Slash Festival 2023

DogMan (2023)

Regie: Luc Besson
Original-Titel: DogMan
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Thriller, Drama
IMDB-Link: DogMan


Homo homini lupus. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Diesen Satz würde der Außenseiter Doug Munrow (Caleb Landry Jones) wohl unterschreiben. Wobei: Vielleicht hätte er auch Einwände. Denn mit den Nachkommen der Wölfe, den Hunden, kommt er bestens klar, sie sind seine Familie, nachdem sein soziopathischer und sadistischer Vater ihn in einen Hundezwinger geworfen und die Lähmung seiner Beine verschuldet hat. Mit Menschen jedenfalls kann Doug verständlicherweise später nicht mehr viel anfangen. Er lebt mit seinen Hunden in einem verwahrlosten Fabrikgebäude und verdient sein Geld als Mitglied einer Drag-Show. Viel mehr Außenseiter geht nicht. Eines Tages wird er mit seinen Hunden in einem Kleinlaster von der Polizei aufgegriffen. Er erzählt der Psychiaterin Evelyn (Marisa Berenson) seine tragische Geschichte. Mit „DogMan“ setzt sich Luc Besson in ein sehr unbequemes Feld und beackert dieses mit drastischen Mitteln. Subtilität kann man dem Film nicht vorwerfen, aber das passt schon so. Dougs Geschichte und die Entwicklung, die sie nimmt, verträgt den Holzhammer, sie bietet Caleb Landry Jones zudem die Möglichkeit, eine absolute Glanzleistung hinzulegen. Sein Doug ist eine ambivalente Figur, die Mitleid hervorruft und dabei gleichzeitig eine kühle Härte zeigt, wie ein verletzter Hund, der die Nackenhaare aufstellt und seine Zähne fletscht. Mehr Drama als Thriller ist Besson stets nah an seiner Figur dran und lotet dessen Sehnsüchte und Ängste aus. In dieser Hinsicht ist „DogMan“ vergleichbar mit Joker, ohne aber dessen Brillanz ganz zu erreichen. Dennoch zeigt Besson nach einigen schwächeren Filmen mit seinem neuesten Werk, dass er sich nicht vor Risiken scheut und immer noch imstande ist, eine Geschichte zu erzählen, die im Gedächtnis bleibt.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © EuroCopa, Quelle http://www.imdb.com)

Riddle of Fire (2023)

Regie: Weston Razooli
Original-Titel: Riddle of Fire
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Abenteuerfilm, Komödie
IMDB-Link: Riddle of Fire


Warum ich so gerne auf Filmfestivals gehe? Weil man dort die Gelegenheit hat, Perlen zu sichten, die einem sonst mit Sicherheit entgangen wären. „Riddle of Fire“, das Langfilmdebüt von Weston Razooli, ist eine solche Perle. Gedreht auf grobkörnigem 16mm-Film taucht Razooli in die Mythologie der Kindheit ein. Drei Kinder, das Brüderpaar Hazel und Jodie und deren beste Freundin Alice, kommen in einem unglaublich komischen Heist, der gleich zu Beginn die Tonalität des Films festlegt, an die neueste und heißbegehrte Spielkonsole. Doch die Freude währt nur kurz, hat doch Hazels und Jodies Mutter, die krank im Bett liegt, den Fernseher mit einem Passwort versehen. Sie rückt dieser nur gegen Bezahlung heraus: Die drei Kinder sollen ihr einen Blaubeerkuchen aus der Dorfbäckerei holen. Was nach einem 10-minütigen Kurzfilm klingt, entwickelt sich jedoch zu einer witzigen und abenteuerlichen Odyssee, denn der Blaubeerkuchen ist aus, die erkrankte Bäckerin gibt das Rezept für ihren legendären Kuchen nur widerwillig heraus, und am Ende scheint alles an einem gepunkteten Ei zu scheitern. Für dieses Ei gehen die drei Freunde weit über ihre Grenzen hinaus und tauchen tief ein in den Wald und die Welt der Märchen. Was Razoolis Debüt so unfassbar gut macht, ist die Tatsache, dass er diese märchenhafte Welt mit beiden Händen umarmt und die Geschichte trotzdem in der Realität verankert. Aber genauso war die Welt ja, als wir selbst noch Kinder waren. Der Wald steckte voller Abenteuer, Begegnungen mit Hexen nicht ausgeschlossen, doch am Ende kamen wir alle siegreich wieder nach Hause, wo ein dampfender Kuchen auf dem Tisch stand und die Mutter unsere Schrammen versorgte. „Riddle of Fire“ fühlt sich an wie eine Plüschdecke und eine heiße Tasse Tee nach einem anstrengenden Tag. Wenn mal jemand nach einem Referenzwerk für die Kategorie „Feelgood-Movie“ sucht: Hier ist es! Bislang der Überraschungshit des Jahres für mich.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: © ANAXIA, Quelle http://www.imdb.com)

The Belgian Wave (2023)

Regie: Jérôme Vandewattyne
Original-Titel: The Belgian Wave
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie, Horror, Roadmovie
IMDB-Link: The Belgian Wave


Meine Damen und Herren, jetzt heißt es aufgepasst! Ich präsentiere die chemische Formel für die stärkste Droge der Welt: H2O. Auf die Frage an Regisseur Jérôme Vandewattyne im Q&A nach Sichtung seiner Science Fiction-Komödie „The Belgian Wave“ nämlich, wie viele Drogen er während der Realisierung dieses irren Trips konsumiert hätte, antwortete dieser mit: „Keine. Nur jede Menge Wasser“. Aber vielleicht finden sich im belgischen Wasser ja bewusstseinserweiterte Substanzen. Denn auf solche irren Bilder muss man erst einmal kommen. Es beginnt mit einem grandiosen Kameradrohnenflug mitten durch einen Rave, und Bilder wie Musik dieser ersten Szene geben schon mal den Ton an für die kommenden 1,5 Stunden. Die Journalistin Karen und der Künstler Elzo, der sich gerne mal LSD-„Microshots“ fit hält, gehen gemeinsam auf einen abgefahrenen Roadtrip, um nach dem Anfang der 90er Jahre verschwundenen Reporter Marc Vaerenbergh zu suchen. Dieser forschte einer Reiher unerklärlicher UFO-Sichtungen über Belgien nach, die als „Belgian Wave“ in die Geschichtsbücher eingehen sollten. Karen und Elzo interviewen zunächst Weggefährten des verschwundenen Reporters, zu dem sie beiden einen sehr persönlichen Bezug haben, doch je tiefer sie in die Geschichte eintauchen, desto abstruser wird diese – bis sie schließlich im ecuadorianischen Dschungel landen und dort lustige Substanzen einwerfen. Alles an „The Belgian Wave“ ist laut und schrill. Zugegeben, ich tat mir schwer, einen Zugang zu dem Film zu finden, der in allen Belangen einfach over the top zu sein scheint, in den psychedelischen Bildern, in der mit wenigen Ausnahmen permanent pulsierenden Musik, in der komplett von der Realität losgelösten schauspielerischen Leistung, doch erkenne ich an, dass das alles handwerklich ausgezeichnet und mit viel Liebe gemacht ist. Allein schon die Tatsache, das alles in 21 Tagen abgefilmt zu haben, nötigt höchsten Respekt ab, aber aus diesem minimalen Zeit- und Geldbudget dann auch noch einen solchen stilistisch eigenen und abenteuerlich geschnittenen Film herauszuholen, ist aller Ehren wert. Wie gesagt, findet man Zugang zu diesem schrillen Trip in Neonfarben, hat man großen Spaß daran. Für alle, die es etwas ruhiger bevorzugen, wird das Erlebnis aber auch schnell mal anstrengend.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Einstein-Rosen (2016)

Regie: Olga Osorio
Original-Titel: Einstein-Rosen
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Kurzfilm, Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: Einstein-Rosen


Die Einstein-Rosen-Brücke ist fester Bestandteil der Popkultur, handelt es sich doch dabei um ein Wurmloch, das, so die Science Fiction, Reisen durch Raum und Zeit ermöglichen soll. Wer ein anständiges Raumschiff durch die Galaxis lenken möchte, muss mindestens einmal in seinem Leben durch ein Wurmloch geflogen sein – frag nach bei Captain Kirk & Co. Die spanische Filmemacherin Olga Osorio findet jedoch einen anderen, ganz eigenen und äußerst charmanten Zugang zu diesem Thema. Sie braucht keine Raumschiffe, sondern nur zwei neugierige und wissbegierige Jungs, die sich altklug über Wurmlöcher und ihre Funktion unterhalten. Und es braucht einen Fußball, und fertig ist ein warmherziger und saukomischer Kurzfilm über eben diese Krümmung der Raumzeit. Klar, die Geschichte trägt nicht weiter als die neun Minuten, die der Film dauert. Man wird sich nicht ewig daran erinnern. Und doch machen diese neun Minuten Spaß. Mit einfachen Mitteln gelingt Osorio große Unterhaltung – der Applaus im Kinosaal war nachvollziehbar und verdient. Wer sich davon überzeugen möchte, muss einfach nur auf den Youtube-Link unten klicken.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

River (2023)

Regie: Junta Yamaguchi
Original-Titel: River
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: River


Was ein kreativer Kopf wie Junta Yamaguchi anfangen kann, hat er bereits in Beyond the Infinite Two Minutes bewiesen, eine schräge Zeitschleifengeschichte voll absurder Komik. Nun kommt mit „River“ sein neuestes Werk – und es handelt sich um eine schräge Zeitschleifengeschichte voll absurder Komik. Doch keine Sorge, ein Déjà-vu haben nur die wunderbar verschrobenen Charaktere der Geschichte, nicht aber die Zuseher. Denn auch wenn Yamaguchi sein Personal wieder durch unendliche zwei Minuten schickt, hat er in „River“ einen anderen Fokus als bei seinem Erstling. Während in „Beyond the Infinite Two Minutes“ die Geschichte mit jeder Zeitschleife schräger wird und die Ebenen genial miteinander verbunden werden, nimmt sich Yamaguchi in „River“ nun die … äh … Zeit, um seine Figuren zu entwickeln. Und er tut das mit viel Liebe und Zuneigung. Schauplatz ist ein friedlicher Gastbetrieb in einem verschlafenen Dorf. Alles geht seinen gewohnten Gang, man kümmert sich um die Gäste, die in separaten Räumen essen, ein heißes Bad nehmen oder arbeiten, es riecht nach Schnee. Kellnerin Mikoto geht mal kurz an die frische Luft, um am Fluss, der durch das Dorf fließt, ein wenig zu meditieren, dann geht sie wieder hinein zu ihren Kolleginnen und Kollegen, räumt Geschirr ab … und findet sich wieder beim Meditieren am Fluss. Doch nicht nur ihr geht es so – auch alle weiteren Kolleg:innen und Gäste scheinen plötzlich in einer Zeitschleife gefangen. Was nicht sonderlich spannend klingt, entfaltet sich aber rasch dank Yamaguchis energiegeladener Regie als Meisterstück der komödiantischen Unterhaltung. Vielleicht erreicht „River“ nicht ganz die Finesse des Erstlingswerks, doch ist man näher an den Figuren dran und entwickelt mit der Zeit eine große Sympathie für sie und ihre Sisyphos-Arbeit. Und so vergeht die Zeit, als würde sie nur zwei Minuten dauern.


7,5 Kürbisse

(Foto: /slash Filmfestival Presse, (c) Busch Media)

Good Boy (2022)

Regie: Viljar Bøe
Original-Titel: Good Boy
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Thriller, Horror, Komödie
IMDB-Link: Good Boy


Er, Christian, ist gutaussehend, charmant, reich und hat Manieren. Sie, Sigrid, ist aufgeweckt, ein wenig verpeilt, herzlich, und bereit, sich in Christian, ihr Tinder-Date, zu verlieben. Wäre da nicht eine kleine Komplikation, nämlich Christians Haustier. Christian tut sich recht schwer, die Rasse seines Hundes Frank zu bestimmen, steckt da doch ein Mensch im Hundekostüm drinnen. Doch Liebe überwindet alle Hürden, und wer ist Sigrid schon, sich über die Fetische anderer Leute zu mokieren? „Good Boy“ von Viljar Bøe ist ein schwarzhumoriger, hundsgemeiner Film – eine groteske Lovestory wie auch ein abgründiger Thriller gleichermaßen. Solche originellen Absurditäten findet man eben beim Slash Filmfestival in Wien, das Perlen des Genrekinos zwischen Horror, Fantasy und Science Fiction zeigt. Das Slash Festival geht dorthin, wo einem das Lachen im Hals steckenbleibt, wenn sich Falltüren öffnen, wo man sie nicht erwartet hat. Dass dieses wunderbare kleine Festival von sehr entspannten Leuten organisiert und ebenso entspanntem Publikum besucht wird, ist noch mal ein Grund mehr, sich den einen oder anderen Film des Festivals zu gönnen. Aber zurück zu „Good Boy“, meinem Auftakt zu insgesamt fünf Filmen, die ich im Rahmen des Slash Festivals sehen möchte. Hätte Viljar Bøe ein stimmigeres Ende für seinen kleinen, fiesen Film gefunden, das nicht komplett im Chaos von Logiklöchern (in diesem Fall: völlig irrationalem Verhalten der Figuren) versinkt, so hätte das ein Überraschungs-Hit des Jahres für mich werden können, so unterhaltsam, wie der Film in seiner ersten Stunde exekutiert ist. Doch am Ende geht Bøe den einfachen Weg, den man von einem schwarzhumorigen Horrorthriller mit Figuren, die im Anblick der Gefahr sämtliche graue Zellen abschalten, eben erwartet. Und das ist dann angesichts der großartigen ersten Stunde schon ein wenig schade.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: © Saban Films, Quelle http://www.imdb.com)