Musikfilm

Die roten Schuhe (1948)

Regie: Michael Powell und Emeric Pressburger
Original-Titel: The Red Shoes
Erscheinungsjahr: 1948
Genre: Drama, Musikfilm
IMDB-Link: The Red Shoes


Rote Schuhe haben in der Filmgeschichte gerne mal besondere Eigenschaften – siehe zum Beispiel „Der Zauberer von Oz„. Warum rote Schuhe im Gegensatz zu grünen Schuhen oder gelben Schuhen so besonders sein sollen, erschließt sich mir nicht ganz, aber vielleicht ist ja Hans Christian Andersen daran schuld, der im 19. Jahrhundert das Märchen von den roten Schuhen geschrieben hat. Eben jenes Märchen möchte nun der große Ballettmanager Boris Lermontov (der österreichische Schauspieler Adolf Wohlbrück, der im englischen Exil als Anton Walbrook arbeitete) auf die Ballettbühne bringen, und zwar mit der jungen, aufstrebenden Tänzerin Victoria Page (Moira Shearer) in der Hauptrolle. Zwar ist Lermontov ein ziemliches Arschloch, doch genießt er in Kunst- und Societykreisen den besten Ruf und verspricht Victoria, aus ihr die größte Tänzerin aller Zeiten zu machen. Gleichzeitig sichert sich Lermontov die Dienste des talentierten Komponisten Julian Craster (Marius Goring), der die Partituren veredeln soll. Die Aufführung der „Roten Schuhe“ wird ein grandioser Erfolg, und die Entourage bereits die wichtigsten Städte Europas, um dort für Furore zu sorgen. Allerdings verkompliziert sich alles, wenn die Liebe ins Spiel kommt. Und so entspinnt sich eine Geschichte rund um Besessenheit, Ruhm und den Preis, den man für diesen zahlen muss. In vielerlei Hinsicht ist „Die roten Schuhe“ eine Art Blaupause für den späteren Darren Aronofsky-Film „Black Swan“. Die Themen sind ähnlich gelagert, und hier wie dort wird die Besessenheit gegen Ende hin mit den Mitteln der Fantastik verdeutlicht. Erstaunlich ist dabei das grandiose Handwerk des 1948 in Technicolor produzierten Films. Vor allem die Ballettszene, in der die „Roten Schuhe“ aufgeführt werden, ist meisterhaft inszeniert. Da verwundert es nicht, dass es Oscars für das beste Szenenbild und die beste Filmmusik gab sowie weitere Nominierungen für den besten Schnitt, das beste Drehbuch und den besten Film. Zwar hat der Film durchaus seine Längen, und die Geschichte selbst ist – trotz ihres allegorischen Wertes – nicht allzu vielschichtig, aber dennoch funktioniert der Film auch heute noch tadellos.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 47 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

Blues Brothers (1980)

Regie: John Landis
Original-Titel: The Blues Brothers
Erscheinungsjahr: 1980
Genre: Musikfilm, Komödie, Roadmovie
IMDB-Link: The Blues Brothers


Nein, man kann sie nicht beschreiben, die Blues Brothers. Man muss diesen wahnwitzigen, stoischen Irrsinn selbst gesehen haben. In diesem Meisterwerk und Kultfilm von John Landis machen sich Dan Aykroyd und John Belushi als Elwood und Jake Blues auf einer Mission im Auftrag des Herrn auf den Weg, die alte Band zusammenzutrommeln, nachdem Jake gerade aus dem Knast entlassen wurde. Die Mission: Genug Geld verdienen, um die Steuerschuld des Waisenhauses, in dem sie aufgewachsen sind, zu begleichen, sodass dieses fortbestehen kann. Dass die beiden es auf ihrem Weg mit dem Buchstaben des Gesetzes nicht so ganz genau nehmen, versteht sich von selbst. Unterwegs singen sie mit Aretha Franklin in einem Diner, zerstören ein Einkaufszentrum, legen sich mit einer Gruppe Nazis aus Illinois und mit Country-Musik-Fans an, werden von einer wütenden Verflossenen mit Sturmgewehr verfolgt (die selige Carrie Fisher) und am Ende von der ganzen Polizei des Staates. Und als wäre das nicht schon genug Wahnsinn, durchleben sie alle Abenteuer so stoisch, als würden sie an einem Freitagvormittag Milch einkaufen gehen. Genau darin liegt der Reiz der „Blues Brothers“. Die beiden Helden wider Willen sind vielleicht die coolsten Socken, die jemals auf Leinwand gebannt wurden. Passend dazu dieses legendäre Zitat:

Elwood: „It’s 106 miles to Chicago, we got a full tank of gas, half a pack of cigarettes, it’s dark … and we’re wearing sunglasses.“
Jake: „Hit it.“

Dazu kommen die vielen kleinen Gastauftritte berühmter Blues- und Soulmusiker wie eben Aretha Franklin, Ray Charles, James Brown oder John Lee Hooker, die den Irrsinn noch komplettieren. Und bei der rhythmischen, knochentrockenen Musik bleibt sowieso kein Tanzbein still – selbst die Polizei macht dann mal eine Pause, wenn die Blues Brothers den Ballsaal zum Kochen bringen.

„We’re so glad to see so many of you lovely people here tonight. And we would especially like to welcome all the representatives of Illinois’s law enforcement community that have chosen to join us here in the Palace Hotel Ballroom at this time. We certainly hope you all enjoy the show. And remember, people, that no matter who you are and what you do to live, thrive and survive, there’re still some things that makes us all the same. You. Me. Them. Everybody. Everybody.“

 


9,0
von 10 Kürbissen

Dance, Girl, Dance (1940)

Regie: Dorothy Arzner
Original-Titel: Dance, Girl, Dance
Erscheinungsjahr: 1940
Genre: Komödie, Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Dance, Girl, Dance


2017 ist das Jahr, das in die Geschichte eingehen wird als jenes Jahr, in dem über die Rolle der Frau und die weibliche Selbstbestimmung in einer männlich dominierten Gesellschaft gesprochen wurde. Gut Ding‘ braucht Weile. Schon 1940 drehte Dorothy Arzner, eine der wenigen Hollywood-Regisseurinnen ihrer Zeit, mit „Dance, Girl, Dance“ einen Film, in dem es um genau diese Themen geht, die fast 80 Jahre später heiß diskutiert werden. „Dance, Girl, Dance“ ist die Geschichte zweier Revue-Tänzerinnen, die von Ruhm und Anerkennung träumen – die eine (Lucille Ball) in Form von Reichtum und gesellschaftlichem Status, die andere (Maureen O’Hara) sieht sich als erfolgreiche Tänzerin im Ballett.  Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch schweißt sie das Schicksal zusammen, als Bubbles, die gekonnt ihre Reize einsetzt, um an das Ziel ihrer Träume, eben ein Leben in Luxus, zu kommen, in einer Burlesque-Show als Tiger Lilly groß herauskommt. Sie, der Star der Show, bietet ihrer alten Freundin Judy einen Job auf der Bühne an. Sie soll das männliche Publikum durch eine unschuldig-naive Ballett-Darstellung zwischen ihren Auftritten scharf auf das heiße Luder Tiger Lilly machen – eine erniedrigende Arbeit, aber die Zeiten sind hart für allein stehende junge Damen, und das Geld ist knapp. Als die rücksichtslose und ehrgeizige Bubbles auch noch ein Auge auf Judys reichen Verehrer wirft, ist endgültig Feuer am Dach.

„Dance, Girl, Dance“ spielt gekonnt mit den Extremen, die von Judy und Bubbles dargestellt werden. Naive Unschuld vs. laszive Verführung. Der Traum von Selbstverwirklichung vs. der Traum von Luxus. Beiden ist aber gemein, dass sie als Frauen in einer männlichen Welt nur über Umwege, Unterordnung und Selbsterniedrigung an ihre Ziele kommen (können). Nirgends wird das deutlicher als in der grotesken Burlesque-Show, wenn zunächst Bubbles als Tiger Lilly den Männern einheizt, der gröhlenden Masse, die sich selbst und die Herrschaft über die weiblichen Reize feiert, und dann Judy, die Unschuld, mit Gelächter und Obszönitäten bedacht wird. In diesen Momenten ist der Film sehr stark. Allerdings kann man durchaus bemängeln, dass das Ende nicht ganz so konsequent ist, wie man sich das vielleicht angesichts der Thematik wünschen würde – hier geht der Film dann Kompromisse ein zugunsten der breiten Massentauglichkeit. Dennoch ein guter, sehenswerter und heute vielleicht besonders aktueller Film.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 46 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

Patti Cake$ – Queen of Rap (2017)

Regie: Geremy Jasper
Original-Titel: Patti Cake$
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Musikfilm, Komödie
IMDB-Link: Patti Cake$


Die 23jährige Patricia (Danielle Macdonald), genannt Patti, hat kein einfaches Leben. Der Vater ist abgehauen, die Mutter bis an den Rand vollgefüllt mit Erinnerungen an Enttäuschungen und mittelschwere Alkoholikerin, die Oma krank, Geld fehlt an allen Ecken und Enden, auch wenn Patti schon das Gehalt von zwei Jobs beisteuert, und aufgrund ihres Übergewichts wird sie gerne mal als „Dumbo“ verunglimpft. Das alles hält sie allerdings nicht davon ab, gemeinsam mit ihrem guten Freund Hareesh und ihrer neuen Bekanntschaft, „Basterd – The Antichrist“ (ein recht schweigsamer Geselle, wenn er nicht gerade zu dämonischen Klängen die Gitarre würgt und seinen Wut über die Konsumschafe, die die Welt bevölkern, hinausbrüllt), an der Verwirklichung ihres Traums arbeitet, eine angesehene Rapperin zu werden. Das alles klingt nicht besonders neu, ist es wohl auch nicht. Viele Handlungsstränge sind recht leicht vorhersehbar, da sich der Film sehr eng an das Narrativ der Außenseiter-findet-Bestimmung-Story hält, und wenn man dieses mal entschlüsselt hat, kann man eigentlich die Szenen schon vorab ankündigen, ehe man sie gesehen hat.  Was den Film allerdings deutlich über viele andere, ähnlich gelagerte Erzählungen hinaushebt, ist die Titelheldin. Patti Cakes ist nämlich vielschichtig und bewundernswert. Man hätte befürchten können, dass sie als Figur auf einige Klischees zusammengedampft wird, aber sie zeigt, nicht zuletzt dank der großartigen und einfühlsamen Leistung von Danielle Macdonald, alle Register der Menschlichkeit: Stärken wie Schwächen, Gewissenhaftigkeit wie Momente, in denen ihr alles entgleitet, Humor wie Trübsal, Selbstbewusstsein (wenn sie beispielsweise ihren Widersacher in einer Rap-Battle fertig macht) wie große Selbstzweifel. Ihre Geschichte wird zudem charmant erzählt und ist keinen einzigen Augenblick lang langweilig. Und so werden auch Zuseher, die mit Rap wenig bis gar nichts anfangen können (so wie ich) ihre Freude mit dem Film und seiner denkwürdigen Heldin haben, trotz überraschungsfreiem Drehbuch. Respect, Boss Bitch!


7,0
von 10 Kürbissen