Liebesfilm

Chucks (2015)

Regie: Sabine Hiebler und Gerhard Ertl
Original-Titel: Chucks
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Chucks


Die 18-jährige Mae (Anna Posch) ist das, was man bei uns in Wien gemeinhin als Kretzn bezeichnet. Für Konformität hat sie nicht viel übrig, sie zeigt ihrem Leben und allen Menschen darin lieber den Mittelfinger. Eines Tages überspannt sie den Bogen allerdings ein wenig und wird zu Sozialarbeit verdonnert. Und zwar in einer Beratungsstelle für AIDS-Erkrankte. Dort lernt sie den 21-jährigen Paul (Markus Subramaniam) kennen, der mit einer Kombination aus AIDS und Hepatitis C den Jackpot gezogen hat, wie er selbst süffisant bemerkt. Für die Lebenserwartung sieht das nicht gut aus. Dennoch entwickelt sich zwischen Mae und Paul allmählich eine zarte Liebesgeschichte, und wir erleben die Wandlung der Widerspenstigen zum sanften Lamm, die beim Stricken sogar häusliche Anwandlungen zeigt. Soweit klingt das alles mal recht nett und erbaulich. Allerdings hängt das Gelingen solcher Liebesgeschichten meiner Meinung nach sehr von der Chemie zwischen den Hauptfiguren bzw. den Darstellern ab. Und gerade in Bezug auf diesen wichtigen Punkt fährt „Chucks“ leider ziemlich an die Wand. Denn Anna Posch ist zwar bemüht und in der Rolle als Mae auch gut besetzt, aber unterm Strich (vor allem, wenn man sich die Vergleiche mit Cornelia Travniceks Buch-Vorlage ansieht, was dann dem Drehbuch anzukreiden ist) wohl zu brav, um den Zuseher emotional herauszufordern. Und Markus Subramaniams Spiel muss man leider als hölzern bezeichnen. So wird die Liebesgeschichte recht emotionslos abgespult, und darunter leidet wiederum die Glaubwürdigkeit der Figuren. Und was will man mit einer Love Story, die nicht berührt? Das ist, als würde man sich im gestandenen Wiener Wirtshaus ein Seitan-Schnitzel bestellen. Es sieht so aus wie ein Schnitzel, aber so richtig an das Geschmackserlebnis eines tatsächlichen Schnitzels kommt es nicht heran. Nun aber: Mahlzeit!


4,5
von 10 Kürbissen

Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt (2012)

Regie: Lorene Scafaria
Original-Titel: Seeking a Friend for the End of the World
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Liebesfilm, Komödie, Drama, Roadmovie
IMDB-Link: Seeking a Friend for the End of the World


Was würdet ihr tun, wenn ein gewaltiger Asteroid auf die Erde zuhält, in drei Wochen alles Leben auslöschen wird und jegliche Hoffnung auf Rettung vergebens ist? Das Naheliegende ist wohl, sich in den Kreis seiner Familie und Freunde zu begeben und hemmungslos alles zu tun, was bislang verboten oder moralisch anrüchig war. Weil: Who cares? Dodge Petersen (schön zurückhaltend gespielt von Steve Carell), ein Versicherungsmakler, dem angesichts der Apokalypse die Ehefrau schneller weggerannt ist als er „Asteroid“ sagen konnte, tut nichts von alledem. Für eine Midlife-Crisis ist es zwar schon reichlich spät, aber wenn man sonst nichts mehr hat, bleibt halt nur das Selbstmitleid. Da helfen auch Aufmunterungs- und Verkuppelungsversuche der Freunde nichts. Doch dann schneit überraschend seine deutlich jüngere Nachbarin Penny (Keira Knightley, als Hippie-Mädchen vielleicht nicht ganz glaubwürdig, aber charmant) in sein Leben. Diese hat den letzten Flug zu ihrer Familie verpasst und ist dementsprechend geknickt. Gemeinsam machen sich die beiden unterschiedliche Charaktere auf den Weg, um Penny doch noch mit ihrer Familie zu vereinen und Dodges alte Jugendliebe aufzusuchen. „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ von Regie-Debütantin Lorene Scafaria, die auch fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet, baut voll und ganz auf das Gedankenexperiment, das wohl jeder von uns schon mal durchgedacht hat. In der Darstellung dieses Szenarios findet sie aber – trotz gut eingesetztem Humor – eher leise Töne, die dem Film gut stehen. Die Grundstimmung des Films ist wohl leicht melancholisch mit überraschend zarten Anklängen zwischendurch. Der Humor fügt sich gut ein und ist nie aufdringlich. Zwar hüpft Scafaria im letzten Drittel des Films durchaus in die Kitsch-Pfütze, aber dennoch ist „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ vor allem dank Steve Carell ein Feelgood-Movie, das man wirklich gerne sieht. Und das auch länger nachhallt. Aber jetzt will ich von euch wissen: Was würdet ihr tun, wenn in drei Wochen die Welt unrettbar unterginge?


7,0
von 10 Kürbissen

The Souvenir (2019)

Regie: Joanna Hogg
Original-Titel: The Souvenir
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: The Souvenir


Eine Swinton fällt nicht weit vom Stamm. Es ist keine Überraschung, dass Tilda Swintons Tochter Honor Swinton Byrne ebenfalls mit dem Talent zum Schauspiel gesegnet ist. Das kommt Joanna Hogg für ihren Film „The Souvenir“ sehr entgegen, denn sie weiß, dass sie sich darauf verlassen kann, dass Swinton Byrne zusammen mit Tom Burke trägt. Die beiden spielen ein eher ungleiches Paar: Sie, Anfang zwanzig, studiert an der Filmhochschule und wirkt zunächst mal schüchtern und naiv (ein Alter Ego der Regisseurin selbst, die mit diesem Film ihre künstlerischen Anfänge auf die Leinwand bringt). Er, deutlich älter, arbeitet für ein Ministerium und hat neben polierten Manieren, einen erlesenen Musikgeschmack und viel zu viel Geld auch ein Drogenproblem. Da findet zusammen, was nicht zusammen gehört – und doch scheint es irgendwie zu funktionieren. Genauso wie Hoggs Film: Man weiß gar nicht so recht, woran es liegt, dass der Film funktioniert, aber er tut es. Und das, obwohl die Story selbst recht dünn ist, obwohl die Dialoge manchmal etwas artifiziell wirken, obwohl der Film da wegschneidet, wo es für den Zuseher interessant zu werden beginnt. Andererseits ist gerade diese Beiläufigkeit die wohl größte Stärke von Joanna Hogg. Wenn sie von einer Venedig-Reise erzählen will, dann reicht es ihr aus, einmal kurz das Panorama der Lagunenstadt zu zeigen und dann eine kurze Sequenz in einem mondänen Hotel in einem Palazzo, und man weiß eigentlich alles über die Reise, was man wissen muss. Venedig halt, eine Reise mit Höhen und Tiefen, nicht die versprochene Verheißung, aber eh okay. Und so geht Hogg mit fast allen Situationen um. Selbst das Drogenproblem des Geliebten wird mit Ausnahme von einer einzigen (dafür sehr bedrückenden) Szene nur indirekt erzählt. Zugegeben, ich bin nur noch unschlüssig, ob ich diese Art und Weise zu erzählen mag. Über die Laufzeit von zwei Stunden hat sich auch die eine oder andere Phase der Fadesse eingestellt, die dann wieder durchbrochen wurde von einer plötzlich auftauchenden genialen Szene. Eines ist aber klar: Joanna Hogg hat für sich eine sehr außergewöhnliche filmische Sprache mit hohem Wiedererkennungswert gefunden. Und wenn die geplante Fortsetzung des Films in die Kinos kommt, werde ich mir diesen Film mit Sicherheit ansehen, um mein Bild von dieser Regisseurin zu schärfen.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

The Days to Come (2019)

Regie: Carlos Marques-Marcet
Original-Titel: Els dies que vindran
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Liebesfilm
IMDB-Link: Els dies que vindran


Dass ein Film davon erzählt, wie sich eine Schwangerschaft auf die Beziehung auswirkt und die werdenden Eltern dazu zwingt, sich damit auseinanderzusetzen, wer sie sind und was sie im Leben wollen, ist nicht unbedingt ein neues Thema. In dieser Konsequenz umgesetzt wie in Carlos Marques-Marcets „The Days to Come“ hat man es aber vielleicht noch nie. Als Kinopublikum ist man bei der Schwangerschaft und gleich bei zwei Geburten wirklich dabei. Hierin besitzt der Film dokumentarische Qualitäten. Carlos Marques-Marcet heuerte für „The Days to Come“ kurzerhand ein befreundetes Pärchen an, das tatsächlich ein Kind erwartete. Wie viel von den realen Konflikten in das Drehbuch schließlich einfloss, bleibt wohl ein Geheimnis, aber eines ist klar: Authentischer kann an einen Spielfilm eigentlich gar nicht drehen. Dass der Film aber dennoch einem klaren roten Faden folgt und dramaturgisch interessant aufgebaut ist, verdankt er wiederum der Strukturierung durch Carlos Marques-Marcet, der dann am Ende doch die Zügel fest in der Hand hielt. Das Resultat ist eine banale Geschichte, wie man sie dutzendfach im eigenen Umfeld erleben kann im Laufe des Lebens, die aber dank der gut aufspielenden Hauptdarsteller und eben des ungeschönten Blicks, den Carlos Marques-Marcet auf die Beziehung wirft, von Anfang bis Ende spannend bleibt. Die Frage ist weniger, ob das Paar die Probleme, die sich auftun, lösen kann, sondern wie, und wie viel davon einfach geschieht, weil sich die Perspektiven im Leben ändern und man durch die Elternschaft gewissermaßen neu adjustiert wird, was den persönlichen Fokus betrifft. In dieser Hinsicht ist „The Days to Come“ absolut gelungen. Dass vielleicht der eine oder andere dramaturgische Höhepunkt fehlt, ist für den Anspruch der Authentizität bewusst in Kauf genommen worden. Aber auch so ist „The Days to Come“ ein sehr sehenswerter Film geworden.


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

Asche ist reines Weiß (2018)

Regie: Jia Zhangke
Original-Titel: Jiang Hu Er Nü
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Jiang Hu Er Nü


Jia Zhangke gehört zu den am meisten gefeierten chinesischen Regisseuren der Gegenwart. Mit „Asche ist reines Weiß“ erzählt der vielfach prämierte Filmmacher in drei Akten von einer Liebesgeschichte, die von der Jahrtausendwende bis in die Gegenwart reicht und fast beiläufig die gesellschaftliche Entwicklung Chinas innerhalb dieser Zeit sichtbar macht. Bin (Liao Fan) ist ein lokaler Gangster, der über die Bruderschaft, eine Art mafiöser Verbindung, herrscht und den lokalen Unternehmen und Mafiabossen gerne mal bei kleineren Geschäften zur Hand geht. Seine Freundin Qiao (Zha Tao) unterstützt ihn nach Kräften. Doch schon bald erfährt ihre Beziehung eine Zäsur, als Qiao von Jugendlichen fast totgeschlagen wird und Qiao, eine toughe und eigensinnige Frau, rettend eingreift, indem sie mit Bins illegal erworbener Pistole die Angreifer in Schach hält. Das Problem: Sie geht dafür für fünf Jahre ins Gefängnis. Und während sie ihre Zeit absitzt, besucht sie Bin, der nur ein Jahr ausgefasst hat, kein einziges Mal. Aus dem Gefängnis entlassen führt sie ihr erster Weg zum Drei-Schluchten-Damm, an dem Bin nun als Geschäftsmann für ein Kraftwerk tätig sein soll. Denn sie hat mit der Vergangenheit und der Liebe nicht abgeschlossen. „Asche ist reines Weiß“ ist vor allem in diesem Mittelteil, der Reise zu den drei Schluchten, sehenswert. Qiao, die im Mittelpunkt der Erzählung steht, wird hier als starke Frau gezeigt, die weiß, was sie will – und was sie nicht will. Gleichzeitig werden die gesellschaftlichen Chinas sichtbar. Die Mächtigen von früher verstecken sich vor ihrer Vergangenheit, und die kleinen Ganoven sind aufgestiegen. Warum „Asche ist reines Weiß“ bei mir dennoch nicht gezündet hat, liegt an zwei Dingen: Zum Einen der leider fürchterlichen Synchronisation, aufgrund derer viele Dialoge klingen, als wären sie schlechten Seifenopern entnommen. Gut, dafür kann der Film selbst nicht, wenngleich schon auch die Qualität vieler Dialogzeilen oberflächlich angelegt ist. Das größere Problem ist allerdings, dass der Film mit seiner stattlichen Laufzeit von 2,5 Stunden viele Leerstellen aufweist, die an die Substanz gehen. Vor allem der dritte Akt zieht sich wie ein Kaugummi. Hätte Jia den Film bei den drei Schluchten enden lassen, wäre der Film für mich stimmiger und interessanter gewesen. Aber gerade der dritte Akt, der die Themen Buße und Versöhnung behandelt, wird zur Geduldsprobe. Daher schlurfte ich am Ende ziemlich müde aus dem Kino, froh darüber, dass der Film dann doch irgendwann ein Ende gefunden hat. Jia Zhangke hat sich damit noch nicht in die Riege meiner Lieblingsregisseure geschoben, aber interessant genug ist der Film, dass ich durchaus weitere Filme des Regisseurs sehen möchte, um das Bild zu schärfen.


5,5
von 10 Kürbissen

Buffalo ’66 (1998)

Regie: Vincent Gallo
Original-Titel: Buffalo ’66
Erscheinungsjahr: 1998
Genre: Liebesfilm, Krimi, Roadmovie, Drama
IMDB-Link: Buffalo ’66


Einer der 1001 Filme, die man gesehen haben muss, ehe das Leben vorbei ist, ist „Buffalo ’66“ von Vincent Gallo. Das ist der Typ, der Chloë Sevignys Karriere in Bedrängnis brachte, weil er mit ihr zusammen in „The Brown Bunny“ allzu offenherzig die Freuden des Oralsex vor der Kamera zeigte, dem ein medienwirksamer Beef mit Kritikerpapst Roger Ebert folgte, aber das ist eine andere Geschichte. In seinem Regiedebüt „Buffalo ’66“ geht es gemäßigter zu. Billy Brown (Vincent Gallo) kommt gerade aus dem Knast und muss erst mal pissen. Man kennt das ja. Und natürlich: Keine Toilette weit und breit in Sicht. Dafür aber die junge Layla (Christina Ricci), die der Häfnbruder mit der vollen Blase kurzerhand entführt. Und das, weil er seinen Eltern (Anjelica Huston und Ben Gazzara) vorgegaukelt hat, er wäre ein erfolgreicher Staatsbediensteter und glücklich verheiratet. Ersteres ist angesichts seiner Jahre in Staatsgewahrsam vielleicht noch Interpretationssache, Zweiteres lässt sich aber ohne passender Frau an seiner Seite nicht so einfach hinbiegen. Daher die Entführung. Und nach anfänglicher Skepsis spielt das Mädel dann auch brav mit, woraufhin sich allmählich tatsächlich zarte Gefühle einstellen, was Billy Brown zusehends verunsichert. Denn bald zeigt sich: So hart, wie er tut, ist er eigentlich gar nicht. „Buffalo ’66“ könnte ein amüsanter Film für zwischendurch sein, ein leicht schräges Independent-Komödien-Drama mit richtig guter Besetzung und ein paar witzigen Einfällen. Könnte. Ist er aber nicht. Und das liegt vor allem an Vincent Gallo selbst. Meine Kollegin in der Arbeit würde sagen: Eine Fresse wie ein Briefkasten. Links und rechts zum Hineinhauen. Sage ich natürlich nicht, denn das ist ja ein seriöser Blog. Husthust. Aber das Grundproblem von „Buffalo ’66“ ist tatsächlich, dass mir die empathielose, selbstsüchtige und gewaltbereite Hauptfigur von Anfang bis Ende auf die Nerven gegangen ist und ich ihr die Katharsis nicht vergönnt habe. Auch Christina Riccis Charakter stellte mich vor Probleme. Zwar ist ihre Layla gut gespielt (die Ricci kann schon was, keine Frage), aber ich glaubte ihr die aufkeimenden Gefühle einfach nicht. Auf welcher Basis? Liebe macht blind, sagt man. Okay. Aber blind und deppert? So hat mich „Buffalo ’66“ eher ärgerlich gemacht als gut unterhalten. Und was „The Brown Bunny“ betrifft: Die berühmte Szene gibt es kostenlos auf einschlägigen Internetseiten zu bewundern. Den ganzen Film tue ich mir wohl eher nicht an.


3,0
von 10 Kürbissen

Beale Street (2018)

Regie: Barry Jenkins
Original-Titel: If Beale Street Could Talk
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: If Beale Street Could Talk


Barry Jenkins hat schon mit Moonlight gezeigt, dass er ein gemäßigtes Erzähltempo bevorzugt und den Figuren Raum gibt, sich zu entfalten. Das ist etwas Wunderbares, was ich persönlich auch schätze. Wenn man allerdings um 23 Uhr vor den Oscars in seinem neuesten Werk sitzt, birgt das gemächliche Tempo das Risiko, tief in den Sessel zu versinken und die Geschichte in den eigenen Träumen weiterzuspinnen. Wenn man das nicht will, weil man der eigenen Fantasie misstraut, kann aus der Sichtung des Films dann schon mal ein knallharter Kampf gegen sich selbst werden. „Stirb langsam“ ist ein Kindergeburtstag dagegen. Aber wach zu bleiben, lohnt sich schon, denn die Geschichte rund um das junge Paar Tish (KiKi Layne) und Alonzo (Stephan James), das Opfer einer rassistischen Intrige wird, ist schon sehenswert. Die Bilder sind grandios, der Soundtrack ist eingängig, das Schauspiel überzeugend. Vor allem Regina King, die völlig zurecht den Oscar als beste Nebendarstellerin einheimsen konnte, ist ein Ereignis. Sie spielt Tishs Mutter mit Wärme und Stärke und wird so trotz weniger Szenen zum Herzstück des Films. Auch die Dialoge und Figurenentwicklungen können durch die Bank überzeugen, aber da hatte Barry Jenkins mit dem Roman von James Baldwin auch eine dankbare Vorlage. Dennoch ist „If Beale Street Could Talk“ ein Film, der nicht jeden mitreißen wird. Ich hatte ähnliche Probleme wie mit „Moonlight“: Beide Filme überzeugen mich handwerklich zu 100% und ich erkenne ihre hohe Qualität an, aber sie nehmen mich emotional nicht so wirklich mit. Barry Jenkins ist ein Könner, aber seine Kunst erreicht mich dann am Ende doch nicht so ganz. Trotzdem kann ich nur wärmstens empfehlen: Geht ins Kino, schaut euch diesen Film an. Er ist gut. Und vielleicht erreicht er euch mehr als mich. Aber geht sicherheitshalber nicht in die 23 Uhr-Vorstellung.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Liebe hat zwei Gesichter (1996)

Regie: Barbra Streisand
Original-Titel: The Mirror Has Two Faces
Erscheinungsjahr: 1996
Genre: Komödie, Liebesfilm, Rom-Com
IMDB-Link: The Mirror Has Two Faces


Im Grunde meines Herzens bin ich ein Romantiker. Auch bei Pornos warte ich immer darauf, dass die beiden heiraten und miteinander glücklich werden. Scheint daher einfach nicht mein Genre zu sein. Hin und wieder darf es also auch eine Herz erwärmende Rom-Com sein, und wenn die mit so intelligenten Dialogen und charmant aufspielenden Darsteller/innen wie „Liebe hat zwei Gesichtern“ gespickt ist, dann garantiert mir das schon mal einen vergnüglichen Filmabend. Mit Barbra Streisand am Ruder kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Die Dame hat einfach Niveau. Dazu kommen ein hintersinniger Wortwitz und ein Gespür für Timing. All das spielt sie in „Liebe hat zwei Gesichter“ aus. Da geht es um die intelligente, humorvolle Literaturdozentin Rose, die sich fast schon damit abgefunden hat, unverheiratet zu bleiben. Doch dann trifft sie auf ihren Universitätskollegen Gregory, gespielt von Jeff Bridges. Gregory ist Professor für Mathematik und schwer gezeichnet von seinen  früheren Beziehungen. Er entschließt sich dazu, seinem (Liebes-)Leben eine drastische Wendung zu geben: Eine Beziehung sollte nicht durch Sex oder körperliche Anziehung gestört werden. Nein, Intellekt und gemeinsame Interessen sind das Ideal, auf dem sich etwas Langfristiges aufbauen lässt. Da kommt ihm das optische Mauerblümchen Rose gerade recht. Und als er ihr, ohne sie vorher jemals auch nur geküsst zu haben, einen Antrag macht, ist sie zwar nicht begeistert – aber besser, als allein übrig zu bleiben, ist das allemal. Also wird geheiratet. Und erwartungsgemäß fangen damit die Probleme erst an. Denn die Libido lässt sich nicht einfach abschalten wie ein schlechter Porno. Das alles ist dermaßen charmant und mit solch erfrischenden Dialogen vorgetragen, dass nur arge Misanthropen mit dem Film so rein gar nichts anfangen können.


7,5
von 10 Kürbissen

Radiance (2017)

Regie: Naomi Kawase
Original-Titel: Hikari
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Hikari


Misako (Ayame Misaki) hat einen interessanten Job. Sie erstellt die Texte für Tonspuren von Filmen für Sehbehinderte. Was genau sie dazu befähigt, wird allerdings nicht klar – denn ihre Versionen treffen kaum den Geschmack ihres Testpublikums. Vor allem Herr Nakamori (Masatoshi Nagase) hat ständig was zu meckern – aber zugegeben, wäre ich ein berühmter Fotograf, der kurz davor steht, vollständig zu erblinden, wäre ich auch schlecht drauf. Jedenfalls eckt Misako trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Beharrlichkeit, ständig neue Versionen vorzulegen, vor allem bei diesem mürrischen Herrn ordentlich an. So sehr sie sich auch bemüht, aber weder findet sie den richtigen Tonfall noch die richtigen Worte. Solche Misserfolge frustrieren natürlich. Dennoch bleibt sie zuversichtlich, das Werk irgendwann zur Zufriedenheit auch der kritischsten Stimme fertigstellen zu können. Mit einem Lächeln wischt sie alle Bedenken und Einwände fort. Überhaupt lächelt sie viel. Wenn sie nicht gerade traurig schaut. Und auch wenn ich mich während der Sichtung des Films ein bisschen in Ayame Misakis Lächeln wie in ihre traurigen Augen gleichermaßen verguckt habe, so eindimensional und wenig greifbar wirkt die Figur auch auf mich. Womit wir beim Kern des Problems wären, das ich mit dem Film hatte: Die Geschichte mit ihren Protagonisten, sei es die junge Misako, sei es der grantige Fotograf, war stets auf Distanz zu mir. Die Annäherungsversuche der beiden aneinander schienen mir somit nicht glaubhaft zu sein. Für ein Liebesdrama eine unglückliche Ausgangsposition. So erfreute ich mich zwar an den schönen Bildern und an Ayame Misakis Augen, aber beides wird, fürchte ich, irgendwann – wie Herrn Nakamoris Welt – in Dunkelheit verschwinden.


5,0
von 10 Kürbissen

Reise in Italien (1954)

Regie: Roberto Rossellini
Original-Titel: Viaggio in Italia
Erscheinungsjahr: 1954
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Viaggio in Italia


Wenn einer eine Reise tut, kann er was erleben. So ergeht es dem seit acht Jahren verheirateten Paar Katherine und Alex Joyce (Ingrid Bergman und George Sanders) in Roberto Rossellinis Film „Reise in Italien“. (Der alternative deutsche Titel heißt „Liebe ist stärker“, aber nachdem mich dieser Titel eher an eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung denken lässt, bleibe ich lieber bei jenem Verleihtitel, der dem Originaltitel folgt.) Die beiden reisen nach Neapel, um das Haus des verstorbenen Onkels, ein Kunst-Mäzen und Lebemann, der im stolzen Alter von 90 die Schlapfen gestreckt hat, zu besichtigen, um es anschließend zu verscherbeln. Alex ist Anwalt und das, was man gemeinhin als Workaholic bezeichnet. Katherine hat mehr Sinn für Kunst und Lebensfreude, fühlt sich aber in der Ehe ein wenig unterjocht. Schnell wird klar, dass sich zwei sehr gegensätzliche Charaktere einander das Ja-Wort gegeben haben, und nun wissen sie nicht so recht, was aus diesem Ja geworden ist. Man lebt ja so nebenher. Und weil auf so einer Urlaubsreise, die wenig Ablenkung durch Alltag bietet, die Gefahr groß ist, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen, löst man das Problem auf pragmatische Weise: Man geht getrennte Wege. Alex nutzt gleich mal die Gelegenheit, um kräftig mit den schönen Damen der Gesellschaft zu flirten, denn so Neapolitanerinnen haben schon Feuer unter dem Hintern, selbst wenn sie sich das Bein gebrochen haben. Und Katherine versucht das Beste aus der Situation zu machen, in dem sie Museen und Ausstellungen besucht. Immerhin ist man sich einig: Wir passen nicht zueinander, wir kennen uns eigentlich gar nicht. Das knallt man sich in spitzzüngigen Dialogen auch gerne mal direkt an den Kopf. Das große Drama bleibt allerdings aus. Zu resigniert wirken beide Seiten, als dass sie kampfeslustig noch mal die Rüstungen anlegen würden. Lieber blockt man die verbalen Schläge des Gegenübers mit einem müden Schulterzucken ab. „Reise nach Italien“ ist ein sehr dialoglastiger Film, der vor allem Freunden des geschliffenen Wortes Freude bereiten wird. Allerdings war er mir phasenweise nicht zwingend genug, und auch das Ende konnte mich nicht überzeugen. Dennoch ist es ein guter Zeitvertreib, Bergman und Sanders dabei zuzusehen, wie sie sich Gemeinheiten in die Seelen rammen. Man lernt dabei einiges über die Bedeutung des Schiller-Zitats „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob das Herz zum Herzen findet.“


6,5
von 10 Kürbissen