2023

Daaaaaali! (2023)

Regie: Quentin Dupieux
Original-Titel: Daaaaaali!
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Komödie
IMDB-Link: Daaaaaali!


Die letzten Jahre habe ich bei aller Liebe zur Viennale auch immer wieder kritisiert, dass der Spaß unter der kompetenten Leitung von Eva Sangiorgi zu kurz kommt, dass die anarchischen kleinen Filme, die die schwere Kost auflockern, fehlen. Doch blickt man auf das diesjährige Programm, gibt es absolut nichts zu meckern. Man muss sich nur solche Kleinode wie „Daaaaaali!“ von Quentin Dupieux heraussuchen, und schon sitzt man 80 Minuten lang kichernd im Kinosaal. Salvador Dalí muss man, denke ich, nicht groß vorstellen. Jedes Jahr wird man mindestens im Frühjahr und im Herbst, wenn man die Uhr umstellt, seiner erinnert. Und so erspart sich Dupieux auch die Mühe, ein ausgereiftes Biopic zu drehen, das dieser exzentrischen Künstler- und Kunstfigur ohnehin kaum gerecht werden kann, sondern folgt lieber den Spuren des Surrealisten, indem er Künstler und Werk ineinander verschmelzen lässt. „Daaaaaali!“ ist selbst ein surreales, liebevoll chaotisches Werk, indem eine zunehmend verzweifelter werdende Journalistin (Anaïs Demoustier) versucht, ein Interview mit dem gefeierten Künstler zu bekommen. Doch dieser entzieht sich immer wieder auf höchst amüsante und überaus exzentrische Weise diesem Vorhaben. Das ist dann eigentlich auch schon der ganze Plot des Films, doch das reicht aus, denn Dupieux ist, wie schon gesagt, gar nicht an der Person von Dali und auch nicht an jener der Journalistin interessiert, sondern nutzt das Setting vielmehr für einen lang angelegten Sketch, der immer absurder und grotesker wird bis zum dann in diesem ganzen Wahnsinn wieder konsequenten Ende. Oder war es doch nicht das Ende? „Daaaaaali!“ ist sicherlich kein großer Film, er vermittelt keine tiefgreifende Botschaft, über die man dann spätabends leicht illuminiert im Freundeskreis diskutieren kann, aber er ist ein höchst unterhaltsamer Schabernack, den sich sich Dupieux macht. Allein schon die Entscheidung, die Rolle des Dali mit insgesamt fünf verschiedenen Schauspielern zu besetzen (Gilles Lellouche, Édouard Baer, Jonathan Cohen, Pio Marmaï und Didier Flamand), steckt das Feld gleich zu Beginn gut ab und zeigt, wohin die Reise geht: in einen komischen Irrsinn, an dem Dalí selbst wohl seine Freude gehabt hätte.


6,5 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Roter Himmel (2023)

Regie: Christian Petzold
Original-Titel: Roter Himmel
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Roter Himmel


Das zweite Werk nach einem erfolgreichen Debüt ist immer der künstlerische Endgegner. Das weiß auch der Schriftsteller Leon (Thomas Schubert), der mit seinem Kumpel Felix (Langston Uibel) in das abgelegene Ferienhaus von Felix‘ Mutter an die Ostsee fährt, um dort den stockenden Roman „Club Sandwich“ fertigzuschreiben. Während Felix das Meer und das Dolcefarniente genießt, zieht sich Leon in eine griesgrämige Altherren-Attitüde zurück. Spaß wird vermehrt mit den Worten „Die Arbeit lässt es nicht zu!“ Zugegeben, dass Thomas Schubert Wiener ist, hat ihm sicherlich bei der Charakterentwicklung von Leon geholfen – wir Wiener sind halt die Meister im Granteln. Und so grantelt sich Leon eben durch den Sommer, der gestört wird von Felix‘ Lebenslust, dem ungebetenen Gast Nadja (Paula Beer) und ihrem „Stecher“ Devid (Enno Trebs). Am Horizont aber braut sich ein Feuer zusammen. Waldbrände bringen die Sommeridylle ins Wanken, und rote Schicksalswolken hängen über Leons Haupt. Christian Petzold ist ein Lyriker unter den Filmemachern. „Roter Himmel“ ist inhaltlich schwer zu beschreiben. Es ist vielmehr ein sinnlicher Film, der seine poetische Kraft aus den Zwischenräumen, den Auslassungen schöpft. Die Charaktere umtanzen sich, sie werden selten explizit, und wenn das Ungesagte plötzlich einmal laut ausgesprochen wird, klingt es hart und fast deplatziert – ein Einbruch der Realität in eine Traumwelt. Thomas Schubert und Paula Beer, die schon in Das finstere Tal eine enge Beziehung zueinander hatten, spielen, so ehrlich muss man sein, ihre Kollegen an die Wand. Thomas Schubert entwickelt sich zu einer präsenten Leinwandgewalt a la Josef Bierbichler, der Typus von Schauspieler, der nicht viel sagen muss, sondern alles mit dem Heben seiner Augenbrauen auszudrücken vermag und so herrlich stoisch bleibt wie ein Felsen, an dem alle anderen Figuren zerschellen müssen. Allerdings hat er die undankbarere der beiden Hauptfiguren abbekommen, denn sein Leon ist zum Einen kein Sympathieträger und zum Anderen in seiner Griesgrämigkeit und Entrückung auch recht eindimensional im Vergleich zu Paula Beers geheimnisvoller Nadja, die gleichzeitig die Geschichte erden muss. Nicht alles an „Roter Himmel“ ist geglückt, doch sollte man diesen Film wohl nicht allzu analytisch zerpflücken, sondern am besten einfach auf sich wirken lassen.


7,0 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Monster (2023)

Regie: Hirokazu Koreeda
Original-Titel: Kaibutsu
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Drama
IMDB-Link: Kaibutsu


Hirokazu Koreeda ist ein scharfer Beobachter komplexer Beziehungsgeflechte. Das hat er in Shoplifters – Familienbande eindrucksvoll unter Beweis gestellt, das gilt auch für seinen letztjährigen Film Broker und sein neuestes Werk „Monster“. Eine Qualität, die sich durchwegs in all seinen Arbeiten zeigt, ist das Fehlen einer Wertung. Koreeda ergreift nicht Partei, sondern zeigt Mitgefühl für all seine Figuren. Er erzählt und vertraut darauf, dass wir die Charaktere so nehmen, wie sie sind, mit all ihren Fehlern, Schwächen, aber auch ihrer Mitmenschlichkeit. Koreedas Figuren sind oft Menschen, denen es zunächst schwer fällt, sich zu öffnen und Gefühle zuzulassen, und doch suchen sie nach Zugehörigkeit, nach Freundschaft, nach Liebe. In „Monster“ folgt Koreeda zunächst der jungen Witwe Saori (Sakura Ando), deren verschlossener Sohn Minato immer wieder Verhaltensauffälligkeiten zeigt und schließlich angibt, von seinem Lehrer Mr. Hori (Eita Nagayama) gemobbt zu werden. Saori bringt den Vorfall vor die Schuldirektorin, doch stößt sie auf eine Mauer aus Unverständnis und Schweigen. Die Situation droht zu eskalieren. In dem Moment, als man das Gefühl hat, allmählich die ersten Hintergründe der Geschichte aufzudecken, wechselt Koreeda die Perspektive und erzählt die Geschichte neu, diesmal aus der Perspektive des Lehrers. Und siehe da: Die Dinge liegen in Koreedas Welt nie einfach, bestehen nie ausschließlich aus Schwarz und Weiß. Ein dritter Erzählstrang schließlich fügt das Puzzle zusammen und führt zu einem tiefen Verständnis für die Figuren. Das ist große Kunst, daran gibt es keinen Zweifel. Allerdings benötigt man viel Geduld für diesen schönen Film – diese mehrfache Wiederholung des gleichen Zeitstrangs kann ermüdend wirken. Für mich bleibt „Monster“ daher ein klein wenig hinter „Shoplifters“ und „Broker“ zurück, auch wenn der Film ein weiterer Beweis ist, welch sensibles Gespür dieser Ausnahmeregisseur für die Komplexität des zwischenmenschlichen Zusammenlebens hat.


7,0 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Robot Dreams (2023)

Regie: Pablo Berger
Original-Titel: Robot Dreams
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Animation
IMDB-Link: Robot Dreams


Wer einen möglichst authentisches New York im Film sehen möchte, greift in der Regel zu Filmen von Woody Allen. Dieser ist mit seinem neuesten Werk natürlich auch wieder bei der Viennale, dem alljährlichen Filmfestival von Wien, vertreten. Doch gibt es mit Pablo Bergers „Robot Dreams“ plötzlich einen Film, der „new yorkischer“ ist als alles, was Woody Allen bislang so gemacht hat. Und das Erstaunliche daran: Es handelt sich hierbei um einen charmanten Animationsfilm im Cartoon-Stil über anthropomorph-tierische Stadtbewohner, der fluffig-leicht daherkommt, aber in diesem leichten, auch kinderfreundlichen Stil eine grundlegende Aussage über das Menschsein trifft. Wir sind nicht dazu geschaffen, allein vor uns hinzuvegetieren. Aus diesem Grund bestellt sich der Protagonist Dog einen Roboter, der sofort zu seinem besten Freund wird. Ein unbeschwerter Nachmittag am Strand führt allerdings zur Katastrophe, als der Roboter feststellt, dass ihn Meer und Sonne bewegungsunfähig gemacht haben. Der verzweifelte Dog muss ihn zurücklassen, es war der letzte Tag der Saison, und ab da nimmt der zunächst so federleichte Film eine tragische Wendung und sinniert über Verlust, Verlustängste, Loslassen und Trauerarbeit. Es ist ein kleines Wunder, dass Pablo Berger all diese emotional komplexen Inhalte übermitteln, ohne dafür auch nur eine einzige Dialogzeile zu benötigen. „Robot Dreams“ ist charmant, witzig (mit vielen unglaublich amüsanten Details im Hintergrund), süß, traurig und melancholisch – ein Ritt durch alle Gefühlslagen. Die einzige kleine Schwäche, die der Film aufweist, ist ein geringfügiger Durchhänger im Mittelteil, doch das mindert meine Begeisterung für dieses Kleinod der Animationskunst nicht. Ein hervorragender Auftakt in meine Viennale 2023.


8,0 Kürbisse

(Foto: (c) Viennale)

Ich sehe was, was du nicht siehst (2023)

Regie: Wes Anderson
Original-Titel: The Wonderful Story of Henry Sugar
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Kurzfilm
IMDB-Link: The Wonderful Story of Henry Sugar


In Zusammenarbeit mit Netflix hat Wes Anderson in diesem Jahr vier Kurzfilme zu Geschichten von Roald Dahl herausgebracht. „The Wonderful Story of Henry Sugar“ mit Benedict Cumberbatch, Ralph Fiennes, Ben Kingsley, Dev Patel und Richard Ayoade in den Hauptrollen ist der erste und mit etwa 40 Minuten Laufzeit der längste dieser vier Filme. Erzählt wird – sehr verschachtelt – vom Millionär Henry Sugar, der eines Tages auf eine Erzählung über einen Mann, der ohne die Augen zu öffnen, sehen konnte, stößt. Gelangweilt von seinem mondänen Leben beschließt Sugar, diese Fähigkeit ebenfalls zu erlernen. Zugegeben, es braucht ein wenig, um sich von der obersten Ebene der Erzählung bis zum Kern vorzuarbeiten – die Erzählung in der Erzählung in der Erzählung erinnert zuweilen ein wenig an Christopher Nolans „Inception“, doch übertreibt es Wes Anderson nicht und führt die Geschichten zusammen, ehe die Struktur ermüdend wirkt. Benedict Cumberbatch erweist sich hierbei als Glücksgriff und echte Bereicherung des Anderson’schen Universums – seine oft sehr britisch-steife Art, die er in „Sherlock“ perfektioniert hat, passt wie angegossen zu dem eigenwilligen Stil von Wes Anderson, der sich längst von jeglichem Realitätsanspruch verabschiedet hat und lieber seine liebevoll-detaillierten Miniaturen baut, vor denen er seine stoischen Figuren die größeren und kleineren Dramen des Lebens durchlaufen lässt. Es ist ein Stil, der sich zwar prinzipiell aufgrund seiner strikten Struktur leicht kopieren lässt, und doch kann ihn nur Wes Anderson selbst meistern, da die Kopien oft das wesentlichste Element in Andersons Schaffen vergessen: Nicht der Stil ist entscheidend, sondern die Figuren selbst auf der Suche nach einem Sinn in ihrem Leben sind es. Das wird in „The Wonderful Story of Henry Sugar“ einmal mehr deutlich. Wes Anderson und Roald Dahl? Das passt jedenfalls.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Elemental (2023)

Regie: Peter Sohn
Original-Titel: Elemental
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Animation
IMDB-Link: Elemental


Achtung Kalauer: Ist Pete Docter der Vater vieler grandioser Pixar-Filme, hat nun Peter Sohn den Staffelstab nicht unbedingt gut aufgenommen. Denn „Elemental“ aus der berühmten Animationsfilmschmiede fühlt sich wie ein Aufguss bekannter Themen an, ohne allerdings seine eigene Geschichte zu finden. Die junge Außenseiterin Ember fühlt sich hin- und hergerissen zwischen der Pflicht, den Wünschen der Familie zu entsprechen, und der Suche nach der eigenen Identität, trifft auf einen anderen Außenseiter, Wade von den Wassergeschöpfen, der so gar nicht zu ihr passt, doch die beiden finden dennoch zueinander, und die Außenseiterin lernt, ihren eigenen Weg zu finden. Damit ordnet sich „Elemental“ thematisch zwischen Rot, Wall-E: Der Letzte räumt die Erde und dem Disney-Film Zoomania ein, und die Stadt Zootopia aus letztgenanntem Film scheint auch gleich die Vorlage für die Stadt der Elemente in „Elemental“ gewesen zu sein: Hier lebt in friedlicher Koexistenz, was es für gewöhnlich schwer hat, miteinander auszukommen. In diesem Fall Geschöpfe der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Das bietet den Designern des Animationsstudios natürlich jede Menge Möglichkeiten, ihre Expertise unter Beweis zu stellen, und so ist es schon hübsch anzusehen, wie die unterschiedlichen Elemente lebhaft und bunt animiert sind, wie das Feuer flackert, das Wasser fließt – mit Sicherheit keine einfache Aufgabe für das Studio. Und doch zündet die Story nicht (pun intended). Die Geschichte ist einfach zu harmlos, die familiären Konflikte werden überdramatisiert, die Moral zu sehr mit dem Holzhammer in die Köpfe gehämmert. Und was genau die Anziehungskraft zwischen den beiden Hauptfiguren verursacht, ist selbst beim Abspann noch nicht klar. Hier wurde wohl eher nach dem Motto „style over substance“ gehandelt. Und so ist „Elemental“ aufgrund seiner Schauwerte zwar kein wirklich schlechter Film, aber einer der schlechtesten von Pixar bislang.


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Pixar/PIXAR – © 2022 Disney/Pixar. All Rights Reserved., Quelle http://www.imdb.com)

DogMan (2023)

Regie: Luc Besson
Original-Titel: DogMan
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Thriller, Drama
IMDB-Link: DogMan


Homo homini lupus. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Diesen Satz würde der Außenseiter Doug Munrow (Caleb Landry Jones) wohl unterschreiben. Wobei: Vielleicht hätte er auch Einwände. Denn mit den Nachkommen der Wölfe, den Hunden, kommt er bestens klar, sie sind seine Familie, nachdem sein soziopathischer und sadistischer Vater ihn in einen Hundezwinger geworfen und die Lähmung seiner Beine verschuldet hat. Mit Menschen jedenfalls kann Doug verständlicherweise später nicht mehr viel anfangen. Er lebt mit seinen Hunden in einem verwahrlosten Fabrikgebäude und verdient sein Geld als Mitglied einer Drag-Show. Viel mehr Außenseiter geht nicht. Eines Tages wird er mit seinen Hunden in einem Kleinlaster von der Polizei aufgegriffen. Er erzählt der Psychiaterin Evelyn (Marisa Berenson) seine tragische Geschichte. Mit „DogMan“ setzt sich Luc Besson in ein sehr unbequemes Feld und beackert dieses mit drastischen Mitteln. Subtilität kann man dem Film nicht vorwerfen, aber das passt schon so. Dougs Geschichte und die Entwicklung, die sie nimmt, verträgt den Holzhammer, sie bietet Caleb Landry Jones zudem die Möglichkeit, eine absolute Glanzleistung hinzulegen. Sein Doug ist eine ambivalente Figur, die Mitleid hervorruft und dabei gleichzeitig eine kühle Härte zeigt, wie ein verletzter Hund, der die Nackenhaare aufstellt und seine Zähne fletscht. Mehr Drama als Thriller ist Besson stets nah an seiner Figur dran und lotet dessen Sehnsüchte und Ängste aus. In dieser Hinsicht ist „DogMan“ vergleichbar mit Joker, ohne aber dessen Brillanz ganz zu erreichen. Dennoch zeigt Besson nach einigen schwächeren Filmen mit seinem neuesten Werk, dass er sich nicht vor Risiken scheut und immer noch imstande ist, eine Geschichte zu erzählen, die im Gedächtnis bleibt.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © EuroCopa, Quelle http://www.imdb.com)

Riddle of Fire (2023)

Regie: Weston Razooli
Original-Titel: Riddle of Fire
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Abenteuerfilm, Komödie
IMDB-Link: Riddle of Fire


Warum ich so gerne auf Filmfestivals gehe? Weil man dort die Gelegenheit hat, Perlen zu sichten, die einem sonst mit Sicherheit entgangen wären. „Riddle of Fire“, das Langfilmdebüt von Weston Razooli, ist eine solche Perle. Gedreht auf grobkörnigem 16mm-Film taucht Razooli in die Mythologie der Kindheit ein. Drei Kinder, das Brüderpaar Hazel und Jodie und deren beste Freundin Alice, kommen in einem unglaublich komischen Heist, der gleich zu Beginn die Tonalität des Films festlegt, an die neueste und heißbegehrte Spielkonsole. Doch die Freude währt nur kurz, hat doch Hazels und Jodies Mutter, die krank im Bett liegt, den Fernseher mit einem Passwort versehen. Sie rückt dieser nur gegen Bezahlung heraus: Die drei Kinder sollen ihr einen Blaubeerkuchen aus der Dorfbäckerei holen. Was nach einem 10-minütigen Kurzfilm klingt, entwickelt sich jedoch zu einer witzigen und abenteuerlichen Odyssee, denn der Blaubeerkuchen ist aus, die erkrankte Bäckerin gibt das Rezept für ihren legendären Kuchen nur widerwillig heraus, und am Ende scheint alles an einem gepunkteten Ei zu scheitern. Für dieses Ei gehen die drei Freunde weit über ihre Grenzen hinaus und tauchen tief ein in den Wald und die Welt der Märchen. Was Razoolis Debüt so unfassbar gut macht, ist die Tatsache, dass er diese märchenhafte Welt mit beiden Händen umarmt und die Geschichte trotzdem in der Realität verankert. Aber genauso war die Welt ja, als wir selbst noch Kinder waren. Der Wald steckte voller Abenteuer, Begegnungen mit Hexen nicht ausgeschlossen, doch am Ende kamen wir alle siegreich wieder nach Hause, wo ein dampfender Kuchen auf dem Tisch stand und die Mutter unsere Schrammen versorgte. „Riddle of Fire“ fühlt sich an wie eine Plüschdecke und eine heiße Tasse Tee nach einem anstrengenden Tag. Wenn mal jemand nach einem Referenzwerk für die Kategorie „Feelgood-Movie“ sucht: Hier ist es! Bislang der Überraschungshit des Jahres für mich.


9,0 Kürbisse

(Bildzitat: © ANAXIA, Quelle http://www.imdb.com)

The Belgian Wave (2023)

Regie: Jérôme Vandewattyne
Original-Titel: The Belgian Wave
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie, Horror, Roadmovie
IMDB-Link: The Belgian Wave


Meine Damen und Herren, jetzt heißt es aufgepasst! Ich präsentiere die chemische Formel für die stärkste Droge der Welt: H2O. Auf die Frage an Regisseur Jérôme Vandewattyne im Q&A nach Sichtung seiner Science Fiction-Komödie „The Belgian Wave“ nämlich, wie viele Drogen er während der Realisierung dieses irren Trips konsumiert hätte, antwortete dieser mit: „Keine. Nur jede Menge Wasser“. Aber vielleicht finden sich im belgischen Wasser ja bewusstseinserweiterte Substanzen. Denn auf solche irren Bilder muss man erst einmal kommen. Es beginnt mit einem grandiosen Kameradrohnenflug mitten durch einen Rave, und Bilder wie Musik dieser ersten Szene geben schon mal den Ton an für die kommenden 1,5 Stunden. Die Journalistin Karen und der Künstler Elzo, der sich gerne mal LSD-„Microshots“ fit hält, gehen gemeinsam auf einen abgefahrenen Roadtrip, um nach dem Anfang der 90er Jahre verschwundenen Reporter Marc Vaerenbergh zu suchen. Dieser forschte einer Reiher unerklärlicher UFO-Sichtungen über Belgien nach, die als „Belgian Wave“ in die Geschichtsbücher eingehen sollten. Karen und Elzo interviewen zunächst Weggefährten des verschwundenen Reporters, zu dem sie beiden einen sehr persönlichen Bezug haben, doch je tiefer sie in die Geschichte eintauchen, desto abstruser wird diese – bis sie schließlich im ecuadorianischen Dschungel landen und dort lustige Substanzen einwerfen. Alles an „The Belgian Wave“ ist laut und schrill. Zugegeben, ich tat mir schwer, einen Zugang zu dem Film zu finden, der in allen Belangen einfach over the top zu sein scheint, in den psychedelischen Bildern, in der mit wenigen Ausnahmen permanent pulsierenden Musik, in der komplett von der Realität losgelösten schauspielerischen Leistung, doch erkenne ich an, dass das alles handwerklich ausgezeichnet und mit viel Liebe gemacht ist. Allein schon die Tatsache, das alles in 21 Tagen abgefilmt zu haben, nötigt höchsten Respekt ab, aber aus diesem minimalen Zeit- und Geldbudget dann auch noch einen solchen stilistisch eigenen und abenteuerlich geschnittenen Film herauszuholen, ist aller Ehren wert. Wie gesagt, findet man Zugang zu diesem schrillen Trip in Neonfarben, hat man großen Spaß daran. Für alle, die es etwas ruhiger bevorzugen, wird das Erlebnis aber auch schnell mal anstrengend.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

River (2023)

Regie: Junta Yamaguchi
Original-Titel: River
Erscheinungsjahr: 2023
Genre: Science Fiction, Komödie
IMDB-Link: River


Was ein kreativer Kopf wie Junta Yamaguchi anfangen kann, hat er bereits in Beyond the Infinite Two Minutes bewiesen, eine schräge Zeitschleifengeschichte voll absurder Komik. Nun kommt mit „River“ sein neuestes Werk – und es handelt sich um eine schräge Zeitschleifengeschichte voll absurder Komik. Doch keine Sorge, ein Déjà-vu haben nur die wunderbar verschrobenen Charaktere der Geschichte, nicht aber die Zuseher. Denn auch wenn Yamaguchi sein Personal wieder durch unendliche zwei Minuten schickt, hat er in „River“ einen anderen Fokus als bei seinem Erstling. Während in „Beyond the Infinite Two Minutes“ die Geschichte mit jeder Zeitschleife schräger wird und die Ebenen genial miteinander verbunden werden, nimmt sich Yamaguchi in „River“ nun die … äh … Zeit, um seine Figuren zu entwickeln. Und er tut das mit viel Liebe und Zuneigung. Schauplatz ist ein friedlicher Gastbetrieb in einem verschlafenen Dorf. Alles geht seinen gewohnten Gang, man kümmert sich um die Gäste, die in separaten Räumen essen, ein heißes Bad nehmen oder arbeiten, es riecht nach Schnee. Kellnerin Mikoto geht mal kurz an die frische Luft, um am Fluss, der durch das Dorf fließt, ein wenig zu meditieren, dann geht sie wieder hinein zu ihren Kolleginnen und Kollegen, räumt Geschirr ab … und findet sich wieder beim Meditieren am Fluss. Doch nicht nur ihr geht es so – auch alle weiteren Kolleg:innen und Gäste scheinen plötzlich in einer Zeitschleife gefangen. Was nicht sonderlich spannend klingt, entfaltet sich aber rasch dank Yamaguchis energiegeladener Regie als Meisterstück der komödiantischen Unterhaltung. Vielleicht erreicht „River“ nicht ganz die Finesse des Erstlingswerks, doch ist man näher an den Figuren dran und entwickelt mit der Zeit eine große Sympathie für sie und ihre Sisyphos-Arbeit. Und so vergeht die Zeit, als würde sie nur zwei Minuten dauern.


7,5 Kürbisse

(Foto: /slash Filmfestival Presse, (c) Busch Media)