Luca Guadagnino

Challengers – Rivalen (2024)

Regie: Luca Guadagnino
Original-Titel: Challengers
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Drama, Liebesfilm, Sportfilm
IMDB-Link: Challengers


Im Finale eines kleineren Turniers der Challengers-Turnierreihe (im Tennis sozusagen die zweite Liga unter der ATP-Tour) treffen Patrick Zweig (Josh O’Connor) und Art Donaldson (Mike Faist) aufeinander – unter den interessierten Blicken des ehemaligen Wundertalents Tashi Duncan (Zendaya), die durch eine böse Knieverletzung früh in der Karriere ausgebremst wurde. Die drei verbindet eine lange Geschichte miteinander. Patrick und Art waren früher beste Freunde, haben ihre erste großen Erfolge gemeinsam im Doppel gefeiert – und das nicht nur auf dem Tennisplatz, sondern auch an einem denkwürdigen Abend mit Tashi. Nachdem die sich zunächst für den charismatischeren Patrick entschieden hat, wurde sie später mit dem solideren und fokussierten Art sesshaft, der in Folge auch eine erfolgreiche Tenniskarriere hinlegte, während Patrick, immer wieder an sich selbst scheiternd, in den Niederungen der kleineren Turniere hängenblieb, wo man mangels vernünftiger Preisgelder auch mal im Auto auf dem Parkplatz vor dem Tennisplatz übernachten muss. Doch befindet sich Art zum Zeitpunkt dieses großen Aufeinandertreffens in einer Formkrise. Am letzten großen Ziel, der Gewinn der US Open, droht er zu scheitern, weshalb Tashi, mittlerweile seine Frau und Trainerin, zwecks Formaufbau die Teilnahme an diesem kleineren Challengers-Turnier vorschlägt. Im Zuge des neuerlichen Aufeinandertreffens der einstigen Freunde und nunmehrigen Rivalen werden die Erinnerungen an die turbulenten Ereignisse der vergangenen zwölf Jahre wieder nach oben gespült und verleihen dieser Begegnung besondere Brisanz. In Rückblenden erzählt Luca Guadagnino in von ihm gewohnt stylischen Bildern die komplizierte Gefühlshistorie dieses Dreiecks. Wenn Sportler:innen ihren unbedingten Siegeswillen ins Liebesleben einbringen, wird es eben schnell mal kompliziert. Diesen Aspekt beleuchtet Guadagnino sehr kunstvoll. Auch die Sportszenen selbst lassen nichts zu wünschen übrig. Es ist schlicht spektakulär anzusehen, wenn man als Zuseher plötzlich die Perspektive des Balls einnimmt und von verschwitzten Rivalen mit jedem Schlag grimmiger übers Netz gedroschen wird. Die Schauwerte des Films überzeugen also. Auch die Darstellerriege liefert in hoher Qualität ab. Zendaya fungiert hierbei als Zugpferd für diesen Film, doch bleibt sie schauspielerisch sogar fast zurück hinter Josh O’Connor und Mike Faist, die ihre Charaktere mit authentischem und nuancierten Spiel enorme Glaubwürdigkeit verleihen und den Herzschlag des Films bestimmen. Allerdings können Dramaturgie und Spannungsbogen mit den Schauwerten nicht ganz mithalten. Für die doch recht einfach strukturierte Geschichte fühlt sich der Film insgesamt zu lang an. Guadagnino nimmt sich viel Zeit für seine Charaktere, was prinzipiell löblich ist, doch nicht jeder Ausflug in deren Vergangenheit erweist sich als gewinnbringend für die Zuseher. Und so gibt es immer wieder zähe Passagen, die den Film und seine Figuren nicht so recht voranbringen. Das drückt letzten Endes die Bewertung auf solide, aber ausbaufähige 6 Kürbisse.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von Metro Goldwyn Mayer Pictures – © 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved, Quelle: http://www.imdb.com)

Queer (2024)

Regie: Luca Guadagnino
Original-Titel: Queer
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Liebesfilm, Drama, Roadmovie, Biopic
IMDB-Link: Queer


Da ist er nun, der Überraschungsfilm der Viennale 2024. Wie Eva Sangiorgi in ihrer kurzen Ansprache vor Beginn der Vorführung erklärte, wäre der Film ohnehin als Fixpunkt im Programm gelaufen, hätte man nur rechtzeitig einen Verleih dafür gefunden. Nachdem sich dieser Prozess aber ein wenig hinzog, musste man ausweichen und dem neugierigen Publikum Guadagninos neuestes Werk mit Daniel Craig in der Hauptrolle eben als Überraschungsfilm präsentieren. Auf der einen Seite erscheint diese Vorgehensweise durchaus mutig, denn der Film nach einer literarischen Vorlage von William S. Burroughs gehört sicherlich zu jenen, die die Gemüter spalten. Andererseits: Wann kann man schon einen Guadagnino-Film als Überraschungsfilm präsentieren? Der Italiener ist so etwas wie der große internationale Aufsteiger der letzten zehn Jahre mit Filmen wie Call Me by Your Name oder Suspiria. Er gehört zu jenen Regisseuren, deren Stil man sofort wiedererkennt, da er eine ganz eigene, sinnliche Bildsprache pflegt und auch musikalisch immer wieder spannende Pfade betritt. „Queer“ bildet diesbezüglich keine Ausnahme – im Gegenteil. Der Film ist atmosphärisch enorm dicht. Die Story hingegen – und da sind wir bei dem Aspekt, der wohl die Geister voneinander scheiden wird – bleibt dünn. In seinem autobiographischen Roman erzählt William S. Burroughs von seinem Alter Ego, das in Schwulenbars in Mexico City abhängt und sich unsterblich in einen Jüngeren (Drew Starkey) verliebt, mit dem er sich schließlich auf einen Roadtrip nach Südamerika aufmacht, um dort nach der legendären Yage-Pflanze zu suchen, nach dessen Einnahme man angeblich Gedanken lesen kann. William Lee, mit vollem Einsatz von Daniel Craig gespielt, der die wohl beste und jedenfalls mutigste Leistung seiner Karriere abliefert, ist ein Suchender, doch scheint er manchmal selbst nicht zu wissen, was er sucht. Gefangen zwischen Lust und dem aufrichtigen Wunsch nach Liebe ist er ein Mensch, der niemals anzukommen scheint, ganz gleich, wohin es ihn verschlägt. Prinzipiell sieht man ihm bei seiner Reise ins Nirgendwo auch gerne zu, dafür sorgt allein schon die schon angesprochene dichte Atmosphäre. Und doch hat der Film ein Problem mit dem Pacing. Zieht sich der erste der drei Teile recht zäh hin, wird Teil zwei beinahe nebenbei rasch abgehandelt, ehe der Film in Teil drei, die Suche nach der Yage-Pflanze, ins Groteske driftet. Alle drei Teile fühlen sich auf ihre Weise wie eigene Filme an, die nur schwer zueinanderfinden. So fällt es am Ende auch schwer, eine emotionale Bindung zur Figur des William Lee aufzubauen, auch wenn sich Daniel Craig eben die Seele aus dem Leib spielt. „Queer“ ist ein Kunstwerk, eine ästhetische und intellektuelle Übung, der trotz aller Bemühungen (oder vielleicht auch gerade deshalb) ein wenig die emotionale Mitte fehlt. Ein Wagnis mit ganz klaren Stärken, aber auch Schwächen.


6,5 Kürbisse

Bildzitat: http://www.imdb.com

Suspiria (2018)

Regie: Luca Guadagnino
Original-Titel: Suspiria
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Horror
IMDB-Link: Suspiria


Dario Argento und Luca Guadagnino haben eines gemeinsam: Das Land, in dem sie geboren wurden. Was sie allerdings nicht unbedingt eint, ist ihr Zugang zu Filmen und die Verarbeitung der Stoffe. Während es Dario Argento so richtig krachen lassen wollte, setzt Guadagnino in der Regel auf leisere Töne. Allein daher konnte man schon sehr gespannt sein auf das Ergebnis von Guadagninos Neuinterpretation von Argentos „Suspiria„. Ein klassisches Remake ist der Film jedenfalls nicht, sondern ein gänzlich eigenständiges Werk – wie es auch zu erwarten war. Da man davon ausging, dass ein Großteil der Kinobesucher das Original von Argento bereits kennt, spart man sich also gleich mal den Aufbau des großen Mysteriums, sondern sagt gleich zu Beginn, was Sache ist. Sofort hat das Unheil ein Gesicht, während Argento seine Zuseher bis zum Finale im Dunkeln ließ. Allerdings ist gerade diese Offenlegung zu Beginn ein schlauer Schachzug, denn dadurch wird einem bewusst, dass man sich nicht in der Sicherheit des Originals wiegen darf. Denn dessen Story wird im Grunde gleich mal mit einem groben Wisch zur Seite geschoben. Nur das Knochengerüst bleibt, und darauf baut Guadagnino nun seine eigene Version der Hölle auf. Diese ist grauer und trister als das Original und spielt im geteilten Berlin. In den Nachrichten dominiert die RAF, über allem liegt ein Gefühl der Unsicherheit und Zukunftsangst. Die von Dakota Johnson famos gespielte Susie Bannion, die neu in diesen Wahnsinn hineinkommt, findet sich aber überraschend schnell zurecht. Ihr Charakter ist ganz anders als die Suzie, die im Original von Jessica Harper gespielt wurde. Hier tritt eine selbstbewusste junge Frau auf, von der man durchaus vermuten kann, dass sie dem Bösen am Ende noch zeigt, was eine Harke ist. Und schon sind die Erwartungen auf einen fulminanten Showdown geweckt. Dass die Neuinterpretation von Guadagnino für mich dennoch hinter dem Original von Argento zurückbleibt, liegt daran, dass sich vieles wie Stückwerk anfühlt. Eben die Einbindung der politischen Hintergründe, die Figur des Psychiaters Dr. Klemperer (übrigens, wer ohne zu googeln errät, wer den spielt, kriegt einen goldenen Ehrenkürbis von mir verliehen), das alles lässt den Film eher ausfransen, als dass es ihn zusammenhält. Und auch über das Ende lässt sich streiten. Immerhin regt der Film damit zu Diskussionen an, und die meiste Zeit seiner 2,5 Stunden Spielzeit ist er auch spannend anzusehen. Er fühlt sich kürzer an, was meist ein gutes Zeichen ist. Auch fährt Guadagnino mit einigen wirklich drastischen Szenen auf, die den Zuseher so richtig leiden lassen. Darauf muss man sich einstellen – denn anders als im gefeierten „Call Me By Your Name„, in dem Guadagnino sein Publikum in einen Traum aus seidigem Pastell gewickelt hat, kommt er hier nun mit der Knochensäge und einem finsteren Blick ums Eck.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm Verleih)

Call Me By Your Name (2017)

Regie: Luca Guadagnino
Original-Titel: Call Me By Your Name
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Liebesfilm
IMDB-Link: Call Me By Your Name


Erste Liebe. Gibt es etwas Schöneres? Gibt es etwas Schrecklicheres? Mit einem wohligen Schaudern erinnern wir uns an den ersten Schwarm und an das erste Mal, wenn die Zuneigung erwidert wird. Und an die tränenreiche Zeit danach, wenn man feststellt, dass die Ewigkeit oft nur einen Sommer lang dauert. Genau das ist die Geschichte von Luca Guadagninos „Call Me By Your Name“, die Adaption des gleichnamigen Romans von André Aciman. Der 17jährige Elio (Timothée Chalamet, oscarnominiert für seine nuancierte Darstellung) verbringt den Sommer mit seinen Eltern in Norditalien, das in wirklich sehr schönen, warmen Bildern eingefangen wird. Die Familie ist ein Paradebeispiel für wohlsituierte Akademiker: Der Vater (der wunderbare Michael Stuhlbarg) ist Archäologieprofessor, die Mutter (Amira Casar mit einer Aura, die Geborgenheit ausstrahlt) liebt Literatur, der Sohn ebenfalls – man unterhält sich in einer Mischung aus Englisch, Französisch und Italienisch. Auftritt des Love Interests. Und hier geht „Call Me By Your Name“ einen etwas anderen Weg als konventionellere Liebesfilme, denn eben jener ist 24 Jahre alt, extrem attraktiv und männlich. Der Student Oliver (Armie Hammer mit der wohl besten Leistung seiner bisherigen Karriere) wurde vom Vater eingeladen, den Sommer in dessen Haus zu verbringen. „Call Me By Your Name“ hält seinen wachsamen, wertungsfreien Blick auf die Chemie zwischen den beiden Protagonisten, ihre Annäherungen, die Missverständnisse, die Verwirrungen bis schließlich zum Eingestehen der eigenen Gefühle. Und bei all dem spielt die Tatsache, dass es sich hierbei um eine gleichgeschlechtliche Liebe handelt, keine größere Rolle als jene, dass sie ein kleines, zusätzliches Erschwernis bedeutet, da diese Liebe nicht öffentlich ausgelebt werden kann. Alles Andere – der Weg dahin – ist von einer erfrischenden Natürlichkeit und Zwanglosigkeit, was dem Zuseher eine wichtige Botschaft mitgibt: Liebe ist Liebe. Ganz einfach. Dass der Weg zu dieser Botschaft um mindestens eine halbe Stunde zu lang ausfällt (da sich der Film gerade in der Anbahnung reichlich Zeit lässt und auch gegen Ende hin noch ein paar kleinere Schleifen dreht, ehe er auf den konsequenten Schluss zusteuert), erfordert dann aber dennoch etwas Geduld und Sitzfleisch.


7,0
von 10 Kürbissen