Musical / Musikfilm

Laika (2017)

Regie: Aurel Klimt
Original-Titel: Lajka
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation, Musical
IMDB-Link: Lajka


Aurel Klimts „Laika“ ist der Film, auf den ich mich im Vorfeld des Crossing Europe Festivals am meisten gefreut habe: Ein Stop-Motion-Musicalfilm über die Hündin Laika, das erste Lebewesen im Weltall. Traurigerweise ist die reale Laika wenige Stunden nach dem Start der Rakete, die sie ins Weltall geschossen hat, verstorben – vermutlich aufgrund des Stresses. Aurel Klimt erzählt die Geschichte ein wenig anders. Denn in seinem Film wird Laika durch ein schwarzes Loch in eine fremde Galaxie gesogen, wo sie auf einem fantastisch anmutenden Planeten neue Freunde trifft – und sich alten Widersachern stellen muss. Aurel Klimt ist mit diesem Film ein kleines Wunderwerk gelungen. Ich habe ja ein Herz für Stop-Motion-Animationsfilme. Die sind so eine gewaltige Fitzelarbeit, und nur wenige Filmemacher tun sich das wirklich an. Im Ergebnis sieht man das Herzblut, das da hineingesteckt wurde, jedoch immer, ob nun in Wes Anderson großartigen Tier-Abenteuern oder bei Charlie Kaufmans „Anomalisa“, um nur zwei Regisseure zu nennen, die auf diesem Gebiet Meisterwerke geschaffen haben. Aurel Klimt muss sich dahinter aber nicht im geringsten verstecken. So bunt, so ideenreich, so herzerfrischend anders und mit so viel lakonischem Humor erzählt ist sein „Laika“, dass jede Minute Freude macht. Ich wünschte nur, ich wäre nicht in der Spätvorstellung um 23 Uhr gesessen, denn ausgeschlafen und fit hätte ich den Film noch mehr genießen können. Aber das wird hoffentlich noch nachgeholt. In der Zwischenzeit singe ich den Titelsong vor mich hin und schunkele dazu mit: „Lai lai lai lai lai Laika, lai lai Laika!“


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

Greatest Showman (2017)

Regie: Michael Gracey
Original-Titel: The Greatest Showman
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Musical, Biopic, Drama
IMDB-Link: The Greatest Showman


Hollywood liebt Geschichten über das Showbusiness. Und wenn diese auch noch in Form eines Musicals erzählt werden, haben Produzenten feuchte Augen vor Freude. „The Greatest Showman“, der lose auf der Biographie von P.T. Barnum, einem Pionier des Zirkus, basiert, war auch ein großer Erfolg. Hugh Jackman darf mal wieder singen (und das tut er ja sehr gerne), Zac Efron darf zeigen, dass er nicht nur gelangweilt aussehen kann, Michelle Williams darf hingegen ausnahmsweise mal gelangweilt sein (und mit Handkuss den wohl beträchtlichen Scheck für ihre Nebenrolle, in der sie hoffnungslos unterfordert ist, einstreifen), und die Sängerin Keala Settle singt mit „This Is Me“ eine der großen Hymnen der vergangenen Filmjahre. Auch ist die Geschichte des Zirkus der Außenseiter unterhaltsam erzählt, und die Showeinlagen wissen durchaus zu überzeugen. So weit, so gut. Allerdings kümmert sich der Film nicht um historische Exaktheit, sondern trampelt sogar mit großen Elefantenfüßen (und das ist wortwörtlich gemeint) auf den historischen Begebenheiten herum. Das ist wahnsinnig schade und unnötig, denn so verkommt der Film zu einer Feelgood-Kitsch-Orgie, das viele ernste und gut gemeinte Themen mit einem Zuckerguss überstreut, der eine eingehendere Beschäftigung fast unmöglich macht. Es fehlen die leisen Zwischentöne. Für einen unterhaltsamen Filmabend reicht es allemal – dafür sorgen allein schon die Schauwerte des Films – aber richtig berühren konnte mich „The Greatest Showman“ nur selten, da er nur zu offensichtlich darauf abzielt, auf die Tränendrüsen zu drücken. Wer dafür empfänglich ist (und das ist völlig wertfrei gemeint), wird seine große Freude an diesem handwerklich gut gemachten und von den Darstellern mit viel Enthusiasmus gespieltem Film haben. Wer es allerdings etwas subtiler mag, wird wohl erschlagen vom Bombast.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 44 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)

 


5,5
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=AXCTMGYUg9A

Yentl (1983)

Regie: Barbra Streisand
Original-Titel: Yentl
Erscheinungsjahr: 1983
Genre: Musical, Liebesfilm, Drama
IMDB-Link: Yentl


„Yentl“ ist die volle Dröhnung Barbra Streisand. Sie hat hier gleich alles gemacht, was man in einem Film so machen kann: Das Drehbuch geschrieben. Regie geführt. Die Hauptrolle übernommen – und zwar gleich die weibliche und männliche zusammen, wenn man so will. Und gesungen hat sie auch. Das sehr schön, aber etwas Anderes wird von Barbra Streisand auch nicht erwartet. Besungen hat sie eine etwas kitschige, aber doch sehr rührige und sensibel erzählte Feminismus-Geschichte. Osteuropa Anfang des 20. Jahrhunderts: Yentl ist eine junge Jüdin, die allein bei ihrem Vater aufwächst, der sie im Talmud und den Wissenschaften unterrichtet – heimlich, da dies Frauen verboten ist. Und als der alte Vater seinen letzten Atemzug getan hat, flüchtet Yentl aus dem Dorf, in dem sie nur Haushaltsarbeit und geschwätzige Weiber erwarten. Sie geht in die Stadt und schleicht sich, als Mann verkleidet unter dem Namen Anshel, in eine Religionsschule ein, wo sie schon bald zu den Besten gehört. Blöd, dass sie sich in ihren Mitstudenten Avigdor verschaut, der wiederum die schöne Hadass heiraten soll, was allerdings abgeblasen wird, als deren Familie vom Selbstmord von Avigdors Bruder erfährt. So einem potentiellen Melancholiker vertraut man den rothaarigen Augapfel der Familie, der noch dazu so gut backen und Tee servieren kann, nicht an. Das wiederum lässt in Avigdor einen verzweifelten Plan reifen, um seiner Hadass doch noch irgendwie nahe zu sein: Anshel soll sich nun um die offene Stelle als Bräutigam bewerben. Und da Anshel/Yentl wiederum selbst so sehr in Avidgor verknallt ist und fürchtet, dass er sich aus dem Staub macht, wenn sie in den aberwitzigen Plan nicht einwilligt, stimmt sie zu. Was macht man nicht alles für die Liebe? Und klar, dass dieses dreifache Versteckspiel nicht lange gut gehen kann. Was nach einer überdrehten Screwball-Komödie klingt, ist, wie schon erwähnt, ein feinfühlig erzähltes Musical-Drama, das seine Figuren ernst nimmt. Auch wenn sie schmachtend singen. (Gut, es singt eh nur die Streisand, das dafür umso öfter und inbrünstiger.) Wer sich am 90bisschen Herzschmerz und vielen schmalzigen Musical-Arien nicht stört, hat an dem Film sicher seine Freude. Unterhaltsam und interessant ist er allemal.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 42 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,5
von 10 Kürbissen

Sirenengesang (2015)

Regie: Agnieszka Smoczyńska
Original-Titel: Córki dancingu
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Musical, Komödie, Horror, Fantasy
IMDB-Link: Córki dancingu


Um den ersten polnischen Musical-Film der Geschichte, „Sirenengesang“, beschreiben zu können, muss man erst einmal tief durchatmen und dann ein paar Schluck Hochprozentiges zu sich nehmen (oder besser ein paar Gläser). So wird das was. Man liegt auf einer Wellenlänge mit dem Film. Und die Wellenlänge bietet auch gleich eine schöne Überleitung zum Inhalt dieses 80er Jahre-Horror-Komödien-Musicals: denn es geht um die zwei blutjungen Meerjungfrauen Silver und Golden, die, wenn sie nicht gerade Menschen die Kehle aufbeißen, ihr Herz herausreißen und aufessen, als Sängerinnen/Stripperinnen in einem Nachtclub engagiert werden, wo sie zur Sensation avancieren. Blöd nur, dass sich eine der beiden, die blonde Silver, in den Bassisten verknallt. Denn Liebe ist für Meerjungfrauen nicht nur ein seltsames, sondern auch ein gefährliches Spiel: Wenn der Auserkorene nämlich dann doch eine Andere ehelichen sollte, löst sich die verschmähte Meerjungfrau in Schaum auf. Das weiß natürlich Golden, die dunkelhaarige Schwester, die Silver davon abhalten möchte, dieses Risiko einzugehen. Überhaupt ist Golden durchaus pragmatischer veranlagt als ihre Schwester, und wenn sie Hunger hat, verspeist sie auch schon mal einen ostdeutschen Trabifahrer am See. Und doch geht die Liebe ihrer Schwester nicht ganz spurlos an ihr vorbei, und sie lernt ein Gefühl kennen, das sie bisher nicht kannte: Einsamkeit. „Sirenengesang“ ist schrill und absurd. Die Story ist sprunghaft, die Nebenfiguren bleiben eindimensional im Hintergrund (und haben nicht einmal Namen), die Musik klingt so, als hätte sich Stephen King an Europop versucht, und die Hälfte der Zeit rennen die beiden (durchaus ansehnlichen) Hauptdarstellerinnen barbusig durch die Gegend. Das sind aber überraschenderweise keine Schwächen des Films, sondern der Wahnsinn hat hier Methode. Konventionen des Filmschaffens und Genregrenzen werden hier mit Leichtigkeit hinweggefegt. Das Ergebnis mag durchaus anstrengend sein für viele Zuseher, die sich eben lieber an Altbewährtem orientieren möchten, aber ist durchaus erfrischend für jene, die es gerne bunter, schriller und trashiger haben.


7,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=PJB5hctnxQQ

Across the Universe (2007)

Regie: Julie Taymor
Original-Titel: Across the Universe
Erscheinungsjahr: 2007
Genre: Musical, Liebesfilm
IMDB-Link: Across the Universe


Zugegeben, Musicals gehören weder zu meinen präferierten Genres noch zu jenen, in denen ich mich gut auskenne. Aber ein Musicalfilm mit über 30 Beatles-Songs? Count me in! „Across the Universe“ von Julie Taymor erzählt die Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen Jude (Jim Sturgess), einem Arbeiter mit künstlerischer Ader aus England, der in den USA nach seinem Vater sucht, und Lucy (Evan Rachel Wood), einer amerikanischen Studentin aus gutem Haus, die sich durch ihren Bruder Max (Joe Anderson) kennenlernen. Es sind die 60er-Jahre, die Haare werden länger, die Mienen der Eltern säuerlicher und als Gespenst im Hintergrund spukt der Vietnam-Krieg. Die Sorglosigkeit der jungen Liebenden wird schließlich auch durchbrochen von den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen jener Zeit. „Across the Universe“ beginnt etwas zäh, da das zunächst liebliche Setting mit den singenden, hüpfenden Dandys nicht wahnsinnig interessant und originell wirkt. Aber mit Fortdauer der Spieldauer (von immerhin über zwei Stunden) und auch korrelierend zu der zunehmenden Experimentierfreude der Beatles, die sich in ihren späteren Jahren von der grinsenden Gute-Laune-Boyband, die Mädels aller Altersklassen zum Kreischen bringt, zu Free Spirits mit langen Haaren und bunten Hemden gemausert haben, nimmt auch der Film an Fahrt auf und überzeugt im Mittelteil mit einigen sehr schrägen, sehr psychedelischen Sequenzen. Inhaltlich bleibt das alles recht beliebiges Stückwerk, was auch der Tatsache geschuldet ist, dass sich der Film am Inhalt der Songs entlanghangeln muss – was immer eine schwierige Gratwanderung zwischen Crowd Pleasing und dramaturgischer Spannung bedeutet. Dennoch kann der Film trotz dieser Schwächen bis zum Ende hin fesseln, und die bunten Psychedelic-Ausflüge im Mittelteil (mit einem Bono von U2 als zugedröhntem Rockstar) werden sicher länger in Erinnerung bleiben.


6,5
von 10 Kürbissen

Mamma Mia! (2008)

Regie: Phyllida Lloyd
Original-Titel: Mamma Mia!
Erscheinungsjahr: 2008
Genre: Musical, Komödie
IMDB-Link: Mamma Mia!


„Mamma Mia!“ ist: Ein totaler ABBA-Overload. Eine eineinhalbstündige Griechenland-Werbung. Eine hauchdünne Story. Amanda Seyfrieds Lächeln. Ein erbarmungswürdiger, aber bemüht singender Pierce Brosnan. Ein Colin Firth, der direkt vom Bridget Jones-Set nach Griechenland gekommen ist. Ein Stellan Skarsgaard gegen den Strich besetzt, was ihm zeitweise wohl auch gegen den Strich geht. Eine der wenigen Rollen, für die Meryl Streep keine Oscar-Nominierung erhalten hat. Amanda Seyfrieds strahlendes Lächeln. Die Demonstration dessen, was die Menschheit mal machen wird, wenn jemand endlich das Beamen erfunden hat – nämlich plötzlich hunderte tanzende Menschen auf einem bis dato menschenleeren Strand auftauchen lassen. Ein wirklich eindrucksvolles blaues Meer. Sex on the Beach (auch wenn darüber nur geredet wird). Singen. Tanzen. Lachen. Ein Feelgood-Movie also, in dem Probleme einfach weggesungen werden. Amanda Seyfrieds unbeschreibliches Lächeln, in das man sich sofort verliebt. Die Erfindung des Flossenmarschiertanzes (allein dafür muss der Film ins National Film Registry zur Bewahrung für Nachwelten aufgenommen werden). Dancing Queens. Malerische Kapellen auf Klippen. Verwirrte Pfarrer. Griechische Fischer. Ein Mitgrund für die Verschuldung Griechenlands, denn diese Werbeeinschaltung hat richtig Geld gekostet. Und erwähnte ich schon Amanda Seyfried, die man vom Fleck weg heiraten möchte? Singen kann sie auch noch wie keine zweite und rettet damit sogar selbst einen Pierce Brosnan aus manch aussichtsloser Lage. In Summe: Wer ABBA-Songs mag und einfach mal eineinhalb Stunden schöne Bilder und nette Songs genießen möchte, macht mit „Mamma Mia!“ nichts falsch. Manchmal habe ich auch solche Tage – und so funktioniert für mich der Film richtig gut.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 45 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Leningrad Cowboys Go America (1989)

Regie: Aki Kaurismäki
Original-Titel: Leningrad Cowboys Go America
Erscheinungsjahr: 1989
Genre: Komödie, Roadmovie, Musikfilm, Satire
IMDB-Link: Leningrad Cowboys Go America


Diesen Film muss man erst einmal sacken lassen. Der braucht eine Weile, um kognitiv verarbeitet zu werden. Aber weil es eh irgendwie wurscht ist, kann man eine Filmkritik auch nach Art der Leningrad Cowboys schreiben, nach dem Motto „Scheiß drauf, wir machen das jetzt einfach“. Denn so funktioniert der Film, so funktionieren die Leningrad Cowboys. Gerade noch in der finnischen Tundra von einem Plattenchef abgelehnt worden mit dem Hinweis, „Geht nach Amerika, die kaufen dort jeden Scheiß“, sitzen sie  mit ihren imposanten Haartollen schon im Flugzeug, den beim Üben im Freien erfrorenen Bassisten im Gepäck, und machen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten unsicher. Und weil das Land eben unbegrenzte Möglichkeiten bietet, spielt man von Rock’n’Roll über Country alles, was gerade verlangt wird. So richtig zündet die Mischung aus stoischer Coolness, Haargel und Posaunen nicht beim Publikum, aber man schlägt sich durch, bis man schließlich in Mexiko groß aufspielt. Und das, obwohl es manchmal vom diktatorischen Manager (Matti Pellonpää) nur rohe Zwiebeln zum Essen gibt, während er sich saftige Filetsteaks hineinzieht. Man kommt nie aus dem Takt. Ein bisschen ist „Leningrad Cowboys Go America“ die satirische und durch und durch finnische Antwort auf die Blues Brothers, die wiederum selbst ein satirischer Kommentar auf die Musikszene in den USA sind. Die Blues Brothers sind schon irre, aber gegen die Leningrad Cowboys erscheinen sie zahm wie die Wiener Sängerknaben. Nicht jeder Witz dieses episodenhaft angelegten Klamauk zündet, aber irgendwie ist das egal, denn allein schon die Frisuren sorgen dafür, dass man die ganze Zeit über Spaß hat. Und weil das mit den Frisuren so gut funktioniert hat, wurde aus der von Kaurismäki erdachten fiktiven Band tatsächlich eine echte mit breiter Fanbasis über den ganzen Planeten. Life imitates art.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 48 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,0
von 10 Kürbissen

Der Zauberer von Oz (1939)

Regie: Victor Fleming
Original-Titel: The Wizard of Oz
Erscheinungsjahr: 1939
Genre: Fantasy, Musical
IMDB-Link: The Wizard of Oz


„Transported to a surreal landscape, a young girl kills the first person she meets and then teams up with three strangers to kill again.“ Diese ironische Kurzbeschreibung von „Der Zauberer von Oz“ aus dem Jahr 1998 ging vor einigen Jahren viral. Und ja, wenn man allzu genau auf den Inhalt oder das Storytelling oder die völlig flachen Figuren schaut, dann kann man diesem Klassiker von Victor Fleming nach dem Kinderbuch von L. Frank Baum nicht attestieren, gut gealtert zu sein. An dieser Stelle kommt nun das Aber. Aber das alles ist irrelevant, wenn sich die bezaubernde Judy Garland bei „Somewhere Over the Rainbow“ in ein fernes Land träumt, wenn die Vogelscheuche ihre wilden Sprünge macht, der ängstliche Löwe angesichts des Zauberers in Ohnmacht sinkt oder die Munchkins begeistert „Ding Dong, the Witch is Dead“ singen. Denn auch heute noch hat dieser Film seinen eigenen Zauber. Ist es der Kontrast zwischen der kargen, in Sepia gehaltenen Kulisse der realen Welt und der quietschbunten Zauberwelt von Oz? Sind es die eingängigen, fröhlichen Songs? Die Liebe zum Detail und der Versuch, mit den geringen technischen Mitteln der 30er Jahre eine magische Welt aufzubauen, in der es fliegende Affen und sich in Explosionen auflösende Hexen gibt? Denn auch wenn die Special Effects aus heutiger Sicht lächerlich und unbeholfen wirken, so verfehlen sie dennoch nie ihr eigentliches Ziel: Die Erzeugung einer Illusion, die den Zuseher gefangen nimmt. Und da spielt es plötzlich keine Rolle, ob man die Seile, an denen die Hexe geknüpft ist, um sie fliegen zu lassen, sehen kann – denn man ist in diesem Moment so gefangen von der liebevollen, detailreichen Illusion, dass der Film dennoch funktioniert. „Der Zauberer von Oz“ ist ein wunderbares, bonbonbuntes Stück Eskapismus in Reinkultur mit einer netten Botschaft am Ende, und er wird auch in den nächsten 100 Jahren nichts an Charme und Bedeutung verlieren.


8,5
von 10 Kürbissen

A Very Murray Christmas (2015)

Regie: Sofia Coppola
Original-Titel: A Very Murray Christmas
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Komödie, Musikfilm, Weihnachtsfilm
IMDB-Link: A Very Murray Christmas


Ich habe Netflix. Seit heute. Was gleichbedeutend ist mit: Ich habe kein Leben mehr. Jedenfalls nicht außerhalb von Netflix. Den Auftakt meines Netflix-Lebens hat nun jener Film gemacht, der mich vor zwei Jahren schon fast dazu bewogen hätte, einen Netflix-Account einzurichten: „A Very Murray Christmas“ von – man lese und staune – Sofia Coppola. Dieser eigens produzierte Weihnachtsfilm handelt von einem schlecht gelaunten Bill Fucking Murray (Zitat Woody Harrelson in „Zombieland“), der in einem Hotel live eine Weihnachtsshow moderieren soll. Das Problem ist: Ganz New York ist eingeschneit, alles steht still – und die Gäste können nicht kommen. Kein George Clooney.  Keine Iggy Azalea. Kein Papst Franziskus. Lediglich Chris Rock verirrt sich in die Hotellobby und wird prompt zu einer Gesangsnummer eingeteilt. Als aber dann auch noch der Strom ausfällt, ist wirklich Feierabend, und Bill Murray zieht sich in die Hotelbar zurück, wo er mit den Angestellten Weihnachtslieder singt, bis der Sliwowitz einfährt.

„A Very Murray Christmas“ ist definitiv ein Weihnachtsfilm, den man gesehen haben sollte. Wenn Bill Murray und Sofia Coppola einfach auf alles pfeifen und die Szenen in puren Dadaismus abgleiten lassen, ist das gelebte cineastische Anarchie. Großartig! Nur leider hält der Film das nicht immer durch, und manche Passagen sind schlicht langweilig. Auch die Story ist nicht mehr als eine Entschuldigung dafür, Bill Murray und Gäste eine Stunde lang Weihnachtslieder singen zu lassen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt und ein ähnlicher großer Bill Murray-Fan ist wie Woody Harrelson, sollte einen Blick riskieren. Ein richtiger Film ist das eigentlich nicht. Aber es macht trotzdem Spaß.


6,0
von 10 Kürbissen

Du bist nicht allein – Die Roy Black Story (1996)

Regie: Peter Keglevic
Original-Titel: Du bist nicht allein – Die Roy Black Story
Erscheinungsjahr: 1996
Genre: Biopic, Drama, Musikfilm
IMDB-Link: Du bist nicht allein – Die Roy Black Story


Roy Black war tatsächlich ein Held meiner Kindheit. „Ein Schloss am Wörthersee“, dieser Straßenfeger, lief auch bei uns im Fernsehen rauf und runter. Meine allererste Schallplatte, die ich mir als Knirps von meinem eigenen Taschengeld gekauft habe, war eine von Roy Black. Das hat sich mittlerweile ausgewachsen, zum Glück, aber ja, das waren meine musikalischen Anfänge. Und Roy Black war gewissermaßen auch Christoph Waltz‘ Anfang, jedenfalls war das eine der ersten Rollen, für die er vielfach beachtet wurde. Und ich muss sagen: Waltz spielt nicht Roy Black, er ist Roy Black. Seine darstellerische Leistung in diesem Biopic von Peter Keglevic ist schlicht herausragend. Die Qualität seiner Arbeit wird nur noch sichtbarer, wenn man den Rest des Casts durch den Film stümpern sieht. Ganz schlimm ist Wolfgang Bathke als Roy Blacks Manager Bertram. Ich weiß ja nicht, was Bathke hauptberuflich so gemacht hat, aber mit Schauspiel hatte das jedenfalls nichts zu tun. Und dieser Dilettantismus, dieses Überdrüber-Pathos im Spiel, im Drehbuch, in der Musik, zieht sich durch den ganzen Film. Er hat auch seine Momente, keine Frage, so bemüht sich der Film, ein ungeschöntes Bild des Schlagerhelden zu zeichnen und gewinnt dabei gegen Ende hin, als es in Richtung Absturz geht, auch eine gewisse Dringlichkeit, aber da ist der Karren schon längst an die Wand gefahren. Wäre da nicht eben der mittlerweile zweifache Oscar-Preisträger Christoph Waltz, der mit seinem Charisma und seinem feinen, nuancierten Spiel so ziemlich jede schlechte Szene rettet und die guten Szenen zur Denkwürdigkeit führt. So gibt’s höchstens (und auch nur dank des recht eindringlichen letzten Drittels) vier Punkte für den Film selbst, aber mindestens einen Waltz-Punkt obendrauf.


5,0
von 10 Kürbissen