1001 Filme

Robin Hood, König der Vagabunden (1938)

Regie: Michael Curtiz und William Keighley
Original-Titel: The Adventures of Robin Hood
Erscheinungsjahr: 1938
Genre: Abenteuerfilm, Action
IMDB-Link: The Adventures of Robin Hood


„Robin Hood, König der Vagabunden“ (auch vermarktet als „Die Abenteuer des Robin Hood“) ist quasi der Urknall des Strumpfhosenfilms. Enger saßen die Strumpfhosen erst 40 Jahre später im ersten Superman-Film. Außerdem war das bunte Technicolor-Abenteuer stilbildend für die kommenden Robin Hood-Filme, darunter das Zeichentrickabenteuer von Disney (wird wohl für den Rest meines Lebens meine Lieblingsverfilmung des Robin Hood-Themas bleiben) oder die wunderbare Parodie „Helden in Strumpfhosen“, womit wir wieder beim wichtigsten Ausstattungsmerkmal des Klassikers wären. Generationen von Menschen sind dank des Films in der festen Überzeugung aufgewachsen, dass Bogenschützen lustige Federhüte tragen müssen, in Grün und Rot gekleidet sind und im Idealfall auch noch wie Errol Flynn aussehen. Ich denke, damit sind auch viele schlechte Bewertungen der Ridley Scott-Gurke aus dem Jahr 2010 erklärt. Robin Hood als grimmiger Muskelprotz, der auch blutet, schwitzt und Dreck im Gesicht hat? Sakrileg! Denn wenn man sich auf etwas in „Robin Hood, König der Vagabunden“ verlassen kann, dann darauf, dass niemand blutet, schwitzt oder Dreck im Gesicht hat. Fröhlich grinsend und scherzend hüpfen die Schauspieler bei den Schlachtenszenen im Kreis herum – gerade, dass sie sich nicht alle, ob Freund oder Feind, an den Händen fassen und einen Ringeltanz aufführen. Wenn nur alle körperlichen Auseinandersetzungen so herzerfrischend wären, unser Planet wäre friedlicher als ein Sonntagsbrunch in einem buddhistischen Kloster. Jedenfalls ist „Robin Hood, König der Vagabunden“ eine herrlich naive und unschuldige Angelegenheit, beim Lachen wirft man den Kopf zurück (und da man sehr viel lacht in diesem Film, frage ich mich, ob sich Errol Flynn nicht irgendwann mal während der Dreharbeiten eine Genickstarre eingefangen hat) und gegessen wird natürlich schmatzend und lachend von zehn Kilo schweren Keulen (Ursprungstier: Brontosaurier). Und das alles macht schon auch richtig Spaß. Ernst nehmen kann man den Film nicht, aber als quietschbuntes Sonntagsvergnügen taugt er auch heute noch.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 14 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Triumph des Willens (1935)

Regie: Leni Riefenstahl
Original-Titel: Triumph des Willens
Erscheinungsjahr: 1935
Genre: Dokumentation, Propagandafilm
IMDB-Link: Triumph des Willens


Aus der Reihe „Filme, die ich mir angesehen habe, damit ihr sie nicht ansehen müsst“: Leni Riefenstahls Propagandafilm „Triumph des Willens“, der den Reichsparteitag 1934 nutzt, um Hitler und die NSDAP ins rechte Licht zu rücken. Warum sieht man sich zwei Stunden lang Nazi-Propaganda an? Nun, zum einen deckt der Film tatsächlich eine Aufgabe der Filmreisechallenge ab, zum anderen gehört er zu den einflussreichsten Filmen des 20. Jahrhunderts, da viele technische und handwerkliche Aspekte wegweisend für weitere Filme waren. Selbst George Lucas hat sich für „Krieg der Sterne“ von der Ästhetik des Films inspirieren lassen. Filmhistorisch gesehen ist also Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ durchaus von Bedeutung. Gleichzeitig interessierte mich die Frage, wie ich selbst aus heutiger Sicht einen solchen Propagandafilm aufnehmen würde, mit welchen Methoden und Bildern damals gearbeitet wurde, um Menschen zu manipulieren, und was diese Bilder mit mir selbst machen würden. Und ja, es war interessant zu sehen, wie sich die NSDAP in diesem Film selbst inszenierte und verherrlichte – und man kann durchaus Parallelen zu Inszenierungen und Worthülsen heutiger Rechtspopulisten ziehen. Von daher gehört der Film eigentlich – von einem fachkundigen Lehrer mitkommentiert – in jeden Geschichtsunterricht aufgenommen. Auch wenn plumpe Propaganda wie in „Triumph des Willens“ so heute nicht mehr funktionieren würde, lassen sich gewisse Mechanismen in einer subtileren Weise auch heute noch entdecken, wenn man genau hinsieht. Mitunter ist „Triumph des Willens“ aber auch eine sehr ermüdende Angelegenheit, vor allem, wenn die Wehrmacht in einer Parade eine halbe Stunde lang am Führer vorbeitanzt (an dem Punkt habe ich mich gefragt, ob sich der Adi dabei genauso gelangweilt hat wie ich). Und über den Inhalt der Reden kann man getrost den Mantel des Schweigens breiten. Mit dem Wissen der heutigen Zeit lassen sich zwischen den Zeilen vielleicht noch interessante Andeutungen und Androhungen der Schrecken, die drei Jahre später Realität wurden, herauslesen, aber ansonsten ist das alles der übliche Nazi-Dreck á la „niemand kann uns aufhalten“. Insgesamt ist „Triumph des Willens“ eine ambivalente Geschichte: Technisch und handwerklich sicherlich herausragend, inhaltlich übelster Propagandamist, den man kaum zwei Stunden lang ohne gröbere Schmerzen durchhalten kann. So kommt dann auch meine Bewertung zustande (und die „Auszeichnung“, als einziger Film keine Bewertung zu erhalten, wollte ich diesem Mist nicht gönnen). Die 3 Kürbisse bekommt der Film ausschließlich für seine bahnbrechenden Kamerafahrten und innovativen Beleuchtungskonzepte. Auf den hier üblichen eingebetteten Trailer verzichte ich an dieser Stelle im Übrigen – aber ein Ausschnitt aus einer der bekanntesten Reden Hitlers aus dem Film darf es schon sein.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 13 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


3,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=vuQfQvtLE2A

Lady Bird (2017)

Regie: Greta Gerwig
Original-Titel: Lady Bird
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Komödie, Drama
IMDB-Link: Lady Bird


Hin und wieder kommt ein Film daher, der einfach alles richtig macht. Und ganz gleich, ob man die Geschichten und Figuren viel mit der eigenen Lebensrealität gemeinsam haben oder nicht – man ist von ihnen gefangen und für die Dauer des Films lebt man diese erzählte Leben. So ging es mir mit „Lady Bird“, dem Regiedebüt von Greta Gerwig. Meine Identifikationsmöglichkeiten mit Highschool-Mädchen aus Sacramento, Kalifornien, sind eher beschränkt, wie ich beim Blick in den Spiegel feststellen muss, aber dennoch sind mir alle Figuren dieses Films so wahnsinnig vertraut und nah. Und das liegt am grandiosen Storytelling. Denn auch wenn die Geschichte von der 17jährigen Christine, die sich selbst Lady Bird nennt (Saoirse Ronan mit einer unfassbar ehrlichen und authentischen Leistung), auf den ersten Blick recht unspektakulär dahindriftet (es geht um Schulschwärmereien, die Wahl des Colleges, Theaterproben, das Überstehen des letzten Schuljahres, Probleme mit den Eltern), so steckt, wenn man genauer hinsieht, so viel mehr drinnen. Freundschaft. Loyalität. Familie. Die Suche nach Status, wenn man nicht zu den Wohlhabenden in seinem Umfeld gehört, und – wichtiger – nach Anerkennung und einem eigenen Platz in der Welt. Dabei werden die Protagonisten (allesamt grandios gespielt) und die Beziehungen untereinander so unaufgeregt und gleichzeitig so wahrhaftig dargestellt, wie es Filmen nur selten gelingt. Greta Gerwig kommt ohne großes Drama und ohne Schubladen aus. Die Mutter ist liebevoll und verständnislos zugleich. Der Vater depressiv, aber freundlich. Lady Bird selbst eigensinnig, aber gutherzig. Es sind Menschen mit Stärken und Schwächen und viel Liebe füreinander, auch wenn es sie es manchmal nicht einfach miteinander haben. Die Konflikte werden unaufgeregt, aber ohne Weichzeichner gezeigt. Am Ende bekommt man eine Ahnung davon, wer diese „Lady Bird“ einmal als Erwachsene sein wird, und man denkt sich: Ja, ich glaube, wir würden uns gut verstehen.

 


8,5
von 10 Kürbissen

Flaming Creatures (1963)

Regie: Jack Smith
Original-Titel: Flaming Creatures
Erscheinungsjahr: 1963
Genre: Experimentalfilm, Kurzfilm
IMDB-Link: Flaming Creatures


Ich muss zugeben: Für diese Art von avantgardistischem Experimentalfilm fehlen mir die Antennen. Godards „Adieu au Langage“ verursachte bei mir Kopfschmerzen, und Jack Smiths „Flaming Creatures“ hinterlässt mich zumindest ratlos und genervt. Aber gut, wenn ich das Ding schon gesehen habe, kann ich auch darüber schreiben. Zunächst einmal muss man das Werk zeitlich einordnen. 1963. Die sexuelle Revolution ist noch ein Stück weit entfernt, aber die Libido macht natürlich, was sie will, ohne sich an Zeitpläne zu halten. Insofern ist „Flaming Creatures“ immerhin ein sehr gewagtes Experiment – kein Wunder, dass er bei seinem Erscheinen einen großen Aufschrei verursachte und sich sogar die Gerichte damit beschäftigten. Gezeigt wird nämlich explizit ein fröhliches Mit- und Durcheinander von eigenartigen Kreaturen, Frauen und Transvestiten. Auch eine seltsame mehrminütige Vergewaltigungsszene hat Smith im Repertoire. Eines kann der Film unbestritten: Aufmerksamkeit erregen. Und wenn er nur eine zehnminütige Sequenz geblieben wäre, dann hätte ich das als interessante Erfahrung ablegen können (ohne darüber in Begeisterungsstürme zu verfallen – das überlasse ich lieber Susan Sontag, die ein großer Fan des Films ist). Aber wenn sich diese wahllos aneinandergereihten Tanz- und Vögel-Sequenzen, unterbrochen durch wackelige Großaufnahmen beliebiger Körperteile, über 40 Minuten lang hinziehen, läuft irgendwann jeder Kürbis orangen an und entwickelt ausgefeilte Fluchtpläne. Es wird eine Menge Leute da draußen geben, die den Film richtig feiern können, denn er ist originell und schreit geradezu danach, Kunst zu sein, aber für mich ist das nichts, außer ich möchte mich mal wieder in Zen-mäßiger Gleichmütigkeit üben. Wer sich dennoch dafür interessiert, kann sich den kompletten Film auf Youtube ansehen.


2,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=dD0lNKVdQmI

Das Piano (1993)

Regie: Jane Campion
Original-Titel: The Piano
Erscheinungsjahr: 1993
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: The Piano


Sam Neill im Dschungel. Warum muss ich da immer an Jurassic Park denken? Sei’s drum – in Jane Campions dreifachem Oscar-Gewinner „Das Piano“ wird er nicht von hungrigen Dinosauriern attackiert, sondern als Alistair Stewart von den Wirrnissen der Liebe. Soeben hat es seine neue Angetraute, die stumme Witwe Ada (Holly Hunter, Oscar), samt deren Tochter Flora (Anna Paquin, ebenfalls Oscar) an den neuseeländischen Strand gespült, doch die Gewöhnung aneinander läuft nicht ganz so reibungslos ab, wie man sich das im Vorfeld ausmalt. Ein bisschen spröde ist die Neue, und dass sie nichts redet, macht es auch nicht einfacher, sich anzunähern. Schwerer taktischer Fehler gleich zu Beginn: Das heiß geliebte Piano, für Ada mehr als nur ein Musikinstrument, sondern ihre Weise, sich der Welt gegenüber auszudrücken, bleibt aufgrund der Sperrigkeit und des Gewichts am Strand zurück. Klar hat sich da Alistair gleich mal selbst ein Ei gelegt, denn so gewinnt man keine Zuneigung, sondern nur Probleme. Man kann nicht wirklich sagen, dass sich Ada in die starken Arme von George Baines (Harvey Keitel) flüchtet, ein eher schweigsamer Geselle mit interessanten Tattoos, der sich mit den Maori gut gestellt hat. Es ist vielmehr so, dass er die Gunst der Stunde (und Alistairs Dummheit) nutzt, seinem Bekannten das am Strand verwaiste Piano abluchst und in Folge dessen Ada um, sagen wir mal, kleine Gefälligkeiten bittet, wenn sie es wiederhaben möchte. Auftakt zu einer mit viel melancholischer Musik unterlegter Ménage à trois. Und weil’s ständig schifft wie aus Eimern und die Pianomusik gar so traurig klingt, lässt sich schon bald erahnen: Das geht nicht lange gut. Allerdings bleibt der Film über seine gesamte Spieldauer interessant und sehenswert. Zum Einen liegt das an der poetischen, aber selten kitschigen Inszenierung von Jane Campion, zum Anderen an den tollen Leistungen aller Beteiligten – wobei Holly Hunter als stumme Ada, hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Verlangen, noch einmal deutlich herausragt. Auch das neuseeländische Setting und die Einbettung der Maori in den Alltag ist durchaus gelungen. Das Ende ist schön und stimmig. Wer den Film noch nicht kennt, kann hier jedenfalls mal einen Blick riskieren, ungeachtet spezieller cineastischer Präferenzen.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 1 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,0
von 10 Kürbissen

Die Abenteuer des Prinzen Achmed (1926)

Regie: Lotte Reiniger
Original-Titel: Die Abenteuer des Prinzen Achmed
Erscheinungsjahr: 1926
Genre: Animation, Fantasy
IMDB-Link: Die Abenteuer des Prinzen Achmed


Prinz Ahmed ist schon ein Strizzi. Kaum wird er von einem bösen Zauberer hereingelegt, der sich des Bruders seiner Angebeteten mit Hilfe eines fliegenden Pferds entledigt, das den Prinzen immer weiter von zuhause fort trägt, lässt sich der so ins Exil beförderte Prinz erst mal auf ein Techtelmechtel mit gleich fünf hübschen Damen ein, raubt dann eine schöne Nackte aus ihrer Heimat, die er beim Baden im See gestalkt hat, verscherzt es sich so mit bösen Dämonen, und herausreißen aus der ganzen Misere muss den abenteuerlustigen Schwerenöter ausgerechnet Aladin, dem zwischenzeitlich seine Zauberlampe flöten gegangen ist, und eine hässliche Hexe. So viel zum Heldentum. Verbuchen wir das Ganze als jugendlicher Leichtsinn. Dass das Abenteuer des Prinzen trotzdem auch fast 100 Jahre nach dem Entstehen faszinieren kann, liegt in der unglaublich fantasievollen Machart. Lotte Reiniger schuf einen der ersten abendfüllenden Trickfilme der Geschichte mithilfe liebevoll gestalteter Scherenschnitte, die mit einem Detailreichtum aufwarten, der schnell vergessen lässt, dass sich hier nur Schatten über farbigem Hintergrund bewegen. Drei Jahre lang arbeiteten Lotte Reiniger und ihr Team an diesem Film, dessen Alter nur aufgrund der manchmal arg naiven Erzählstruktur durchschimmert. Tricktechnisch jedoch können die Scherenschnitte, die auch in dramatischen Situationen sehr gut funktionieren, auch heute noch überzeugen. Das ist vor allem Lotte Reinigers unbändiger Fantasie zu verdanken, die jedes Tableau mit viel Witz und einem Hauch von Expressionismus bedacht hat. Dieser Film wird auch die nächsten 100 Jahre gut überstehen, da bin ich mir sicher.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 29 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


8,0
von 10 Kürbissen

Call Me By Your Name (2017)

Regie: Luca Guadagnino
Original-Titel: Call Me By Your Name
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Liebesfilm
IMDB-Link: Call Me By Your Name


Erste Liebe. Gibt es etwas Schöneres? Gibt es etwas Schrecklicheres? Mit einem wohligen Schaudern erinnern wir uns an den ersten Schwarm und an das erste Mal, wenn die Zuneigung erwidert wird. Und an die tränenreiche Zeit danach, wenn man feststellt, dass die Ewigkeit oft nur einen Sommer lang dauert. Genau das ist die Geschichte von Luca Guadagninos „Call Me By Your Name“, die Adaption des gleichnamigen Romans von André Aciman. Der 17jährige Elio (Timothée Chalamet, oscarnominiert für seine nuancierte Darstellung) verbringt den Sommer mit seinen Eltern in Norditalien, das in wirklich sehr schönen, warmen Bildern eingefangen wird. Die Familie ist ein Paradebeispiel für wohlsituierte Akademiker: Der Vater (der wunderbare Michael Stuhlbarg) ist Archäologieprofessor, die Mutter (Amira Casar mit einer Aura, die Geborgenheit ausstrahlt) liebt Literatur, der Sohn ebenfalls – man unterhält sich in einer Mischung aus Englisch, Französisch und Italienisch. Auftritt des Love Interests. Und hier geht „Call Me By Your Name“ einen etwas anderen Weg als konventionellere Liebesfilme, denn eben jener ist 24 Jahre alt, extrem attraktiv und männlich. Der Student Oliver (Armie Hammer mit der wohl besten Leistung seiner bisherigen Karriere) wurde vom Vater eingeladen, den Sommer in dessen Haus zu verbringen. „Call Me By Your Name“ hält seinen wachsamen, wertungsfreien Blick auf die Chemie zwischen den beiden Protagonisten, ihre Annäherungen, die Missverständnisse, die Verwirrungen bis schließlich zum Eingestehen der eigenen Gefühle. Und bei all dem spielt die Tatsache, dass es sich hierbei um eine gleichgeschlechtliche Liebe handelt, keine größere Rolle als jene, dass sie ein kleines, zusätzliches Erschwernis bedeutet, da diese Liebe nicht öffentlich ausgelebt werden kann. Alles Andere – der Weg dahin – ist von einer erfrischenden Natürlichkeit und Zwanglosigkeit, was dem Zuseher eine wichtige Botschaft mitgibt: Liebe ist Liebe. Ganz einfach. Dass der Weg zu dieser Botschaft um mindestens eine halbe Stunde zu lang ausfällt (da sich der Film gerade in der Anbahnung reichlich Zeit lässt und auch gegen Ende hin noch ein paar kleinere Schleifen dreht, ehe er auf den konsequenten Schluss zusteuert), erfordert dann aber dennoch etwas Geduld und Sitzfleisch.


7,0
von 10 Kürbissen

Black Panther (2018)

Regie: Ryan Coogler
Original-Titel: Black Panther
Erscheinungsjahr: 2018
Genre:  Abenteuerfilm, Action, Fantasy, Science Fiction
IMDB-Link: Black Panther


Ich habe eine schwarze Miezekatze zuhause. Sie hört (nicht) auf den Namen Clarisse, und ich halte es durchaus für möglich, dass sie sich nächtens aus der Wohnung schleicht, um im Königreich Wakanda die Bösen aufzumischen. Das Gegenteil beweisen kann ich nicht. So muss ich Ryan Coogler vertrauen. Und der sagt mir: Black Panther, das ist Wakandas neuer König T’Challa (Chadwick Boseman). Und der hat erst einmal ein paar Probleme. Sein Vater hat im letzten Captain America-Film den Löffel abgegeben, und nun muss eben der Sohnemann zwangsläufig das Szepter schwingen. Zuerst aber muss er sich in einem archaischen Gedresche gegen einen Widersacher behaupten. Kaum hat er das erledigt, gibt’s innerwakandische Konflikte zu lösen, da sich ein Usurpator (Michael B. Jordan, das B. ist in diesem Fall aufgrund von Verwechslungsgefahr nicht wegzulassen) in Abwesenheit der Samtpfote aufschwingt, um das technologisch weit entwickelte, aber von der Außenwelt freiwillig abgeschottete Königreich zu übernehmen und auf die Landkarten dieser Welt zu bringen. Befreiung der Schwarzen, das klingt ja erst einmal nach einem hehren Ziel. Nur über die Mittel, die dem Bösewicht im Sinne stehen, lässt sich trefflich diskutieren, denn alle Weißen wegballern mag zielführend sein, aber moralische Diskurse gewinnt man damit nicht. So sieht das auch T’Challa, der mit Hilfe einiger sehr starker Mädels in seinen Reihen dem entgegentritt. Oder sagen wir so: Während T’Challa ein Schläfchen macht, machen sich die Damen auf den Weg, den Tag zu retten. Da wären wir auch schon bei einem der Aspekte, die ich an diesem Film sehr feiere: Starke Frauenfiguren, und zwar uneingeschränkt und ohne, dass man ständig darauf hinweisen müsste. Sie sind einfach tough, und das passt schon so. Auch schön ist natürlich, dass es mal einen ethnisch diversen Superhelden gibt, der auch in Afrika verwurzelt ist und sich dort behaupten darf/muss. Gleichzeitig aber knüpft daran einer meiner beiden hauptsächlichen Kritikpunkte an, weshalb der Film – bei mir – dann doch nicht so ganz gezündet hat: Mir ist klar, dass hier auf das kulturelle Erbe des Kontinents verwiesen werden soll, das als Säule für den spannend dargestellten Afrofuturismus dient. Ich habe aber das Gefühl, dass sich die Darstellung von Tradition und afrikanischem Erbe auf eine Ansammlung von Klischees beschränkt. Was verwundert, denn mit Ryan Coogler sitzt einer der spannendsten schwarzen Regisseure der Gegenwart auf dem Regiestuhl. Der zweite Kritikpunkt betrifft die Story selbst, die dem üblichen Superheldenmuster folgt und kaum bis gar keine Überraschungen für jene bereit hält, die mehr als zwei Marvel- bzw. Superheldenfilme kennen. Da hätte man mehr daraus machen können. Es ist gut, dass es den Film gibt, und wichtig, dass er einen solchen Erfolg feiert, aber dennoch wurden – in manchen Aspekten – ein paar Chancen liegengelassen. So ist „Black Panther“ für mich ein guter, aber kein großartiger Film.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 63 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Der seidene Faden (2017)

Regie: Paul Thomas Anderson
Original-Titel: Phantom Thread
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Liebesfilm
IMDB-Link: Phantom Thread


Der distinguierte, leicht pedantische Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) ist der beste Schneider Londons. Sogar Prinzessinnen lassen sich von ihm zu ihrer Hochzeit einkleiden. Alma Elson (Vicky Krieps) ist eine Kellnerin, die dank ihrer perfekten Maße zu Woodcocks Muse und Geliebten wird. Das ist „Phantom Thread“ – und was jetzt erst einmal nach einer eh-schon-tausend-Mal-gesehenen Geschichte über die fragile Liebesbeziehung zwischen einem reichen, alten Sack und einem betörend agilen Mädchen klingt, entpuppt sich in weiterer Folge als subtiles, schwarzhumoriges Meisterwerk über Macht und Abhängigkeit. Denn der Stoff (Achtung: Doppeldeutigkeit!) ist bei Paul Thomas Anderson in den allerbesten Händen. Allein schon, wenn man das Handwerkliche betrachtet, kommt man aus dem Zungeschnalzen nicht mehr heraus. Die Kamera schafft mit gedämpften Bildern eine sehr intime Atmosphäre. Die Ausstattung ist exquisit und edel und unterstreicht den Reichtum sowie auch die Entrückung Woodcocks von der „realen Welt“. Die ganz große Stärke des Films liegt aber in der Akustik. Woodcock liebt Stille, er braucht sie, um sich zu konzentrieren und sein Genie zur Entfaltung zu bringen. Konsequenterweise nimmt er Geräusche überhöht wahr – und mit ihm auch das Publikum. Hier knistert der Stoff, wenn die Schere am Werk ist. Hier scharren Absätze auf dem Parkett, blubbert das Teewasser beim Aufguss besonders laut. Begleitet wird die Geräuschkulisse, die – ähnlich wie die Kamera – auch noch mal einen größeren Eindruck von Intimität entstehen lässt, durch den genialen Soundtrack von Jonny Greenwood, der sich einmal mehr enorm wandlungsfähig zeigt. Kein Vergleich zu dem düsteren, bedrohlichen Soundtrack von „There Will Be Blood“, der ebenfalls aus seiner Feder stammt. Der Soundtrack in „Phantom Thread“ ist sanft, den Zuhörer wie in Seide einbettend, weist aber dennoch immer wieder auf die Spannungsverhältnisse innerhalb der Beziehung von Reynolds und Alma hin. Bleibt zuletzt nur noch etwas über die schauspielerische Leistung zu sagen. Daniel Day-Lewis. Sein letzter Film. Was für eine Lücke wird er hinterlassen! Wie in allen seinen Filmen spielt er die Rolle nicht, er lebt sie. Er tritt völlig hinter der Rolle zurück. Sein Reynolds Woodcock ist mit keiner seiner vorigen Rollen vergleichbar, und gleichzeitig fühlt er sich wieder authentisch an, als wäre das die einzige Rolle gewesen, die er jemals gespielt hat. Ein absolutes Ausnahmetalent. Er und Meryl Streep – das sind die beiden Giganten unserer Zeit. Aber auch die luxemburgische Newcomerin Vicky Krieps ist zu erwähnen. Furchtlos stellt sie sich in ihrer Rolle als Alma und als Schauspielerin der Naturgewalt von Daniel Day-Lewis. Ihre Rolle ist fordernd – denn sie muss gleichzeitig verletzlich und willensstark wirken, und das gelingt ihr außerordentlich gut. „Phantom Thread“ gehört definitiv jetzt schon zu den Highlights des Jahres und wird sich wohl auch in meiner Best of 2018-Liste wiederfinden.


8,5
von 10 Kürbissen

Frankenstein (1931)

Regie: James Whale
Original-Titel: Frankenstein
Erscheinungsjahr: 1931
Genre: Horror
IMDB-Link: Frankenstein


Boris Karloff als Monster. Eine Ikone der Filmgeschichte. James Whale schuf mit „Frankenstein“ mehr oder weniger die Blaupause für alle nachfolgenden Monsterhorrorfilme. Und gleich zu Beginn des Films wird von einem besorgten Moderator gewarnt: Ansehen nur auf eigene Gefahr! Dass Horror heutzutage anders funktioniert als vor 85 Jahren, dafür kann der Film nichts. Damals fuhren die auf der Leinwand gezeigten Schrecken (die ohne musikalischer Untermalung zur Zuspitzung der Situation auskommen) den arglosen Besuchern tatsächlich in die Glieder. Heute sind Karloffs schwankender Gang und sein starrer Blick zwar immer noch sehenswert, verbreiten aber keine Angst, sondern eher ein wohliges Gefühl der Nostalgie. Nein, „Frankenstein“ treibt heutzutage den Puls nicht mehr in die Höhe. Dennoch ist der Film definitiv eine Sichtung wert. Wenn man sich nämlich von der Prämisse löst, von einer Angststarre einen halben Meter tief in die Couch genagelt werden zu müssen, um den Film als Horrorfilm genießen zu können, entdeckt man sehr viel Schönes und dauerhaft Bewährtes. Wie etwa die wunderbare Atmosphäre, die sich in den mit Liebe zum Detail schaurig gestalteten Kulissen manifestiert. Oder eben das sehr physische, präsente Spiel von Boris Karloff. Und eben die von Mary Shelleys Romanvorlage übernommene prinzipielle Unschuld des Monsters, der erst durch den Umgang der Umwelt mit ihm dem Bösen in die Arme getrieben wird. Wunderbar die Szene, als das Monster am See mit einem kleinen Mädchen spielt – und wie emotional der Moment, als er es versehentlich tötet und vor Schrecken über seine eigene, aus Naivität geborener Tat in den Wald flüchtet. Das sind ganz starke Momente. Was mir allerdings nicht gefallen hat, war der allzu lockere Umgang mit der literarischen Vorlage. So heißt Viktor Frankenstein im Film plötzlich Henry Frankenstein, während Victor zwar vorkommt, aber als andere Figur, als guter Freund des Hauses nämlich (der für die Geschichte an sich ziemlich für die Fisch‘ ist) – im Grunde basiert der Film nur sehr lose auf Shelleys grandiosem Roman. Das zeigt sich auch an den Dialogen, bei denen es sich leider oft nicht mehr als um eine lieblose Aneinanderreihung von Plattitüden und Banalitäten handelt, die die Handlung vorantreiben sollen – nur leider: das geschulte Ohr hört mit, und manchmal wäre Schweigen wirklich Gold (vor allem, wenn das Gerede nur beschreibt, was ohnehin auf dem Bildschirm zu sehen ist). Dafür gibt’s Abzüge. Trotzdem kann James Whales „Frankenstein“ auch heute noch mit Genuss gesehen werden. Filmhistorisch ist dieses Werk ohnehin über jeden Zweifel erhaben.


6,5
von 10 Kürbissen