glaub‘, ich steh‘ im Wald (1982)

Regie: Amy Heckerling
Original-Titel: Fast Times at Ridgemont High
Erscheinungsjahr: 1982
Genre: Komödie
IMDB-Link: Fast Times at Ridgemont High


Zugegeben, wenn ein Film „Ich glaub‘, ich steh‘ im Wald“ heißt, vermutet man nicht erst mal besondere Qualität dahinter. Da ist der Originaltitel „Fast Times at Ridgemont High“ schon mal unverfänglicher. Dennoch ist Amy Heckerlings Teenie-Komödie aus dem Jahr 1982 einer der 1001 Filme, die man laut Steven Jay Schneider gesehen haben sollte, bevor das Leben vorbei ist. Und auch wenn man dem Film sein Alter mittlerweile überdeutlich ansieht, so hat die Aufnahme in diesen illustren Kreis durchaus ihre Berechtigung, ist Amy Hecklerings Regie-Debüt nach einem Drehbuch von Cameron Crowe (der später mit Almost Famous einen meiner Allzeit-Lieblingsfilme gedreht hat) quasi die Mutter aller Highschool-Komödie und damit die Vorlage für Filme wie „American Pie“. Es geht natürlich immer nur um das Eine: Sex. Es ist aber Crowes witzigem Drehbuch und Heckerlings einfühlsamer Regie zu verdanken, dass der Klamauk trotz des Themas nie zu Lasten der Hauptprotagonisten unter die Gürtellinie geht. Ja, die Teenies sind allesamt hormongesteuert, verantwortungslos, manchmal peinlich bis dämlich, aber sie haben ein gutes Herz, wollen nichts Böses und schaffen es auch (zum größten Teil), sich ihren Konflikten zu stellen und daran zu wachsen. In den Rollen der liebestrunkenen Halberwachsenen einige spätere Weltstars: Jennifer Jason Leigh in der Hauptrolle der Stacy. Sean Penn als verpeilter Kiffer Jeff Spicoli. Judge Reinhold als erfolgshungriger Brad. Dazu Brian Backer als Sympathieträger der Geschichte und Robert Romanus als sein Kumpel Mike. Außerdem hüpfen die blutjungen Forest Whitacker, Eric Stoltz und Nicolas Cage durch den Film – in teils so kleinen Rollen, dass man ihr Mitwirken erst mit dem Abspann bemerkt.


6,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: (c) 1982 Universal Studios, Quelle imdb.com)

Frühstück bei Tiffany (1961)

Regie: Blake Edwards
Original-Titel: Breakfast at Tiffany’s
Erscheinungsjahr: 1961
Genre: Drama, Komödie, Liebesfilm
IMDB-Link: Breakfast at Tiffany’s


„Breakfast at Tiffany’s“ von Blake Edwards nach einem Roman von Truman Capote ist die herzzerreißende Geschichte eines hübschen Katers (Orangey), der nach wilden Party-Exzessen von seinem Lebensmenschen bei strömendem Regen in der Gosse ausgesetzt wird. Kein Wunder, dass dieser Film auch heute noch als Klassiker gilt. Für Katzenfreunde ist diese tragische Geschichte schwer zu packen, aber – Spoiler! – anders als in Truman Capotes Buch gibt es im Film dann doch ein Happy End. Der Kater wird doch noch gefunden, erhält viel Liebe und schaut grimmig, aber doch mit Hoffnung in den Augen in die Zukunft. Das ist aber auch gleichzeitig der größte Kritikpunkt am Film. Auch Capote selbst war nicht einverstanden mit der Art und Weise, wie sein Stoff massentauglich bearbeitet wurde. Für den Kinozuseher der 60er-Jahre war aber eine größere Tragik, wie sie im Roman vorgesehen war, scheinbar nicht zumutbar. Trotzdem funktioniert der Film auch heute noch, was nicht zuletzt an der Besetzung liegt. Orangey spielt grandios und erhielt völlig zurecht für seine Rolle seinen insgesamt zweiten PATSY Award. Auch in den noch so kleinsten Nebenrollen findet sich Prominenz: George Peppard als mittelloser Schriftsteller Paul Varjak. Die damals gar nicht so unbekannte Audrey Hepburn als Partygirl Holly Golightly. Patricia Neal als Geliebte von Paul Varjak. Sie alle spielen dem Kater mit Leib und Seele zu, der so unterstützt sein ganzes Talent zur Entfaltung bringen kann. Allein über Mickey Rooney als Mr. Yunioshi müssen wir reden. Seine Darstellung ist grauenhaft und versaut fast den ganzen Film. Lieber also auf den Kater konzentrieren. Dann passt alles.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: (c) Paramount 1961, Quelle imdb.com)

Parasite (2019)

Regie: Bong Joon-ho
Original-Titel: Gisaengchung
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Komödie, Thriller
IMDB-Link: Gisaengchung


Der erste südkoreanische Film, der in Cannes die Goldene Palme für den besten Film gewinnen konnte. Begeisterte Kritiken. Golden Globe-Nominierungen. „Parasite“ von Bong Joon-ho, der schon mit früheren Werken wie „Snowpiercer“ und „Okja“ für Furore gesorgt hat, ist ein Film, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Gekonnt setzt sich Bong Joon-ho zwischen alle Stühle. Ohne zu viel von der Handlung verraten zu wollen, geht es um eine Familie (Vater, Mutter, Sohn, Tochter, beide schon erwachsen) in ärmlichen Verhältnissen, deren Schicksal sich zu wenden beginnt, als der Sohn eine Stelle als Nachhilfelehrer für ein Mädchen aus einer reichen Familie findet. Beziehungsweise fällt ihm diese Stelle eher in den Schoß. Aber schon bald zeigt sich, dass Chuzpe, ein bisschen Frechheit und Mut die eigenen Karten, die man vom Leben zugeteilt bekommen hat, deutlich verbessern können. Doch dann wendet sich das Blatt erneut – auf eine völlig überraschende Weise, die man so nicht kommen sieht. Bong Joon-ho gelingt mit dem Film Erstaunliches: Er schafft beinahe mühelos den Spagat zwischen Komödie, Sozialdrama und Thriller, ohne dass einer der Aspekte zu kurz kommt oder sich fehl am Platz anfühlt. „Parasite“ ist das pure Leben selbst: Mal witzig, mal tragisch, mal aufregend und immer voller Überraschungen. „Mein Plan ist der Nicht-Plan. Denn das ist der einzige Plan, der immer funktioniert. Bei allen anderen Plänen, die man macht, passieren dann doch unvorhergesehene Dinge, die den Plan vereiteln. Nur wenn man keinen Plan hat, kann man auch nicht überrascht werden“. So sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert eine der Schlüsselstellen des Films. Hier zeigt sich der Fatalismus, der einen befallen kann, wenn man nicht zu den wenigen Privilegierten gehört. Gleichzeitig liegt darin auch die ganze Komik des Films. „Parasite“ ist unterhaltsam, konsequent, voller schwarzem Humor und klug geschrieben. Zurecht einer der am meisten gefeierten Filme des Jahres 2019.


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen Filmverleih)

The Purple Rose of Cairo (1985)

Regie: Woody Allen
Original-Titel: The Purple Rose of Cairo
Erscheinungsjahr: 1985
Genre: Komödie, Fantasy, Liebesfilm
IMDB-Link: The Purple Rose of Cairo


Wenn das Leben nicht so glatt läuft, flüchtet man gerne in die Welt der Filme und des Kinos. Aber was, wenn das Kino in die Realität flüchtet? Was John McTiernan in Last Action Hero als Actionkino genussvoll zelebriert hat, lotete Woody Allen auf seine unnachahmlich spleenige Weise schon acht Jahre zuvor in „The Purple Rose of Cairo“ aus. Hier flüchtet zunächst die ungeliebte Ehefrau und Kellnerin Cecilia (Mia Farrow) ins Kino, ehe die Nebenfigur, der Abenteurer Tom Baxter (ein junger Jeff Daniels), genug davon hat, immer die gleichen Zeilen aufzusagen und sich einfach von der Leinwand davonstiehlt ins reale Leben – sehr zur Überraschung seiner Mitfiguren (u.a. Edward Herrmann), die ohne ihn nicht weiterkommen im Plot. Und während Kinobesucher wie Leinwandfiguren fadisiert darauf warten, wie es nun endlich weitergeht, fangen Tom Baxter und Cecilia eine zarte und filmreife Romanze an. Blöd nur, dass das weder im Sinne der Studiobosse ist, die unrühmliche Klagen befürchten, noch in jenem von Tom Baxter-Darsteller Gil Shepherd (natürlich ebenfalls Jeff Daniels). Im darauf folgenden Tohuwabohu verschwimmen Fiktion und Realität – ein Thema, das Woody Allen immer wieder in seinen Filmen beschäftigt. „The Purple Rose of Cairo“ gehört definitiv zu den gelungenen Woody Allen-Filmen und macht trotz der tragischen Situation der Hauptfigur unheimlich viel Spaß. Zwar sieht man dem Film sein Alter mittlerweile an, aber ein guter Plot ist ein guter Plot, daran ist nicht zu rütteln. Und auch wenn der Film – wie für Woody Allen – von einer entspannten Leichtigkeit getragen wird, so geht er nie den einfachsten Weg, sondern hat immer auch ein Auge auf die Nöte der Realität, deren Wege in der Regel leider anders verlaufen als im Film.


7,5
von 10 Kürbissen

(Filmzitat: Quelle imdb.com)

Porträt einer jungen Frau in Flammen (2019)

Regie: Céline Sciamma
Original-Titel: Portrait de la jeune fille en feu
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Portrait de la jeune fille en feu


An Adèle Haenel kommt man derzeit nicht vorbei. Und das mit gutem Grund. Denn die Französin ist eine der talentiertesten und interessantesten Schauspielerinnen Europas. In Céline Sciammas (und der Preis für den besten Filmtitel 2019 geht *trommelwirbel* an …) „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ spielt sie die junge Gräfin Héloïse, die Ende des 18. Jahrhunderts von ihrer Mutter (Valeria Golino) nach dem Freitod ihrer Schwester aus dem Kloster zurückgeordert wird, um sich mit einem reichen Mailänder zu vermählen. Bevor der die junge Frau aber ehelicht, möchte er aber ein Bild von ihr sehen (es wäre ja nicht so blöd, zu wissen, wen man heiratet). Zu diesem Zweck schleust die listige Gräfinmutter die Malerin Marianne (Noémi Merlant) in das Landhaus ein – als Gesellschafterin für ihre Tochter. Nur dass Marianne heimlich Héloïses Porträt anfertigen soll. Langsam kommen sich die beiden jungen Frauen, die beide von den Konventionen ihrer Zeit unterdrückt werden, näher. Und aus neugieriger Zuneigung wird langsam mehr. Céline Sciammas Film ist ein Fest für die Sinne. Einer der schönsten Filme des Jahres – jede Kameraeinstellung ist ein Meisterwerk für sich, die Farben, das Spiel mit Licht und Schatten, das weiche Licht, die sorgsam ausgewählte Ausstattung, die sowohl Schönheit als auch Härte der Zeit, in der der Film spielt, zum Ausdruck bringt, alle Rädchen greifen auf wundersame Weise ineinander. Das alles hätte aber nichts gebracht, wenn die beiden Hauptdarstellerinnen nicht miteinander funktioniert hätten. Aber da sind wir wieder beim einleitenden Satz meiner Rezension. Auf Adèle Haenel ist eben Verlass. Und Noémi Merlant muss man sich wohl auch merken. Denn deren Schauspielkunst steht jener von Haenel in keinem Moment nach. Es ist wunderbar, den (mit Ausnahme von zwei Minirollen) ausschließlich weiblichem Cast (zu den beiden Hauptdarstellerinnen und Valeria Golino kommt noch Luàna Bajrami als Hausmädchen Sophie) dabei zuzusehen, wie die Figuren langsam Vertrauen zueinander aufbauen und dann das Begehren kommt. Unbedingt empfehlenswert!


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen Filmverleih)

Booksmart (2019)

Regie: Olivia Wilde
Original-Titel: Booksmart
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Komödie
IMDB-Link: Booksmart


Zwei Streberinnen beschließen am Abend vor dem Abschluss, Versäumtes nachzuholen und noch auf eine fette Party zu gehen, um die Sau rauszulassen. Gähn. Willkommen in der Welt der Highschool-/College-Komödien. Plumper Partyhumor, Exzesse, ein bisserl Läuterung am Ende – eh schon wissen. Doch hoppla – irgendwas läuft hier anders als sonst. Die Story selbst nicht, denn die wird routiniert und vorhersehbar streng nach Klischee abgespult. Aber was Olivia Wilde mit ihrem Regiedebüt anstellt, ist schlicht und ergreifend genial. Denn so dünn die Storysuppe auch sein mag, so übertrieben nach Schablone die Charaktere auch gezeichnet sind, irgendwie wirkt jede Szene, jede Einstellung von „Booksmart“ erfrischend neu, originell und sympathisch. Die größte Stärke des Films ist es, unter dem Klischeeguss echte Menschen sichtbar zu machen und deren Unsicherheiten, die sich in Überkompensation manifestiert, deren Träume und Irrwege und das Stolpern des verfluchten Herzens, wenn der heimliche Schwarm den Raum betritt. Die Dialoge sind herrlich geschrieben und scharfzüngig, und auch wenn es um Oberflächlichkeiten geht, sind diese zumindest witzig und mit einem großen Gespür für unsere menschlichen Schwächen vorgetragen. Hier sind zwei herzensgute Jugendliche auf Abwegen – und sie wissen das auch. Aber was sein muss, muss sein, denn das Leben muss man schließlich spüren. Es reicht nicht aus, davon zu lesen. So geraten die von Beanie Feldstein und Kaitlyn Denver gespielten Streberinnen Molly und Amy zu wahrhaft denkwürdigen Charakteren – natürlich überzeichnet, aber in der Grundanlage zutiefst menschlich und nachvollziehbar. Was man bemängeln könnte, ist das Fehlen echter Konflikte. Aber „Booksmart“ möchte gar nicht die Lebenswelt amerikanischer Teenager zeigen. Es geht einfach nur darum, Spaß zu haben und ein Zeichen für Selbstbewusstsein und Empowerment setzen. Das gelingt dem Film hervorragend. Und Olivia Wilde als Regisseurin sollte man sich unbedingt fett auf einen Zettel schreiben. Das Debüt ist schon mal sehr gut gelungen.


8,5
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=Uhd3lo_IWJc

Blair Witch Project (1999)

Regie: Daniel Myrick und Eduardo Sánchez
Original-Titel: The Blair Witch Project
Erscheinungsjahr: 1999
Genre: Horror
IMDB-Link: The Blair Witch Project


Ein Produktionsbudget von 60.000 USD, ein Einspielergebnis von 248.000.000 USD an den Kinokassen, da muss es doch mit Hexerei zugegangen sein! Was natürlich hilft: Ein geschicktes Marketing, das Gerüchte in die Welt setzt, bei dem gefundenen Aufnahmen von drei im Wald verschollenen Studenten handle es sich um einen realen Fall. So simpel, aber so clever! Was daraufhin folgte, war ein unfassbarer Hype, der „Blair Witch Project“ zum Film mit der besten Umsatzrentabilität aller Zeiten machte (wenn man den Porno „Deep Throat“ außer Acht lässt). Und tatsächlich ist an diesem Film nicht nur die Idee gut, sondern auch – mit Abstrichen – die Umsetzung. Wenn wir nämlich als Zuseher drei verpeilten Studenten folgen, die mit Wackelkamera durch den Wald laufen, ist das erst einmal fad. Und paradoxerweise bezieht der Film genau daraus seine Spannung. Er wiegt den Zuseher erst mal in Sicherheit. Da baut sich keine dramatische Hintergrundmusik auf, da sind keine Jump-Scares (hach, wie ich diese Dinger hasse!) zu erwarten, nein, es laufen einfach nur drei Vollidioten durchs Gemüse. Und weil sie wirklich strunzdumm sind, verirren sie sich auch noch. Doch immer wieder tauchen einzelne Bilder oder Momente auf, die einen stutzen lassen. Hinter der Harmlosigkeit von zufällig aufgehäuften Steinen oder seltsam zusammengebundenen Ästen lauert etwas, das sich nicht zeigt und das nicht benannt werden kann. Fast unmerklich ziehen Daniel Myrick und Eduardo Sánchez die Daumenschrauben fester. Reimen sich da drei Vollhonks einfach etwas zusammen und betrachten wir sie dabei, wie sie langsam durchdrehen, oder ist da tatsächlich etwas in den Wäldern, vor dem man sich fürchten muss? Der Film hält zwischen diesen beiden Gedanken gut die Balance. Und genau deswegen funktioniert er. Dass man dadurch auch Leerläufe und viel Kameragewackel in Kauf nehmen muss, gehört zum Konzept. Dadurch ist Blair Witch Project“ nicht immer einfach anzusehen, aber stimmig und in sich geschlossen. Ein konsequenter Film.


6,5
von 10 Kürbissen

Der Leuchtturm (2019)

Regie: Robert Eggers
Original-Titel: The Lighthouse
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Horror, Drama, Fantasy
IMDB-Link: The Lighthouse


Liebe Leserinnen und Leser, verneigt euch vor Robert Pattinson! Ja, ihr habt richtig gelesen. Der Glitzervampir aus der Twilight-Reihe mit dem – laut Filmpartnerin Kristen Stewart – schlechten Mundgeruch. Aber gut, diesen wird ja mit Pfefferminz und Kaugummi gut los. Das Stigma des Glitzervampirs bleibt hingegen länger haften. In Robert Eggers‘ „Der Leuchtturm“ sollte er sich aber an der Seite von Willem Dafoe, der ohnehin über jeden Zweifel erhaben ist, freigespielt haben von derartigen Sünden der Vergangenheit. Dieser Film ist eine Offenbarung. Man stecke zwei bärtige Typen aus dem 19. Jahrhundert in einen Leuchtturm und lasse Wind, Wellen, Seemannslieder und wuchtige Verse in körnigem Schwarz-Weiß auf sie einprasseln. Die meiste Zeit über empfand ich den Film als brutale Tour de Force in die Finsternis der menschlichen Seele und als einen Ritt in den Wahnsinn – wobei lange Zeit nicht klar ist, wer von den beiden diesen Höllenritt nun tatsächlich antritt. Diese Ambiguität ist – neben den außergewöhnlich archaischen Bildern in fast quadratischem Format und dem grandiosen Schauspiel zweier ebenbürtiger Widersacher, die sich nichts schenken – die größte Stärke des Films. Und schon war ich geneigt, das Ganze als Ritt in den Wahnsinn abzutun, als der Film am Ende eine letzte Kapriole schlug und ich mit offenem Mund und einer wortwörtlichen Erleuchtung in den Kinosessel gedrückt wurde. „Der Leuchtturm“ ist ein Film, der sowohl die Urinstinkte als auch den Verstand gleichermaßen anspricht – und damit ein seltener Glücksfall. Dass er überhaupt funktionieren kann, liegt an einer überragenden Inszenierung und der schon erwähnten Schauspielkunst. Hätte hier nur ein Rädchen nicht gegriffen, wäre der Film in sich zusammengefallen. So steht er aber als festes Monument in der cineastischen Landschaft wie ein Leuchtturm in rauer See. Ein Film, der bleibt. Und vielleicht Robert Pattinsons endgültige Emanzipation vom Vampirschmafu.


8,5
von 10 Kürbissen

(Foto: A24 Films)

https://www.youtube.com/watch?v=hRYDj9AuL2c