Fritz Lang

Engel der Gejagten (1952)

Regie: Fritz Lang
Original-Titel: Rancho Notorious
Erscheinungsjahr: 1952
Genre: Western, Drama
IMDB-Link: Rancho Notorious


Fritz Lang ist eine Regie-Legende und vor allem für seine frühen Klassiker wie Die Nibelungen, „Metropolis“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ bekannt. Dass er in seiner späteren Hollywood-Karriere auch Western drehte, war mir neu. In „Engel der Gejagten“ (im Original: „Rancho Notorious“) spielte Marlene Dietrich die weibliche Hauptrolle – eine Zusammenarbeit, die nicht ganz friktionsfrei verlaufen sein soll. Dem Ergebnis sieht man dies aber nicht an. „Engel der Gejagten“ ist ein knackiger, staubtrockener Western mit einer grimmigen Story: Während der Cowboy Vern Haskell (Arthur Kennedy) auf der Ranch arbeitet, wird seine Verlobte, die einen Laden betreibt, von zwei Outlaws ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet. Einen findet Vern später mit einer Kugel im Rücken, doch bevor er herausfinden kann, wer der Partner des Gangsters ist, haucht dieser sein Leben aus. Die einzige Spur, die Vern hat, führt quer durch den Südwesten der Staaten zu einer mysteriösen Damen mit dem Namen Atlas Keane (in der deutschen Synchronisation: Cora Keane), gespielt von der schon erwähnten Marlene Dietrich. Diese war als Bardame tätig und betreibt nun eine Zuflucht für Gesetzlose, die eine Zeit lang untertauchen müssen. Vern gibt sich als solcher aus, um in den Reihen der Männer, die von Atlas Keane beherbergt werden, nach dem Mörder seiner Verlobten zu suchen. Hierzulande ist „Engel der Gejagten“ ein eher unbekannter Westernklassiker, aber er hat schon seine Qualitäten. Das Tempo der Inszenierung ist hoch, da geht Fritz Lang keine Umwege, sondern führt den Zuseher auf direktem Weg durch die Story, und Arthur Kennedy legt seinen Vern zwar nicht sonderlich komplex an, dennoch erspielt er sich genügend Sympathiepunkte, um die Geschichte tragen zu können. Für mich die charismatischste Figur im ganzen Ensemble ist Atlas‘ Liebhaber Frenchy Fairmont (Mel Ferrer), dem man noch lieber folgt als der eigentlichen Hauptfigur. Und das ist vielleicht auch die größte Schwäche des Films: Da er sich eben nicht allzu viel Zeit nimmt, um die Figuren sauber herauszuarbeiten, fehlt trotz der tragischen Story eine tiefere emotionale Bindung zum Geschehen. Eine Sichtung ist er dennoch wert, beweist er doch: Fritz Lang konnte alles, selbst Western.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Ministerium der Angst (1944)

Regie: Fritz Lang
Original-Titel: Ministry of Fear
Erscheinungsjahr: 1944
Genre: Thriller, Drama, Krimi
IMDB-Link: Ministry of Fear


Oft hast ein Pech. Da bist du großer Fan von Graham Greene und bekommst die Möglichkeit, einen seiner Romane zu verfilmen, und dann stellst du bei der Lektüre des Drehbuchs fest, dass du eigentlich gar keinen Bock darauf hast, musst das Ding aber jetzt trotzdem durchziehen. So ging’s Regiegigant Fritz Lang mit „Ministerium der Angst“, einem Spionagethriller, der leider an einer reichlich konfusen Story krankt. Aber Fritz Lang wäre nicht Fritz Lang, wenn es ihm nicht gelänge, auch aus dem halbseidenen Stoff einen packenden Thriller mit denkwürdigen Szenen zu schaffen. Die Story: Der eben aus einer Nervenheilanstalt entlassene Stephen Neale (Ray Milland) gewinnt durch Zufall bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung eine Torte. Diese wird ihm im Zug von einem angeblich Blinden abgenommen, der wiederum bei einem Bombenangriff der Deutschen auf Großbritannien getötet wird. Fortan sind Neale allerlei suspekte Gestalten auf den Fersen, und ihm wird auch noch ein Mord angedichtet. Um sich zu retten, muss er also selbst die Ermittlungen aufnehmen und das Komplott, in das er hineingezogen wurde, aufdecken – klassischer Film Noir-Stoff eben. Zugegeben, es ist nicht leicht, den Kapriolen der Geschichte zu folgen. Heute würde man einen solchen Stoff wohl in eine Miniserie verpacken und sich ausreichend Zeit nehmen, alle Verwicklungen sauber aufzubereiten und zu verarbeiten. Der Pluspunkt des Films ist eindeutig die spannungsgeladene Inszenierung, die von gelungenen Bildern begleitet wird. Insgesamt kein Höhepunkt in Fritz Langs Schaffen, aber auch nichts, weswegen er sich schämen müsste.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Die Nibelungen (1924)

Regie: Fritz Lang
Original-Titel: Die Nibelungen: Siegfried / Die Nibelungen: Kriemhilds Rache
Erscheinungsjahr: 1924
Genre: Abenteuerfilm, Fantasy
IMDB-Link: Die Nibelungen: SiegfriedDie Nibelungen: Kriemhilds Rache


Krank zu sein ist ja nicht wirklich lustig. Allein positiv daran: Man hat endlich mal Zeit, sich den 4,5-stündigen Stummfilmklassiker „Die Nibelungen“ von Fritz Lang reinzuziehen. Bislang kannte ich nur die Verfilmung aus dem Jahr 1967 mit Terence Hill (damals noch Mario Girotti) als Giselher. Zeit also, diese Lücke zu schließen. Gleich zu Beginn wird in Frakturschrift über den ganzen Bildschirm verteilt: „Dem deutschen Volke zu eigen“. Das macht Sinn, denn das Nibelungenlied ist schließlich das deutsche Nationalepos schlechthin, und Fritz Lang, gelernter Österreicher und nach seiner Heirat 1922 auch Wahldeutscher, wusste schon, was sich gehört. Im Nachhinein zeigt diese Widmung allerdings eine fast höhnische Spitze gegen das deutsche Volk. Denn im Grunde sind die Nibelungen ja ausschließlich bevölkert von Egomanen, Rachsüchtigen und störrischen Eseln, die lieber zugrunde gehen als einmal vom bisherigen Kurs abzuweichen. Selbst der strahlende Held Siegfried kommt nicht besonders gut weg. Sagen wir mal so: Mit seinem Ego allein hätte man die chinesische Mauer ein zweites Mal bauen können. Dass er noch dazu jeden Schwindel mitmacht, der widerspenstigen Brunhild die Jüngfräulichkeit stiehlt und das alles noch vor seiner trauten Kriemhild ausplaudert, die natürlich von Stolz zerfressen auch wieder nicht ihre Klappe halten kann, lässt den Karren, der ohnehin schon ziemlich verfahren ist, endgültig mit Vollkaracho gegen die Wand knallen, und Hagen von Tronje hat seinen großen Moment. Man kennt die Geschichte: Drachenblut. Lindenblatt. Kriemhild stickt nichtsahnend ein Kreuzerl. Hagen visiert dieses an. Siegfried tot. Kriemhild sauer. Auftritt Etzel. Gemetzel bei Etzel. Am Ende sind alle tot und keiner hat was gelernt. Ausgenommen das Publikum, denn das ist hochgradig erfreut ob des Gesehenen. Denn Fritz Lang hat da vor mittlerweile fast 100 Jahren etwas Bleibendes auf die Leinwand gezaubert. Die Kulissen, die Kostüme, die Spezialeffekte – all das ist atemberaubend, wenn man sie im Kontext der Zeit sieht. Und die Geschichte selbst hat ohnehin universell Bestand. Sie ist kurzweilig erzählt, die 4,5 Stunden vergehen tatsächlich schneller als man glaubt. Zu gebannt ist man von der Schönheit der Bilder, von der Dramatik in den Blicken (man beginnt zu begreifen, warum sich Harry M. Warner, damals Chef der Warner Brothers, zu der Aussage versteigen konnte: „Wer zur Hölle will Schauspieler reden hören?“), der Liebe zum Detail und zur Opulenz. Die Meisterschaft Fritz Langs zeigt sich vor allem darin, dass er kein simples Abenteuerspektakel, das heute vielleicht lächerlich wirken könnte, aus den Nibelungen gemacht hat, sondern ein sehr düsteres, grimmiges Werk, das auch ein Jahrhundert später noch hervorragend funktioniert.


8,0
von 10 Kürbissen