Crossing Europe Linz 2018

Double Date (2017)

Regie: Benjamin Barfoot
Original-Titel: Double Date
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Horror, Komödie, Satire, Thriller
IMDB-Link: Double Date


Noch vor Beginn des Films wurden gleich mal die Weichen für die kommenden 1,5 Stunden gestellt, als der Moderator launig ins Publikum fragte, wer denn schon einmal bei einem Double Date gewesen sei, also zusammen mit einem Freund / einer Freundin und den jeweiligen Love Interests unterwegs. Ein paar zaghafte Hände gingen in die Höhe. Auf die Rückfrage des Moderators, wie denn das so gewesen sei, kam aus von einem Zuseher die Antwort: „Tatsächlich sind wir gerade auf einem Double Date.“ Der Moderator daraufhin: „Dann bin ich mal gespannt, ob ich euch morgen wiedersehe, denn wie wir gleich erfahren werden, sind Double Dates manchmal tödlich.“ Und damit ist gleich mal zusammengefasst, worum es in Benjamin Barfoots Film geht. Dieser ist reine Publikumsbespaßung. Mit großem Vergnügen zelebriert Barfoot jegliches Klischee, die man rund um die Dating-Situationen junger Erwachsener finden kann, und stellt dann den Fuß bis zum Anschlag aufs Gaspedal. Die Story: Der schüchterne Jim steht vor seinem dreißigsten Geburtstag und hatte noch nie etwas mit einer Frau. Sein großmäuliger Freund Alex verspricht ihm daher, dass er noch vor seinem Geburtstag flachgelegt werden würde. Auftritt zweier übertrieben hübscher Grazien in der Bar, die an den beiden Kumpanen trotz holpriger Anmache überraschend Gefallen finden. Was der Maulheld und sein komplexbeladener Kompagnon nicht ahnen: Die beiden Mädels haben sinistere Pläne, die Chloroform, ein Messer und mehrere Stunden Putzen danach inkludieren. Ahnungslos tappen die beiden libidinösen Helden in die Venusfalle. Dass sie zudem nicht die hellsten Sterne am Firmament sind, lässt den geneigten Zuseher umso mehr um ihr armseliges Leben bangen. „Double Date“ ist ein Film nach dem Motto „Hirn aus, Popcorn rein“. Der Spaßfaktor ist enorm, und vor allem, wenn man mit dem leicht verdrehten und schwarzen britischen Humor etwas anfangen kann, macht man hier nichts falsch. „Double Date“ hat ein einfaches Rezept, das aber gut funktioniert: Über jeden Schrecken lässt sich auch lachen.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival Linz)

The Heart (2018)

Regie: Fanni Metelius
Original-Titel: Hjärtat
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Liebesfilm, Drama
IMDB-Link: Hjärtat


Als mit Anfang Zwanzig die erste ernste Beziehung in die Brüche ging, setzte sich Fanni Metelius hin und schrieb ein Gedicht über diese Beziehung. Einige Jahre später entschloss sie sich, dieses Gedicht zu verfilmen. So erzählte es uns die sympathische Regisseurin beim Q&A zu „The Heart“, ihrem Debütfilm. Sie wollte einen ehrlichen Film machen über echte Probleme, die ihre eigenen Erfahrungen geprägt haben – wie zum Beispiel fehlendes sexuelles Interesse eines Partners. Genau mit diesem Problem (und anderen) schlagen sich Mika und Tesfay herum. Eigentlich sind sie sehr verliebt ineinander, und die bislang so sprunghafte Partymaus Mika (Fanni Metelius selbst, die offenbar mit Regie, Drehbuch und Schnitt noch nicht ausgelastet war, ihre Sache aber überragend macht) entschließt sich, mit Tesfay endlich sesshaft zu werden. Als Zuseher ist man ganz nah dran an diesem Paar, die Momente der Intimität, die gezeigt werden, sind völlig unprätentiös und glaubhaft. Die Küsse, die Blicke (in denen sich oft dieses wundervolle Erstaunen darüber zeigt, den anderen Menschen gefunden zu haben), auch das Zusammensitzen auf der Couch – all das wirkt absolut authentisch. Doch gerade die Couch wird zum Beziehungskiller, denn immer mehr Zeit verbringt der charismatische und eigentlich kreative und lebenslustige Tesfay auf dieser, um Computerspiele zu spielen. Und die Zeit, die dafür draufgeht, Knöpfe auf dem Controller zu drücken, fehlt dann für jene Zeit, die er eigentlich Mikas Knöpfe drücken sollte. Die wird verständlicherweise frustriert und unsicher. Wie lange zusammenbleiben und wie sehr sich bemühen, wenn man trotz aller Liebe unter der Beziehung leidet? Und was kann man noch tun? Leider nimmt sich der Film dafür etwas zu sehr Zeit und wird gegen Ende hin auch ein wenig ermüdend. Dazu kommt, dass zwar die beiden Hauptfiguren Mika und Tesfay sehr glaubhaft dargestellt werden als junge Erwachsene, die feststellen, dass das Leben neben Party und Halligalli auch ernsthafte Seiten hat, die Nebenfiguren aber allesamt sehr klischeehaft ausfallen. Auch ist der Fokus mit Blick auf die Zweierbeziehung einerseits und das ungezwungene Partyleben andererseits sehr eng gefasst. Weitere Aspekte des Lebens und des Alltags werden einfach ausgeklammert. Mir selbst war das ein wenig zu eindimensional. Dennoch ist „The Heart“ ein sehenswerter Liebesfilm, in dem sich viele der jüngeren Zuseher wohl auch selbst wiederfinden werden.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival Linz)

Cobain (2018)

Regie: Nanouk Leopold
Original-Titel: Cobain
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama
IMDB-Link: Cobain


Der fünfzehnjährige Cobain heißt Cobain, weil seine Mutter Mia schon vor der Geburt nicht unbedingt sehr viel an ihr Kind, sondern hauptsächlich an sich selbst gedacht hat. „Warum nennt man sein Kind nach einem, der sich erschossen hat?“, fragt Cobain zu Recht. Immerhin hat er kein Drogenproblem – das erledigt schon seine Mutter für ihn. Die im Übrigen mal wieder schwanger ist, was sie allerdings nicht davon abhält, viel zu viel zu rauchen, zu trinken und sich noch deutlich ungesündere Substanzen zuzuführen. Noch dazu verschwindet Mia gerne mal. Cobain, wenn er nach ihr sucht, findet sie dann meistens auf der Couch irgendwelcher Junkies. So gesehen ist „Cobain“ so etwas wie ein Gegenstück zu „Die beste aller Welten„, in dem es ebenfalls um eine von Drogen kontaminierte Mutter-Sohn-Beziehung geht. Doch während sich in Adrian Goigingers Kindheitsaufarbeitung die Mutter nach Kräften bemüht, ihrem Sohn trotz aller Probleme eine glückliche Kindheit zu schenken, hat Mia in Nanouk Leopolds Film nicht das leiseste Interesse an Berührungspunkten. Gleich zu Beginn stellt sie klar: „Du bist okay, ich bin okay, wir kümmern uns um uns selbst.“ Niemand ist hier aber okay. Weder Mia noch Cobain, der gerne ein intaktes Familienleben hätte. Immer wieder sucht Cobain die Nähe seiner Mutter, versucht, ihr gegen alle Widerstände zu helfen, um vielleicht doch noch die kleine, wenn auch unwahrscheinliche Chance auf einen Funken Normalität zu wahren. Nanouk Leopold erzählt in ruhigem, unaufgeregtem Tempo die Geschichte eines Jungen, der sich nicht von seiner Mutter lösen kann. In wackeligen Bildern der Handkamera, die immer ganz nah dran ist an Cobain, zeigt sie die zerstörerische Kraft der Liebe. Das Ende ist heftig, aber auch konsequent. „Cobain“ ist nicht über die volle Laufzeit stets gleichermaßen interessant und auch nicht immer klischeefrei, hallt aber dennoch nach und gehört schon mal zu meinen ersten Highlights des Crossing Europe Festivals 2018.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival Linz)

Dreaming Under Capitalism (2017)

Regie: Sophie Bruneau
Original-Titel: Rêver sous le Capitalisme
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: –


Die Idee ist simpel, hat aber etwas für sich: Warum nicht einen Film über die Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf das alltägliche Leben drehen, indem man die Menschen von ihren Albträumen erzählen lässt, die mit der Arbeit zu tun haben? Genau das macht Sophie Bruneau mit ihrem Dokumentarfilm „Dreaming Under Capitalism“, meinem ersten Crossing Europe-Film. Es ist Freitagnachmittag, die Sonne scheint aus einem nahezu wolkenlosen Himmel, es ist sommerlich warm, ich bin gerade in Linz angekommen – und mein erster Weg führt mich in den dunklen Kinosaal, um mir einen Film anzusehen, in dem Menschen vor filmischen Stillleben von Arbeitswelten von ihren nächtlichen Träumen erzählen (meistens aus dem Off). Im Laufe des Films, der mit einer Stunde Laufzeit ökonomisch angelegt ist, besinnen sich offensichtlich auch einige weitere Kinobesucher, dass da draußen ein wunderschöner Frühlingstag ist und ratzfatz ist der halbe Saal leer gespielt. Ich, müde vom Vorabend und der Zugfahrt am Vormittag, bleibe sitzen, was auch daran liegt, dass mir immer wieder die Augen zufallen. Kurz gesagt: „Dreaming Under Capitalism“ ist nicht unbedingt das, was man als Reißer bezeichnen würde. Manche Träume sind zwar durchaus interessant (wie etwa jener der älteren Consulting-Dame, die davon träumt, dass ihr Schädel aufknackt und kleine Männchen mit Riesenlöffeln im Kreis um ihr Hirn sitzen und dieses genüsslich auslöffeln), aber meistens sind es nichtssagende, larmoyante Sudereien über die alltägliche Arbeitsbelastung, die vor nahezu unbewegten Bildern von beispielsweise Bürogebäuden oder Baustellen erzählt werden. Wäre das mein heutiger Spätabendfilm gewesen, wäre ich wohl erst morgen in der Früh wieder im Kinosaal aufgewacht. So bleibt als Fazit: Eine nette Idee, aber langweilig umgesetzt – und einen ganzen Film trägt diese nicht.


3,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival Linz)

In Linz beginnt’s

Nämlich morgen für mich mit dem Crossing Europe Film Festival, das mir dankenswerterweise eine Presseakkreditierung gewährt hat. So werde ich mir am Wochenende wieder fleißig Filme von europäischen Filmemacherinnen und Filmemachern reinziehen und hier natürlich so zeitnah wie möglich darüber berichten (wann immer das auch ist). Ich habe mir ein stattliches Programm vorgenommen – mal schauen, ob ich alles so durchdrücke wie geplant oder ob irgendwann im Laufe des Wochenendes die Sicherungen durchbrennen und ich in der Embryonalstellung weinend am Donauufer liege und nach einem extragroßen Becher Bananensplit schreie. Was ich damit sagen will: Falls ihr an diesem Wochenende in Linz einem völlig Irren begegnet, füttert ihn bitte mit Eis. Danke!