2017

Der Hauptmann (2017)

Regie: Robert Schwentke
Original-Titel: Der Hauptmann
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Kriegsfilm, Biopic
IMDB-Link: Der Hauptmann


Deutschland, knapp hinter der Frontlinie in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Der Gefreite Willi Herold hat die Nase voll und flüchtet. Blöd für ihn, dass Deserteure mit dem Tod bestraft werden. Glück für ihn, dass er auf der Flucht zufälligerweise über die verwaiste Uniform eines Hauptmanns stolpert. Denn wie es so schön heißt: Kleider machen Leute. Und so eine blitzende Uniform mit vielen Knöpfchen dran macht Eindruck, vor allem, wenn der Träger derjenigen auch noch zackige Befehle gibt. Sofort wird der ehemalige Gefreite Herold als nunmehriger Hauptmann Herold, der in Sondermission im Auftrag des Führers persönlich unterwegs ist, vom mutmaßlichen Deserteur Freytag (Milan Peschel) akzeptiert. Die Anspielung auf den gestrandeten Robinson Crusoe und seinen ergebenen Diener kommt wohl nicht von ungefähr. Bald schon scharen sich eine Menge anderer suspekter Gestalten, alle vom Krieg gezeichnet, um den vermeintlichen Hauptmann. Als er schließlich in ein Lager geführt wird, in dem Kriegsverbrecher, hauptsächlich Deserteure und Diebe, in Baracken auf ihr Schicksal warten, wie es von einem trägen Justizministerium bestimmt werden soll, entdeckt Herold die Freude an der Macht über Leben und Tod. Die Figur des Hauptmann Herold beruht auf einer tatsächlichen historischen Person: Willi Herold sicherte sich seinen unrühmlichen Eintrag in die Geschichtsbücher als Henker von Emsland. Die Geschichte, so bizarr sie auch klingt, ereignete sich tatsächlich. Nun reicht es Robert Schwentke in seiner Verfilmung allerdings nicht aus, die grausigen historischen Tatsachen einfach nachzuerzählen. Vielmehr bastelt er mit eindrucksvollen Bildern, einem nervösen Soundtrack und teils in surreal kippenden Feierszenen eine grimmige Allegorie auf das Böse, die durch Max Hubacher perfide stoisch personifiziert wird. Aber es ist nicht die Figur des Herold allein, die einen schaudern lässt – es ist die Darstellung der Entmenschlichung bei allen Figuren, als würden alle im Angesicht der drohenden totalen Niederlage alles Menschsein abstreifen und sich nihilistischen Trieben hingeben. Sind wir Menschen so? Vielleicht. Der Film deutet dies jedenfalls auf eine vielleicht leicht überzeichnete, aber dennoch plausible Weise an. „Der Hauptmann“ ist ganz bitteres Kino, das uns in die tiefsten Abgründe wirft. Der kontrovers diskutierte Abspann kann gleichermaßen als Mahnmal gelten: Geschichte kann sich wiederholen, wenn man sie vergisst.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Der Wein und der Wind (2017)

Regie: Cédric Klapisch
Original-Titel: Ce qui nous lie
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama
IMDB-Link: Ce quie nous lie


Wer diesem Blog schon länger folgt, weiß, dass ich mit französischen Komödien oft so meine Probleme habe. Anders sieht es aus mit französischen Alltagsdramen, denn diese Genre bespielen französische Filmemacher:innen durchaus auf gekonnte Weise. Die Mischung aus Leichtigkeit und Tragik macht’s – man sieht komplexe Menschen aus diversen Gesellschaftsschichten, wie sie versuchen, Sinn in ihr Tun und ihren Alltag zu bekommen, und das tun sie vorzugsweise über einem guten Gläschen Rotwein und mit tiefsinnigen, aber doch als ehrlich empfundenen Dialogen. Siehe 35 Rum von Claire Denis oder zuletzt Das Ereignis von Audrey Diwan oder Other People’s Children von Rebecca Zlotowski. Diese Filme vereint, dass die Geschichten alltäglich und nachvollziehbar erscheinen und dennoch eine mitreißende emotionale Tiefe erreichen. „Der Wein und der Wind“ von Cédric Klapisch reiht sich hier gut ein. Es geht um den Winzersohn Jean (Pio Marmaï), der nach vielen Jahren zurück auf das heimatliche Weingut im Burgund kommt. Sein Vater liegt im Sterben, und auch wenn seine beiden Geschwister Juliette und Jérémie (Ana Girardot und François Civil) ihn zunächst willkommen heißen, so zeigen sich bald alte Vernarbungen und Bruchlinien. Als der Vater stirbt, sind die drei Geschwister auf sich allein gestellt. Ihr Problem: Ihr Vater hat ihnen das Gut als Erbengemeinschaft hinterlassen, sprich: Niemand kann etwas veräußern ohne der Zustimmung der anderen. Und sie haben allesamt kein Geld, um die 500.000 Euro Erbschaftssteuer aufzubringen. Ja, sie haben einige gute Lagen in den Weinbergen, doch spielen sich nicht in der obersten Liga der Burgundweine mit, die mehrere Hundert bis Tausend Euro pro Flasche bringen. Dazu kommen private Probleme, die sie mit sich schleppen: Juliette zweifelt an ihrer Eignung als Winzerin und Chefin, der junge Vater Jérémie wird von seinem Schwiegervater, ein wohlhabender Winzer aus der Nachbarschaft, unterbuttert, und Jean, die zentrale Figur der Geschichte, hat eine nicht klar definierte Beziehung samt Sohn in Australien. Um vorwärts zu kommen, müssen sich die Geschwister wieder einander annähern, während gleichzeitig die Herausforderungen in Weinberg und Keller warten. Das alles klingt nicht sonderlich spektakulär und ist es auch nicht. Aber, wie gesagt, französische Filmemacher:innen haben oft ein Händchen für derartige Stoffe. Sensibel und klug erzählt werden die Konflikte, die per se allesamt gut nachvollziehbar sind, nach und nach aufgearbeitet. Der Weg ist hier das Ziel, und anders als viele Hollywood-Filme begnügt sich Klapisch in seinem Film damit, alle Figuren am Ende ein Stück weit auf den Weg gebracht zu haben, auch wenn man weiß, dass dieser noch lang sein wird. Für Wein-Aficionados fallen dazu interessante Einblicke in den Alltag und die Arbeitswelt eines Winzers an. Man spürt den Respekt, den Klapisch vor diesen Menschen und deren Erzeugnissen mitbringt. Und so ist der Film trotz einiger Längen vor allem im Mittelteil am Ende eine runde Sache, sanft und tiefgründig wie ein guter Wein, auch wenn ihm der besondere Biss, der zu einer noch höheren Bewertung geführt hätte, fehlt. Um in der Welt des Weins zu bleiben: Vielleicht kein Grand Cru der Spitzenklasse, aber ein gut gemachter, wohlschmeckender Village, der Freude bereitet.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.arthaus.de)

Alien: Covenant (2017)

Regie: Ridley Scott
Original-Titel: Alien: Covenant
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Science Fiction, Horror
IMDB-Link: Alien: Covenant


Mit „Prometheus – Dunkle Zeichen“ erfolgte 2012 ein erster Aufschlag, die Vorgeschichte zur Alien-Saga zu erzählen. „Alien: Covenant“ aus 2017 führt diese Geschichte nun fort, und wieder sitzt Ridley Scott im Regie-Stuhl. Während man allerdings „Prometheus – Dunkle Zeichen“ als einen fast zurückhaltenden Sci-Fi-Thriller bezeichnen kann (jedenfalls im Vergleich zu den restlichen Alien-Filmen), dreht Scott in der Fortsetzung dieser Vorgeschichte die Regler wieder höher und bietet dem geneigten Fan der außerirdischen Schlabbertanten wieder mehr Gore-Content. Die Alien-Reihe ist halt immer noch klassischer Bodyhorror, und „Alien: Covenant“ erinnert daran. Es geht aber nicht nur ums fröhliche Metzeln argloser Weltraumreisender. Vielmehr bietet „Alien: Covenant“ auch eine klug gesponnene Geschichte, die die Vorgeschichte aus „Prometheus“ konsequent weitererzählt und vor allem Michael Fassbender die Möglichkeit gibt, alle Facetten seines Könnens zu zeigen. Katherine Waterston darf hier nun statt Noomi Rapace die weibliche Hauptrolle übernehmen, und wie immer in diesen Filmen beweist sich auch hier wieder: Hätte man doch nur auf die Frau gehört! Waterstons Figur der Terraforming-Wissenschaftlerin Daniels ist allerdings etwas anders angelegt als die ikonische Ripley von Sigourney Weaver oder auch Noomi Rapaces Dr. Shaw – beides Figuren, die im Angesicht der Bedrohung ihre innere Härte entdecken. Daniels hingegen ist weicher, sensibler, und prinzipiell ist das von Waterston auch gut gespielt, doch fehlt den Aliens dadurch erstmals ein echtes Gegengewicht. Dies wiederum führt in weiterer Konsequenz dazu, dass „Alien: Covenant“ zu dem Ende kommen kann, das es schließlich findet. In diesem Sinne ist „Alien: Covenant“ in sich rund und stimmig und lässt genügend Raum für mögliche Fortsetzungen, auch wenn sich Scott diesbezüglich nun doch recht lange bitten lässt.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Photo Credit: Mark Rogers – © TM & © 2017 Twentieth Century Fox Film Corporation. All Rights Reserved, Quelle http://www.imdb.com)

Killer’s Bodyguard 2 (2021)

Regie: Patrick Hughes
Original-Titel: The Hitman’s Wife’s Bodyguard
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Action, Komödie
IMDB-Link: The Hitman’s Wife’s Bodyguard


In Killer’s Bodyguard mussten sich Ryan Reynolds als Bodyguard und Samuel L. Jackson als Auftragskiller zusammenraufen, um den Killer rechtzeitig von England nach Den Haag zu bekommen, wo er gegen einen mörderischen Diktator als Kronzeuge aussagen sollte. Der Film lebte stark von einer richtig guten Chemie der beiden Hauptdarsteller und einem ziemlich durchgeknallten Auftritt von Salma Hayek in einer Nebenrolle. Durch den Erfolg von „Killer’s Bodyguard“ war rasch klar, dass ein zweiter Aufguss folgen würde. Und – die Überraschung hält sich in Grenzen – logischerweise musste mehr von dem, was Teil 1 so erfolgreich machte, in Teil 2 hinein. Also mehr Humor, mehr Action und mehr Salma Hayek. Mehr „Motherfucker!“-Flüche von Samuel L. Jackson gingen nicht, denn dieser im ersten Film aufgestellte Rekord wird zu meinen Lebzeiten kaum mehr überboten werden können. Die Story ist für den Unterhaltungswert komplett irrelevant. In Stichworten: Finsterer Antonio Banderas als Grieche mit göttlichem Zorn, irgendwas mit Superviren, die Blackouts verursachen und eben viel Herumgerenne von Reynolds, Jackson und Hayek, was in der Regel mit Explosionen endet. Der Film braucht ein wenig, um Fahrt aufzunehmen. Zudem ist der schurkische Plan des Gegenspielers dermaßen absurd und dämlich, dass man erst seinen IQ auf einen zweistelligen Wert herunterfahren muss, um sich nicht ständig Grün und Blau ärgern zu müssen. Dazu kommt ein mieser Auftritt von Frank Grillo (es tut mir leid, aber der Mann kann überhaupt nicht spielen), und irgendwie macht alles keinen Sinn. Aber egal, denn spätestens mit der Mitte des Films beginnt das, was man von diesem erwartet: Schießereien, Prügeleien, Explosionen, Verfolgungsjagden, alles komplett over the top und immer garniert mit launigen Sprüchen. Gut ist das nicht, aber zumindest stellenweise sehr unterhaltsam. Aber schade, dass man bei diesem Film nicht einmal den Anschein wahren wollte, eine schlüssige Geschichte zu erzählen.


5,0 Kürbisse
von 10 Kürbissen

(Foto: 20th Century Fox)

Eine bretonische Liebe (2017)

Regie: Carine Tardieu
Original-Titel: Ôtez-moi d’un doute
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Liebesfilm, Rom-Com
IMDB-Link: Ôtez-moi d’un doute


Und der Rosamunde-Pilcher-Award für den schnulzigsten Filmtitel 2017 geht an … *trommelwirbel* … „Eine bretonische Liebe“ von Carine Tardieu – der im Original natürlich anders heißt, aber der deutsche Filmverleih hat mal wieder ganze Arbeit geleistet, um das Heer von 60jährigen frankophilen Kaffeekranztanten ins Kino zu locken. Der Kürbis eures Vertrauens musste den Film zuhause auf der Couch nachholen. Und ich darf gleich mal Entwarnung geben: Der Film ist nicht mal halb so schnulzig, wie es der Titel suggeriert. Denn eigentlich geht es weniger um die Liebe, auch wenn die eine Rolle spielt, sondern mehr um Familie mit und ohne Blutsverwandtschaft. Denn der stoische Bombenentschärfer Erwan (François Damiens), der kurz davor steht, Großvater zu werden, erfährt, dass sein Vater gar nicht sein leiblicher Vater ist. Also macht er sich auf die Suche. Und wie so oft findet man auf der Suche selten das, wonach man eigentlich gesucht hat, sondern alles Mögliche. „Eine bretonische Liebe“ ist ein leichtfüßiger, durch und durch französischer Film, der von guten Darstellerinnern (wie Cécile de France und Alice de Lencquesaing) und Darstellern (allen voran André Wilms und Guy Marchand als Väter) getragen wird, und der vielleicht an manchen Stellen ein bisschen gar vorhersehbar ist, aber dennoch in sich stimmig wirkt. Allein Comic Relief Didier (Estéban), der vertrottelte Assistent von Erwan, passt nicht so ganz ins Bild und verhagelt einem einige Szenen, ehe er zum Ende hin dann doch ein bisschen ernster genommen wird. Insgesamt macht der Film mehr richtig als falsch, und die schöne bretonische Landschaft als Kulisse ist auch nie verkehrt. Lange hängenbleiben wird „Eine bretonische Liebe“ aber eher nicht, dazu ist er dann doch zu leichtgewichtig.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

What Happened to Monday? (2017)

Regie: Tommy Wirkola
Original-Titel: What Happened to Monday
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Science Fiction, Thriller
IMDB-Link: What Happened to Monday


Überbevölkerung ist ein wichtiges Thema unserer Zeit. Die Ein-Kind-Politik ein Ansatz zur Lösung, den schon China versucht hat. In „What Happened to Monday?“ von Tommy Wirkola wird diese einen Schritt weitergedacht. Überzählige Kinder werden einfach in einen Kryoschlaf versetzt. Nur Einzelkinder sind erlaubt, und diese tragen zur Identifikation auch elektronische Armbänder. Was aber, wenn aus der Kinderwiege nicht ein Kind herausplärrt, sondern gleich sieben? Dieses Problem hat Terrence Settman (Willem Dafoe), und er findet eine unkonventionelle Lösung: Abgeschottet in seinem Dachgeschoss-Apartment zieht er seine sieben Töchter (allesamt Noomi Rapace) unbeobachtet von der Öffentlichkeit auf. Für den Fall, dass mal jemand vorbeischauen sollte, gibt es ausgeklügelte Verstecke. Und jeden Tag darf ein anderes Mädel raus, um sich als Karen Settman auszugeben. Dass das nicht ganz einfach ist, versteht sich von selbst, denn immerhin müssen alle Schwestern am Abend ausführlich gebrieft werden, was man den ganzen Tag so erlebt und welche Leute man getroffen hat. Richtig schwierig wird es allerdings, als Monday eines Abends nach der Arbeit nicht nach Hause kommt. „What Happened to Monday?“ ist im Grunde eine One-Woman-Show von Noomi Rapace, die sichtlich Freude daran hat, sieben unterschiedliche Persönlichkeiten zur gleichen Zeit zu spielen. Das glatte Sci-Fi-Setting wirkt nicht unbedingt neu, passt aber sehr gut zum Thema. Auch hält Tommy Wirkola konstant die Spannung hoch, wenn die Schwestern rätseln, was mit ihrer verschollenen Schwester geschehen ist. Die Auflösung der Geschichte fällt dann etwas banaler aus, als sich der fantasiebegabte Zuseher im Vorfeld ausgemalt hätte. Da wird durchaus Potential verschenkt. Und auch die Action hätte man zu Gunsten von etwas mehr philosophischer Tiefe zurückstellen können. Aber sei’s drum – „What Happened to Monday?“ ist ein spannend inszenierter Nägelbeißer mit einer tollen Besetzung (unter Anderem auch Glenn Close), der über zwei Stunden hinweg gut zu unterhalten weiß.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Okja (2017)

Regie: Bong Joon-ho
Original-Titel: Okja
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Fantasy, Abenteuerfilm
IMDB-Link: Okja


Viel Positives kann man dem aktuellen Corona-Wahnsinn ja nicht abgewinnen. Auf persönlicher Ebene ist einer der wenigen positiven Aspekte, dass ich nun endlich mal dazu komme, Filme auf Netflix nachzusehen, die ich bislang verpasst habe. Und auf dieser Liste stand „Okja“ weit oben. Zu Recht, wie sich zeigen sollte, denn Bong Joon-ho (ja, der schon wieder!) legte 2017 einen Herz erwärmenden Fantasy-Film mit Botschaft vor, der bei mir noch lange nachklingen wird. In „Okja“ verspricht eine Konzernchefin (Tilda Swinton) das Ende des weltweiten Hungers durch die Züchtung eines Superschweins. 10 Jahre später soll das schönste und größte Tier von jenen, die bei lokalen Farmern weltweit in die Aufzucht gebracht wurden, in einer feierlichen Zeremonie geehrt werden. Nun stellt sich dabei aber ein unerwartetes Problem ein: Siegerschwein Okja aus Südkorea nämlich und Mija (Ahn seo-hyeon), die Enkelin des Farmers, haben eine richtig gute Beziehung zueinander. Dass das Schwein hochintelligent und empathisch ist, zeigt sich schon in den ersten Einstellungen. Doch entführt der Konzern rund um den schmierigen TV-Tierarzt Dr. Wilcox (Jake Gyllenhaal, der sichtlich Spaß hatte und das mit schamlosem Overacting zeigt) das treue Tier, woraufhin Mija aufbricht, um Okja zurückzubringen und dabei zwischen die Fronten von Konzernschergen und militanten Tierschützern (mit Paul Dano als Anführer) gerät. Bei all den Abenteuern vergisst Bong Joon-ho aber nicht auf das Herzstück des Films, nämlich das Herz, die Bindung zwischen Mensch und Tier. Das mag plakativ sein, ist aber wirkungsvoll in Szene gesetzt. Gegen Ende hin drückt Bong Joon-ho noch mal so richtig auf die Tube, um seine Botschaft anzubringen – und die ist nicht leicht zu ertragen, vor allem für Freunde eines genussvollen Steaks. Dass der Film trotz allem nicht plump wirkt, ist der inszenatorischen Kraft von Bong Joon-ho zu verdanken, der die Zügel stets im Griff behält. „Okja“ ist damit ein Film mit Wirkung und unbedingt sehenswert.


8,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Molly’s Game – Alles auf eine Karte (2017)

Regie: Aaron Sorkin
Original-Titel: Molly’s Game
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Krimi, Biopic, Drama
IMDB-Link: Molly’s Game


James Joyce wäre verblüfft, hätte er gesehen, was aus seiner Molly Bloom geworden ist. Nämlich eine abgebrühte Unternehmerin auf der Schattenseite des Wirtschaftslebens, die illegale Pokerspiele für Reich & Schön organisiert, für Hollywood-Stars, aufstrebende Neureiche, Dotcom-Millionäre, und das eine oder andere namhafte Mitglied der Russenmafia taucht auch gelegentlich in diesem illustren Kreis auf. Aber was soll’s – der Rubel rollt, und Molly verdient gutes Geld. Bis eines Tages ein paar uniformierte Herren mit finsterem Blick in ihrer Wohnung stehen. So rasant der Aufstieg, so schnell kann es auch wieder bergab gehen. Aber Molly Bloom ist eine findige junge Dame, und so verarbeitete sie ihre Geschichte ganz einfach in einer Biographie, die zum Bestseller wurde. Und eben jenen Bestseller verfilmte 2017 ein echtes Dreamteam: Aaron Sorkin, mehrfach preisgekrönter Drehbuchautor (u.a. für „The Social Network“ oder „Moneyball“), als Autor und Regisseur sowie Jessica Chastain in der Hauptrolle der Molly Bloom. In ihrem jeweiligen Fach sind beide absolute Ausnahmekönner. Dass Jessica Chastains Karriere bislang noch nicht Oscar-gekrönt ist, kann man nur als schweres Versäumnis werten. Ihnen zur Seite stehen weitere namhafte Kollegen wie beispielsweise Idris Elba als Molly Blooms Anwalt oder Kevin Costner als ihr Vater. Auch Michael Cera macht als notorischer Pokerspieler eine gute Figur. Warum „Molly’s Game“ trotz aller Ingredienzien dennoch nicht zu 100% zündet, liegt an der dann doch etwas zähen Spieldauer von fast 2,5 Stunden. Aaron Sorkins Drehbücher sind immer raffiniert, klug geschrieben, dialogreich und subtil. Auf die Dauer von 2,5 Stunden ausgebreitet können sie aber auch anstrengend werden, da sie ein hohes Maß an Konzentration vom Zuseher erfordern. Genau das erweist sich als einzige kleine Schwachstelle in einem ansonsten sehr guten, sehenswerten und toll gespielten Film.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Michael Gibson – © 2017 – STX Films, Quelle: imdb.com)

The Meyerowitz Stories (New and Selected) (2017)

Regie: Noah Baumbach
Original-Titel: The Meyerowitz Stories (New and Selected)
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: The Meyerowitz Stories (New and Selected)


Adam Sandler kann schauspielen. Was man seit „Punch Drunk Love“ von Paul Thomas Anderson vielleicht schon ahnte, wurde mit „The Meyerowitz Stories (New and Selected)“ von Noah Baumbach 2017 Gewissheit. Gebt dem Mann einfach eine Rolle, in der er seinen Dackelblick zielbringend einsetzen kann – und das Ding läuft. Wenn auch noch ein fatalistischer Ben Stiller, ein stoisch-komischer Dustin Hoffman, eine überspannte Emma Thompson und eine depressive Elizabeth Marvel zur Seite stehen, ist erstens das Patchwork komplett und zweitens das Ergebnis komischer als es klingt. Eigentlich handelt „The Meyerowitz Stories“ von nicht viel. In einer jüdischen Familie, die vom dominanten Vater (Hoffman), einem Künstler, dem nie die Anerkennung zuteil wurde, die er sich selbst gewünscht hätte, dominiert wird, versuchen die beiden Söhne (Sandler und Stiller) sowie die Tochter (Marvel), ihren eigenen Weg zu finden – was angesichts der langen Schatten, die der Vater wirft, nicht so einfach ist. Eigentlich plätschert der Film so vor sich hin, ohne wirklich zu zünden. Gleichzeitig ist das Geschehen aufgrund der klug geschriebenen und gut gespielten Figuren zu jedem Zeitpunkt interessant. Was irgendwie auch die Quintessenz von Noah Baumbach-Filmen beschreibt. Vielleicht hätte man sich eine stringentere Geschichte gewünscht, eine festere Hand in der Figurenführung – aber ganz ehrlich: Das Leben ist nun mal ein zuweilen zäh fließendes Ding, das hauptsächlich durch unsere Neurosen aufgepeppt wird. Und diese Stimmung fängt Noah Baumbach – mal wieder – sehr gut ein. Fazit: Es lohnt sich definitiv, da mal einen Blick hineinzuwerfen, vor allem, wenn man Sandler bislang nur aus den halblustigen bis gar nicht lustigen überdrehten Komödien kennt, mit denen er hauptsächlich seine Kohle gescheffelt hat.


7,0
von 10 Kürbissen

Under the Tree (2017)

Regie: Hafsteinn Gunnar Sigurðsson
Original-Titel: Undir trénu
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: Undir trénu


Die Isländer sind schon ein lustiges Volk. Da kann es schon mal passieren, dass die Insel verwaist ist, weil sich fast ganz Island auf den Weg nach Frankreich gemacht hat, um das heimische Fußball-Team, das bei der EM für ein Fußballmärchen sorgt, mit kriegerischen Huh-Rufen anzufeuern. Aber wer hütet dann die Schafe? Oder kommen die etwa mit? Egal. Was allerdings bei den Isländern gleich ist wie bei den Bewohnern anderer Länder: Die Nachbarn kann man sich halt oft nicht aussuchen. Und wenn dann ein zu groß gewachsener Baum einen Schatten auf die sonnenwütige Nachbarin fällt, die ihren Teint in Gefahr sieht, wird es in Reykjavík genauso ungemütlich wie in Rio, Rostock oder Ramingstein. Die Mittel, zu denen die Protagonisten in Hafsteinn Gunnar Sigurðssons Film greifen, werden aber zunehmend unorthodoxer. Ob das in Rio, Rostock oder Ramingstein genauso gehandhabt wird, kann man bezweifeln. Allzu typisch für Reykjavik wird das Verhalten aber auch nicht sein. „Under the Tree“ ist eine grimmige, schwarzhumorige Komödie über Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben und dadurch alles, was sie verlieren, noch umso gründlicher in die Binsen gehen lassen. Persönliche Abgründe führen zu einem Verhalten, das man eigentlich, wenn man ehrlich ist, ganz gut nachvollziehen kann. Aber niemand von uns, der noch seine sieben Murmeln beisammen hat, käme auf die Idee, diese verlockenden Gedanken auch in die Tat umzusetzen. So gesehen lebt „Under the Tree“ ein bisschen den Traum der vom Leben benachteiligten Wutbürger. Das alles wird aber auf eine isländische zurückhaltende Weise erzählt, die mitunter Längen aufweist. Und richtig sympathisch ist da keiner von der Truppe, weshalb das emotionale Involvement eher gedämpft bleibt. Trotzdem ein guter, sehenswerter Film, der vielleicht ein paar Anregungen für mögliche Maßnahmen gibt, wenn der depperte Nachbar seinen BMW mal wieder vor der Ausfahrt parkt. Zu guter Letzt noch eine Anmerkung: Gibt es einen isländischeren Namen als Hafsteinn Gunnar Sigurðsson?

 


6,5
von 10 Kürbissen