Satire

The Square (2017)

Regie: Ruben Östlund
Original-Titel: The Square
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Satire
IMDB-Link: The Square


Es ist Zeit für das legendäre Hans Huber-Zitat: „Die Schweeeeeeeeden, die sind ein ganz harter Brocken!“ Irgendwie trifft das ja auch auf Ruben Östlunds Goldene Palme-Gewinner „The Square“ zu. Denn einfache Filmkost sieht anders aus. Östlund geht bei seiner Satire rund um den Museumskurator Christian aufs Ganze. Ein Roundhousekick Chuck Norris’schen Ausmaßes gegen den intellektuellen Kulturbetrieb und die Verlogenheit der Menschen, wenn es um Moral und Nächstenliebe geht, soll es sein. Dafür wurde der Film überschwänglich gefeiert – inklusive Golden Globe-Nominierung und einem sicheren Platz auf der Liste der neun verbliebenen Filme, die für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film in Frage kommen. Manche sagen auch, dass der Oscar in dieser Kategorie nur über Östlund gehen kann. Okay. Ich bin da skeptisch. Denn wenn man genau hinsieht, zeigt sich rasch, dass der Film mehr Schein als Sein ist. Es gibt viele denkwürdige Szenen wie beispielsweise jene, in der Terry Notary, einer der besten Affen-Imitatoren derzeit, als Kunstprojekt ein festliches Bankett sprengt, bis es zur Eskalation kommt. Und Claes Bang als Christian spielt wunderbar. Aber die Einzelteile fügen sich nicht zu einem stimmigen Film zusammen. Der manchenorts geäußerten Kritik, dass es sich um Stückwerk handle und Ruben Östlund auch zu zynisch mit seinen Figuren umginge, kann ich mich durchaus anschließen. Ich kann mich nicht ganz dem Eindruck verschließen, dass es sich hierbei um „L’art pour l’art“ handelt, und genau das, was der Film selbst anzuprangern versucht, diese hintergründige Substanzlosigkeit der intellektuellen Szene, auch auf den Film selbst zutrifft. Es wirkt ein wenig, als ob Östlund hier einfach zeigen wollte, welch toller, smarter und sozialkritischer Filmemacher er ist. Und das ist schade, denn „The Square“ hätte durchaus gute Ansätze.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

The Bling Ring (2013)

Regie: Sofia Coppola
Original-Titel: The Bling Ring
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Satire, Komödie
IMDB-Link: The Bling Ring


Mit „Lost in Translation“ hat Sofia Coppola einen meiner Lieblingsfilme gedreht. „The Bling Ring“ kommt leider an die Qualität dieses Films nicht heran. Die Prämisse wäre eigentlich recht vielversprechend: Ein paar jugendliche Fashion-Victims brechen in die Häuser ihrer Idole wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan ein und fladern, was in die Louis Vuitton-Tasche passt. Angelegt ist „The Bling Ring“ als satirischer Blick auf die Oberflächlichkeit, die der Jugend von heute durch ihre Role Models vermittelt wird. Alles, was zählt, sind die richtigen Markennamen und deren Darstellung auf Social Media-Accounts. Allerdings zündet der Film für mich nicht wirklich. Im Gegenteil – das wiederholte Zeigen der Einbrüche, und wie hier noch ein Kleid und dort noch eine Halskette anprobiert wird, nützt sich rasch ab und wird langweilig. Klar, man könnte nun behaupten, dass das Zeigen dieser Redundanzen als stilistisches Mittel verstanden werden kann – die Oberflächlichkeit der Handlungen spiegelt sich auf diese Weise filmisch wider. Allerdings hätte ich mir dann ein zumindest bissiges Ende gewünscht. Und ja, die Intention eines solchen ist durchaus spürbar, nur scheut Coppola dann doch davor zurück, so richtig den Hebel umzulegen. Und so bleibt diese Satire leider ein wenig zahnlos.


4,0
von 10 Kürbissen

Meine schöne innere Sonne (2017)

Regie: Claire Denis
Original-Titel: Un Beau Soleil Intérieur
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Satire, Liebesfilm
IMDB-Link: Un Beau Soleil Intérieur


Die FAZ zeigte sich begeistert, und Moviepilot prognostizierte mir eine Bewertung von 3,5. Auf Claire Denis‘ Film „Meine schöne innere Sonne“ mit Juliette Binoche war ich nun sehr gespannt. Und wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte – jedenfalls für mich. Denn „Meine schöne innere Sonne“ hat mich zwar nicht umgehauen, aber schlecht fand ich diesen Film beileibe auch nicht. Juliette Binoche spielt mit großem Mut und noch größerer Verletzlichkeit Isabelle, die Anfang 50 und die meiste Zeit über eine irrationale Träumerin ist und die Liebe sucht. Was sie findet sind Affären, die sich prickelnd anfühlen, jedenfalls zu Beginn, sie jedoch leer und ausgelaugt zurücklassen. Im Grunde ist „Meine schöne innere Sonne“ in weiten Teilen eine Variation der alten französischen Film-Prämisse „schöne Menschen zerreden Beziehungen“. Claire Denis, die Regisseurin, setzt dieses Thema allerdings auf eine sehr andere, subjektive Weise um. Die Handlungen der Beteiligten, die Dialoge, sind so erratisch wie ich es selten zuvor in einem Film gesehen habe. Die kleineren und größeren Verletzungen bahnen sich ihren Weg nach draußen, am deutlichsten in der Szene, als Isabelle bei einem Waldspaziergang ihre männlichen Begleiter, die von der Natürlichkeit der Natur schwärmen, out of the blue anzuschreien beginnt, dass sie es satt habe, dass sie es wisse, dass ihnen, den Männern, alles gehöre, auch die Landschaft. Ein starkes Zeichen. Allerdings geht diese Verfremdung und Überzeichnung in den Dialogen nicht immer gleichermaßen auf. Und manchmal kratzt man sich einfach am Kopf und fragt sich, ob das, was auf der Leinwand gezeigt wird, tatsächlich noch als zwischenmenschliche Interaktion durchgeht oder nicht. Dass Claire Denis auf Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“ Bezug nehmen wollte, ist somit einerseits filmisch interessant, andererseits auch stellenweise sehr anstrengend. Allerdings ist es immer ein Genuss, Juliette Binoche zuzusehen.


5,5
von 10 Kürbissen

I Am Not Madame Bovary (2016)

Regie: Feng Xiaogang
Original-Titel: Wo Bu Shi Pan Jin Liang
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Komödie, Drama, Krimi, Satire
IMDB-Link: Wo Bu Shi Pan Jin Liang


Li hat ein Problem: Sie ist rechtskräftig geschieden und möchte nun vor Gericht erwirken, dass die Scheidung aufgehoben wird, da sie und ihr Mann diese Scheidung nur vorgetäuscht haben, um an ein Apartment zu kommen, wovon der Mann nun nichts wissen will, da er mit seiner neuen Frau eigentlich ganz zufrieden lebt, während Li nun durch die Finger schaut. A blede G’schicht halt. Da der Weg durch die Instanzen zunächst nicht fruchtet, sucht sie nach anderen Lösungen für ihr Problem und vergisst dabei nicht auf jene Bürokraten, die ihr Steine in den Weg gelegt haben. Da jedoch aus ihren unorthodoxen Ansätzen auch nichts wird, beginnt sie damit, die Bürokratie mit deren eigenen Waffen zu schlagen und schafft es aus der Provinz bis nach Peking, wo sie nicht nur eine zehn Jahre währende Klage einbringt, sondern gleich die gesamte kommunistische Partei bloßstellt. Allmählich wird also Li zu einem grandiosen Ärgernis für die Bonzen, und mehr als ein mit der störrischen Frau überforderter Bezirksvorsteher hat wegen ihr und der Klage schon seinen Hut nehmen müssen. Während sich anfangs Li noch wie in Kafkas „Prozess“ fühlt, sehen sich die Bürokraten und Richter selbst bald in einem kafkaesken Albtraum gefangen. Das alles ist höchst vergnüglich und wahnsinnig bissig gegenüber der chinesischen Regierung. Allmählich empfindet man wirklich viel Mitleid für die geplagten Regierungsvertreter, im Grunde rechtschaffene Menschen, die einfach nur versuchen, ihren Job zu machen und diesen auch zu behalten, nicht ohne Mitgefühl für Lis Situation, aber aufgrund fehlender Möglichkeiten, die Lage unter Kontrolle zu bringen, schlicht heillos überfordert sind. Und dann kommen wieder Szenen, die das im Film angeprangerte Machtgefälle überdeutlich zeigen – auch jenes des Mannes gegenüber der Frau. Denn interessant ist, dass es nicht nur ein Kampf gegen die Unterdrückung der gewöhnlichen Bevölkerungsschichten durch die herrschende Klasse ist, den Li ausficht, sondern auch jener einer Frau gegen die Männerwelt, die die Frauen zu beherrschen und zu dominieren versucht. So gesehen ein kluger und wichtiger Film, der auch optisch mutige Ansätze wählt: Während die Szenen in der Provinz auf runden Tableaus präsentiert werden, sind die Szenen in Peking in quadratische Bilder eingefasst. Auch das unterstreicht noch einmal die Abgrenzung des Zentrums der Macht von der Bevölkerung am Land, von der sich die Herrschenden zu weit entfernt haben. Allerdings hat „I Am Not Madame Bovary“ bei einer Laufzeit von über zwei Stunden auch teils arge Längen. Nicht alle Szenen sind gleichermaßen geglückt, und manchmal wirkt der Film auch etwas unausgegoren, als wüsste er nicht so recht, ob er nun lieber eine Komödie oder eine Tragödie sein möchte. Für eine Komödie ist er eigentlich zu tragisch, für eine Tragödie zu komisch und zu absurd.


7,0
von 10 Kürbissen

Happy End (2017)

Regie: Michael Haneke
Original-Titel: Happy End
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Satire
IMDB-Link: Happy End


Unbestritten ist Michael Haneke die Stimmungskanone unter den österreichischen Filmemachern. Allein schon seine Filmtitel lassen genügend Rückschlüsse zu, dass es bei Haneke immer etwas zu Lachen gibt und/oder man mit einem wohlig-sentimentalen Gefühl aus dem Kino geht: „Funny Games“. „Liebe“. Und nun das neueste Feelgood-Movie aus seiner Feder: „Happy End“. Darin geht es um eine bezaubernde Familie, die durch ein tragisches Ereignis noch enger zusammengeschweißt wird. Mit französischer Leichtigkeit wird hier eine Geschichte erzählt voller spannender Momente und Begegnungen, mit ein bisschen Prickeln und jeder Menge Charme. Was die Figuren betrifft, so wären da der lustige Großvater Georges (Jean-Louis Trintignant in einer seiner witzigsten Rollen), dessen Kinder Anne (Isabelle Huppert, herrlich überdreht) und Thomas (Mathieu Kassovitz als moralischer Anker in diesem Ensemble) und deren Kinder Pierre (ein gut gelaunter Franz Rogowski) und Eve (ganz entzückend und mit zum Schießen komischen Sprüchen: die junge Fantine Harduin). Leider – und das ist das tragische Ereignis zu Beginn – stirbt Eves Hamster, was der Kleinen ein wenig den Boden unter den Füßen wegzieht (was ganz verständlich ist). Ach ja, die Mutter stirbt auch – höchstwahrscheinlich vergiftet vom armen Kind. Eves Vater ist zum zweiten Mal verheiratet, hat ein kleines Baby und träumt davon, der geheimnisvollen Cellistin, mit der er, auf gut Wienerisch, ein fröhliches Gspusi unterhält, in den Mund zu pissen. Auf der Baustelle der Baufirma, die von Anne und ihrem Sohn Pierre geführt wird, kommt es zu einer kleinen Havarie, aber nichts, was man nicht mit Geld lösen kann. Und der Großvater will sich umbringen, nachdem er schon bei seiner Frau Sterbehilfe geleistet hat, schafft es aber irgendwie nicht, was für ein Tollpatsch! Hach, das ist alles so erbaulich und so lustig. „Happy End“ ist von Anfang bis Ende eine temporeiche und französisch-quirlige Komödie. Nur dass man da plötzlich auch noch so Flüchtlinge, ganz finstere Typen wortwörtlich, an der festlich gedeckten Tafel sitzen hat, hach, das hätte nun wirklich nicht sein müssen. Das ist ein Skandal. Was erlaubt sich der Haneke da? Aber weil der Rest so witzig war, verzeihen wir ihm auch diesen Ausrutscher und freuen uns schon auf seinen nächsten Film – der vielleicht mal eine Kindergeschichte behandeln könnte. Grinsender Smiley.


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Clerks – Die Ladenhüter (1994)

Regie: Kevin Smith
Original-Titel: Clerks
Erscheinungsjahr: 1994
Genre: Komödie, Satire
IMDB-Link: Clerks


Kevin Smith ist eine sehr sympathische Figur im Hollywood-Betrieb. Er macht einfach sein Ding. Ob es nun eine bissige Abrechnung mit Religion und Fanatismus („Dogma“) ist oder eine romantische Beziehungskomödie rund um Pornos („Zack and Miri Make a Porno“) – bei Kevin Smith darf man sich immer auf ein bisschen Anarchie einstellen. Bei seinem Debütfilm „Clerks“ war er gerade mal 24 Jahre alt. Um den Film zu drehen und das Budget von 27.000 Dollar zu stemmen, verkaufte er sogar seine Comic-Sammlung. Und was macht man nun, wenn man einen Langfilm mit einem absurd geringen Budget von 27.000 Dollar drehen möchte? Genau – man reduziert die Handlungsorte auf ein absolutes Minimum und verzichtet auf rasante Action, sondern lässt lieber mal die liebevoll-verpeilten Figuren frei nach Schnauze reden. Und das sind in erster Linie mal die beiden Freunde Dante und Randal. Dante arbeitet in einem Convenience Store, plagt sich gerade mit seiner Gefühlswelt herum, die ihn zwischen seiner aktuellen Freundin Veronica und seiner Verflossenen Caitlin, die, wie er aus einer Zeitung erfahren hat, heiraten wird, hin und her schießt und eigentlich lieber mit seinen Freunden Hockey spielen möchte als eine zusätzliche ungeplante Schicht im Shop herunterzureißen. Randal, ein Slacker, wie er im Buche steht, ist … nun ja … anwesend (aber auch nicht immer) in der Videothek nebenan. Eigentlich sollte er dort arbeiten, aber lieber hängt er im Store von Dante herum und gibt seine Lebensweisheiten zum Besten, die nicht immer hilfreich sind. Und das ist es dann auch. Das ist der Film. Gedreht in körnigem Schwarz-Weiß mit viel Improvisation, absurden Dialogen und teils noch absurderen Handlungen (ich sage nur: Sex auf dem Klo und die ungeahnten Konsequenzen daraus) ist „Clerks“ ein wirklich unterhaltsamer Film ohne Handlung. Manche Stellen sind dadurch vielleicht auch ein bisschen zäh – aber keine Sorge: Der nächste zum Brüllen komische Dialog, vorgetragen mit einer entwaffnenden schulterzuckenden Gleichgültigkeit, ist keine Minute entfernt. Durchaus nachvollziehbar, wie es „Clerks“ zum Kultfilm bringen konnte, der das Hundertfache seines Budgets eingespielt hat. Was jetzt in Anbetracht des Budgets auch dramatischer klingt, als es ist.


7,0
von 10 Kürbissen

Hard Core Logo (1996)

Regie: Bruce McDonald
Original-Titel: Hard Core Logo
Erscheinungsjahr: 1996
Genre: Drama, Komödie, Musical/Musikfilm, Roadmovie, Satire
IMDB-Link: Hard Core Logo


Hard Core Logo – so heißt die Band von Leadsänger Joe Dick, Gitarrist Billy Tallent, Bassist John Oxenberger und Drummer Pipefitter. In den 80ern hatte die kanadische Punkrockband große Erfolge, dann lösten sie sich auf. Mitte der 90er bringt Joe Dick die Band wieder zusammen, um ein Benefizkonzert zu Ehren des auf seiner Ranch angeschossenen Mentors Bucky Haight zu spielen. Daraus wird eine kleine Tour durch Westkanada. Der Filmemacher Bruce McDonald begleitet die Band auf ihrer Tour und ist live dabei, wenn die zwischenmenschlichen Abgründe, die einst zur Auflösung der Band geführt haben, zwischen Tourbus und Bühne sichtbar werden. Joe Dick, nur auf den ersten Blick geläutert, ist auf einem Egotrip durch die glorreichen Jahre der Vergangenheit, Billy Tallent möchte endlich die große Karriere machen, John Oxenberger ist nur ein buddhistisch angehauchter Literat, solange die Medikamente wirken, und Pipefitter hat keinen Plan. Der Clou an der ganzen Sache: Es handelt sich dabei um eine Mockumentary. Band und Musiker gibt es nicht wirklich. Bruce McDonald gelingt es aber (anders als beim glasklar satirisch aufgezogenen „This Is Spinal Tap“), nie den Bogen zu überspannen und bei allem Augenzwinkern die Musiker und deren Probleme lebensecht und nachvollziehbar darzustellen. „Hard Core Logo“ ist gleichzeitig eine Verbeugung vor dem Spirit des Punkrocks und dessen Abgesang. Ein ernster Spaß.


7,0
von 10 Kürbissen

Get Out (2017)

Regie: Jordan Peele
Original-Titel: Get Out
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Horror, Thriller, Satire
IMDB-Link: Get Out


Das Regiedebüt von Jordan Peele ist derzeit in aller Munde und überaus erfolgreich. „Get Out“ ist der derzeit zweiterfolgreichste Rated-R-Horrorfilm der Geschichte (hinter „Der Exorzist“). Auch die Kritiker lieben den Film. Dementsprechend groß waren meine eigenen Erwartungen. Und „Get Out“ hat diese nicht enttäuscht. Was als Horrorfilm vermarktet wird, sich wie ein Psychothriller mit Horrorelementen und teils satirischen Anstrichen anfühlt, erweist sich als kluges und unglaublich spannendes und unterhaltsames Statement zum Alltagsrassismus in den USA. Chris, ein junger, wohlerzogener und schwarzer Fotokünstler, begleitet seine weiße Freundin zu deren Eltern in ein abgelegenes Landhaus. Er wird freundlich von den Eltern aufgenommen, nur der Bruder ist passiv aggressiv, und die beiden schwarzen Bediensteten verhalten sich merkwürdig und feindselig. Irgendetwas stimmt hier nicht so wirklich. Oder bildet er sich alles nur ein?

Jordan Peele zeigt auf, wie unterschwellig Rassismus auch stattfinden kann, selbst in liberalen Kreisen. Auch wenn Chris von der Familie freundlich aufgenommen wird, so ist seine andersfarbige Haut dennoch immer wieder (teils ungewollt) ein Thema. Es findet eine deutliche Abgrenzung statt zwischen Chris und der Familie, und die Versuche, Brücken zu schlagen, zeigen erst die Gräben auf. Auf seine Art ist „Get Out“ neben dem diesjährigen Oscar-Gewinner „Moonlight“ ein zweiter wichtiger Film zur afroamerikanischen Minderheit und deren (Alltags-)Problemen. Während allerdings „Moonlight“ bewusst schwere Kost ist, kommt „Get Out“ in einem sehr unterhaltsamen und satirischen Horrorsujet daher und vermittelt damit seine Botschaften unterschwelliger. Der Film macht Spaß – und regt danach zum Nachdenken an. Unterm Strich bleibt „Get Out“ immer noch ein recht klassischer Horrorthriller und ist damit in einem Genre angesiedelt, das mich nur selten begeistert, und er ist, was seine oberflächliche Handlung betrifft, auch sehr vorhersehbar, aber durch diese zusätzliche Ebene der Rassismus-Thematik sticht der Film in seinem Genre deutlich und positiv hervor. Ich halte es für durchaus möglich, dass wir uns vor der nächsten Oscar-Verleihung wieder über diesen Film unterhalten werden.


7,5
von 10 Kürbissen

Der Löwe im Winter (1968)

Regie: Anthony Harvey
Original-Titel: The Lion in Winter
Erscheinungsjahr: 1968
Genre: Drama, Historienfilm, Politfilm, Satire
IMDB-Link: The Lion in Winter


Einer der 8 Nicht-Oscars von Peter O’Toole. Einer von 4 Oscars von Katherine Hepburn. Ein junger Anthony Hopkins, ein blutjunger Timothy Dalton. „The Lion in Winter“ ist ganz klar großes Schauspielkino. König Henry II. von England (O’Toole) sorgt sich um seine Nachfolge. Sein Favorit wäre der etwas dümmliche John (Nigel Terry), seine Frau Eleonore (Hepburn) nutzt die Gelegenheit des Weihnachtsfestes, an dem sie von ihrem Gemahl ausnahmsweise mal aus ihrem Gefängnis geholt wird, um ihren Lieblingssohn Richard (Hopkins), der später den Beinamen Löwenherz bekommen wird, in Stellung zu bringen. Der dritte Sohn, Geoffrey (John Castle), sieht sich das Ganze mal an, hat aber seine eigenen Pläne. Dazu kommt noch die wunderschöne Geliebte des Königs, Alais (zum Verlieben: Jane Merrow), und der junge König von Frankreich (Timothy Dalton) mischt auch noch fröhlich mit. Alles, was Anthony Harvey für seinen Klassiker benötigte, war eine Burgkulisse, diese Ansammlung großartiger Schauspieler und ein brillantes Drehbuch. Es ist zauberhaft, wie durchtrieben und spitzzüngig hier in alle Richtung konspiriert und intrigiert wird. Das alles gelegentlich begleitet von charmanten Komplimenten, die das Messer im Rücken noch etwas tiefer ins Fleisch treiben. Und so ist das ein großer, anspruchsvoller Spaß. Der Film hat zwar seine Längen und er ist natürlich auch gealtert (die Kampfszenen sind heute eher lustig als episch anzusehen), aber die Dialoge funktionieren noch immer. Eleonore, mit einem Becher in der Hand: „I have a confession.“ Henry, lehnt gelangweilt im Stuhl: „Yeah?“ Eleonore: „I don’t much like our children.“


7,5
von 10 Kürbissen

Frühling für Hitler (1968)

Regie: Mel Brooks
Original-Titel: The Producers
Erscheinungsjahr: 1968
Genre: Komödie, Musikfilm / Musical, Satire
IMDB-Link: The Producers


Der ehemals so erfolgreiche Broadway-Produzent Max Bialystock (Zero Mostel, herrlich überdreht) hat ein Problem: Er ist nicht mehr erfolgreich. Im Gegenteil – um sich irgendwie über Wasser zu halten, bandelt er mit alten Witwen an, um ihnen ein paar Dollars für fiktive Theaterproduktionen abzuluchsen. Auftritt des Buchhalters Leo Bloom (Gene Wilder, hysterisch und Oscar-nominiert). Der überkorrekte und völlig neurotische Angsthase spinnt ein theoretisches, buchhalterisches Konstrukt, das Bialystock aufhorchen lässt: Wenn es einem gelänge, einen geplanten Flop zu produzieren, könnte man damit eine Menge Geld machen. Und zwar ist der Plan ganz simpel: Man bringt eine hohe Summe von Sponsoren auf, verwendet nur einen Bruchteil davon für die Produktion des Stücks und kassiert den Rest selbst ein. Je weiter man weg ist von der Gewinnzone, desto höher ist der Betrag, der den Produzenten bleibt, da die Sponsoren nur mitknabbern, wenn das Stück Geld abwirft. Diese Idee greift Bialystock sofort auf. Es gilt also, das schlechteste Broadway-Stück aller Zeiten zu produzieren. Und was wäre dafür vielversprechender, als das Theaterstück „Frühling für Hitler“ des Alt-Nazis Franz Liebkind (Kenneth Mars, nie ohne Stahlhelm) zu nehmen, der damit dem Führer Gerechtigkeit widerfahren lassen möchte, und darauf den schlechtesten Regisseur aller Zeiten anzusetzen, der daraus eine Revue-Musical-Nummer macht? Ein todsicherer Plan …

Allein schon wegen der Musicalnummer am Ende weiß man, warum „The Producers“ regelmäßig zu den besten Komödien der Filmgeschichte gezählt wird. Mel Brooks, selbst Jude, zieht den Erzfeind Hitler dermaßen konsequent ins Lächerliche, dass einem beim Ansehen auch heute noch die Spucke wegbleibt. Wenn die SS im Stechschritt eine Hakenkreuz-Formation tanzt, dann wird klar: Mel Brooks hatte wirklich Eier. „The Producers“ ist eine hinreißend hysterische, völlig durchgeknallte und wirklich vor nichts und niemanden Halt machende, bitterböse Satire auf die Geldgier, auf das Hitler-Regime, auf windige Broadway-Produktionen und die seltsamen Blüten des Kapitalismus. Das Nummernschild des Schlachtschiffs in „Spaceballs“, einer weiteren grandiosen Mel Brooks-Komödie, fällt einem in diesem Zusammenhang ein: „We break for nobody!“

Allein die Tonalität des Films ist gewöhnungsbedürftig. Hier wird geschrien, gefuchtelt, getanzt, gebrüllt, geschwitzt und hysterisch gelacht. Da ist kein leiser Ton dabei, alles ist bis zum Exzess überdreht. Das war mir persönlich an manchen Stellen sogar ein bisschen too much, aber saukomisch ist und bleibt der Film dennoch.


7,5
von 10 Kürbissen