2012

Hotel Transsilvanien (2012)

Regie: Genndy Tartakovsky
Original-Titel: Hotel Transylvania
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Animation
IMDB-Link: Hotel Transylvania


Die Geburt des eigenen Kindes verändert viel. So auch für Dracula, dessen blutrünstige Zeiten vorbei sind. Statt leicht bekleideten Damen nächtens das Blut auszusaugen, kümmert er sich als Witwer und Alleinerzieher lieber um die Erziehung seiner Tochter Mavis. Seine größte Sorge: Dass sie hinausziehen in die weite Welt und dort auf Menschen stoßen könnte – die Erzfeinde der Monster, die unaussprechlichen Geschöpfe, vor der Frankensteins Monster, Poltergeister und Werwölfe angstvoll erzittern. Wem das bekannt vorkommt: Eine ähnliche Idee hat Pixar bereits mit Die Monster AG verarbeitet und das – so viel gleich vorweggenommen – deutlich pfiffiger. Aber zurück zu Dracula und seinen häuslichen Problemen. Er plant zur Feier des 118. Geburtstages seiner Tochter, die damit volljährig wird, eine große Feier in dem von ihm geführten Hotel Transsilvanien, in dem Monster aller Art Zuflucht finden und Urlaub nehmen können von den Menschen, die es sonst auf sie abgesehen haben. Doch Dracula hat bald zwei Probleme am Hals. Erstens: Seine neugierige Tochter interessiert sich allzu sehr für die Welt der Menschen, und Dracula hat ihr einst versprochen, dass sie mit ihrer Volljährigkeit auch hinausziehen kann, um eigene Erfahrungen zu sammeln – ein Versprechen, das er nun bereut. Zweitens: Mit dem jugendlichen Backpacker Johnny verirrt sich plötzlich ein Mensch ins Hotel. Und Dracula hat alle Hände voll zu tun, dafür zu sorgen, dass sich die Welt von Menschen und Monstern auch weiterhin nicht durchmischen und sein Hotel ein Refugium für erholungsbedürftige Monster bleiben kann. „Hotel Transsilvanien“ ist, wie schon erwähnt, nicht auf dem Niveau der großen Pixar-Filme. Dazu sind der Humor dann doch oft zu kindlich und das Spektakel zu bunt und fahrig. Dennoch kann man mit dem Film seinen Spaß haben. Die Monster sind liebevoll animiert, viele Gags zünden, und die Sorgen und Nöte von Dracula sind nur zu gut nachvollziehbar. Die Story ist hingegen fast nebensächlich, und eine zweite, tiefere Ebene sucht man im Drehbuch vergeblich. Ob es dann auch noch zwei Fortsetzungen gebraucht hätte, vermag ich nicht zu sagen – mir scheint das fast zu viel des Guten zu sein.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012)

Regie: Gary Ross
Original-Titel: The Hunger Games
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Science Fiction, Abenteuerfilm
IMDB-Link: The Hunger Games


Brot und Spiele. Dass diese beiden Komponenten ausreichen, um ein Volk ruhigzustellen, wussten schon die alten Römer. Im Sci-Fi-Setting von „The Hunger Games“ ist dieses Prinzip auf die Spitze getrieben. In einer dystopischen Welt werden die zwölf Distrikte, die einmal die Vereinigten Staaten von Amerika waren, von einem faschistisch anmutenden Regime unter Kontrolle gehalten. Damit die armen Bürger, die nicht wissen, wie sie ihre Bäuche füllen sollen, nicht aufmucken, lässt Präsident Snow (Donald Sutherland) alljährliche „Hunger Games“ durchführen. Aus jedem Bezirk werden ein Mädchen und ein Junge ausgewählt, die sogenannten „Tribute“, die gegeneinander in einer weitläufigen Arena gegeneinander kämpfen müssen, bis nur noch eine Person übrig bleibt. Das Kolosseum des alten Rom lässt grüßen. Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) tut sich das sogar freiwillig an und springt für ihre jüngere Schwester, die auserwählt wurde, ein. Eine gute Entscheidung, denn Katniss kann verflucht gut mit dem Bogen umgehen, während ihre jüngere Schwester schon vom Flügelschlag eines Schmetterlings aus den Latschen gehoben werden kann. Und so beginnt das Hauen und Stechen und Rennen und Flüchten, sehr zur Belustigung des Showmasters (Stanley Tucci) und des Publikums und gleichermaßen ängstlich beobachtet von Hunger Games-Überlebenden Haymitch (Woody Harrelson), der für die beiden Tribute aus dem zwölften Distrikt den Mentor gibt. Die Story nach den Erfolgsromanen von Suzanne Collins ist simpel, aber effektiv. Das alte „Jeder gegen jeden“ wird hier gekonnt pervertiert, indem die Gladiatoren aus Minderjährigen gewählt werden, denen man die Konfusion an den Augen ablesen kann. Man wird als Zuseher unweigerlich auf die Frage zurückgeworfen, wie weit man selbst gehen würde, um sein eigenes Leben zu retten. Leider können die folgenden Filme zur Roman-Trilogie, die in insgesamt vier Teilen verfilmt wurde, mit der Qualität des ersten Teils nicht mehr ganz mithalten, und der Fokus verschiebt sich von dieser zutiefst archaischen Überlebensgeschichte zu einem Revolutions-Sci-Fi-Drama, dem es am Ende an Kreativität mangelt, aber Teil 1 für sich ist in seiner grimmigen Konsequenz schon sehr sehenswert.


7,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: © 2011 – Lionsgate. Quelle http://www.imdb.com)

Moonrise Kingdom (2012)

Regie: Wes Anderson
Original-Titel: Moonrise Kingdom
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Komödie, Liebesfilm, Abenteuerfilm
IMDB-Link: Moonrise Kingdom


An Wes Anderson und seinen Filmen scheiden sich die Geister. Entweder man liebt den Stil und die lakonische, oft indirekte Erzählweise, die gerne mal Umwege nimmt, um die Geschichte von überraschenden Seiten aus zu beleuchten, oder man stört sich an den Manierismen und der scheinbaren Emotionslosigkeit der Erzählung. Ich gehöre mit Herz und Seele zu den Anderson-Fans. Ich liebe seine Filme und halte sie durchwegs für Meisterwerke. Und ja, auch andere Filmemacher/innen haben eine deutlich erkennbare Handschrift, aber um einen Wes Anderson-Film zu erkennen, braucht es nicht viel mehr als eine einzige Einstellung. Was mich aber vollends zum absoluten Groupie macht, ist die Tatsache, dass bei aller stringenten Komposition immer eine wunderschöne Geschichte mit liebevollen Charakteren im Zentrum steht. „Moonrise Kingdom“ ist dafür ein Paradebeispiel. Im Grunde geht es um nicht viel: Zwei Kinder reißen von zuhause aus, um gemeinsam durchzubrennen, kommen aber nicht sonderlich weit, da ihnen die gesamte Insel (darunter Edward Norton, Bruce Willis, Frances McDormand und Bill Murray) auf den Fersen ist. Eine kleine, süße Abenteuergeschichte, bei der man leicht die ernsteren Hintergründe übersehen kann. Denn viele Risse ziehen sich durch die familiären Beziehungen – die im Angesicht der Krise sichtbar werden. Dennoch legt Wes Anderson seinen Fokus nicht darauf, sondern vielmehr auf die Beziehung des jungen Liebespaares (Jared Gilman und Kara Hayward). Ihm gelingt es, diese erste Liebe völlig ernst zu nehmen und glaubhaft zu machen, so künstlich auch das Setting wirkt. „Moonrise Kingdom“ wird im Œuvre Andersons insgesamt ein kleinerer Film bleiben (mit dem neunfach Oscar-nominierten und vierfach ausgezeichneten „Grand Budapest Hotel“ und seinem Durchbruchs-Film „The Royal Tenenbaums“ als Flaggschiffe vorneweg), aber das heißt nicht, dass man auf eine Sichtung verzichten sollte. Wer sich auf Wes Andersons Stil einlassen möchte, wird mit diesem Film reich belohnt.


8,0
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Photo by Focus Features – © 2011 Focus Features, Quelle imdb.com)

Searching for Sugar Man (2012)

Regie: Malik Bendjelloul
Original-Titel: Searching for Sugar Man
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Searching for Sugar Man


Alle Welt redet gerade von der Netflix-Dokuserie „Tiger King“, aber so abgefahren die Dokumentation über amerikanische Rednex, die in Privatzoos Tiger halten und sich gegenseitig an die Gurgel wollen, auch ist – der Titel für die bislang beste Doku, die ich je gesehen habe, bleibt bei „Searching for Sugar Man“ von Malik Bendjelloul – der leider nicht mehr unter uns weilt. 2012 war das Ding jedenfalls eine Riesensensation, die mit Oscar-Meriten geadelt wurde. Bendjelloul zeichnet die Suche nach dem US-amerikanischen Folksänger Rodriguez nach, der in den 70ern zwei in der Heimat völlig gefloppte Platten herausbrachte, aber über irrwitzige Umwege in Südafrika zur Ikone wurde. Eines der größten Missverständnisse der jüngeren Musikgeschichte ist dabei die Tatsache, dass ein Mann mit seinen Songwriter-Qualitäten nicht ohnehin in den Olymp zu Bob Dylan, Leonard Cohen & Co. aufgestiegen ist. Was aber den Zuseher dann völlig fassungslos macht, ist die Tatsache, dass er jahrzehntelang nichts von seinem Ruhm in Südafrika wusste. Und dass die Südafrikaner nichts von ihm wussten, da er nach dem Misserfolg seiner Alben in den USA von der Erdoberfläche verschwand. Die Suche zweier Musikjournalisten nach Rodriguez nimmt im ersten Teil des Films den größten Raum ein. Aber gerade, als man denkt, dass sich der Film seinem Ende nähert, baut sich im Anschluss an diese Story-Line eine zweite Geschichte auf, die emotional noch mal eine Schippe drauflegt. Was man Bendjelloul vielleicht vorwerfen kann, ist, dass er eine wichtige Info (Stichwort: Australien, Ende 70er) komplett ausspart, um seine eigene Geschichte die größte Wirkung entfalten lassen zu können. Das sieht man im Dokumentarfilm nicht so gerne. Aber unbestritten ist „Searching for Sugar Man“ eine spannend inszenierte Feelgood-Geschichte mit ganz viel Herz und guter Musik – sollte man auf jeden Fall gesehen haben.


8,5
von 10 Kürbissen

(Bildzitat: Quelle: imdb.com)

Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt (2012)

Regie: Lorene Scafaria
Original-Titel: Seeking a Friend for the End of the World
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Liebesfilm, Komödie, Drama, Roadmovie
IMDB-Link: Seeking a Friend for the End of the World


Was würdet ihr tun, wenn ein gewaltiger Asteroid auf die Erde zuhält, in drei Wochen alles Leben auslöschen wird und jegliche Hoffnung auf Rettung vergebens ist? Das Naheliegende ist wohl, sich in den Kreis seiner Familie und Freunde zu begeben und hemmungslos alles zu tun, was bislang verboten oder moralisch anrüchig war. Weil: Who cares? Dodge Petersen (schön zurückhaltend gespielt von Steve Carell), ein Versicherungsmakler, dem angesichts der Apokalypse die Ehefrau schneller weggerannt ist als er „Asteroid“ sagen konnte, tut nichts von alledem. Für eine Midlife-Crisis ist es zwar schon reichlich spät, aber wenn man sonst nichts mehr hat, bleibt halt nur das Selbstmitleid. Da helfen auch Aufmunterungs- und Verkuppelungsversuche der Freunde nichts. Doch dann schneit überraschend seine deutlich jüngere Nachbarin Penny (Keira Knightley, als Hippie-Mädchen vielleicht nicht ganz glaubwürdig, aber charmant) in sein Leben. Diese hat den letzten Flug zu ihrer Familie verpasst und ist dementsprechend geknickt. Gemeinsam machen sich die beiden unterschiedliche Charaktere auf den Weg, um Penny doch noch mit ihrer Familie zu vereinen und Dodges alte Jugendliebe aufzusuchen. „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ von Regie-Debütantin Lorene Scafaria, die auch fürs Drehbuch verantwortlich zeichnet, baut voll und ganz auf das Gedankenexperiment, das wohl jeder von uns schon mal durchgedacht hat. In der Darstellung dieses Szenarios findet sie aber – trotz gut eingesetztem Humor – eher leise Töne, die dem Film gut stehen. Die Grundstimmung des Films ist wohl leicht melancholisch mit überraschend zarten Anklängen zwischendurch. Der Humor fügt sich gut ein und ist nie aufdringlich. Zwar hüpft Scafaria im letzten Drittel des Films durchaus in die Kitsch-Pfütze, aber dennoch ist „Auf der Suche nach einem Freund fürs Ende der Welt“ vor allem dank Steve Carell ein Feelgood-Movie, das man wirklich gerne sieht. Und das auch länger nachhallt. Aber jetzt will ich von euch wissen: Was würdet ihr tun, wenn in drei Wochen die Welt unrettbar unterginge?


7,0
von 10 Kürbissen

Das Mädchen Wadjda (2012)

Regie: Haifaa Al Mansour
Original-Titel: Wadjda
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: Wadjda


Die Geschichte eines Fahrradkaufs. Ein 11jähriges Mädchen möchte den neuesten Flitzer käuflich erwerben und sinnt daher darüber nach, wie es am besten zu Geld kommen kann. Das klingt erst mal recht unspektakulär. Wenn die Geschichte allerdings im stock-konservativen Saudi-Arabien stattfindet und das vorwitzige Mädchen, das vor allem bei den streng muslimischen Lehrerinnen ununterbrochen aneckt, ausgerechnet darauf verfällt, einen Zitierwettbewerb zum Koran zu gewinnen, um das Preisgeld für den Fahrradkauf einzustreifen, und wenn man auch noch berücksichtigt, dass in Saudi-Arabien Frauen nicht Fahrradfahren, denn das macht man einfach nicht als Frau, dann wird aus dieser banalen Geschichte recht schnell ein subversiver Spaß. „Das Mädchen Wadjda“ von Haifaa Al Mansour war nicht nur der erste Film Saudi-Arabiens, der von einer Frau gedreht wurde, sondern 2012 auch ein weltweiter Kassenknaller und Festivalerfolg. Allerdings stellt sich bei mir trotz der unbestrittenen Qualitäten, die der leichtfüßige und humorvoll erzählte Film hat, dann doch die Frage, ob er für ähnliche Furore gesorgt hätte, wäre er von einem Mann oder in einem anderen Land gedreht worden. Es ist sehr löblich und wichtig, dass Haifaa Al Mansour mit dem Film ein Zeichen setzen konnte, aber dass „Das Mädchen Wadjda“ es gleich unter die „1001 Filmen, die man gesehen haben muss, bevor das Leben vorbei ist“ geschafft hat, ist dann vielleicht doch ein bisschen zu viel der Ehre für diesen netten und unterhaltsamen, aber nicht spektakulären Film. Gesellschaftliche Implikationen mag er gehabt haben, und das ist auch gut so, aber als Meisterwerk für die Ewigkeit sehe ich ihn dennoch nicht an. Nichtsdestotrotz kann man sich damit einen beschwingten Abend machen. Und froh darüber sein, dass wir im Westen zwar auch unsere Kreuze zu tragen haben (pun intended), aber zumindest die Frauen Fahrradfahren dürfen.


7,0
von 10 Kürbissen

Low Tide (2012)

Regie: Roberto Minervini
Original-Titel: Low Tide
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Drama
IMDB-Link: Low Tide


Roberto Minervini hat einen sehr eigenen Zugang zum Filmen, wie er im Q&A nach dem Screenings seines zweiten Langfilms „Low Tide“ im Rahmen der Viennale erzählt. Er arbeitet mit Laiendarstellern, hat nur wenig bis gar kein Script, filmt, ohne das Gefilmte zu überprüfen und anzusehen (das kommt erst im Schnitt), lässt die Filmrolle einfach laufen, bis sie zu Ende ist – und am Ende hat er einen Film oder nicht. Dadurch erhalten seine Filme einen dokumentarischen Anstrich, sie fangen tatsächlich das wahre Leben ein. Und dieses ist oft banal und repetitiv, wie man in „Low Tide“ sehen kann. Die Kamera folgt einem etwa zwölfjährigen Jungen, der mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen in einer Kleinstadt außerhalb von Houston, Texas, lebt. Oder sagen wir so: Er lebt dort, und seine Mutter stürzt gelegentlich betrunken mitten in der Nacht durch die Tür. Die meiste Zeit ist er völlig auf sich allein gestellt. Er macht den Haushalt, er macht sich selbst seine Ravioli warm, er fährt mit dem Fahrrad durch die Gegend, er sammelt Dosen auf, um das Dosenpfand einzukassieren, er wirft Steine ins Wasser – und gelegentlich hilft er seiner Mutter, die eine schlecht bezahlte Hilfsstelle in einem Pflegeheim hat, beim Einsortieren der Handtücher. Einzig zu Tieren hat er eine echte Beziehung. Gleich zu Beginn sieht man ihn, wie er mit einer zufällig auf dem Weg gefundenen Schlange spielt, neugierig und voller Respekt vor dem Tier. Dialog gibt es kaum einen, denn mit wem könnte er auch reden? Und während man sich als Zuseher noch fragt, wohin diese ganzen Alltagsbanalitäten in langen Einstellungen noch führen mögen, werden in den Wiederholungen, in der Langeweile allmählich die seelischen Verwundungen sichtbar. Man ahnt, dass das nicht gut ausgehen kann, man spürt förmlich die Verzweiflung des Jungen, der so völlig isoliert vor sich hin lebt, und so entwickelt der Film mit der Zeit einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Geduldig muss man dennoch sein, und Vieles ist tatsächlich einfach nur langweilig und redundant. Aber so ist das Leben schließlich auch. Die Schlusssequenz geht dann echt unter die Haut.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Viennale)

Dredd (2012)

Regie: Pete Travis
Original-Titel: Dredd
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Action, Science Fiction
IMDB-Link: Dredd


Karl Urban ist in der Zukunft ein vielbeschäftigter Mann. Wenn er nicht gerade als „Pille“ McCoy seinen Dienst auf der Enterprise verrichtet, räumt er als Judge Dredd in der gigantischen, versifften Metropole, die sich über die ganze Ostküste der USA erstreckt, mit Gesetzesbrechern auf. Und wer dabei Lena Headey als Gegenspielerin hat, hat alle Hände voll zu tun – das wissen wir seit „Game of Thrones“. In diesem Fall findet sich der mit allerlei lässigen Waffen ausgestattete Richter mitsamt einer hellsichtigen Novizin (Olivia Thirlby) in einem hermetisch abgeriegelten Hochhaus wieder, in dem Drogen-Capo „Ma-Ma“ Jagd auf ihn und seine Begleiterin machen lässt (Bruce Willis hat angerufen, er will seinen Plot zurück), da sie einen der ihren geschnappt haben, der, wenn er denn lebend aus diesem Bunker herauskommt, allerlei brisante Details über die Machenschaften des Clans ausplaudern könnte. Der Rest des Films besteht aus Blut und Explosionen. Mehr ist da nicht. Echt nicht. Aber: Das Ganze ist immerhin visuell sehr ansprechend und in der Gewaltdarstellung kompromisslos gefilmt. Hier werden – wortwörtlich – keine Gefangenen gemacht. Ein Action-Kracher der alten Schule. Leuten wie Chuck Norris und Steven Segal zieht es beim Ansehen dieses Films wohl ein breites Grinsen auf. Und mir, ehrlich gestanden, auch, denn ab und zu, wenn man an einem faulen Abend auf der Couch lümmelt und sich mit nichts Anspruchsvollerem als dem Finden der richtigen Knöpfe auf der Fernbedienung beschäftigen möchte, bereitet so ein Hirn-aus-Futterluke-auf-Popcorn-rein-Filmchen durchaus Freude – selbst wenn man ihn drei Tage später wieder vergessen hat.

Ach ja, wie weit kann Karl Urban seine Mundwinkel eigentlich herunterziehen? Ich vermute mal, bis zu den Eiern, die er hatte, um eine Rolle anzunehmen, die nur eines verlangt von diesem extrem talentierten Mann: Sich einen ganzen Film lang unter einem Aluhut versteckt stoisch durch ein Hochhaus zu ballern. Da musste selbst Arnie als Terminator mehr Emotionen zeigen.


6,0
von 10 Kürbissen

Back in the Game (2012)

Regie: Robert Lorenz
Original-Titel: Trouble With the Curve
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Sportfilm
IMDB-Link: Trouble With the Curve


 

Eine kleine Sensation war es schon: Erstmals seit 1993 trat Clint Eastwood wieder als Schauspieler in einem Film auf, bei dem er nicht selbst Regie führte. Dafür zeichnete nämlich Robert Lorenz verantwortlich in seinem Filmdebüt „Back in the Game“ (im Original: „Trouble With the Curve“ – wie sehr ich diese englischen Alternativtitel für englische Titel liebe …). Immerhin: Man kennt sich. Robert Lorenz produzierte nämlich so ziemlich alle Clint Eastwood-Filme seit 2002. So darf man es als Gefallen werten, dass der alte Knochen für ihn noch mal in den Ring stieg, um die Geschichte des gealterten Baseball-Scouts Gus Lobel zu erzählen, der nicht nur Probleme mit seinem Chef (der ihn durch einen Computerfuzzi ersetzen will) und seinen Augen (was ja irgendwie blöd ist für einen Scout, der Talente sichten soll), sondern auch noch mit seiner Tochter Mickey (Amy Adams) hat. Die Beziehung zwischen den beiden ist ziemlich unterkühlt. Dennoch begleitet Mickey, die als erfolgreiche Anwältin kurz vor der Partnerschaft eigentlich eine Menge wichtigere Dinge um die Ohren hat, ihren alten Vater bei einer Tour durch die Provinz, wo er im Auftrag seines Teams ein großes Talent beobachten soll. Warum genau sie das macht, geht eigentlich nicht wirklich hervor. Nur weil der alte Kumpel der Familie (John Goodman) so nett gefragt hat? Na ja. Immerhin lernt sie auf dieser Reise nicht nur ihren Vater ein bisschen besser kennen, sondern auch den ehemaligen Baseball-Spieler Johnny (Justin Timberlake), der nach einer Verletzung nun ebenfalls als Scout tätig ist. So entwickelt sich eine völlig überraschungsfreie, aber zumeist charmante Geschichte, die für zwei Stunden nette Unterhaltung bietet, aber danach auch wieder sofort vergessen werden kann. Was schade ist, denn die Besetzung hätte deutlich mehr versprochen.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 34 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

Stories We Tell (2012)

Regie: Sarah Polley
Original-Titel: Stories We Tell
Erscheinungsjahr: 2012
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Stories We Tell


Sarah Polley lässt Familienmitglieder die Geschichte ihrer Familie und jene über ihre früh an Krebs verstorbene Mutter erzählen. Das ist „Stories We Tell“. Und was sich jetzt so fürchterlich banal anhört, im schlimmsten Fall sogar wie eine grausame Bauchnabelschau voller Selbstmitleid und Pathos, entpuppt sich als irrsinnig kluge, vielschichtige, hochgradig spannende und komplexe Geschichte über Geheimnisse und Wahrheiten, über die Liebe und die Lügen, die wir der Liebe zu Willen auf uns nehmen, über Sehnsüchte und die Unfähigkeit, diese manchmal zum Ausdruck zu bringen – und nicht zuletzt über die Erinnerungen, die wir in uns tragen, und die oft sehr subjektiv geformt ist von unserer eigenen Perspektive. Die Genialität von Sarah Polley liegt darin, alle Beteiligten, die Erinnerungen an ihre Mutter mitbringen, gleichermaßen zu Wort kommen zu lassen in sehr persönlichen Interviews, die per se schon unter die Haut gehen, in der Summe und den kleinen Widersprüchlichkeiten, die es zu entdecken gibt, aber das Bild einer Familie formen, wie man es selten, vielleicht sogar noch nie gesehen hat. Da sich ab einem bestimmten Punkt des Films alles um Sarah Polley selbst dreht, die Filmemacherin also zum Subjekt ihres eigenen Films wird und sie nicht davor zurückscheut, weiterhin einfach draufzuhalten, egal, wie aufwühlend das Gesagte für sie auch sein mag, spricht ebenfalls für Sarah Polley, einer sensiblen Ausnahmekünstlerin unserer Zeit. Für diesen Film brauchte es eine extragroße Portion Mut von allen Beteiligten und vor allem von Polley selbst. Herausgekommen ist ein intimes Meisterwerk, das vielleicht gelegentlich ein paar Längen aufweist und in der Form auch recht starr ist, aber definitiv aufrührt und den Zuseher gebannt am Bildschirm kleben lässt.


8,5
von 10 Kürbissen