2010

Der Name der Leute (2010)

Regie: Michel Leclerc
Original-Titel: Le Nom de Gens
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Komödie, Liebesfilm, Rom-Com
IMDB-Link: Le Nom des Gens


Französische Komödien – meistens folgen sie diesem Muster: Schöne Menschen beschäftigen sich mit Themen der aktuellen Political Correctness, sind ein bisschen nackt und fast immer hysterisch. Mitten im Film kommt dann ein großes Drama, das kein vernünftiger Mensch nachvollziehen kann (weil kein vernünftiger Mensch ist jemals so hysterisch wie französische Filmfiguren), am Ende kommt die Katharsis und das politisch inkorrekte Thema wird mit einem Augenzwinkern abgeschlossen. Bei „Ziemlich beste Freunde“ hat das gut funktioniert – wohl auch, weil die Hauptfiguren nur ein bisschen hysterisch statt komplett gaga waren. Beim gefeierten Film „Der Name der Leute“ (zwei Césars – fürs Drehbuch und für Sara Forestier als beste Hauptdarstellerin) funktioniert das mal wieder nicht. Die Story: Junge algerisch-stämmige Links-Aktivistin (ihr Aktivismus: sie schläft mit Rechten und Konservativen, um sie zu bekehren) trifft auf langweiligen Durchschnittsfranzosen, der Vogelkrankheiten untersucht und dabei Wildgänse und Stockenten seziert, mit verleugneter jüdischer Vergangenheit. Er ist fad und latent unsympathisch, sie dafür hysterisch genug für beide. Der Film behandelt dabei die Themen Herkunft und ethnische Durchmischung. An sich ein löbliches Vorhaben. Nur ist das alles so plump und auch ärgerlich dargestellt, dass ich einfach keine Freude daran habe. Beispiel: Die Hauptprotagonistin wurde als Kind vom Klavierlehrer sexuell missbraucht. Dieses heftige Thema wird allerdings so nebenher und auf eine zynische Weise abgehandelt, dass man nur den Kopf schütteln kann. Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Film seine Figuren wirklich ernst nimmt. Lieber einen schlüpfrigen Gag einbauen und nackte Brüste zeigen, als die Figur auch mal verletzlich darzustellen und ihr zugestehen, dass das Leben auch mal bitter sein kann. Den Kritikern weltweit hat der Film ganz gut gefallen, ich hingegen bin allerdings kein Filmkritiker.


3,0
von 10 Kürbissen

Carlos – Der Schakal (2010)

Regie: Olivier Assayas
Original-Titel: Carlos / Le Prix du Chacal
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Biopic, Drama, Thriller
IMDB-Link: Carlos / Le Prix du Chacal


Vorab die Info: Diese Rezension bezieht sich auf die Kurzfassung von Olivier Assayas‘ „Carlos – Der Schakal“, mit nur 3 Stunden quasi der Appetizer für die 5-Stunden-Langfassung.

In den 70ern und 80ern verbreitet der Terrorist Carlos Angst und Schrecken auf der Welt. Höhepunkt ist die Geiselnahme der an einer OPEC-Konferenz in Wien teilnehmenden Minister. Doch während Carlos zunächst noch für die palästinische Sache kämpft, verwirrt er sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten allmählich im Geflecht der internationalen diplomatischen Beziehungen, und aus den Freiheitskämpfern werden Attentäter ohne Ziel. Olivier Assayas erzählt das Leben des berühmt-berüchtigten Terroristen auf eine sehr nüchterne und zurückhaltende Weise. Carlos, eindrucksvoll gespielt von Edgar Ramirez, ist unglaublich charismatisch, wird dabei aber nie glorifiziert. Assayas lässt die Taten sprechen und zeigt so schonungslos auf, wie der einstige Idealist mit moralisch verachtenswerten Methoden in eine Spirale der Gewalt gerät, die fortan sein Leben bestimmen soll und aus der er nie wieder hinausfinden wird.

Die erste Hälfte des Films mit den Höhepunkten des Verrats eines Vertrauten und der OPEC-Geiselnahme (beides ist extrem spannend und dramaturgisch perfekt inszeniert, ohne vom dokumentarischen Stil abzuweichen) ist herausragend. Die zweite Hälfte, die sich mit dem allmählichen Niedergang Carlos‘ beschäftigt, wirkt trotz der langen Spielzeit etwas gehetzt. Ich könnte mir vorstellen, dass hier die Langfassung eine bessere Figur abgeben würde, denn in der dreistündigen Fassung springt der Film gegen Ende ziemlich schnell zwischen den Handlungsorten umher und muss sich damit den Vorwurf gefallen lassen, beliebig zu werden. Dennoch funktioniert der Film auch in der Kurzfassung sehr gut und ist durchaus einen Blick wert.


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)

Blue Valentine (2010)

Regie: Derek Cianfrance
Original-Titel: Blue Valentine
Erscheinungsjahr: 2010
Genre: Drama
IMDB-Link: Blue Valentine


Derek Cianfrance macht interessante Filme. Das lässt sich nach „Blue Valentine“ und „The Place Beyond the Pines“ schon sagen, und auch wenn er bei „The Light Between Oceans“ zu sehr in den Schmalztopf gegriffen hat, so ist er dennoch ein visuell und erzählerisch sehr starker und eigener Filmemacher, den ich auch in den nächsten Jahren intensiv auf dem Radar haben werde. Mit „Blue Valentine“ hatte er jedenfalls seinen ersten großen Erfolg. Michelle Williams und Ryan Gosling spielen darin ein Ehepaar, dem die Liebe abhanden gekommen ist. So etwas passiert. Und auch wenn die Anbahnung noch so romantisch und leidenschaftlich ist und zu Ukulele-Klängen getanzt wird, irgendwann ist eben die Luft draußen, und wenn dann zwei Menschen zusammen sind, die außer Ukulele und Tanz nicht viel verbindet, kann es eben nicht nur mühsam, sondern auch ziemlich schmerzhaft werden. „Bad Valentine“ ist die Antithese zu Rom-Coms und Feelgood-Filmen. Ein Paar, das sich diesen Film gemeinsam ansieht, muss schon sehr gefestigt sein. Als Single atmet man beim Ansehen vielleicht kurz durch, dass man es nicht selbst ist, der solche Agonien durchleiden muss – nur um im nächsten Moment frustriert zu sein, weil man nicht einmal einen Partner braucht, um sich so scheiße zu fühlen wie die beiden Eheleute im Film. Alles sehr schwierig. Ein Film, der viel vom Zuseher abverlangt und nicht mit hochprozentigem Alkohol und Schlaftabletten in Griffweite konsumiert werden sollte. Wenn man aber in der richtigen Stimmung dafür ist (zB weil man eine Stunde vorher noch „La La Land“ gesehen hat und eine Packung Gummibärchen geöffnet hat, während man einen motivierenden Spruch aus dem letzten Glückskeks liest), ist „Blue Valentine“ sehr gut gemachtes Erzählkino mit großartigen darstellerischen Leistungen, einem tollen Drehbuch und sehr lebensnahen Dialogen und Szenen. Ansehen auf eigene Gefahr.


7,5
von 10 Kürbissen