Barry Jenkins

Beale Street (2018)

Regie: Barry Jenkins
Original-Titel: If Beale Street Could Talk
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: If Beale Street Could Talk


Barry Jenkins hat schon mit Moonlight gezeigt, dass er ein gemäßigtes Erzähltempo bevorzugt und den Figuren Raum gibt, sich zu entfalten. Das ist etwas Wunderbares, was ich persönlich auch schätze. Wenn man allerdings um 23 Uhr vor den Oscars in seinem neuesten Werk sitzt, birgt das gemächliche Tempo das Risiko, tief in den Sessel zu versinken und die Geschichte in den eigenen Träumen weiterzuspinnen. Wenn man das nicht will, weil man der eigenen Fantasie misstraut, kann aus der Sichtung des Films dann schon mal ein knallharter Kampf gegen sich selbst werden. „Stirb langsam“ ist ein Kindergeburtstag dagegen. Aber wach zu bleiben, lohnt sich schon, denn die Geschichte rund um das junge Paar Tish (KiKi Layne) und Alonzo (Stephan James), das Opfer einer rassistischen Intrige wird, ist schon sehenswert. Die Bilder sind grandios, der Soundtrack ist eingängig, das Schauspiel überzeugend. Vor allem Regina King, die völlig zurecht den Oscar als beste Nebendarstellerin einheimsen konnte, ist ein Ereignis. Sie spielt Tishs Mutter mit Wärme und Stärke und wird so trotz weniger Szenen zum Herzstück des Films. Auch die Dialoge und Figurenentwicklungen können durch die Bank überzeugen, aber da hatte Barry Jenkins mit dem Roman von James Baldwin auch eine dankbare Vorlage. Dennoch ist „If Beale Street Could Talk“ ein Film, der nicht jeden mitreißen wird. Ich hatte ähnliche Probleme wie mit „Moonlight“: Beide Filme überzeugen mich handwerklich zu 100% und ich erkenne ihre hohe Qualität an, aber sie nehmen mich emotional nicht so wirklich mit. Barry Jenkins ist ein Könner, aber seine Kunst erreicht mich dann am Ende doch nicht so ganz. Trotzdem kann ich nur wärmstens empfehlen: Geht ins Kino, schaut euch diesen Film an. Er ist gut. Und vielleicht erreicht er euch mehr als mich. Aber geht sicherheitshalber nicht in die 23 Uhr-Vorstellung.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Moonlight (2016)

Regie: Barry Jenkings
Original-Titel: Moonlight
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama
IMDB-Link: Moonlight


„Moonlight“ – Oscar für den besten Film. Was sagen die Leute in der Viktoria-Kantine dazu? Gut? Schlecht? (Kleiner Insider für Aficionados des österreichischen Fußballs.) Dass „Moonlight“ in einem dramatischen Finish nach einem noch nie dagewesenen Oscar-Fauxpas dem großen Favoriten „La La Land“ noch den Preis für den besten Film des Jahres buchstäblich vor der Nase weggeschnappt hat, war die wohl größte Überraschung einer ansonsten überraschungsfreien Oscarnacht. Und ich muss sagen – auch wenn „La La Land“ insgesamt noch mehr mein Film war – unverdient war das nicht. Denn Barry Jenkins erzählt eine ganz eigene, wichtige, kaum erzählte Geschichte von einer Welt, die mir zwar fremd ist, aber die existiert, und die durch diesen Film eine Stimme bekommt. Es geht um das Aufwachsen eines afroamerikanischen Jungen aus prekären Verhältnissen in Miami (die Mutter, grandios gespielt von Naomie Harris, ist cracksüchtig und arm), und als wäre das Leben damit nicht schon schwierig genug für ihn aufgrund der Umstände, die ihn umgeben, kommt als zusätzlicher Stein im Rucksack seine Homosexualität dazu, die in einer Welt, in der die Schwächsten gnadenlos gefressen werden, verborgen bleiben muss und später durch den jungen Erwachsenen durch zur Schau gestellte Härte überdeckt wird. Der Film erzählt von der Suche nach Liebe und Zuneigung in einem Umfeld, in dem genau das als Schwäche gilt. Ausgerechnet durch den Drogenhändler Juan (verdienter Oscar für Mahershala Ali) erfährt der Junge so etwas wie das Gefühl von Familie, von Zugehörigkeit, sodass sein weiterer Weg kein trostloser ist, zwar begleitet von Niederlagen, aber es ist ein Leben, das dabei herauskommt, mit Höhen und Tiefen, aber ein Leben.

„Moonlight“ ist vielschichtig, sensibel erzählt, herausragend gespielt und handwerklich toll gemacht (vom Schnitt über die Musik bis zur Kameraarbeit von James Laxton, der seinem Protagonisten immer folgt, immer nah dran ist, und ihm so eine sehr körperliche Präsenz verleiht) – und damit ein würdiger Gewinner in meinen Augen. Dass er für mich persönlich dennoch ein klein bisschen hinter anderen Filmen zurückblieb, die für den besten Film in Frage kamen (wie eben „La La Land“, „Arrival“ oder auch „Manchester by the Sea“), liegt daran, dass er mich emotional nicht so stark erreichte wie eben manch anderer Film. Ja, das Drama ist wuchtig und ungemein interessant, da man eben die Geschichte, die darin erzählt wird, noch nicht wirklich kennt, und so nimmt einen der Film über die ganze Laufzeit hinweg gefangen, aber der ist eben auch ein Stück weit weg von meiner eigenen Lebensrealität.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Thimfilm)