Weitere Filmfestivals

Shin Ultraman (2022)

Regie: Shinji Higuchi
Original-Titel: Shin Ultraman
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Action, Science Fiction
IMDB-Link: Shin Ultraman


Ich muss zugeben, japanische Populärkultur ist für mich unbekanntes Terrain. Klar, Godzilla kenne ich, die Bücher von Haruki Murakami mag ich, und dass Anime ein großes Ding sind, weiß ich auch, aber damit erschöpft sich mein Wissen um diesen Aspekt des japanischen Lebens auch. So musste mir Olaf Möller, der eine kurze Einführung in „Shin Ultraman“ im nachmittäglich gut besuchten Filmcasino gab, unter anderem erklären, dass „shin“ auf Japanisch „neu“ bedeutet. Einen neuen Ultraman gab’s also zu sehen, und, damit solch kulturell verkommenen Taugenichtse wie ich auch der Geschichte folgen können, das quasi als neue Origin-Story. Ultraman ist ein japanisches Phänomen, ein Gigant aus dem All mit allerlei Superkräften, der auf die Erde kommt, um diese vor böswilligen Kaijū, riesigen Monstern, zu beschützen. Shinji Higuchi nimmt sich dieses Helden, den es schon seit den 60er Jahren in Japan gibt, an und stellt ihn nun einem internationalen Publikum vor. Die Geschichte ist sehr kurzweilig umgesetzt und auch die Special Effects können sich wirklich sehen lassen. Man muss sich, vor allem als jemand, der abseits diverser Festivalfilme noch wenig Kontakt mit der japanischen Filmlandschaft hatte, erst einmal hineinarbeiten in die doch sehr spezielle Art und Weise, wie der Film gemacht ist – in das Spiel der Darsteller:innen, das zwischen leeren Blicken und blitzartigen Gefühlsausbrüchen schwankt, in den teils recht abrupten Schnitt, in die Lichtgestaltung. Das geht doch ein wenig entgegen europäischer Sehgewohnheiten. Doch hat man sich erst einmal daran gewöhnt, ist „Shin Ultraman“ ein vielleicht etwas zu lang geratenes, aber durchaus spannendes Vergnügen. Für Japanophile wohl ein Muss, aber auch für ein breiteres Publikum geeignet.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Blaze (2022)

Regie: Del Kathryn Barton
Original-Titel: Blaze
Erscheinungsjahr: 2022
Genre: Drama
IMDB-Link: Blaze


SLASH Festival. Jedes Jahr ein Fixpunkt in Österreichs Filmlandschaft. Hier werden fantastische, absurde, dystopische, groteske und erschreckende Filme gezeigt, die allesamt vereint, dass sie dem Naturalismus abschwören und eigene Wege gehen, die auf verschlungenen Pfaden ins Herz der Finsternis führen. So auch „Blaze“, das Langfilmdebüt der australischen Malerin Del Kathryn Barton. Das Thema des Films ist durchaus realistisch: Die zwölfjährige Blaze wird zufällig Zeugin einer Vergewaltigung mit Totschlag und davon, was absolut nachvollziehbar ist, stark traumatisiert. Trost spendet ihr – und hier kommt nun Bartons eigener Weg zum Vorschein – eine bunte, glitzernde Drachenlady in ihrem Schlafzimmer. „Blaze“ ist ein Traumabewältigungsfilm, der sein Thema nicht auf die leichte Schulter nimmt, aber dennoch einen sehr eigenen Zugang findet. In dieser Vermengung von tragischer Realität und Fantasie erinnert er an den grandiosen Film Die Beste aller Welten, ohne aber dessen Eindringlichkeit zu erreichen. Dafür wirkt „Blaze“ verspielter, und schon bald wird klar, dass der Film auch eine Allegorie auf das Erwachsenwerden durch den Verlust der Unschuld ist. Das alles in bunten, knalligen Farben, wie man sich halt die Fantasiewelt einer Zwölfjährigen vorstellt. Gerade in der Bildkomposition zeigt sich Bartons Hintergrund als Malerin. Der Film geht visuell Wagnisse ein, die aber fast alle aufgehen. Darunter legt sich ein Soundteppich, der verschiedenste Musikgenres ineinandergreifen lässt. Man könnte nun kritisch anmerken, dass es vielleicht ein bisschen zu viel von allem ist, zu gewollt, aber der Film funktioniert dennoch. Was nicht zuletzt an der überragenden Nachwuchsdarstellerin Julia Savage liegt, die ihrer Blaze Facettenreichtum und Tiefe verleiht. Man sollte sich diesen Namen merken.


7,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Werewolves Within (2021)

Regie: Josh Ruben
Original-Titel: Werewolves Within
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Komödie, Horror
IMDB-Link: Werewolves Within


Ein Film, der auf einem Videospiel beruht, das auf einem Gesellschaftsspiel basiert. Was soll da schon schiefgehen? Theoretisch müsste man damit ja mindestens die halbe Weltbevölkerung ansprechen. Das dachten sich jedenfalls die Produzenten von „Werewolves Within“ und ließen Josh Ruben von der Leine. Die Grundidee ist ja eine vielversprechende: Der neue Ranger in der Kleinstadt darf sich gleich mal mit den seltsamen, leicht neurotischen Dorfbewohnern herumplagen, von denen einer wohl – wie schon bald vermutet wird – ein Werwolf sein könnte. Fortan regieren Misstrauen, Angst und Hysterie. Das Ganze ist gespickt mit viel Humor, mit dem das Werwolf-Genre auch gerne mal parodiert wird. Nur leider hat man auf eine entscheidende Zutat vergessen: Sympathische Charaktere. Gut, Ranger Finn (Sam Richardson) taugt als Identifikationsfigur und ist als netter Kerl natürlich derjenige, von dem man sich wünscht, dass er nicht als Abendessen endet, und auch Postlerin Cecily (Milana Vayntrub) als Love Interest hat ihre Momente, aber der gesamte Rest der Dorfgemeinschaft geht einem binnen weniger Minuten schon so auf den Keks, dass man fest dem Lykanthropen die Daumen drückt. Eine solche geballte Vielzahl an überzeichneten Charakteren gab’s am Slash Festival nicht mal bei First Date zu bewundern, und dort war es schon grenzwertig. Insofern plagt einem am Ende der Gedanke, dass „Werewolves Within“ noch viel cooler hätte sein können, wenn man sich ein bisschen beim Drehbuch und der Auswahl der Darsteller:innen bemüht hätte. Für den persönlichen Abschlussfilm des Festivals war’s schon in Ordnung, da der Film Tempo hat und auch nicht schlecht unterhält, aber viel bleiben wird davon wohl nicht.


5,5 Kürbisse

Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Lamb (2021)

Regie: Valdimar Jóhannsson
Original-Titel: Dýrið
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Horror, Drama
IMDB-Link: Dýrið


Die Isländer sind schon ein ganz eigenes Volk. Eigentlich bleiben sie ja lieber unter sich, außer es läuft im Fußball mal so richtig gut – da kann es auch schon mal passieren, dass die Hälfte der Bevölkerung des Landes in Paris weilt. In „Lamb“ von Valdimar Jóhannsson, der sich dafür mit dem bekannten Schriftsteller Sjón auf ein Packerl gehaut hat, gehen die Isländer jedoch wieder ihrer üblichen Beschäftigung nach: Schafe züchten und ins Weite starren. Star-Power hat sich Jóhannsson in Gestalt von Noomi Rapace geholt, die ihre Sache als traurige María auch ausgezeichnet macht. Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet sie im Nirgendwo einen Hof, und dort kommt eines Tages auch ein ganz besonderes Lämmchen zur Welt. Was ich an „Lamb“ mag, ist, dass er konsequent Erwartungshaltungen unterläuft. Man ist ja schon aufgrund von langjährigem Kinogenuss bei bestimmten Themen oder Szenen in eine Richtung gepolt. Jóhannsson weiß das, und er geht dann lieber einen anderen Weg, der – im Nachhinein betrachtet – auch der stimmigere und realitätsnähere ist. So fühlt sich der Film trotz seiner Verankerung in der Fantastik sehr rund und menschlich an. Dazu kommen wunderschöne Aufnahmen der gewaltigen isländischen Landschaft, in der die Weite eine Beengung darstellt, und ein dazu passendes reduziertes, getragenes Tempo. Spannung bezieht der Film aus den leisen Untertönen. Der Zugang ist mehr ein philosophischer als ein auf Unterhaltung getrimmter. Das mag vielleicht nicht jedermanns Geschmack treffen, aber ich hatte mit dem Film meine Freude. Im Übrigen beweist der Film auch, dass Schafe ganz exzellente Schauspieler sein können.


8,0 Kürbisse

(Bildzitat: © New Europe Film Sales, Quelle: http://www.imdb.com)

Prisoners of the Ghostland (2021)

Regie: Sion Sono
Original-Titel: Prisoners of the Ghostland
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Action, Komödie, Eastern, Western, Fantasy
IMDB-Link: Prisoners of the Ghostland


Da haben sich die richtigen beiden gefunden: Der komplett wahnsinnige Filmmacher Sion Sono und Nicolas Cage, unumstrittener König des Slash-Filmfestivals. Viele meinen ja, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die beiden zueinander finden würden. In „Prisoners of the Ghostland“ ist es nun endlich soweit, und komplett irre Film- und Szenenideen treffen auf gnadenlos durchexerziertes Overacting. A match made in heaven. Die Story ist dabei schon komplett nebensächlich. Ex-Bankräuber (Cage) wird von einem selbsternannten Gangster-Boss in Samurai City, wo Eastern und Western aufeinanderprallen, auf die Suche nach seinem Mädel (Sofia Boutella) ins mystische, fantastische Ghostland geschickt. Zur Motivation trägt der Held einen Lederanzug, an dem kleine Bomben an Hals, Armen und … nun ja … den Eiern befestigt sind. Scheitert er, gehen die Bomben an seinem Hals los. Betatscht er die Gerettete, müssen die Arme dran glauben. Und wann die Bomben an seinen Genitalien losgehen, muss ich wohl nicht extra erklären. Und so absurd diese Idee schon ist – Sion Sono zögert keinen Moment, diese so richtig auszukosten. Der Rest des Films sind wilde Settings, die zum Teil an Mad Max erinnern, komplett irre choreographierte Schießereien und Komparsen, die komplett gaga irgendwelche Chants singen dürfen. Ach ja, und atomare Explosionen natürlich. Das alles ist so over the top, dass man nur den Hut ziehen kann. Gleichzeitig ist der Film aber auch fürchterlich anstrengend – und aufgrund der fehlenden Story dann zwischenzeitlich sogar ein bisschen fad, wenn man sich an den ganzen visuellen Wahnsinn mal gewöhnt hat. Da stellt man dann nämlich fest, dass „Prisoners of the Ghostland“ zwar ein Gore-Fest der Sonderklasse ist, aber leider wenig Substanz hat. Im Übrigen: Arme Filmhistoriker, die irgendwann mal Nicolas Cages Karriere studieren müssen. Ab einem gewissen Punkt ist die einfach nicht mehr erklärbar.


5,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Wife of a Spy (2020)

Regie: Kiyoshi Kurosawa
Original-Titel: Supai no tsuma
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Historienfilm, Drama, Krimi
IMDB-Link: Supai no tsuma


Ich habe ja so meine Probleme mit dem umtriebigen japanischen Kult-Regisseur Kiyoshi Kurosawa. Ob nun seine Horror-Thriller-Anfänge (Cure) oder sein Ausflug ins Science Fiction-Genre (Before We Vanish) – bislang konnte mich nichts restlos überzeugen. „Wife of a Spy“, ein ruhig erzähltes Agentendrama im historischen Setting, ist jedoch nun mal ein Film, bei dem ich voll mitgehe. Zum Einen liegt das an der wirklich großartigen aufspielenden Besetzung (Yū Aoi als titelgebende Ehefrau Satoko, Issey Takahashi als ihr Mann Yūsaku mit Geheimnissen), zum Anderen an der grundsoliden Inszenierung, die das Drama fast schon als Kammerspiel aufzieht, in der die große Geschichte im Kleinen, nämlich im eigenen Wohnzimmer, auf die Familie Fukuhara hereinbricht. Hier gibt’s keine Action a la James Bond zu bestaunen – manchmal sind es eben auch kleine Fabriksbesitzer, die zu Helden der Geschichte werden können und große Wagnisse eingehen. Die Story ist kurz vor Japans Eintritt in den Zweiten Weltkrieg angesiedelt, die Kernfrage beschäftigt sich mit Moral und Glaubensgrundsätzen, und wie diese die Ehe der Fukuharas gefährden. Wie weit geht man, wenn man großes Unrecht vermutet und dieses zu verhindern versucht, und damit die Menschen, die man liebt, in Gefahr bringen könnte? Und vor allem: Wie geht die andere Seite, eben die eigene Ehefrau, mit der Situation um, wenn sie nach und nach hinter das doppelte Spiel des eigenen Mannes kommt? „Wife of a Spy“ zieht seine Spannung aus genau diesen Fragen und ist somit mehr Ehedrama als Spionagethriller, verbindet aber beide Genres geschickt. Einzig für das etwas langatmige Ende gibt’s Abzüge in der B-Note, das hätte man deutlich straffen können, ohne dass dabei etwas verlorengegangen wäre. Dennoch: „Wife of a Spy“ ist vielleicht die Tür zu Kiyoshi Kurosawa, die mir bislang verschlossen blieb.


7,5 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

The Demon (1963)

Regie: Brunello Rondi
Original-Titel: Il demonio
Erscheinungsjahr: 1963
Genre: Drama
IMDB-Link: Il demonio


Was Katholizismus mit armen Seelen anrichten kann, will man sich ja gar nicht ausmalen. Am eigenen Leib bekommt dies jedenfalls Purif (Daliah Lavi) zu spüren, die in einem kleinen süditalienischen Dorf aufwächst und die durch unerwiderte Liebe zu erratischem Verhalten neigt. Damit muss sie in den Augen der Dorfbewohner von einem Dämonen besessen sein, geht ja nicht anders. Was soll einer jungen Frau mit fleischlichen Gelüsten schon auch anderes widerfahren? „Il demonio“ von Brunello Rondi baut auf einem sehr klassischen Topos auf – die besessene Frau, die so nicht sein kann, nicht sein darf. Das ewig lockende Weib. Dabei macht Rondi aber nicht den Fehler, einen üblichen Horrorfilm daraus zu basteln, sondern kommentiert vielmehr in einem reduzierten Drama die absurden Verhältnisse am Land und die Irrationalität, die durch zu starken Glauben hervorgerufen wird. Die mystische Ebene existiert zwar, aber sie steht nicht im Vordergrund, und es ist am Ende dem Zuseher selbst überlassen, wie er das Werk interpretieren möchte. Das ist klug gemacht. Allerdings muss der Film schon mit recht einfachen Mitteln auskommen, und Spannung will sich nicht wirklich einstellen. Stellenweise ist „Il demonio“ damit eine zähe Angelegenheit. Dennoch eine interessante Erfahrung im Rahmen der Slash Festival-Retrospektive.


6,0 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

First Date (2021)

Regie: Manuel Crosby und Darren Knapp
Original-Titel: First Date
Erscheinungsjahr: 2021
Genre: Krimi, Komödie
IMDB-Link: First Date


Amerikanische Teenager und ihr Auto-Fetisch. Unserereins hat das Mädel seiner Wahl stilecht mit den Öffis ausgeführt, und wenn du aus dem Waldviertel gekommen bist, hast du die Holde im Postbus zum McDonald’s nach Krems kutschiert und musstest vor 8 Uhr abends wieder zurück sein, da dann der letzte Bus ging. Aber nein, der amerikanische Teenager, auch wenn notorisch pleite, braucht natürlich sein eigenes Automobil – und da beginnen die Probleme auch schon. Zwar hat sich Mike das Date mit der resoluten Kelsey gesichert, doch genau an diesem Wochenende düsen die Eltern nach Vegas ab. Der Plan, das Date in der Familienkutsche abzuholen, ist somit schon mal glorios gescheitert. Dank des Ersparten und ein wenig „geborgtem“ Geld aus der Schublade der Eltern macht Mike aber doch noch kurzfristig ein Auto klar, das ihm der windige Dennis zwischen Tür und Angel verkauft. Blöd nur, dass dieses Auto eine Vorgeschichte hat – und schon bald kleben Mike die Polizei und eine Gang geschwätziger (und bewaffneter) Kleinstadtgangster auf den Fersen. „First Date“ ist eine rasante Komödie, die den Bogen einfach immer einen Tick weit überspannt, was in den besten Momenten zum Brüllen komisch, auf Dauer aber auch nicht unanstrengend ist. Wirklich jede Nebenfigur ist eine Karikatur und die Handlung wird immer absurder, allerdings ist das alles so hemmungslos entspannt und sympathisch dargebracht, dass man dem Film das alles nicht übelnehmen kann. Man könnte sagen: „First Date“ ist ein knuffiges Kaninchen, das versehentlich am Koks geschnüffelt hat und nun rabiat durch die Wohnung fetzt. Tyson Brown in der Rolle des überforderten Mike macht seine Sache gut – denn er transportiert die ungläubigen Blicke, mit denen seine Figur die aus dem Ruder laufenden Handlungsstränge quittiert, herrlich nachvollziehbar – uns im Publikum geht’s ja auch nicht anders. Shelby Duclos als Kelsey hat zu Beginn nicht viel zu tun, bringt aber dann in der zweiten Hälfte ein bisschen Bad-Ass-Attitüde mit ein, die ihrer Figur gut zu Gesicht steht. Der Rest des Casts ist hauptsächlich für die komödiantischen Momente zuständig. Dass dennoch eine permanente Atmosphäre der Bedrohung über Mike und seinen Schwarm schwebt, ist ihnen und den Regisseuren aber hoch anzurechnen. Fazit: Sicherlich nicht einer der besten Filme des Jahres, aber er macht Spaß.


6,0 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

Alien on Stage (2020)

Regie: Lucy Harvey und Danielle Kummer
Original-Titel: Alien on Stage
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Alien on Stage


Britischer wird’s nicht mehr: Eine Laientheatergruppe eines Busunternehmens in Dorset, England, wird durch einen glücklichen Zufall für eine Nacht im Leicester Square Theatre in London für ihre Darstellung von „Alien“ gebucht. Vom Dorseter Gemeindetheater ans West End – und das mit handgemachten Requisiten, die man eilig selbst zusammengebastelt hat, und null schauspielerischer Erfahrung, aber viel Herzblut und Enthusiasmus und britischem Humor. Was soll da schon schiefgehen? „Alien on Stage“ von Lucy Harvey und Danielle Kummer ist eine liebevoll inszenierte Dokumentation über einen Box Office-Hit in der Londoner Theaterszene, den man eigentlich nicht für möglich halten kann. Im Fokus stehen dabei die Vorbereitungen der sichtlich überforderten Truppe auf den großen Abend, wobei der Regisseur des Laientheaters Dave Mitchell besonders viel Raum einnimmt – sehr zum Gaudium des Publikums, denn dem Mann mit dem staubtrockenen Humor, der sichtlich keine Ahnung hat, wie er sich nur in diese Situation hineintheatern konnte, plötzlich für eine ausverkaufte West End-Produktion verantwortlich zu sein, sollte man ein Denkmal bauen. Was er und seine Leute mit viel Improvisationstalent, Fantasie und Leidenschaft auf die Bühne stellen, ist schlicht grandios. Den Weg dahin zu begleiten und das Endresultat dann in einem Zusammenschnitt der besten Szenen auch noch zu sehen, macht wahnsinnig viel Spaß. „Alien on Stage“ ist eine Feelgood-Dokumentation, der man gerne folgt. Vielleicht hätte man die Hintergründe, wie es überhaupt zu dieser Schnapsidee gekommen ist, noch mehr beleuchten können, aber geschenkt. Nun würde mich interessieren, was Ridley Scott dazu sagt. Ich bin mir sicher, er wäre begeistert, denn kreativer kann eine Hommage an einen der besten Science Fiction-Filme der Geschichte nicht ausfallen.


7,5 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)

Lapsis (2020)

Regie: Noah Hutton
Original-Titel: Lapsis
Erscheinungsjahr: 2020
Genre: Drama, Science Fiction, Satire
IMDB-Link: Lapsis


In einer alternativen Realität sind Quantencomputer der neue heiße Scheiß, den jeder haben muss. Für das Verlegen der Quantenkabeln braucht es jedoch die neue Berufsgruppe der Kabelverleger. Die rennen mit Kabelrollen auf fest vorgegebenen Routen durch den Wald und stöpseln die Kabeln an Hubs an. Je länger und aufwendiger die Route, desto mehr Kohle gibt es. Gleichzeitig marschieren quasi als Ansporn kleine Roboter die gleichen Routen entlang – und wer von einem solchen Roboter überholt wird, bekommt kein Geld ausgezahlt. Ray (Dean Imperial) nimmt, auch wenn er nicht sonderlich gut in Form ist, diesen Job an, um die teure Behandlung seines kranken Bruders zahlen zu können. Auf dem Weg lernt er andere Kabelverleger kennen, die aber seltsam reagieren, wenn er seinen Usernamen nennt. Während sich für gewöhnlich jeder selbst einen Namen aussuchen kann, wurde Ray der Name zugeteilt – und der Name scheint eine Vergangenheit zu haben. Erst die Gespräche mit der Kabelverlegerin Anna (Madeline Wise) bringen allmählich Teile dieser Vergangenheit ans Tageslicht. „Lapsis“ ist ein gemütlicher Film. Die meiste Zeit über hatschen Ray und seine Kompagnons durch die Landschaft, während sie Kabelrollen hinter sich herziehen, oder sie campieren pfadfindermäßig in Zeltlagern. Im Detail und zwischen den Zeilen offenbart sich aber eine subtile Gesellschaftskritik, die die alternative Realität nur so weit entfremdet, dass diese Kritik nicht mit dem Holzhammer, sondern mit der feinen Klinge geübt wird. Das ist vielleicht gleichzeitig auch der größte Schwachpunkt des Films: Gerade dieser subtile Zugang ist halt nicht wahnsinnig aufregend anzusehen. Allerdings steckt inhaltlich schon einiges drinnen (Ausbeutung der Arbeiter durch Großkonzerne, Verdrängung durch Automatisierung, das Sozial- und Medizinwesen der USA) – man muss nur ein Stück weit unter das Offensichtliche tauchen.


7,0 Kürbisse

(Foto: Slash Filmfestival)