Autor: Filmkürbis

Riddle of Fire (2023)

Regie: Weston Razooli
Original-Titel: Riddle of Fire
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Abenteuerfilm, Komödie
IMDB-Link: Riddle of Fire


Warum ich so gerne auf Filmfestivals gehe? Weil man dort die Gelegenheit hat, Perlen zu sichten, die einem sonst mit Sicherheit entgangen wären. „Riddle of Fire“, das Langfilmdebüt von Weston Razooli, ist eine solche Perle. Gedreht auf grobkörnigem 16mm-Film taucht Razooli in die Mythologie der Kindheit ein. Drei Kinder, das Brüderpaar Hazel und Jodie und deren beste Freundin Alice, kommen in einem unglaublich komischen Heist, der gleich zu Beginn die Tonalität des Films festlegt, an die neueste und heißbegehrte Spielkonsole. Doch die Freude währt nur kurz, hat doch Hazels und Jodies Mutter, die krank im Bett liegt, den Fernseher mit einem Passwort versehen. Sie rückt dieser nur gegen Bezahlung heraus: Die drei Kinder sollen ihr einen Blaubeerkuchen aus der Dorfbäckerei holen. Was nach einem 10-minütigen Kurzfilm klingt, entwickelt sich jedoch zu einer witzigen und abenteuerlichen Odyssee, denn der Blaubeerkuchen ist aus, die erkrankte Bäckerin gibt das Rezept für ihren legendären Kuchen nur widerwillig heraus, und am Ende scheint alles an einem gepunkteten Ei zu scheitern. Für dieses Ei gehen die drei Freunde weit über ihre Grenzen hinaus und tauchen tief ein in den Wald und die Welt der Märchen. Was Razoolis Debüt so unfassbar gut macht, ist die Tatsache, dass er diese märchenhafte Welt mit beiden Händen umarmt und die Geschichte trotzdem in der Realität verankert. Aber genauso war die Welt ja, als wir selbst noch Kinder waren. Der Wald steckte voller Abenteuer, Begegnungen mit Hexen nicht ausgeschlossen, doch am Ende kamen wir alle siegreich wieder nach Hause, wo ein dampfender Kuchen auf dem Tisch stand und die Mutter unsere Schrammen versorgte. „Riddle of Fire“ fühlt sich an wie eine Plüschdecke und eine heiße Tasse Tee nach einem anstrengenden Tag. Wenn mal jemand nach einem Referenzwerk für die Kategorie „Feelgood-Movie“ sucht: Hier ist es! Bislang der Überraschungshit des Jahres für mich.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: © ANAXIA, Quelle http://www.imdb.com)

The Belgian Wave (2023)

Regie: Jérôme Vandewattyne
Original-Titel: The Belgian Wave
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie, Horror, Roadmovie
IMDB-Link: The Belgian Wave


Meine Damen und Herren, jetzt heißt es aufgepasst! Ich präsentiere die chemische Formel für die stärkste Droge der Welt: H2O. Auf die Frage an Regisseur Jérôme Vandewattyne im Q&A nach Sichtung seiner Science Fiction-Komödie „The Belgian Wave“ nämlich, wie viele Drogen er während der Realisierung dieses irren Trips konsumiert hätte, antwortete dieser mit: „Keine. Nur jede Menge Wasser“. Aber vielleicht finden sich im belgischen Wasser ja bewusstseinserweiterte Substanzen. Denn auf solche irren Bilder muss man erst einmal kommen. Es beginnt mit einem grandiosen Kameradrohnenflug mitten durch einen Rave, und Bilder wie Musik dieser ersten Szene geben schon mal den Ton an für die kommenden 1,5 Stunden. Die Journalistin Karen und der Künstler Elzo, der sich gerne mal LSD-„Microshots“ fit hält, gehen gemeinsam auf einen abgefahrenen Roadtrip, um nach dem Anfang der 90er Jahre verschwundenen Reporter Marc Vaerenbergh zu suchen. Dieser forschte einer Reiher unerklärlicher UFO-Sichtungen über Belgien nach, die als „Belgian Wave“ in die Geschichtsbücher eingehen sollten. Karen und Elzo interviewen zunächst Weggefährten des verschwundenen Reporters, zu dem sie beiden einen sehr persönlichen Bezug haben, doch je tiefer sie in die Geschichte eintauchen, desto abstruser wird diese – bis sie schließlich im ecuadorianischen Dschungel landen und dort lustige Substanzen einwerfen. Alles an „The Belgian Wave“ ist laut und schrill. Zugegeben, ich tat mir schwer, einen Zugang zu dem Film zu finden, der in allen Belangen einfach over the top zu sein scheint, in den psychedelischen Bildern, in der mit wenigen Ausnahmen permanent pulsierenden Musik, in der komplett von der Realität losgelösten schauspielerischen Leistung, doch erkenne ich an, dass das alles handwerklich ausgezeichnet und mit viel Liebe gemacht ist. Allein schon die Tatsache, das alles in 21 Tagen abgefilmt zu haben, nötigt höchsten Respekt ab, aber aus diesem minimalen Zeit- und Geldbudget dann auch noch einen solchen stilistisch eigenen und abenteuerlich geschnittenen Film herauszuholen, ist aller Ehren wert. Wie gesagt, findet man Zugang zu diesem schrillen Trip in Neonfarben, hat man großen Spaß daran. Für alle, die es etwas ruhiger bevorzugen, wird das Erlebnis aber auch schnell mal anstrengend.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Einstein-Rosen (2016)

Regie: Olga Osorio
Original-Titel: Einstein-Rosen
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Kurzfilm, Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: Einstein-Rosen


Die Einstein-Rosen-Brücke ist fester Bestandteil der Popkultur, handelt es sich doch dabei um ein Wurmloch, das, so die Science Fiction, Reisen durch Raum und Zeit ermöglichen soll. Wer ein anständiges Raumschiff durch die Galaxis lenken möchte, muss mindestens einmal in seinem Leben durch ein Wurmloch geflogen sein – frag nach bei Captain Kirk & Co. Die spanische Filmemacherin Olga Osorio findet jedoch einen anderen, ganz eigenen und äußerst charmanten Zugang zu diesem Thema. Sie braucht keine Raumschiffe, sondern nur zwei neugierige und wissbegierige Jungs, die sich altklug über Wurmlöcher und ihre Funktion unterhalten. Und es braucht einen Fußball, und fertig ist ein warmherziger und saukomischer Kurzfilm über eben diese Krümmung der Raumzeit. Klar, die Geschichte trägt nicht weiter als die neun Minuten, die der Film dauert. Man wird sich nicht ewig daran erinnern. Und doch machen diese neun Minuten Spaß. Mit einfachen Mitteln gelingt Osorio große Unterhaltung – der Applaus im Kinosaal war nachvollziehbar und verdient. Wer sich davon überzeugen möchte, muss einfach nur auf den Youtube-Link unten klicken.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

River (2023)

Regie: Junta Yamaguchi
Original-Titel: River
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: River


Was ein kreativer Kopf wie Junta Yamaguchi anfangen kann, hat er bereits in Beyond the Infinite Two Minutes bewiesen, eine schräge Zeitschleifengeschichte voll absurder Komik. Nun kommt mit „River“ sein neuestes Werk – und es handelt sich um eine schräge Zeitschleifengeschichte voll absurder Komik. Doch keine Sorge, ein Déjà-vu haben nur die wunderbar verschrobenen Charaktere der Geschichte, nicht aber die Zuseher. Denn auch wenn Yamaguchi sein Personal wieder durch unendliche zwei Minuten schickt, hat er in „River“ einen anderen Fokus als bei seinem Erstling. Während in „Beyond the Infinite Two Minutes“ die Geschichte mit jeder Zeitschleife schräger wird und die Ebenen genial miteinander verbunden werden, nimmt sich Yamaguchi in „River“ nun die … äh … Zeit, um seine Figuren zu entwickeln. Und er tut das mit viel Liebe und Zuneigung. Schauplatz ist ein friedlicher Gastbetrieb in einem verschlafenen Dorf. Alles geht seinen gewohnten Gang, man kümmert sich um die Gäste, die in separaten Räumen essen, ein heißes Bad nehmen oder arbeiten, es riecht nach Schnee. Kellnerin Mikoto geht mal kurz an die frische Luft, um am Fluss, der durch das Dorf fließt, ein wenig zu meditieren, dann geht sie wieder hinein zu ihren Kolleginnen und Kollegen, räumt Geschirr ab … und findet sich wieder beim Meditieren am Fluss. Doch nicht nur ihr geht es so – auch alle weiteren Kolleg:innen und Gäste scheinen plötzlich in einer Zeitschleife gefangen. Was nicht sonderlich spannend klingt, entfaltet sich aber rasch dank Yamaguchis energiegeladener Regie als Meisterstück der komödiantischen Unterhaltung. Vielleicht erreicht „River“ nicht ganz die Finesse des Erstlingswerks, doch ist man näher an den Figuren dran und entwickelt mit der Zeit eine große Sympathie für sie und ihre Sisyphos-Arbeit. Und so vergeht die Zeit, als würde sie nur zwei Minuten dauern.


7,5 Kürbisse

(Foto: /slash Filmfestival Presse, (c) Busch Media)

Good Boy (2022)

Regie: Viljar Bøe
Original-Titel: Good Boy
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Thriller, Horror, Komödie
IMDB-Link: Good Boy


Er, Christian, ist gutaussehend, charmant, reich und hat Manieren. Sie, Sigrid, ist aufgeweckt, ein wenig verpeilt, herzlich, und bereit, sich in Christian, ihr Tinder-Date, zu verlieben. Wäre da nicht eine kleine Komplikation, nämlich Christians Haustier. Christian tut sich recht schwer, die Rasse seines Hundes Frank zu bestimmen, steckt da doch ein Mensch im Hundekostüm drinnen. Doch Liebe überwindet alle Hürden, und wer ist Sigrid schon, sich über die Fetische anderer Leute zu mokieren? „Good Boy“ von Viljar Bøe ist ein schwarzhumoriger, hundsgemeiner Film – eine groteske Lovestory wie auch ein abgründiger Thriller gleichermaßen. Solche originellen Absurditäten findet man eben beim Slash Filmfestival in Wien, das Perlen des Genrekinos zwischen Horror, Fantasy und Science Fiction zeigt. Das Slash Festival geht dorthin, wo einem das Lachen im Hals steckenbleibt, wenn sich Falltüren öffnen, wo man sie nicht erwartet hat. Dass dieses wunderbare kleine Festival von sehr entspannten Leuten organisiert und ebenso entspanntem Publikum besucht wird, ist noch mal ein Grund mehr, sich den einen oder anderen Film des Festivals zu gönnen. Aber zurück zu „Good Boy“, meinem Auftakt zu insgesamt fünf Filmen, die ich im Rahmen des Slash Festivals sehen möchte. Hätte Viljar Bøe ein stimmigeres Ende für seinen kleinen, fiesen Film gefunden, das nicht komplett im Chaos von Logiklöchern (in diesem Fall: völlig irrationalem Verhalten der Figuren) versinkt, so hätte das ein Überraschungs-Hit des Jahres für mich werden können, so unterhaltsam, wie der Film in seiner ersten Stunde exekutiert ist. Doch am Ende geht Bøe den einfachen Weg, den man von einem schwarzhumorigen Horrorthriller mit Figuren, die im Anblick der Gefahr sämtliche graue Zellen abschalten, eben erwartet. Und das ist dann angesichts der großartigen ersten Stunde schon ein wenig schade.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © Saban Films, Quelle http://www.imdb.com)

They Cloned Tyrone (2023)

Regie: Juel Taylor
Original-Titel: They Cloned Tyrone
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Komödie, Science Fiction
IMDB-Link: They Cloned Tyrone


Stilistisch an Blaxploitation-Filme der 70er-Jahre angelehnt schickt Regisseur Juel Taylor in „They Cloned Tyrone“ John Boyega als Drogendealer, Jamie Foxx als Zuhälter und Teyonah Parris als Prostituierte durch eine aberwitzige Story. Fontaine (Boyega) hat nämlich eine Nahtoderfahrung der anderen Art. Von einem konkurrierenden Gangmitglied bekommt er sechs Kugeln in die Brust, nur um am nächsten Morgen wieder putzmunter in seinem Bett aufzuwachen. Was zunächst nach Und täglich grüßt das Murmeltier klingt, entwickelt sich rasch in eine andere Richtung, denn Slick Charles (Foxx) und Yo-Yo (Parris) können eindeutig bestätigen, dass Fontaine am Vorabend das Zeitliche gesegnet hat. Was ist hier also los? Schon bald ist das zusammengewürfelte Trio Infernale einer absurden Verschwörungstheorie auf der Spur und hat mächtige Feinde am Hals, die sich von einer großen Klappe nicht einschüchtern lassen. „They Cloned Tyrone“ hat also eine spannende Prämisse am Puls der Zeit, sprießen doch Verschwörungstheorien in den letzten Jahren wie Pilze im Regen, doch gelingt es Juel Taylor nicht, die Geschichte auch spannend zu inszenieren. Zu beiläufig entfaltet sich der Plot, als wäre Taylor mehr daran interessiert gewesen, seinem gut aufgelegten Cast möglichst viele Dialogzeilen zuzuschanzen. Der Film hat seine Momente, und die Story selbst ist hintersinnig böse, doch hat man das Gefühl, als wäre der Stoff in anderen Händen, vielleicht Spike Lees, besser aufgehoben gewesen, um seine volle Schärfe zu entfalten.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Parrish Lewis/Netflix © 2023. – © 2023 Netflix, Inc., Quelle http://www.imdb.com)

Austria 2 Australia (2020)

Regie: Dominik Bochis und Andreas Buciuman
Original-Titel: Austria 2 Australia
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Austria 2 Australia


There are no cangaroos in Austria! Man muss es immer wieder sagen. Aber wenn die lustigen Beuteltiere schon nicht bei uns in den Alpen herumhüpfen, dann müssen halt die Alpenbewohner in deren Heimat nach Australien kommen. Und wie geht man das am besten an? Natürlich per Fahrrad! Was nach einer irren Idee klingt, die man während einer durchzechten Nacht hat, ziehen die beiden Hobbyradler Dominik Bochis und Andreas Buciuman tatsächlich gnadenlos durch. Von Linz geht es quer durch Osteuropa nach Moskau, von dort weiter runter über Kasachstan, Kirgistan und Pakistan, dann via China rüber nach Indien, ab nach Nepal und dann über Fernost bis Singapur, wo man dann per Fähre oder Flugzeug rübersetzen möchte auf den australischen Kontinent, da das Befahren des Indischen Ozeans per Tretboot vielleicht technisch dem Fahrradfahren am nächsten kommt, aber dann doch irgendwie nicht zu empfehlen ist. Abenteuer erleben die beiden Jungs auf dem Landweg ohnehin mehr als genug. Wetterkapriolen, Murenabgänge, einen auf Schritt und Tritt verfolgende Polizisten, Wüstentouren ohne ausreichend Wasservorräte, Belagerungen durch Insekten – alles dabei, womit man den Freundeskreis zuhause nach der Tour unterhalten kann. Am schönsten sind aber die zwischenmenschlichen Begegnungen, und hier gelingt es Bochis und Buciaman mit ihrem Do-It-Yourself-Projekt, das sie „Austria 2 Australia“ genannt haben, tatsächlich, einige Vorurteile aufzuweichen und herzerwärmende Momente einzufangen. Man kann nur den Hut ziehen vor den beiden Burschen und ihrer Strapazierfähigkeit, Ausdauer und Neugier. Allerdings hat „Austria 2 Australia“ ein fundamentales Problem: Bochis und Buciaman mögen zwar leidensfähige Fahrradfahrer sein, doch sind sie keine Scorseses. Sprich: Bei allem Bemühen, einen hochwertigen und professionellen Film zu drehen, wirkt „Austria 2 Australia“ stellenweise so wie Onkel Herberts Urlaubsvideo aus Jesolo, mit dem er nach dem Abendessen die gezwungen lächelnde Verwandtschaft quält. Man merkt den beiden Pedalhelden immer wieder die Unsicherheit vor der Kamera an, und die Erzählungen aus dem Off klingen gekünstelt und sind einfach schlecht geschrieben. Das soll auf keinen Fall die unfassbare Leistung der beiden schmälern, und allein schon die Landschaftsaufnahmen der entlegenen Gegenden, durch die die zwei geradelt sind, lohnen die Sichtung, doch bleibt mein Fazit: „Austria 2 Australia“ bietet eine tolle Geschichte, die leider nicht gut erzählt wird.


4,5 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Dominik Bochis – © Dominik Bochis, Quelle http://www.imdb.com)

Big (1988)

Regie: Penny Marshall
Original-Titel: Big
Erscheinungsjahr: 1988
Genre: Komödie, Fantasy
IMDB-Link: Big


Karrieregeile Nymphomanin vögelt 13-jährigen, der seine eigene Entführung vorgetäuscht und sich durch Betrug ein zweifelhaftes Einkommen erwirtschaftet hat. Zugegeben, „Big“ hat seine problematischen Seiten. Und doch gibt es kaum jemanden, der mit Penny Marshalls Fantasykomödie mit Tom Hanks und Elizabeth Perkins in den Hauptrollen aufgewachsen ist und der Erwähnung des Films keine leuchtenden Augen bekommt. Nie wurde die Zuschreibung „das Kind im Manne“ charmanter und humorvoller umgesetzt als mit diesem Film. Josh, noch 12 Jahre alt, wünscht sich nichts sehnsüchtiger, als endlich groß zu sein. Ein dubioser Spielautomat auf einem Jahrmarkt erfüllt ihm diesen Wunsch, und so schlägt sich das Kind fortan im Körper von Tom Hanks durch das Leben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beginnt Josh, bei einer Firma, die Spielzeug vertreibt, zu arbeiten – passender kann ein erster Job gar nicht sein. Dort behauptet er sich mit seinem eigenen, kindlichen Charme und viel Spieltrieb in der Welt der Erwachsenen, sodass sogar die attraktive Kollegin Susan auf ihn aufmerksam wird. Die größte Stärke von „Big“ ist seine kindliche Unschuld, die Tom Hanks, damals am Anfang seiner Weltkarriere, so gut transportiert, dass er dafür sogar seinen ersten von bislang vier Golden Globes nach Hause nehmen durfte. Selbst die bereits angesprochene romantische Beziehung wird von Naivität auf beiden Seiten getragen, was der an und für sich kritisch zu betrachtenden Storyline einiges an Schärfe nimmt. Dadurch wird diese zum Quell für einige sehr komische Szenen. Und dann wäre da noch die berühmte Piano-Szene. Will man erforschen, warum „Big“ so erfolgreich wurde und auch heute noch seine Fans hat, kommt man um diese nicht herum. Denn diese Szene, als der kindliche Josh beim Streifzug durch den Spielzeugladen auf ein Bodenklavier stößt und zusammen mit dem väterlichen CEO der Spielzeugfirma (Robert Loggia) ein vergnügliches Duett anstößt, ist sinnbildlich für den Spaß, für die Freude am Spieltrieb und am Jung-und-Ausgelassen-Sein, den der Film verkörpert und mit jeder Szene lebt.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Meine Stunden mit Leo (2022)

Regie: Sophie Hyde
Original-Titel: Good Luck to You, Leo Grande
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: Good Luck to You, Leo Grande


Eine ältere Frau. Ein junger, knackiger Mann. Ein Hotelzimmer. Wenn das nicht „Porno!“ schreit? Aber keine Sorge, unter der Regie von Sophie Hyde entfaltet sich in „Meine Stunden mit Leo“ ein herzliches, emotional intelligentes Kammerstück über die Liebe, Begehren und vor allem Akzeptanz. Denn die pensionierte Religionslehrerin Nancy ist nur vordergründig an Sex interessiert. Sie hatte in ihrem Leben, das sie ausschließlich mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann geteilt hat, noch nie einen Orgasmus, und sie ist fest entschlossen, diesen „Makel“ zu beheben. Der attraktive Callboy Leo soll ihr dabei helfen. Doch Leo durchschaut schon sehr bald, dass sich hinter dieser offensichtlichen Begierde etwas anderes, Tieferes verbirgt: Nancy kennt sich selbst nicht, fühlt sich verloren zwischen den Rollen, die sie ihr ganzes Leben über gespielt hat. Kann ihr der charmante, aber gleichzeitig unverbindliche und als Person kaum zu fassende Leo dabei helfen, sich selbst kennenzulernen? Es braucht schon eine Meisterin des Fachs wie Emma Thompson, um eine solch komplexe und gleichzeitig verletzliche Figur glaubhaft spielen zu können. Und zusätzlich braucht es jede Menge Mut, um sich körperlich wie seelisch dermaßen zu entblößen wie Thompson in diesem Film. Doch selbst das reicht noch nicht aus, um aus der schwierigen Prämisse und dem starren Rahmen (die Handlung spielt sich fast ausschließlich innerhalb der vier Wände des Hotelzimmers ab) einen gelungenen Film zu machen. Es braucht auch noch einen ebenbürtigen Gegenpart zu Nancy. Daryl McCormack als Leo meistert diese große Hürde mit Bravour. Das gelungene Zusammenspiel von Thompson und McCormack schafft erst den Raum für die Geschichte und die Verbundenheit der Zuseher mit den Figuren. Was ein schwieriger, weil schlüpfriger Sexfilm hätte werden können, wird so zu einem Striptease der anderen Art: Nämlich jenem der Seelen. Und das finde ich deutlich aufregender und interessanter als jegliche Fleischbeschau.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Der Texaner (1976)

Regie: Clint Eastwood
Original-Titel: The Outlaw Josey Wales
Erscheinungsjahr: 1976
Genre: Western
IMDB-Link: The Outlaw Josey Wales


Clint Eastwood und Western: Das gehört zusammen wie Topfenstrudel und Vanillesauce, wie die Südosttangente und der Morgenverkehr, wie Texas und die NRA. Kaum jemand hat ein ganzes Genre so geprägt wie Clint Eastwood den Western. Gut, in diesem Fall hat John Wayne noch ein Wörtchen mitzureden, aber es lässt sich jedenfalls sagen, dass Eastwood der legitime Nachfolger von Wayne in diesem Genre ist. Doch geht Eastwood die Filme in „seinem“ Genre mit mehr Hirn an, auch das lässt sich sagen. Während sich John Wayne in der Rolle des heldenhaften Obermachos gefiel, sind Eastwoods Charaktere, so schweigsam sie auch sein mögen, mit mehr Tiefgang ausgestattet. „Der Texaner“, unter seiner Regie 1976 in die Kinos gekommen, ist in diesem Fall der Südstaatenfarmer Josey Wales, dessen Frau und Kind während des Bürgerkriegs von einer Gang von Nordstaaten-Guerillas ermordet wird. Wales schwört Rache und schließt sich seinerseits nun einer Bande von Südstaaten-Kämpfern an. Diese Guerilla-Truppen gab es tatsächlich auf beiden Seiten, und keine Bande war in ihrem Morden, Brandschatzen und Vergewaltigen besser als die andere. Irgendwann endet der Krieg, und Wales‘ Trupp wird in einen Hinterhalt gelockt. Als einziger, der sich den siegreichen Nordstaaten nicht ergibt, wird Josey Wales zum gejagten Outlaw. Seine Flucht wird zur Odyssey, die immer wieder zu neuen Begegnungen führt: Mit den Indianern Lone Watie (Chief Dan George mit einer grandiosen Darstellung) und Little Moonlight (Geraldine Keams), mit einer Familie von Siedlern (unter anderem Sondra Locke), und nach und nach rückt die Rachegeschichte in den Hintergrund. Doch das Schicksal bleibt Josey Wales auf den Fersen. Warum „Der Texaner“ heute als ein absoluter Genre-Klassiker gilt und in die Liste der 1001 Filme, die man gesehen haben sollte, ehe das Leben vorbei ist, aufgenommen wurde, erschließt sich mit jeder Szene, jeder Einstellung mehr: Statt einer geradlinigen, actionreichen Rachegeschichte erzählt Eastwood vom Miteinander und Gegeneinander in einem Land und einer Zeit, in der jedermann auf sich selbst gestellt war. Dabei werden Klischees angedeutet, um dann meisterhaft umschifft zu werden. Eine spürbare Charakterentwicklung ist Eastwood wichtig, und das gilt für all seine Figuren. Das zieht sich auch durch all seine Regiearbeiten: Es gibt in seinen Filmen kaum Schwarz-Weiß. Es sind die Grautöne, die ihn als Filmemacher faszinieren. „Der Texaner“ ist hiervon keine Ausnahme. Nicht verunsichern lassen durch den unten verlinkten Trailer, der führt diesbezüglich in die Irre. Daher lautet meine klare Empfehlung, sich den Film trotz des Trailers anzusehen.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: © 1976 – Warner Bros. All rights reserved. Quelle http://www.imdb.com)