Biopic

Molly’s Game – Alles auf eine Karte (2017)

Regie: Aaron Sorkin
Original-Titel: Molly’s Game
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Krimi, Biopic, Drama
IMDB-Link: Molly’s Game


James Joyce wäre verblüfft, hätte er gesehen, was aus seiner Molly Bloom geworden ist. Nämlich eine abgebrühte Unternehmerin auf der Schattenseite des Wirtschaftslebens, die illegale Pokerspiele für Reich & Schön organisiert, für Hollywood-Stars, aufstrebende Neureiche, Dotcom-Millionäre, und das eine oder andere namhafte Mitglied der Russenmafia taucht auch gelegentlich in diesem illustren Kreis auf. Aber was soll’s – der Rubel rollt, und Molly verdient gutes Geld. Bis eines Tages ein paar uniformierte Herren mit finsterem Blick in ihrer Wohnung stehen. So rasant der Aufstieg, so schnell kann es auch wieder bergab gehen. Aber Molly Bloom ist eine findige junge Dame, und so verarbeitete sie ihre Geschichte ganz einfach in einer Biographie, die zum Bestseller wurde. Und eben jenen Bestseller verfilmte 2017 ein echtes Dreamteam: Aaron Sorkin, mehrfach preisgekrönter Drehbuchautor (u.a. für „The Social Network“ oder „Moneyball“), als Autor und Regisseur sowie Jessica Chastain in der Hauptrolle der Molly Bloom. In ihrem jeweiligen Fach sind beide absolute Ausnahmekönner. Dass Jessica Chastains Karriere bislang noch nicht Oscar-gekrönt ist, kann man nur als schweres Versäumnis werten. Ihnen zur Seite stehen weitere namhafte Kollegen wie beispielsweise Idris Elba als Molly Blooms Anwalt oder Kevin Costner als ihr Vater. Auch Michael Cera macht als notorischer Pokerspieler eine gute Figur. Warum „Molly’s Game“ trotz aller Ingredienzien dennoch nicht zu 100% zündet, liegt an der dann doch etwas zähen Spieldauer von fast 2,5 Stunden. Aaron Sorkins Drehbücher sind immer raffiniert, klug geschrieben, dialogreich und subtil. Auf die Dauer von 2,5 Stunden ausgebreitet können sie aber auch anstrengend werden, da sie ein hohes Maß an Konzentration vom Zuseher erfordern. Genau das erweist sich als einzige kleine Schwachstelle in einem ansonsten sehr guten, sehenswerten und toll gespielten Film.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Michael Gibson – © 2017 – STX Films, Quelle: imdb.com)

Judy (2019)

Regie: Rupert Goold
Original-Titel: Judy
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Biopic, Drama
IMDB-Link: Judy


Judy Garland war Everbody’s Darling. Zu Weltruhm bekommen in ihrer Rolle als Dorothy in Der Zauberer von Oz drehte sie in weiterer Folge etliche Filme für das Filmstudio MGM, zumeist an der Seite von Mickey Rooney. Sie war das Mädchen, das die Träume von Millionen amerikanischer Mädchen verkörperte. Dass solch eine frühe Vergötterung der geistigen Gesundheit eher abträglich ist, erscheint da nicht weiter verwunderlich. 30 Jahre später jedenfalls ist sie so gut wie mittellos, medikamentensüchtig und vierfach geschieden. Während sie ihre Tochter Liza Minelli so gut wie gar nicht sieht, hat sie zumindest noch das Sorgerecht für ihre zwei Kinder mit Sidney Luft. Doch gutes Geld kann sie nur in London bei einer Reihe von Bühnenshows verdienen, während die Kinder in den USA bleiben müssen. Der Kampf gegen die Abhängigkeit, um die Wiederbelebung des Ruhms und um den schnöden Mammon steht im Zentrum von Rupert Goolds Biopic. Die Geschichte folgt dabei ausgetretenen Pfaden und marschiert pflichtbewusst von einem logischen Plot Point zum nächsten. Der Blick in die Vergangenheit ist undifferenziert und allzu sehr um große Dramatik bemüht – zulasten von Authentizität und Glaubwürdigkeit. Es gibt dennoch einen guten Grund, sich den Film anzusehen. Dieser lautet Renée Zellweger, die wohl die beste Leistung ihrer Karriere abliefert. Sie verschwindet völlig in ihrer Rolle – ähnlich wie es Gary Oldman in Die dunkelste Stunde oder Daniel Day-Lewis in „Lincoln“ gelungen ist. Natürlich kann man nun darüber philosophieren, ob reale Persönlichkeiten, von denen so viel Bewegtbildmaterial vorliegt, nicht dankbare Aufgaben für Schauspieler/innen sind, oder ob es nicht die eindrucksvollere Leistung ist, einer fiktiven Figur so viel Leben einzuhauchen, wie es zum Beispiel Scarlett Johansson in Marriage Story gelungen ist, aber angesichts der Qualität von Zellwegers Spiel erübrigt sich diese Frage eigentlich. Sorry, Scarlett, aber auf deinen (verdienten) Oscar musst du wohl noch ein weiteres Jahr warten. Vielleicht gründest du in der Zwischenzeit ja einen Selbsthilfeclub mit Amy Adams und Glenn Close. Oder nimmst einmal eine Rolle an, in der du mit Bären kämpfen und rohes Fleisch essen musst.


5,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle imdb.com)

Die zwei Päpste (2019)

Regie: Fernando Meirelles
Original-Titel: The Two Popes
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: The Two Popes


Auch wenn man mit der katholischen Kirche nicht viel oder gar nichts am Hut hat, so kann man sich kaum der Faszination der Papstwahl entziehen. Milliarden von Menschen starren auf einen Kamin, und wenn es weiß heraus raucht, dann fallen sich alle in die Arme. Habemus Papam! Oder: „Wir sind Papst!“, wie ein deutsches Schundblatt 2005 getitelt hat. Gerade jener (ungeliebte) Papa Ratzi, der als Papst Benedikt XVI. eine strikt konservative Linie fuhr und damit Millionen von weiteren Gläubigen vergraulte, sorgte 2013 für eine handfeste Überraschung, als er als erster Papst seit etwa 800 Jahren freiwillig seinen Sede räumte, um fortan in seinem Exil den Tomaten beim Wachsen zuzusehen. Kurz davor kam es aber noch zu einem geheimen Treffen mit dem argentinischen Kardinal Bergoglio, der in der darauf folgenden Konklave zu seinem Nachfolger gewählt wurde und seitdem als Papst Franziskus durch die Weltgeschichte hüpft. Von diesem Treffen handelt Fernando Meirelles‘ Film. Und überraschenderweise erweist es sich als ungemein spannend, belebend und inspirierend, zwei alten Katholiken beim christlichen Disput zuzusehen über den Glauben, über Reformen, über persönliche und spirituelle Erfahrungen. Selbst als vom Glauben abgefallenes Schaf (so bin ich bereits vor fast zwanzig Jahren aus der Kirche ausgetreten) wird man mit diesem Film bestens unterhalten. Was vor allem an den zwei Schauspielgiganten Jonathan Pryce als Kardinal Bergoglio und Anthony Hopkins als Papst Benedikt XVI. liegt. Die beiden sind der schiere Wahnsinn, wobei Pryce sogar noch mal eine Extraschippe drauflegen kann. Das muss Oscar-Nominierungen geben. Alles Andere wäre nur damit zu erklären, dass die Academy ausschließlich aus Satanisten besteht.


7,5
von 10 Kürbissen

The Irishman (2019)

Regie: Martin Scorsese
Original-Titel: The Irishman
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Krimi, Drama, Biopic
IMDB-Link: The Irishman


Unbestritten hat Martin Scorsese einige der besten Mafia-Filme aller Zeiten gedreht. Ob „Goodfellas“, „The Departed“ oder „Casino“ – jeder dieser Filme ist ein Meisterwerk. Umso neugieriger durfte man auf „The Irishman“ sein, ein 3,5-stündiges Epos mit Robert DeNiro, Al Pacino und Joe Pesci in den Hauptrollen, das auf wahren Begebenheiten beruht. Der Film folgt dem Mafia-Killer Frank Sheeran (DeNiro), der in Fachkreisen als „The Irishman“ bekannt ist. Scorsese zeigt den langsamen, aber stetigen Aufstieg Sheerans in der Mafia, protegiert von Mafia-Boss Russell Bufalino (Joe Pesci). Sheeran wird sogar zum engsten Vertrauten von Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Al Pacino), der ebenfalls in die Mafia verstrickt ist und für den er die groben Arbeiten erledigt. Allein den drei alten Könnern bei der Arbeit zuzusehen ist das Geld für das Netflix-Abo wert. Dass sie durch geschickten Einsatz von CGI auch noch in ihre jüngere Form gebracht wurden, erlaubt es Scorsese, die Geschichte von Anfang bis Ende über viele Jahrzehnte hinweg aufzudröseln. Für diese erstaunlichen Effekte darf man wohl eine Oscar-Nominierung erwarten – wie auch für das Darsteller-Trio (DeNiro für die Hauptrolle, Pacino und Pesci für die Nebenrollen, wobei vor allem Pesci ein würdiger Oscar-Gewinner wäre). Allerdings hat „The Irishman“ zwei Probleme. Erstens: Scorsese hat eben schon drei legendäre und verdammt gute Mafia-Filme gedreht, sodass vieles in „The Irishman“ zwangsweise vertraut wirken muss oder auch als Zitat auf frühere Mafia-Filme gesehen werden kann. Erfrischend ist vielleicht der verstärkte Fokus auf das Privatleben von Frank Sheeran und die zwischenmenschlichen Beziehungen, aber so richtig viel Neues kann man in „The Irishman“ nicht entdecken. Zweitens: Die Laufzeit von 3,5 Stunden bringt auch die eine oder andere Leerstelle mit sich. Zwar merkt man in jeder Szene und jeder Einstellung die handwerkliche Meisterschaft von Scorsese und seinem Team, aber bei einem dermaßen langen Biopic lassen sich eben redundante Szenen nicht gänzlich vermeiden. Man muss es Scorsese hoch anrechnen, dass sich der Film dennoch kürzer anfühlt, als er ist. Unterm Strich ist „The Irishman“ ein weiterer Beweis für Scorseses Meisterschaft, aber der Film fühlt sich ein bisschen wie ein Best-Of, eine Werkschau, seines Schaffens an und fügt Scorseses Œuvre wenig Neues hinzu.


7,5
von 10 Kürbissen

Camille (2019)

Regie: Boris Lojkine
Original-Titel: Camille
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Biopic, Anti-Kriegsfilm
IMDB-Link: Camille


Mit den Leidenschaften ist es so eine Sache. Einerseits treiben sie uns zu Leistungen und Taten an, die unser Umfeld kaum für möglich gehalten hätte. Andererseits sind sie auch gefährlich, wenn man es damit übertreibt. Camille Leparge (Nina Meurisse) ist eine junge, leidenschaftliche Fotojournalistin. Auf eigene Faust fährt sie 2013 in die Zentralafrikanische Republik, um über den dort ausgebrochenen Bürgerkrieg zwischen Christen und Moslems zu berichten. Schon bald feiert sie erste Erfolge. Sie knüpft Kontakt zu Studenten, die im Widerstand aktiv sind, sie findet Anschluss an andere Journalisten vor Ort, und sie verkauft ihre ersten Foto-Stories an renommierte französische Zeitschriften. Doch gleich mit der allerersten Szene macht Regisseur Boris Lojkine klar, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird. Camille Leparge lebte tatsächlich, und sie wurde nicht alt. Sie starb während ihrer Arbeit in der Zentralafrikanischen Republik, als sie und die Soldaten, mit denen sie unterwegs war, in einen Hinterhalt gerieten. Lojkine zeigt in seinem Film, worin die Stärken, aber auch die Gefahren und Schwächen von Idealismus liegen. Camille Leparge ist bewundernswert für ihr Engagement und ihren Mut, den Krieg, den in Europa beziehungsweise der westlichen Welt kaum jemanden interessiert hat, zu zeigen und die Menschen, ihren Kampf und ihr Leid sichtbar zu machen. Gleichzeitig aber wird ein Stück Besessenheit in Camilles Handeln sichtbar, eine Irrationalität, die sie auch Grenzen überschreiten lässt. Und dadurch wird ihr Handeln gefährlich. Boris Lojkine stellt dem Zuseher die Frage, ob Camille Leparge heute noch leben könnte – ohne sie selbst zu beantworten. Sein Film ist nüchtern gehalten, von dokumentarischer Anmutung und damit leicht zugänglich. Die moralischen Fragen, die er aufwirft, sind jedoch diffizil und kaum zu beantworten.


7,0
von 10 Kürbissen

Der Elefantenmensch (1980)

Regie: David Lynch
Original-Titel: The Elephant Man
Erscheinungsjahr: 1980
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: The Elephant Man


Bei manchen Filmen kann man kaum glauben, dass sie auf wahren Begebenheiten beruhen. David Lynchs zweiter Film „Der Elefantenmensch“ ist so ein Fall. Denn so deformiert und trotzdem am Leben wie der von John Hurt dargestellte John Merrick kann ja kein Mensch sein. Tumore wachsen am ganzen Rücken, der rechte Arm ist verkrüppelt, der Kopf riesig und unförmig, der Mund verzogen, die Wirbelsäule unfassbar verbogen – wenn da nicht mal die Maskenbildner hemmungslos übertrieben haben. Trauriger Fakt: Sie haben nicht übertragen. Der echte John Merrick sah tatsächlich so aus. Und er erregte zunächst die Aufmerksamkeit eines windigen Schaustellers und in weiterer Folge die des Arztes Frederick Treves (wunderbar einfühlsam dargestellt von Anthony Hopkins). Dieser ermöglichte ihm ein menschenwürdiges Dasein und integrierte ihn in die Londoner Gesellschaft. David Lynch konzentriert sich in seinem Film ganz auf diese fragile Beziehung zwischen Arzt und Patient, die allmählich übergeht in eine freundschaftliche Zuneigung. Gefilmt in wunderschönem Schwarz-Weiß, das vor allem Augenmerk legt auf den Wechsel von Licht und Schatten, gelingt es dem Film, vorurteilsfrei auf die Personen im Zentrum seines Interesses zu blicken. Beide Hauptdarsteller, sowohl John Hurt, dem es gelingt, gegen seine Maske anzuspielen und seinen John Merrick in eine wundersame Sanftheit zu hüllen, als auch Anthony Hopkins, dessen Empathie in jeder Geste zu sehen ist, spielen ausgezeichnet und bilden damit das emotionale Zentrum des Films. Dieser ist – nicht zuletzt durch das Spiel seiner Hauptdarsteller – ein Plädoyer für Menschlichkeit und den Abbau von Vorurteilen. Ein wirklich großartiger und alters- wie zeitloser Film.


8,5
von 10 Kürbissen

Neruda (2016)

Regie: Pablo Larraín
Original-Titel: Neruda
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Biopic, Krimi, Drama, Komödie
IMDB-Link: Neruda


Luis Gnecco spielt Pablo Neruda, den großen Volksdichter Chiles und einen der bedeutendsten Vertreter des Kommunismus. Dieser tritt in den Augen der Machthaber etwas zu vehement gegen das herrschende Regime auf und wird so seines Amtes als Senator enthoben und soll verhaftet werden. Neruda flüchtet, geht mit seiner Frau Delia (Mercedes Morán) in den Untergrund, unterstützt von seinen Parteifreunden. Der Polizist Oscar Peluchonneau, gespielt von Gael García Bernal, heftet sich an seine Fersen. Der sinnliche Liebes- und Lebensmensch Neruda hat keine Lust darauf, sich wie ein Käfer zu verkriechen, und so entspinnt sich rasch ein amüsantes wie spannendes Katz-und-Maus-Spiel. Ich muss zugeben, ich tat mir anfangs trotz der großartigen Darstellerleistungen und der extrem intelligenten Dialoge etwas schwer, in den Film hineinzufinden, denn Vieles schien mir überzeichnet zu sein, maßlos übertrieben, überdramatisiert. Aber dann fiel der Groschen: „Neruda“ ist nicht einfach ein politisches Bio-Pic, sondern vielmehr (auch) eine vergnügliche Hommage an den Film Noir und die Hard-Boiled-Detektivgeschichten der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Spätestens wenn der knallharte, wortkarge Polizist Peluchonneau (herrlich missverstanden in einer Szene, als ein Mann seinem Gutsherrn die Ankunft des Polizisten ankündigt und auf dessen Frage, was denn der für einer sei, antwortet mit: „Halb Idiot, halb Arschloch“) über seine eigene Rolle in Nerudas Geschichte zu reflektieren beginnt, löst sich das Vexierspiel zwischen den Genres auf, und der Film steuert auf einen grandiosen Showdown im Schnee der Anden hin. Kluges, großes und herrlich selbstironisches Kino.


8,0
von 10 Kürbissen

Geheimnis eines Lebens (2018)

Regie: Trevor Nunn
Original-Titel: Red Joan
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Biopic, Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Red Joan


Dame Judi Dench in einem britischen Spionagefilm, der auf wahren Begebenheiten beruht. Das klingt doch schon mal nach einem verlockenden Angebot. Tja, hier hat der deutsche Verleih ausnahmsweise mal ein gutes Näschen bewiesen, indem er den Originaltitel „Red Joan“ in das rosamundepilchereske „Geheimnis eines Lebens“ übersetzt hat. Deutlicher kann eine Warnung ja nicht ausfallen. Denn Trevor Nunns Film einer KGB-Spionin, die im zarten Alter von ca. 80 Jahren verhaftet und verhört wird und dabei ihr Leben und ihre Spionagetätigkeit während des Zweiten Weltkriegs aufbröselt, ist ungefähr so spannend wie einer Rosenzucht beim Wachsen zuzusehen. Da kann sich Judi Dench noch so abmühen, etwas Klasse in die Geschichte zu bringen, aber zum Einen hat sie bedauerlich wenig Screentime, zum Anderen kommt gegen dieses Drehbuch nicht mal eine Schauspielerin ihres Formats an. Gegen diese Dialoge sind die Werke Rosamunde Pilchers nobelpreisverdächtig. Dabei wäre die Geschichte selbst gar nicht so unspannend: Physikabsolventin heuert bei britischem Atombombenprogramm an und verschachert das Wissen um den Fortschritt der Bombe an die Russen. So weit so interessant. Wenn die junge Dame aber nur naiv und der Liebe willen in die Chose hineinstolpert und, obwohl sie eine treue Patriotin ist, wie sie beteuert, den Sowjets die Pläne am Silbertablett präsentiert, weil sie ein zweites Hiroshima verhindern will (Oh, Logik, in welchem Loch hast du dich versteckt?), dann stimmt einfach nichts mehr zusammen, und aus dem Spionagethriller wird doch wieder ein (schlechter) Pilcher-Film. Auch ist Sophie Cookson, die die Spionin in jungen Jahren spielt, so wie der Rest des Casts mit Ausnahme von Judi Dench der Aufgabe nicht gewachsen. Irgendwann an einem Sonntagnachmittag wird der Film auf Kabel 1 laufen, und dann werden die alte Damen, die den Fernseher aufgedreht haben, vom filmischen Geschehen unbehelligt in ihr nachmittägliches Nickerchen abdriften.


2,5
von 10 Kürbissen

Rocketman (2019)

Regie: Dexter Fletcher
Original-Titel: Rocketman
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Musical, Drama, Biopic
IMDB-Link: Rocketman


Obacht, der Kürbis ist heute auf Krawall gebürstet! Denn er ist im Begriff, dem allseits beliebten Musiker-Biopic „Rocketman“ von Dexter Fletcher ans Bein zu pinkeln. Auf IMDB erfreut sich dieser Film einer guten Bewertung von 7,7, auf Moviepilot schlägt der Durchschnitt der User-Bewertungen immerhin noch mit 7,3 durch – nur der Kürbis ist grantig und gesteht dem Film nicht mehr als 4,5 Punkte zu. Was ist passiert? Schlägt der Schlüsselbeinbruch vielleicht doch aufs Gemüt, ist der Kürbis generell in eine misogyne Phase gerutscht, mag er vielleicht Elton John so gar nicht? Zumindest Letzteres kann ausgeschlossen werden. Dank „Tiny Dancer“ und dessen Einsatz in Almost Famous hat der als Reginald Kenneth Dwight geborene Sänger einen Stein im Kürbisbrett. Da werden dann auch lahmarschige Nummern wie „Candle in the Wind“ verziehen. (Prinzessin Diana war trotzdem eine coole Socke.) Aber warum der Film in meinen Augen dann doch nicht funktioniert, liegt an mehreren Faktoren, die man tatsächlich hätte besser machen können und einem, der wohl unvermeidbar war. Unvermeidbar: Dass der Aufbau dieses Musiker-Biopics halt so ausfällt, wie der Aufbau eines Musiker-Biopics ausfallen muss: Kindheit, das Talent wird erkannt, Tingeln durch diverse Spelunken, der raketenhafte Aufstieg, Ruhm, Drogen, Absturz, Comeback. Die Blaupause für so gut wie alle Filme dieses Genres. Und wenn man mich fragt, welches Musikerleben ich als nächstes verfilmt sehen möchte, dann antworte ich: Keines. Da ich nicht ständig den gleichen Film sehen möchte. Soweit aber zum Unvermeidbaren. Vermeidbar hingegen wäre gewesen, die tollen Nummern, die Elton John geschrieben hat, als qualitativ mäßig dargebotene Karaoke-Nummern einzubauen, die dann auch oft nur kurz angeschnitten werden, ehe man zur nächsten Nummer übergeht. Das hat Bohemian Rhapsody ganz anders und viel überzeugender gelöst. Ich erinnere an den kompletten, sich organisch einordnenden Einbau des Live Aid-Konzerts in den Film. Vermeidbar wäre auch gewesen, Taron Egerton selbst singen zu lassen. Er macht das gar nicht übel – aber von der Stimme Elton Johns ist er dann doch meilenweit entfernt. Und vermeidbar wäre gewesen, Egerton überhaupt zu besetzen. Denn bei allem Respekt – und ich mag den Kerl wirklich gern – aber sein Elton John passt einfach nicht, gerät trotz allen Bemühens zur schlechten Imitation. Und so kommen dann eben nicht mehr als diese 4,5 Kürbisse heraus. Nächster Film, bitte. (Solange es kein Musiker-Biopic ist.)


4,5
von 10 Kürbissen

Scarred Hearts – Vernarbte Herzen (2016)

Regie: Radu Jude
Original-Titel: Inimi cicatrizate
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: Inimi cicatrizate


Lose basierend auf dem Leben des jüdisch-rumänischen Schriftstellers Max Blecher erzählt Radu Jude in „Inimi Cicatrizate“ („Scarred Hearts – Vernarbte Herzen“) die Geschichte des Anfang zwanzigjährigen Dichters Emanuel, der 1937 in ein Sanatorium am Meer eingewiesen wird. Sein Krankheitsverlauf ist ein Auf und Ab, auch eine fragliche, undefinierbare Liebesgeschichte bahnt sich an, draußen in der Welt macht sich gerade ein gewisser Hitler daran, die Welt in Brand zu stecken, was aber innerhalb der geschützten Welt des Sanatoriums fast gleichgültig wegdiskutiert wird zwischen Juden und Antisemiten, die aufgrund ihrer eigenen persönlichen Krankheitsschicksale der Weltpolitik nicht übermäßig Beachtung schenken, man sitzt ja hier im gleichen Boot. Parallelen zu Thomas Manns „Zauberberg“ drängen sich auf. Die Dialoge sind toll und voller hintergründigem Witz (auch hier kann man durchaus den Quervergleich zu Thomas Mann ziehen), die Ausstattung spiegelt die Zeit, in der die Geschichte spielt, eindrucksvoll wider, und doch macht es der Film dem geneigten Zuseher schwer, Zugang zu finden. Zu viel will Radu Jude in seinem teils grotesk überzeichneten Biopic-Drama erzählen, zu langsam tut er es, zu wenig steckt dann letzten Endes dahinter. Nicht schlecht, aber wenn man nicht völlig fit in diese filmische Tour de Force über die Macht der Vergänglichkeit geht, droht Gefahr, im Verlauf der fast 2,5 Stunden Spielzeit selig wegzuschlummern.

 


6,0
von 10 Kürbissen