Viennale

Frank (2014)

Regie: Lenny Abrahamson
Original-Titel: Frank
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Komödie, Musikfilm
IMDB-Link: Frank


„Frank“ ist ein erstaunlicher Film. Er ist skurril, ohne seine Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. Er ist witzig, ohne die tragischen Seiten des Lebens zu verleugnen. Dessen Hauptdarsteller läuft die ganze Zeit über in einem Pappmaché-Kopf herum und ist ohne Mimik ausdrucksstärker als viele andere Darsteller. Und Träume sind manchmal zu groß, aber kein Grund, ihnen deshalb nicht nachzujagen.

Die eigentliche Hauptfigur ist Jon (Domhnall Gleeson, und ja, ich musste googeln, wie man seinen Namen schreibt), ein junger Musiker oder vielmehr: Möchtegern-Musiker, den es durch Zufall als Keyboarder in die Band von Frank (herausragend: Michael Fassbender) spült. Frank hat besagten Pappmaché-Kopf auf, und nicht einmal seine langjährigen Bandkollegen wissen, wie er darunter aussieht. Die Bandkollegen: Eine furchteinflößende Maggie Gyllenhaal (Reminder an die Academy: die Dame wäre auch längst mal fällig für den Goldmann), ein nicht wiederzuerkennender Scoot McNairy und zwei tatsächliche Musiker, die dem ganzen Toben auf der Bühne mit ihrer Präsenz zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen. In dieser bunten Truppe ist Jon, der Musik-Nerd, der normalste und in Folge konsequenterweise auch jener, der den Laden zusammenhängt. Frank nämlich ist ein exzentrischer Freigeist, er lebt in und für die Musik, aber die Erfordernisse der realen Welt prallen an ihm ab. Der Plan, in einer Blockhütte im Wald ein Album aufzunehmen und danach auf Tour zu gehen, wird daher auch immer wieder vor neue Probleme gestellt. Dieser sind manchmal lustiger Art, manchmal abgrundtief traurig, meistens aber beides zugleich.

„Frank“ ist ein wunderbar zarter Film über Freundschaft, Träume und die Widrigkeiten des Schicksals. Der Film erzählt die Geschichte von Menschen, die aus ihrer Bahn geworfen werden und in andere Umlaufbahnen fallen, wo sie mehr oder weniger verzweifelt versuchen, zu sich und/oder zu ihrem Glück zu finden. Es ist eine Geschichte von Außenseitern, mit viel Liebe und großartiger Musik erzählt.


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Zwei Tage, eine Nacht (2014)

Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne
Original-Titel: Deux Jours, Une Nuit
Erscheinungsjahr: 2014
Genre: Drama
IMDB-Link: Deux Jours, Une Nuit


Die Dardenne-Brüder machen „Problemkino“. Sprich: Wenn man sich in einen Film der Dardennes setzt, weiß man, dass sich der Gemütszustand zwei Stunden irgendwo später zwischen „nachdenklich“ und „erschüttert“ einpendeln wird. Das Gute an den beiden belgischen Brüdern ist, dass sie ihre wichtigen Themen und brennenden Fragen, die zum Weiterdenken anregen, auf eine filmisch sehr reduzierte Weise präsentieren, also nicht mit dem Holzhammer auf den Zuseher einprügeln (dann wären ihre Filme wohl unerträglich), sondern die Geschichten ohne Schnickschnack und sehr subtil erzählen. In „Deux Jours, Une Nuit“, gezeigt im Rahmen der Viennale 2014, spielt Marion Cotillard (für diese Rolle Oscar-nominiert) die junge Mutter und Fabrikarbeiterin Sandra, die nicht nur mit Depressionen zu kämpfen hat, sondern auch mit der Wirtschaftslage, die ihren Arbeitgeber zu einer sehr ungewöhnlichen Maßnahme greifen lässt: In einer Abstimmung unter der Belegschaft soll entschieden werden, ob Sandra entlassen werden soll, damit die verbliebenen Mitarbeiter einen Jahresbonus von 1.000,- Euro erhalten können, oder ob man auf den Bonus verzichtet, dafür Sandra als Kollegin behält. Sandra hat nun ein Wochenende Zeit, die Kollegen davon zu überzeugen, bei der Abstimmung für sie und gegen das Geld zu stimmen. Darauf aufbauend werden auch die Einzelschicksale der Kollegen gezeigt, die selbst mit der Sicherung ihrer Existenz zu kämpfen haben. Die Ausgangslage des Films zeigt also sehr zynisch das Prinzip und die moralischen Grenzen des egozentrierten Kapitalismus auf. Daraus ergeben sich wichtige Fragen nach Integrität und Gemeinschaftssinn. Auch die Überlegung, ob die Gesellschaft, in der wir leben, tatsächlich das Ideal darstellt oder wir uns in eine Sackgasse manövriert haben, wird aufgeworfen. Der Film hat zwar manche Längen, und die spröde Art der Brüder Dardenne, ihre Geschichten zu erzählen, ist vielleicht für manche eine Herausforderung, aber lohnenswert ist dieser Film auf jeden Fall – und er beschäftigt den Zuseher noch lange, nachdem die Lichter des Kinosaals wieder angegangen sind. Einer der Filme der Viennale 2014, die mir am besten in Erinnerung geblieben sind.


7,5
von 10 Kürbissen

Nebraska (2013)

Regie: Alexander Payne
Original-Titel: Nebraska
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama, Roadmovie, Komödie
IMDB-Link: Nebraska


Wenn sich der starrköpfige und wohl schon zu Demenz neigende Vater in den Kopf gesetzt hat, dass er einen Lottogewinn gemacht hat, den er in seiner alten Heimat in Nebraska persönlich abholen muss, dann muss der erfolglose und mit vielerlei privaten Problemen geplagte Sohn halt ins Auto steigen und den alten Herrn dorthin kutschieren. Da nützen auch die schärfsten Proteste der pragmatischen Angetrauten des Millionärs in spe nichts, die, wie alle weiteren Protagonisten, nicht an den großen Gewinn glauben will. Was sich daraufhin entspinnt, ist eine wunderbar tragikomische, von allen Beteiligten herausragend gespielte Reise in die stille Weite Nebraskas und die traurigen Erinnerungen an die längst verflogene Jugend. Bruce Dern ist fantastisch als alter Starrkopf, der mal gerne das eine oder andere Bierchen über den Durst trinkt. Will Forte brilliert als sein stoischer Widerpart und überforderter Sohn, und immer, wenn June Squibb als Ehefrau und Mutter im Bild ist, stiehlt sie allen die Show (zurecht nominiert für den Oscar als beste Nebendarstellerin). Wie fast alle Filme von Alexander Payne weist auch „Nebraska“ den für ihn typischen lakonischen Humor auf, der die Abgründe und den Schmerz der Seele gekonnt bedeckt. Gefilmt in wunderschönen Schwarz-Weiß-Aufnahmen ist „Nebraska“ wohl sein ruhigster, vielleicht aber auch sein eindrücklichster Film.


8,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)

Joe – Die Rache ist sein (2013)

Regie: David Gordon Green
Original-Titel: Joe
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama
IMDB-Link: Joe


Mit Nicolas Cage ist es ja so eine Sache. Er kann genial sein. Oder aber auch unglaublich nervig. In „Joe“ von David Gordon Green ist er glücklicherweise wieder mal Ersteres. Er spielt einen Redneck und Trinker, der sich als Waldarbeiter über Wasser hält. Eines Tages macht er die Bekanntschaft mit dem 15jährigen Gary, der aus einer zerrütteten Familie kommt. Der Vater (unfassbar gut und intensiv gespielt von Gary Poulter) ist ein nutzloser, gewaltbereiter Alkoholiker, der die ganze Familie tyrannisiert. Joe erkennt in Gary eine Art zweite Chance bzw. die Möglichkeit, den Jungen auf einen anderen Pfad zu führen als er selbst einst eingeschlagen hat. Allerdings macht ihm der unberechenbare Vater einen Strich durch die Rechnung.

„Joe“ ist ein stilles, exzellent gespieltes Drama, das sich in den unteren Schichten der USA entspinnt. Hart arbeitende, aber am Leben scheiternde Menschen trinken, vögeln, fluchen, und Menschenwürde ist nur ein Treppenwitz. Dennoch blitzt immer wieder das Bemühen auf, seinem Leben eine andere Wendung zu geben, die Dinge besser zu machen, wenn man nur diese eine Chance hätte. Getragen wird der Film zudem vom schon erwähnten Gary Poulter, der das Kunststück zustanden bringt, Dämon und Mensch gleichzeitig zu sein. Traurige Wahrheit: Gary Poulter war tatsächlich ein Obdachloser und Trinker, der auf der Straße für diesen Film entdeckt wurde. Die Filmpremiere erlebte er nicht mehr. Kurz vor der Veröffentlichung des Films starb er so, wie er gelebt hatte: Auf der Straße in der Nähe eines Obdachlosenheims.


8,0
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=3WPLVEUx5AU

Night Moves (2013)

Regie: Kelly Reichardt
Original-Titel: Night Moves
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama, Politfilm
IMDB-Link: Night Moves


Night Moves von Kelly Reichardt war mein erster Viennale-Film überhaupt. Für diesen Beginn im Jahr 2013 hätte es schlechtere Filme geben können, aber auch deutlich bessere. Die US-amerikanische Filmemacherin erzählt in diesem Politdrama auf eine für sie übliche langsame Art und Weise die Geschichte dreier junger Öko-Aktivisten (gespielt von Jesse Eisenberg, Dakota Fanning und Peter Sarsgaard), die einen Anschlag auf einen Staudamm durchführen. Am Tag danach erfahren sie, dass ihre nächtliche Aktion nicht folgenlos geblieben ist und müssen sich nun mit nagenden Gewissensbissen herumplagen. Das alles wird sehr ruhig erzählt. Die drei jungen Zukunftsgestalter fahren durch die Nacht, planen, sitzen herum, vergewissern sich noch einmal, dass sie das tatsächlich tun, und der eigentliche (terroristische) Akt wird nebenbei abgehandelt, als ginge es gar nicht darum. Die Geschichte plätschert vor sich hin und ist eher in den gequälten Gesichtszügen Jesse Eisenbergs zu erahnen als dass man sie tatsächlich auf der Leinwand oder dem Bildschirm verfolgen kann. Die Frage nach Schuld trotz guter Absichten drängt sich auf. Allerdings bleiben mir die Figuren aufgrund des distanzierten Blicks fremd und gleichgültig. Dass sie nicht unbedingt als Sympathieträger gezeichnet werden, hilft auch nicht wirklich. Insgesamt ein Film, den man sich ansehen kann, wenn er mal läuft, aber wenn man ihn auslässt, hat man auch nichts falsch gemacht.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Stadtkino)