Erotik

Im letzten Sommer (2023)

Regie: Catherine Breillat
Original-Titel: L’été dernier
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Erotik
IMDB-Link: L’été dernier


Catherine Breillat steht unter Verdacht, gerne mal filmisch mit Grenzüberschreitungen zu provozieren. Da darf dann auch mal ein *hüstel* gestandener Porno-Darsteller sein gewaltiges Gemächt herzeigen, wie beispielsweise in „Romance XXX“. In ihrem neuesten Film bedient die französische Altmeisterin des provokativen Kinos ein Genre, das für gewöhnlich freizügigen Internetseiten vorbehalten ist: Stiefmutter verführt Stiefsohn. (Jetzt wäre mir mit „Steifsohn“ gerade fast ein Tippfehler unterlaufen, den ich so hätte stehen lassen können.) Wobei: So eindeutig ist die Antwort auf die Frage, wer wen verführt, nicht zu geben. Gut, die scharfe Mama hätte eigentlich wenig Grund, den aufsässigen Gockel, der, weil schwieriges Kind, von seiner leiblichen Mutter zu seinem Vater abgeschoben wird, zum Betthupferl zu machen. Sie ist beruflich erfolgreich, hat zwei entzückende adoptierte Töchter mit ihrem Göttergatten, der zwar vielleicht schon etwas in die Jahre gekommen und leiblich auseinandergegangen ist (und, unter uns gesagt, ein Alkoholproblem hat, wenn er zu jedem Abendessen, das ihm die Gattin hinstellt, ein, zwei Glaserl Whiskey trinken muss), aber es läuft eigentlich ganz gut in ihrem Leben. Das alles auf Spiel zu setzen für ein Tête-à-Tête mit dieser Schmalzlocke von Stiefsohn: Hat sie nicht alle? Aber irgendwas hat dieser Bengel halt schon an sich, der offen rebelliert und eigentlich gar nicht dazugehören will in diese Patchwork-Familie. Warum sich der so an Muttern ranmacht, wird auch nicht ganz klar. Am ehesten kann man sein Verhalten unter jugendlichen Leichtsinn und eben Rebellion verbuchen. Aber es passiert nun mal das, was passiert, und hinterher schauen alle bedröppelt aus: Muttern, weil sie Schuldgefühle hat (Nonanet!), Söhnchen, weil er Gefühle entwickelt (oder zumindest äußert), die nicht erwidert werden. Und schon bahnt sich die große Familientragödie am Horizont an. Was Junior lernen muss: Eine Frau, die alles hat, kann auch alles verlieren und wird sich mit Zähnen und Klauen gegen eben dies zur Wehr setzen. „Im letzten Sommer“ ist natürlich auf Provokation aus. Aber darunter liegt eine Ebene, die den Film, für mich jedenfalls, sehr interessant macht: Nämlich der Umgang mit der Schuld- und Schuldgefühlfrage. Breillat zeichnet das Porträt einer Frau, die andere für ihre Fehler zahlen lässt. Dabei ist sie, hervorragend gespielt von Léa Drucker, gar keine Antagonistin, kein kaltherziges Ekel, sondern eben einfach jemand, der einen gewissen Status und Annehmlichkeiten erworben hat und diese um keinen Preis der Welt aufgeben möchte. Und in gewisser Weise gibt Breillat damit auch einen Kommentar zum Zustand unserer Gesellschaft ab, ob so intendiert oder nicht.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: http://www.imdb.com)

Tagebuch einer Nymphomanin (2008)

Regie: Christian Molina
Original-Titel: Diario de una ninfómana
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Erotik, Drama
IMDB-Link: Diario de una ninfómana


Gute Erotikfilme findet man in etwa so häufig wie vierblättrige Kleeblätter – die mit roten Punkten, die nach Rosen duften. Das spanische Erotikdrama „Tagebuch einer Nymphomanin“ nach dem autobiographischen Buch der Französin Valérie Tasso ist hierbei keine Ausnahme von der Regel. Geraldine Chaplin, prominentestes Gesicht der Produktion, hat das auch recht schnell erkannt – ihre Großmutterfigur ist nach einer Viertelstunde über den Jordan, und Chaplin hat’s überstanden. Davor gibt sie der promiskuitiven Enkeltochter Valérie (Belén Fabra) noch einen schicksalshaften Rat: Lebe dein Leben! Ja, genau, der gute, alte Carpe Diem-Spruch, den 50-jährige Yogalehrerinnen in Holzrahmen eingefasst über dem Küchentisch hängen haben. Wenigstens war das Drehbuch so gnädig und hat Chaplin nicht wortwörtlich diesen lateinischen Allerweltspruch aufsagen lassen. Nun, Valérie ist so naiv, diesen Spruch zu beherzigen, und landet bald im Bett und der Wohnung des Geschäftsmannes Jaime (Leonardo Sbaraglia). Dieser ist gutaussehend, charmant, witzig, ehrlich um Valérie bemüht, und so macht Valérie das, was natürlich jeder vernünftige Mensch macht: Sie zieht binnen Wochen in eine gemeinsame Wohnung mit ihm. Leider fällt dort die Fassade und zum Vorschein kommt ein impulsives, cholerisches, gewalttätiges Arschloch. Großmutter hätte Valérie wohl was hinter die Löffel gegeben, wenn sie selbigen nicht schon abgegeben hätte. Nun, ein paar traumatische Erlebnisse selbst regt sich wieder die Libido bei der jungen Frau, und was macht eine anständige Frau in ihrer Situation? Genau – sie geht in den Puff. Wo sie weitere charmante, gutaussehende Männer kennenlernt, denen jeder Blinde auf fünfhundert Meter Entfernung hinter die Fassade schaut, nur die gute Valérie eben nicht. Etliche Bettszenen und weitere traumatische Erlebnisse später stellt Valérie fest, dass Großmutters Rat „Carpe Diem“ nicht ganz vollständig war – es fehlt noch ein erleuchtendes „Liebe dich selbst!“. Und damit wäre, denke ich, ganz gut umrissen, woran es bei diesem Machwerk krankt: Das Drehbuch stammt direkt aus der Hölle und zeigt auf, dass man den verdammten Streik der Drehbuchautoren, der zuletzt in Hollywood stattfand, ernst nehmen sollte, da sonst vierzehnjährige pubertierende Teenager ihren Job übernehmen und solche Resultate liefern. Ein Trinkspiel mit einem Kurzen für jedes vollumfänglich erfüllte Klischee überlebt kein Mensch bis zur Mitte des Films. Da nutzt es auch nicht, dass sich die Darsteller:innen ordentlich ins Zeug legen – vor allem Belén Fabra zeigt nicht nur vollen Körpereinsatz, sondern auch ansatzweise Talent – wenn das Drehbuch dumm ist, schauen auch sie dumm aus. Immerhin gibt es den Film gratis auf Prime zu sehen, ich hätte sonst mein Geld zurückverlangen müssen.


2,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Stars at Noon (2022)

Regie: Claire Denis
Original-Titel: Stars at Noon
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama, Liebesfilm, Krimi, Erotik
IMDB-Link: Stars at Noon


Trish ist eine junge, durchaus aufmüpfige und selbstbestimmte Journalistin, die während ihres Aufenthalts in der Militärdiktatur kritische Texte über das Regime verfasst hat, was die hiesige Obrigkeit nicht so leiwand findet. Kurzerhand hat man ihren Pass konfisziert und ihr sämtliche Dollars, die einzige Währung, mit der man im Land etwas erreichen kann, abgeknöpft. Kurz: Sie steckt in der Scheiße. Auch ihr widerwilliges Panscherl mit einem höheren Tier im Militär bringt sie nicht weiter. Als sie den charismatischen englischen Geschäftsmann Daniel kennenlernt, wittert sie einen Ausweg aus ihrer Situation, doch je mehr sie sich auf ihn einlässt, desto tiefer wird sie in einen Strudel von Gefühlen, Abhängigkeiten und politischen Verwicklungen hineingezogen. Denn verglichen mit Daniels Problemen sind die eigenen kaum der Rede wert. „Stars at Noon“ ist ein sperriger Film. Claire Denis, die den Roman von Denis Johnson von den 80ern in die heutige Pandemiezeit verlegt hat, erzählt die komplizierte und vielschichte Story eher indirekt und durch Aussparungen. Ihr Fokus liegt auf Trish und ihre zunehmende Verunsicherung, die durch die aufkeimenden Gefühle für Daniel verstärkt wird. Margaret Qualley spielt die sich immer mehr selbst verlierende Journalistin mit vollem Einsatz und scheut auch nicht vor der Menge an Nacktszenen zurück, die das Skript verlangt. Wären diese notwendig gewesen? Auf den ersten Blick vielleicht nicht unbedingt, doch spiegeln die Liebeszenen zwischen ihr und ihren Partnern die Beziehungen zu den Männern wider: Während sie den Sex mit dem Kommandanten ausdruckslos über sich ergehen lässt, ist das Betthupferl mit dem smarten Engländer voller Leidenschaft – sie ist zunehmend nicht mehr Herrin der Lage. Generell ist „Stars at Noon“ ein äußerst sinnlicher Film, also einer, der mit allen Sinnen spielt: Das schwüle Klima Mittelamerikas, in dem es abwechselnd wie aus Eimern schüttet oder die Sonne herunterbrennt, ist ebenfalls ein zentrales Element des Films. Fast vermeint man die Mischung. aus Schweiß und stickiger Luft riechen zu können. In der Trägheit der Mittagshitze werden auch die Bewegungen träge, die Geschichte kommt zunehmend ins Stocken, Fluchtversuche werden ungeplant und halbherzig ausgeführt. Für den Zuseher mag das zeitweise anstrengend sein, und doch entwickelt „Stars at Noon“ dadurch eine geheimnisvolle Sogwirkung. Alles fließt. Auch wenn die Lage aussichtslos scheint, so steuert die Geschichte dennoch auf ihr logisches Ende hin, es lässt sich einfach nicht verhindern.


7,0 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Pleasure (2021)

Regie: Ninja Thyberg
Original-Titel: Pleasure
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Drama, Erotik
IMDB-Link: Pleasure


Es soll ja, habe ich mir sagen lassen, so Filme geben, in denen Darstellerinnen und Darsteller tatsächlich, also nicht simuliert, miteinander Liebe machen. Und am Ende wird dann immer geheiratet. Pornos sollen diese Filme heißen, und anscheinend gibt es richtig viele davon, und vor allem die Darstellerinnen sind manchmal so richtig bekannt und in ihrem Metier absolute Stars. Das alles weiß ich natürlich nur vom Hörensagen. So ein kreuzbraver Kürbis hat damit keine … ähm … Berührungspunkte. Jedenfalls erzählt „Pleasure“ von der schwedischen Regisseurin Ninja Thyberg (Namenswitze in 3, 2, 1 …) die Geschichte eines jungen schwedischen Mädels, das auszieht (im konkreten Fall nach Kalifornien, wo die Filmindustrie zuhause ist), um den großen Reibach zu machen. Die Unschuld vom Lande lässt es gleich so richtig krachen, doch der Weg zur Spitze ist hart, die Luft oben wird dünner, und man muss vielleicht auch mal die eine oder andere unliebsame Entscheidung treffen, um sich durchzusetzen. Berühmt werden wollen schließlich alle, doch nur wenige werden es. Wie das dann mit Anstand und Gewissen zu vereinbaren ist, ja, das ist eben die gute Frage. Subtrahiert man aus „Pleasure“ die Brüste, die vulgäre Sprache und den einen oder anderen sichtlich erregten Schwanz, ist der Film im Grunde eine recht klassische Künstler-Biografie. Ersetze das Porno-Starlet durch eine junge Musikerin oder Schauspielerin, und der Film funktioniert genauso gut. Und genau das ist in diesem Fall die Stärke des Films. Weder suhlt er sich im Reiz des Verruchten, noch steht er moralisierend über seinem Thema, sondern es ist einfach die Geschichte einer jungen Frau, die berühmt werden will, und die auf ihrem Weg gute wie schlechte Momente erlebt und deren Entscheidungen sie als Mensch weiter prägen. Das wird herrlich unaufgeregt erzählt. Und so ist „Pleasure“ keine Nabelschau, sondern ein ziemlich ehrlicher Film (soweit man das von außen überhaupt beurteilen vermag) über eine Protagonistin in einer recht unehrlichen Branche. Hey, it’s show business!


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Sweet Desire – Süßes Verlangen (2010)

Regie: Mischa Kamp
Original-Titel: LelleBelle
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Erotik
IMDB-Link: LelleBelle


Der Reserva 2012 von Bodegas Lan aus dem Weinbaugebiet Rioja, den ich an diesem Abend aufgemacht habe, überzeugt durch eine dunkelrote, fast ins Purpur gehende Farbe, eine vielschichtige Nase und einen Geschmack von Vanille, Lakritze, Johannisbeeren, ein wenig Waldboden und Sauerkirschen. Der Abgang hallt lange nach. Die 13,5 % Alkohol sind gut eingebunden, die Tannine halten das Gerüst straff zusammen, dennoch wirkt der Wein seidig und ausbalanciert. Könnte man Ähnliches nur über den Film sagen, den der Traubensaft begleitet hat. Aber „Sweet Desire – Süßes Verlangen“ gehört zu jenen Filmen, die eindrucksvoll – und ungewollt – zeigen, warum es so verdammt schwer ist, einen guten Erotikfilm zu machen. Ja, Sex gehört zum Leben dazu, Erotik ist was Tolles und Vielfältiges, aber irgendwie endet die Fantasie der in diesem Genre Produzierenden entweder bei feuchten Bubenträumen oder erhobenen Zeigefingern. Besonders ärgerlich, wenn beides zusammentrifft, und noch ärgerlicher, wenn das Ganze auch noch eine Frau inszeniert. Die Prämisse des Films: Junge, verklemmte Geigerin vom Land versucht, die Aufnahmeprüfung am Konservatorium in der Stadt zu bestehen, und stellt fest, dass sie nur ausdrucksvoll spielen kann, wenn sie davor sexuell erregt wird. Klischee Olé! Der Rest des Films sind gut aussehende Männer, die um sie buhlen, und Close-Ups ihrer Brüste. Natürlich sehen alle Menschen unglaublich gut aus, und sexuelle Belästigung wird hier nicht als solche wahrgenommen, sondern als Kompliment verstanden. Zwar versucht Mischa Kamp, die Regisseurin, das ganze Desaster einigermaßen geschmackvoll in Szene zu setzen und mit dem Einbau von The XX und Sigur Rós im Soundtrack den Anschein von Progressivität zu erwecken, aber gute Musik rettet keinen schlechten Film, vor allem, wenn diese so willkürlich hineingestückelt wird wie hier. An manchen Stellen wirkt der Film, als hätte eine Schulklasse versucht, einen Porno zu drehen, während die strenge Lehrerin im Hintergrund versucht, das Schlimmste zu verhindern. Darauf jetzt erst mal ein weiteres Glas vom Rioja.


3,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

https://www.youtube.com/watch?v=BWIUzjVPUKM

Basic Instinct (1992)

Regie: Paul Verhoeven
Original-Titel: Basic Instinct
Erscheinungsjahr: 1992
Genre: Erotik, Thriller, Krimi
IMDB-Link: Basic Instinct


Als Teenager bei der Oma zu übernachten, war schon eine feine Sache. Man hatte sein eigenes Zimmer mit Fernseher, und spätestens um 10 Uhr abends war die Oma müde und ging schlafen – rechtzeitig zu den interessanteren Sendereihen wie beispielsweise die „Sommernachtsphantasien“ – erotische Filme zu später Stunde. Die Qualität dieser Filme war meist solala, aber es gab nackte Brüste zu bestaunen. Was solche anatomischen Erkenntnisse mit pubertierenden Teenagern anstellen können, mag man sich ausmalen. Auf der gehobenen Seite dieser Filme gab es zumal auch Klassiker wie Verhoevens Skandalfilm „Basic Instinct“. Gebt es zu, ihr kennt ihn alle. Zumindest die Szene, in der Sharon Stone, die mit diesem Film zum neuen Sexsymbol der 90er gekürt wurde, während eines Verhörs die Beine übereinander schlägt und man noch weitere anatomische Erkenntnisse gewinnt. Da reißt es nicht nur Michael Douglas die Glupschaugen auf. Ich selbst war eigentlich nie ein großer Fan dieser Szene. Stones Frisur war mir hier zu streng. Ich mochte sie mit offenen Haaren lieber. Tja, die Oberflächlichkeit der Jugend. Vielleicht erklärt das auch meine späte Entwicklung in wichtigen Fragen des Erwachsenwerdens. Jedenfalls war ich nach dem Ansehen des Films ein bisserl verliebt. Und reichlich verwirrt. Dass ich mich noch an den Inhalt erinnern kann (der im Übrigen sämtliche Klischees bedient, die man sich vorstellen kann), grenzt an ein Wunder. Was aber auch wiederum für den Film spricht, der sich damit zumindest nachhaltig von den restlichen Machwerken, die im Rahmen der „Sommernachtsphantasien“ und ähnlichen Programmschienen gezeigt wurden, abhebt. Heute kann man den Film wohl kaum mehr ohne das Gefühl des Fremdschämens ansehen, und man freut sich für Michael Douglas, dass ihm die Zuseherschaft rasch verziehen hat, und für Sharon Stone, dass Scorsese sie dennoch für „Casino“ gecastet hat, worin sie schlicht umwerfend war. Der Skandal von damals würde heute kaum mehr als ein Gähnen hervorrufen. Aber als Kind seiner Zeit hat der Film unbestritten Eindruck hinterlassen und sich einen Platz in der Filmgeschichte und meinen erotisch aufgeladenen Erinnerungen gesichert. Nostalgische 6 Kürbisse.


6,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Columbia TriStar/Getty Images – © 2013 Getty Images, Quelle: imdb.com)

Wet Woman in the Wind (2016)

Regie: Akihiko Shiota
Original-Titel: Kaze ni nureta onna
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Erotik, Drama, Liebesfilm, Komödie
IMDB-Link: Kaze ni nureta onna


Ganz ehrlich: Wegen solchen Filmen geht man doch auf Film-Festivals. Ich muss zugeben, bei der Ankündigung im Programmheft einer wilden Vögelei bin ich anno dazumal auf der Viennale 2016 mit der Erwartungshaltung in den Film gegangen, beim Viennale-Bingo meine wohlverdienten Kreuzchen bei den Feldern „Mehr als zwei Sexszenen“, „Brüste“ und „Penis“ setzen zu können. Bekommen habe ich „Mehr als zwei Sexszenen“, „Brüste“ und ein fettes Kreuz bei „WTF?“. Murakami im Wald meets Softporno-Parodie (inkl. der obligatorischen Jazzmusik). Ein Schriftsteller und Womanizer hat sich wegen einer nicht näher bezeichneten Frauengeschichte in eine Hütte im Wald zurückgezogen. Dort trifft er auf eine sehr ansehnliche und … ähm … seltsame, okay, nennen wir das Kind beim Namen: völlig durchgeknallte junge Frau, die ihn verführen will. Er weist sie ab, dann will er sie doch, sie weist ihn ab, dann kommt seine Exfreundin dazu samt Entourage (vier Milchbubis und eine verhuschte Sekretärin), und es endet, wie es enden muss: Alle stürzen sich aufeinander und die Ankündigung im Programmheft bewahrheitet sich (ist ja auch nicht immer so). Hunde heulen, ein größeres Tier röhrt im Wald, der Protagonist röhrt auch, das alles ist sehr witzig, aber irgendwie auch pointless. Ich habe das Gefühl, dass man statt der ganzen Vögelei auch einen sinnvolleren Film hätte drehen können. Ist halt nicht passiert. Aber Spaß macht es irgendwie trotzdem.


5,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: (c) Nikkatsu, Quelle imdb.com)

Ein leichtes Mädchen (2019)

Regie: Rebecca Zlotowski
Original-Titel: Une fille facile
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Erotik
IMDB-Link: Une fille facile


Eine der offenen Fragen der Menschheit: Wieviel wiegt so ein leichtes Mädchen eigentlich? Rebecca Zlotowski gibt darauf in ihrem neuen Film auch keine Antwort. Immerhin ist ihr mit der Besetzung ein Coup gelungen, der dafür sorgt, dass der Film ins Gespräch kommt, auch wenn er keine Antworten auf die schwerwiegenden Fragen geben kann: Mit Zahia Dehar verpflichtete die Regisseurin jene junge Dame, die vor einigen Jahren als minderjährige Prostituierte mit ein paar französischen Fußball-Stars unter die Bettdecke gehüpft ist. Sie spielt nun jenes leichte Mädchen, das sich in Cannes von älteren Herren auf Luxusyachten aushalten lässt. Als Kontrapunkt: Newcomerin Mina Farid als 15jährige Kusine, die als Anhängsel der lebensfrohen jungen Frau einen Sommer lang ebenfalls die Luft von Reich & Schön schnuppern darf, während sie die Entscheidung, welche Richtung ihr Leben nehmen soll, auf die lange Bank schiebt. Wäre der Film von einem Mann gedreht worden, hätte der erste empörte Hinweis auf einen „male gaze“ in Anbetracht der Inszenierung von Frau Dehars üppiger Oberweite nicht lange auf sich warten lassen. Auch eine der Grundprämissen des Films, nämlich dass Freiheit und Luxus durch Sex erlangt werden (können), wäre wohl heftiger diskutiert worden. Und dann schrammt der Film auch noch knapp an einem Lolita-Revival vorbei, denn die 15jährige Naima entwickelt ein Interesse am etwa fünfzigjährigen Philippe (Benoit Magimel), dem Mitarbeiter des Lebemannes und Yacht-Besitzers Andres Monteiro (Nuno Lopes), der die schöne Kusine vernaschen darf und sie dafür mit viel Blingbling in Form von sündteuren Handtaschen und Uhren entlohnt. Wie gesagt, wäre der Film von einem fünfzigjährigen Mann gedreht worden, hätte man erotische Gelüste hinein interpretieren können (ob nun zurecht oder nicht). Da der Film aber von einer Frau geschrieben und inszeniert wurde, scheint sich diese Diskussion zu erübrigen. Das macht den Film schon mal per se interessant. Allerdings schützt es ihn nicht davor, in einige wirklich unangenehme Klischee-Fallen zu tappen. Die Handlung ist so vorhersehbar wie das Ergebnis, wenn man sich zwei Stunden lang ohne Sonnenschutz an den Strand der Cote d’Azur setzt. Man hat das Gefühl, den Film bereits bei der ersten Sichtung mitsprechen zu können. Zwei- oder dreimal gelingt es der Regisseurin, kurz aus den bekannten Mustern auszubrechen, aber das reicht nicht aus, um den Film wirklich sehenswert zu machen. Am Ende ist es eine 08/15-Story mit prallen Brüsten und hübschen Booten.


5,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Viennale)

Amor Maldito (1984)

Regie: Adélia Sampaio
Original-Titel: Amor Maldito
Erscheinungsjahr: 1984
Genre: Drama, Liebesfilm, Krimi, Erotik
IMDB-Link: Amor Maldito


Adélia Sampaio ist eine Filmpionierin. Bis heute ist sie die einzige schwarze Frau, die in Brasilien jemals einen Film gedreht hat. Um die Mittel dafür zu bekommen, musste sie in die Trickkiste greifen und den Geldgebern vorgaukeln, sie würde einen Porno drehen. Und so weist der Film „Amor Maldito“, eine Liebesgeschichte über die Liebe zweier Frauen, das zu einem Gerichtsdrama wird, in der Ästhetik phasenweise eine weichgezeichnete Ästhetik von 80er-Jahre-Pornos auf. Auch Brüste dürfen nicht fehlen. Diese Ästhetik in Kombination mit dem grandios überdramatischem Schauspiel (das zu Pornos gehört wie der Leopard zu Locarno) führt immer wieder zu vergnügtem Schmunzeln. Eines ist klar: Sampaio wusste, was sie tat. Wenn man dieses Täuschungsmanöver aber durchschaut, entfaltet sich eine recht tragische Geschichte von Moral und Doppelmoral. Denn schlimm genug, dass Fernanda (Monique Lafond) den Verlust ihrer Geliebten Suely (Wilma Dias), die aus einem Fenster in Fernandas Haus gestürzt ist, ertragen muss, doch findet sie sich schon bald im Gerichtssaal als Angeklagte wieder. Ermordet soll sie Suely haben, zumindest durch ihre perverse und obszöne Lebensweise in den Freitod gezwungen haben, so der Gift und Galle spuckende Staatsanwalt. Die Verführung eines unschuldigen Mädchens durch eine Ausgeburt der Hölle ohne Moral und Anstand – so der Grundtenor. Die Verteidigung bemüht sich nach Kräften, diesem Zeigefinger der Scheinmoral etwas entgegenzusetzen – nämlich das Selbstverständnis der Liebe. Allerdings ist unklar, in welche Richtung das Pendel ausschwingen wird, denn zu fest scheinen kirchliche Moralvorstellungen in diesem brasilianischen Gerichtssaal der 80er Jahre zu sitzen. „Amor Maldito“ ist aus den eingangs erwähnten Gründen beileibe kein guter Film. Er ist sogar ziemlich schlecht – wobei man das den Umständen seiner Entstehung zuschreiben muss. Aber dennoch unterhält er recht gut und lässt den Zuseher einen spannenden Blick auf gesellschaftliche Moralvorstellungen seiner Zeit werfen. Und, wenn man ehrlich ist, hat sich bis heute eigentlich nicht genug daran geändert.


5,0
von 10 Kürbissen

Bang Gang – Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus (2015)

Regie: Eva Husson
Original-Titel: Bang Gang (une histoire d’amour moderne)
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Drama, Erotik
IMDB-Link: Bang Gang (une histoire d’amour moderne)


„Es is verraucht, laut und eng – da Schweiß tropft von die Wänd / Won nu ana einekamat hätts die gonze Hittn gsprengt / Wo is jetz die ane, klane? Grod hob is nu gseng / I bin scho gonz plemplem, de Hormone tonzn Pogo / Boid is des a Gangbang …“ Skero hat mit seinem Sommerhit „Kabinenparty“ vorweggenommen, woran sich Eva Husson fünf Jahre später filmisch versucht hat. Jedenfalls kommt man nicht umhin, schmunzelnd Vergleiche zu ziehen, wenn man in die Eröffnungssequenz von „Bang Gang – Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus“ einsteigt. Auch dort schwitzen jugendliche Leiber auf engem Raum und eng miteinander verschlungen. So was kommt halt raus, wenn Sommerferien sind und es einem fad im Schädel ist. Im Zentrum des Film stehen die beiden Mädels George (Marilyn Lima) und Laetitia (Daisy Broom) und deren Vögelei mit dem hedonistischen Alex (Finnegan Oldfield), dessen Kumpel Nikita (Fred Hotier) und dem Außenseiter Gabriel (Lorenzo Lefebvre). Wer da nun die zentrale Hauptfigur ist, weiß man nicht so recht, aber das ist okay, die Regisseurin wusste es offenbar auch nicht. Der Film weist diesbezüglich keinen eindeutigen Fokus auf und mäandert ein wenig herum. Und das ist auch gleich mal eines der Grundprobleme, die dieser Film hat: Eine spürbare Unentschlossenheit. Eine moderne Version von „Kids“ möchte er sein, aber er hat eigentlich nichts zu erzählen, außer dass Jugendliche Sex haben und wenn sie zu viel und mit zu vielen unterschiedlichen Personen davon haben, sich einen Tripper oder Syphilis einfangen können. Im Grunde ist „Bang Gang – Die Geschichte einer Jugend ohne Tabus“ nicht viel mehr als ein eineinhalbstündiges, relativ zähes Plädoyer für den Gebrauch von Kondomen. Das hätte man auch kürzer fassen können. Da bleibe ich, wenn es ums Schwitzen in engen Räumen geht, dann doch lieber bei Skero. „Kabiiiiiinenparty – geht scho, gemma Vollgas!“


3,5
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=glkMA2uQUjk