Krimi

Alles Geld der Welt (2017)

Regie: Ridley Scott
Original-Titel: All the Money in the World
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Biopic, Krimi, Historienfilm, Thriller
IMDB-Link: All the Money in the World


Ridley Scott ist einer meiner persönlichen Säulenheiligen des Filmschaffens. Mit „Blade Runner“ hat er meinen absoluten Lieblingsfilm gedreht. Mit „Thelma & Louise“, „Gladiator“ und „Alien“ drei weitere absolute Meisterwerke, die ganze Genres begründet oder neu definiert haben. Dazu kommen Filme wie „Königreich der Himmel“, „White Squall“, „Ein gutes Jahr“ oder „Der Marsianer“ – Filme, die ich ebenfalls sehr mag und unheimlich gerne sehe, auch wenn sie vielleicht geringfügige Schwächen aufweisen. Um es kurz zu machen: Der Mann kann wirklich etwas und zählt wohl zu den einflussreichsten Regisseuren der letzten fünfzig Jahre. Sein neuestes Werk „All the Money in the World“ beschäftigt sich nun mit der Entführung von Paul Getty III (Charlie Plummer), dem Enkelsohn des damals reichsten Mannes der Welt (bzw. sogar der Geschichte, da er der erste Milliardär überhaupt war), J. P. Getty (Christopher Plummer). 1973 wird Paul Getty in Rom entführt. Die Lösegeldforderung: 17 Millionen Dollar. Peanuts für einen Getty. Dieser allerdings hockt so sehr auf seinem Geld, dass Dagobert Duck daneben wie der freigiebigste Philanthrop aller Zeiten wirkt. „Ich habe vierzehn Enkelkinder. Würde ich nur einen Penny bezahlen, hätte ich bald vierzehn entführte Enkelkinder.“ So sein Statement vor der Presse, obwohl Paul zu seinen Lieblingen zählt. Pauls Mutter Gail (Michelle Williams), geschieden von ihrem im Drogensumpf versunkenen Getty, hat selbst kein Geld. Und das Verhältnis zum Alten ist – gelinde gesagt – kühl. Dieser engagiert zumindest den ehemaligen Geheimagenten Fletcher Chase (Mark Wahlberg), einem Meister der Verhandlungen. Dieser soll Gail zur Seite stehen und den Jungen raushauen. Eine fatale Fehleinschätzung führt aber dazu, dass sich die Lage dramatisch zuspitzt. Der Stoff von „All the Money in the World“ verspricht Spannung und große Emotionen. Was der Film allerdings nicht bietet, sind Spannung und große Emotionen. Es ist fast schon erschütternd in Anbetracht von Scotts Œuvre, wie belanglos der Film vor sich hin plätschert und dabei auch noch massive Schwierigkeiten offenbart, einen eigenen Rhythmus zu entwickeln. Die kalte, aalglatte Welt der Superreichen wirkt sich negativ auf den Film aus, an dem die an sich dramatische Geschichte abperlt wie von Teflon. Christopher Plummer mit einigen wenigen guten Szenen kann auch nicht mehr viel retten. Vor allem nicht, wenn er neben einem Mark Wahlberg spielen muss, der sich mit einem einzigen Gesichtsausdruck, nämlich gelangweilt, durch die über zwei Stunden schummelt. Wahlberg war großartig in „The Departed“, aber die dortige Rolle darf wohl als einmalige Sternstunde zu den Akten gelegt werden. Michelle Williams bemüht sich nach Kräften, aber auch ihr wird nicht viel Raum gelassen für Emotionen. Und so ist „All the Money in the World“ leider als ein Tiefpunkt in Ridley Scotts Schaffen zu bezeichnen: Unrhythmisch, dramaturgisch schwach und schlicht langweilig. Ein paar gute Szenen, in denen Scott zeigt, dass er es eigentlich doch könnte (Stichwort: Ohr), retten dem Film noch magere vier Pünktchen in der Bewertung.


4,0
von 10 Kürbissen

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017)

Regie: Martin McDonagh
Original-Titel: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Komödie, Krimi
IMDB-Link: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri


Letztes Jahr hatten wir bei den Oscars das große Duell „La La Land“ gegen „Moonlight„. Das fantasievoll inszenierte Musical gegen die niederdrückende Coming of Age-Geschichte. Dieses Jahr lautet der erwartete Zweikampf „The Shape of Water“ gegen „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Das laut Kritik dunkle Märchen gegen die bitter-zynische Tragikomödie – erneut sind es zwei sehr gegensätzliche Filme, die um die höchsten Meriten rittern. Als ersten der beiden Filme habe ich nun „Three Billboards“ gesehen. In diesem Film geht es um Mildred Hayes (erneut oscarreif: Frances McDormand), deren Tochter Angela vergewaltigt und getötet wurde. Mildreds Meinung nach ist die örtliche Polizei unter Chief Willoughby (Woody Harrelson, ebenfalls überzeugend) untätig, und die Ermittlungen wurden viel zu früh eingestellt. Also mietet sie drei alte Reklametafeln außerhalb der Stadt an, auf denen sie die Polizei an den Pranger stellt. Das kommt nicht so gut an in der Stadt, die ihren Polizeikommandanten sehr schätzt. Und da in der Polizei auch noch der Heißsporn und Redneck Dixon (Sam Rockwell, überragend!) tätig ist und der Chief selbst mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, eskaliert die ganze Geschichte rasch. Die Nerven der Stadt werden frei gelegt. Eigentlich ist „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ein zynisches Rachedrama und der Versuch einer Verlustbewältigung. Zum Heulen traurig und mit keiner einzigen wirklich durchgängig sympathischen Figur. Mildred ist auf dem Kriegspfad und nimmt dabei keine Rücksicht auf Verluste. Chief Willoughby ist nett, aber apathisch, Dixon ein Trottel und Arschloch. Die Geschichte selbst ist deprimierend und erscheint hoffnungslos. Und trotzdem blitzt immer wieder ein sehr schwarzer, sarkastischer Humor durch. Und die Geschichte einer Nebenfigur rückt allmählich überraschend in den Fokus und bietet plötzlich so etwas wie einen Silberstreifen am Horizont an. Am Ende ist es die Geschichte über zwei Menschen, die lernen, richtig und falsch voneinander zu unterscheiden. Und nach zwei Stunden, in denen jeder nach seinem persönlichen (mehr oder weniger vorhandenen) Kompass gehandelt hat, ohne dabei auch nur einen Millimeter von der eigenen Linie abzuweichen, ist das vielleicht die schönste Botschaft, die der Film dem Publikum mitgeben kann. „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist vielleicht kein Film, der alle Zuseher emotional mitreißen wird – dazu ist er zu nüchtern erzählt. Auch ich bin nicht begeistert von meinem Sitz gesprungen, um mir gleich das Ticket für die nächste Vorstellung zu kaufen. Aber „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist ein Film, der bleiben wird – denn er ist universell und menschlich und gnadenlos gut gespielt.


8,0
von 10 Kürbissen

Loving Vincent (2017)

Regie: Dorota Kobiela und Hugh Welchman
Original-Titel: Loving Vincent
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation, Krimi
IMDB-Link: Loving Vincent


Beworben wird „Loving Vincent“ als „schönster Film des Jahres“. Wie kommt es dazu? Nun, man muss wissen, dass sich die bildnerische Künstlerin Dorota Kobiela und ihr Ehemann Hugh Welchman nichts Geringeres vorgenommen haben als den ersten, komplett in Öl gemalten Langfilm zu produzieren. Und zwar einen, der auf etwa 100 Meisterwerken von Vincent van Gogh beruht, die in etwa 60.000 Einzelbildern zum Laufen gebracht wurden. Erzählt wird die Geschichte der letzten 6 Wochen im Leben van Goghs bis zu seinem überraschenden Selbstmord in Frankreich. Der aufbrausende Armand Roulin erhält von seinem Vater, einem mit van Gogh befreundeten Postler, die Aufgabe, dem Bruder von Vincent van Gogh dessen letzten Brief zuzustellen. Zunächst geht Armand recht widerwillig an diese Aufgabe heran, doch ist bald seine Neugier geweckt, als er feststellt, dass sich van Goghs Umfeld in Widersprüche verstrickt, was die Umstände seines Todes betrifft. Und so wird daraus bald ein Kriminalfall, den Armand in bester Hard-Boiled-Manier angeht. Würde man rein die Erzählung bewerten, so fiele das Urteil über den Film wohl weniger günstig aus. Zwar ist der Krimi durchaus interessant erzählt und hält über die Laufzeit hinweg in Laune, doch bleibt vieles entweder im Dunkeln oder wirkt arg konstruiert. Überhaupt bleibt der Film eher an der Oberfläche van Goghs, zu dem der Zuseher über die ganze Laufzeit hinweg nicht wirklich einen Zugang findet, da interessanterweise gerade bei diesem Film, der für seine Bilder gepriesen wird, die Prämisse „show, don’t tell“ weitestgehend ignoriert wird. Der Film besteht aus einem durchs Dorf laufenden Armand, der mit verschiedenen Menschen über van Gogh spricht und die ihre Sicht erzählen, untermalt durch in Schwarz-Weiß gehaltenen Rückblenden. Allerdings hat man solche Bilder tatsächlich noch nie gesehen. Hier atmet jedes einzelne Frame den Geist van Goghs. Wer jemals vor einem meisterhaften Gemälde gestanden ist und sich in die darin gezeigte Landschaft hineinprojiziert hat, wird bei diesem Film aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen. „Loving Vincent“ ist in der Tat ein visuelles Virtuosenstück, das neue Wege in der Filmkunst bestreitet. Da lässt es sich auch verschmerzen, wenn die Storysuppe selbst ein wenig dünn geraten ist – die üppigen Beilagen gleichen das jedenfalls aus.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 69 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Luna Filmverleih)

Aus dem Nichts (2017)

Regie: Fatih Akin
Original-Titel: Aus dem Nichts
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Aus dem Nichts


„Aus dem Nichts“ von Fatih Akin erzählt drei Geschichten, die in sich geschlossen eine einzige ergeben: Teil 1, „Die Familie“, ist eine Geschichte von Verlust und Trauer. Katja (Diane Kruger, wohl in der Rolle ihres Lebens) muss erfahren, dass bei einem Bombenattentat ihr türkischstämmiger Mann und ihr Sohn getötet wurden. Die Polizei ermittelt. Und nicht nur, dass sie diesen tragischen Verlust erst einmal verkraften muss, sie sieht sich zusätzlich Ressentiments gegenüber, wenn der sture Hauptkommissar partout einen Drogenfall daraus schnitzen möchte. Selbst die eigene Familie ist in dieser Situation keine Hilfe, im Gegenteil. Alte Gräben tun sich von Neuem auf. Teil 2, „Die Gerechtigkeit“, erzählt von der Gerichtsverhandlung gegen die Täter, die nun tatsächlich aufgegriffen wurden, ein Neonazi-Paar. Doch wie sieht es aus mit der Gerechtigkeit? Alle Fakten liegen auf dem Tisch – doch reicht das für eine Verurteilung, zumal sich der Strafverteidiger (Johannes Krisch als unglaublich unsympathischer Kotzbrocken) als gewieft und mit allen Wassern gewaschen herausstellt? In Teil 3, „Das Meer“, schließlich geht es um den Abschluss des Ganzen, um die Frage nach Selbstjustiz, Moral, Gewalt und Gegengewalt. Die Spirale hat sich zu drehen begonnen, doch kann sie auch aufgehalten werden? Fatih Akin erzählt diese drei Geschichten, die eine ergeben, sehr unaufgeregt und stilistisch zurückhaltend. Der Film lebt im Grunde allein von Diane Kruger, die die gewaltige Last, die glückliche Mutter genauso wie die emotional gebrochene Hinterbliebene und die wütende Witwe in einem Film meistern zu müssen, mit einer Bravour trägt, die ich ihr, ehrlich gestanden, nicht zugetraut hätte. Aber völlig verdient hat sie für diese Rolle in Cannes dafür den Preis als beste Schauspielerin bekommen. Und ich sehe sie durchaus als Dark Horse für die kommenden Oscar-Nominierungen. Dass sich meine Moviepilot-Prognose von 8,5 dann doch nicht ganz bewahrheitet hat, liegt vor allem daran, dass der Film in manchen Momenten einen etwas unentschlossenen Eindruck macht und die letzte Konsequenz scheut. So bleibt er lieber auf genrevertrauten Pfaden. Auch nehmen die Nebenfiguren, inklusive der beiden Attentäter, mit Ausnahme des Freunds und Rechtsanwalts Danilo (Denis Moschitto) keinen Raum ein – sie bleiben als Stichwortgeber blass und eindimensional. So bleibt erst einmal „Gegen die Wand“ Fatih Akins Meisterwerk. An die Qualität dieses Films kommt „Aus dem Nichts“ dann doch nicht ganz heran.


7,0
von 10 Kürbissen

Mord im Orient-Express (2017)

Regie: Kenneth Branagh
Original-Titel: Murder on the Orient Express
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Krimi
IMDB-Link: Murder on the Orient Express


Oft fragt man sich: War nun dieses Remake, das man gerade gesehen hat, denn wirklich nötig? Diese Frage stellt man sich vor allem dann, wenn die Neuverfilmung der Geschichte keinen eigenen originellen Gedanken beifügt, sondern die Geschichte einfach noch einmal nacherzählt, nur gemäß des Mottos „höher, weiter, schneller“. Mehr Explosionen, mehr Brimborium usw.  Dieses Problem, nämlich die fehlende Daseinsberechtigung, hat Kenneth Branaghs Neuverfilmung von „Mord im Orient-Express“ definitiv nicht. Denn Branagh hält sich zwar, was die Handlung betrifft, recht nah an die Vorlage, fügt dieser aber dadurch, dass er die Figur des Hercule Poirot anders betrachtet, eine neue Facette hinzu. Branaghs Poirot ist melancholisch und pedantisch und steht kurz vor einem Burn-Out (nur dass man damals diesen Begriff noch nicht kannte, sondern einfach nur urlaubsreif war). Der Fall, in den er unvermittelt hineingezogen wird, scheint phasenweise seine Kräfte zu übersteigen, und verlangt auch von ihm ab, sich selbst und seine eigenen Motive und Weltanschauungen zu hinterfragen. Schon allein deshalb hat es sich definitiv gelohnt, sich des Stoffes im Jahr 2017 erneut anzunehmen, zumal Branagh einen sehr überzeugenden Poirot gibt. Allerdings war ich selbst (anders als meine drei Mitstreiter im Kino) nicht uneingeschränkt zufrieden mit dem Film. Die Kulissen haben für mich stellenweise sehr künstlich gewirkt, manche Figuren (zB der impulsive Graf Andrenyi) auch überzeichnet und der Schluss war für mich persönlich zu plakativ. Wie gesagt, ich bin damit im Freundeskreis in der Minderheit – gerade der Schluss hat die restlichen 3/4 unserer Truppe sehr überzeugt und emotional abgeholt. Insofern: Selbst anschauen und sich ein Bild machen! Vergeudete Lebenszeit ist es in keinem Fall.


6,0
von 10 Kürbissen

Mord im Orient-Express (1974)

Regie: Sidney Lumet
Original-Titel: Murder on the Orient Express
Erscheinungsjahr: 1974
Genre: Krimi
IMDB-Link: Murder on the Orient Express


Ha! Clickbait! Da glaubt ihr vielleicht, ich bespreche den aktuellen Film von und mit Kenneth Branagh, und neugierig seid ihr dem Link hierher gefolgt, und jetzt stellt ihr fest: Nö, ist ja nur der alte Schinken. Aber wenn ihr schon mal da seid, dann könnt ihr auch bleiben – es lohnt sich!

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“ Das wusste schon Matthias Claudius. Und das weiß auch bald der Meisterdetektiv Hercule Poirot (Albert Finney), denn aus der illustren Reihe der First Class-Passagiere wacht einer am nächsten Morgen nicht auf. Da kommt es gerade gelegen, dass der Zug gerade in den winterlichen Schneemassen steckengeblieben ist, denn dadurch bleibt Zeit, sich die Gesellschaft vorzuknöpfen – einen nach dem anderen – auf der Suche nach einer Rekonstruktion der Ereignisse dieser lebensverkürzenden Nacht. Denn irgendwie ist die ganze Bagage (nicht Baggage, das allerdings naturgemäß unter Reisenden auch vorkommt) verdächtig und ein ums andere Mal ruft der aufgeregte Signor Bianchi, Direktor der Schlafwagengesellschaft und guter Freund Poirots, aus: „Er/Sie war’s, ganz klar!“ Gut, dass Poirot ermittelt und nicht Bianchi. Die Auflösung am Ende hat mich zwar ein bisschen enttäuscht, aber der Weg dahin ist höchst vergnüglich anzusehen. Das liegt vor allem an Albert Finney, der seinen Poirot liebevoll gerissen und auch ein bisschen verschroben darstellt – eine Art belgischer Columbo, der auch immer nur noch eine letzte Frage hatte. Den Verdächtigen, obwohl rekrutiert aus den größten Stars ihrer Zeit (Lauren Bacall, Ingrid Bergman, Vanessa Redgrave, Sean Connery, Anthony Perkins, Michael York u.a.), bleibt da nur noch die Rolle als Stichwortgeber. Trotz Star-Ensemble ist „Mord im Orient Express“ eine One-Man-Show von Albert Finney. Dennoch ist der Film auch heute noch vergnüglich und unterhaltsam, auch wenn er mittlerweile etwas altbacken und aus der Zeit gefallen wirkt und stellenweise einen Hang zur Behäbigkeit aufweist.

Die Neuverfilmung werde ich mir übrigens nächste Woche reinziehen, und ihr werdet hier davon lesen.


7,0
von 10 Kürbissen

Suburbicon (2017)

Regie: George Clooney
Original-Titel: Suburbicon
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Komödie, Krimi
IMDB-Link: Suburbicon


George Clooney verfilmt ein Drehbuch der Coen-Brüder mit Matt Damon, Julianne Moore und Oscar Isaac in den Hauptrollen – die Zeitspanne, die ich brauchte, bis ich mich dazu entschlossen haben, diesen Film sehen zu wollen, betrug ungefähr 0,00035 Nanosekunden. Doch wie es oft so ist bei Filmen, an die man eine große Erwartungshaltung heranträgt: Ganz befriedigt verlässt man den Kinosaal dann doch nicht. So auch bei „Suburbicon“. Denn der Film leidet tatsächlich ein wenig an einer ziemlichen Unentschlossenheit, was er denn genau sein möchte: Eine politische Parabel zum Thema Rassismus? Eine rabenschwarze Komödie auf die Schattenseiten des kleinstädtischen Spießbürgertums? Ein Krimi? Eine Satire oder gar eine Groteske? Irgendwie ist von allem etwas dabei. Und auch die Idee, zwei Geschichten gleichzeitig zu verfolgen, nämlich die private rund um den kleinen Nicky, der nach einem Einbruch seine Mutter verliert und in weiterer Folge einige Seltsamkeiten entdeckt, die ihm an seinem Vater und seiner Tante auffallen, und eine öffentliche rund um die erste schwarze Familie, die in das Vorstadtidyll Suburbicon zieht und sich dort Anfeindungen seitens der Nachbarschaft gegenübersieht. Beide Handlungsstränge sind interessant und tragen in sich auch genug Sprengstoff. Doch existieren sie nebeneinander, und da sich die Hauptgeschichte um den privaten Vorfall dreht, geht die Rassismus-Geschichte daneben ein wenig unter, was schade ist, da sie geeigneter wäre, in der Magengrube des Zusehers zu landen. Denn der Einbruch und der Tod der Mutter mit den ungeahnten Folgen und der Eskalation daraus, wenn der Familienvater (Matt Damon) und die Tante (Julianne Moore), beide wunderbar spießig, versuchen, die Fäden, die ihnen entgleiten, doch noch irgendwie zusammenzuhalten, bietet zwar eine unterhaltsame Handlung, allerdings bleibt diese weitgehend überraschungsfrei, wenn man die dahinter liegenden Verflechtungen mal aufgedeckt hat. Anders als die Geschichte rund um die schwarzen Nachbarn. Immerhin findet der Film ein schönes und irgendwie auch verstörendes Abschlussbild, das die Geschichten zusammenführt. Und man geht aus dem Kinosaal mit einer Mischung aus Befriedigung, recht gut unterhalten worden zu sein, und Bedauern darüber, dass der Film sein Potential bei weitem nicht ausgeschöpft hat.


6,0
von 10 Kürbissen

Sweet Country (2017)

Regie: Warwick Thornton
Original-Titel: Sweet Country
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Western, Krimi
IMDB-Link: Sweet Country


Das australische Outback in den 20er Jahren. Kein angenehmer Ort. Vor allem nicht, wenn man den Aborigines angehört. Diese werden als Sklaven gehalten. Eine Ausnahme ist hierbei Sam mit seiner Ehefrau Lizzie und seiner Nichte Lucy. Sie leben auf der Farm des Predigers Fred Smith, der sie als gleichberechtigt betrachtet. Nützt ihnen aber auch nichts, als Fred Smith eines Tages in die Stadt muss, und durch eine Verkettung unglücklicher Umstände der rassistische Trunkenbold Harry Marsh, der gerade in die Gegend gezogen ist, einen entlaufenen Aborigines-Jungen bei Sam vermutet und diesen attackiert. Sam hat keine andere Wahl, um sich und seine Frau zu schützen – er erschießt Harry Marsh. Sofort machen sich Sam und Lizzie auf die Flucht ins Outback. „Warum?“, wird er später gefragt werden. „I shot a Whitefella.“ Und damit ist für alle Beteiligten die Schuldfrage ausreichend geklärt. Ein Schwarzer hat einen Weißen erschossen, der Schwarze muss hängen. So sieht das auch der Sergeant der Stadt, der sich dem flüchtigen Ehepaar auf die Fersen heftet. „Sweet Country“ ist eine Mischung aus „12 Years a Slave“, „Quigley, der Australier“ und klassischen Western. Gegen Ende wird er auch noch zum Justizdrama. Nur von einer Australien-Romantik a la „Crocodile Dundee“ ist hier aber weit und breit nichts zu sehen. Das Land ist so unfreundlich wie die Herzen der Männer, die es bevölkern. Und kaum vermeint man einen Hoffnungsschimmer am Horizont zu erkennen, macht der Film wieder eine Wendung hin zum Schlechten. Dabei überdramatisiert der Film sein Thema allerdings nicht. Im Gegenteil. „Sweet Western“ wird sehr nüchtern und zurückhaltend erzählt – manchmal an der Grenze zur Langatmigkeit. Vielleicht hätte man ihn tatsächlich an der einen oder anderen Stelle straffen können, aber im Großen und Ganzen ist er sehr gut gelungen. Dass dermaßen viele ambivalente Fragen aufgeworfen und an den Zuseher zurückgeworfen werden, ohne dass sich der Film anmaßt, eine Antwort darauf vorzuschlagen, ist schon große Erzählkunst.


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Thimfilm)

I Am Not Madame Bovary (2016)

Regie: Feng Xiaogang
Original-Titel: Wo Bu Shi Pan Jin Liang
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Komödie, Drama, Krimi, Satire
IMDB-Link: Wo Bu Shi Pan Jin Liang


Li hat ein Problem: Sie ist rechtskräftig geschieden und möchte nun vor Gericht erwirken, dass die Scheidung aufgehoben wird, da sie und ihr Mann diese Scheidung nur vorgetäuscht haben, um an ein Apartment zu kommen, wovon der Mann nun nichts wissen will, da er mit seiner neuen Frau eigentlich ganz zufrieden lebt, während Li nun durch die Finger schaut. A blede G’schicht halt. Da der Weg durch die Instanzen zunächst nicht fruchtet, sucht sie nach anderen Lösungen für ihr Problem und vergisst dabei nicht auf jene Bürokraten, die ihr Steine in den Weg gelegt haben. Da jedoch aus ihren unorthodoxen Ansätzen auch nichts wird, beginnt sie damit, die Bürokratie mit deren eigenen Waffen zu schlagen und schafft es aus der Provinz bis nach Peking, wo sie nicht nur eine zehn Jahre währende Klage einbringt, sondern gleich die gesamte kommunistische Partei bloßstellt. Allmählich wird also Li zu einem grandiosen Ärgernis für die Bonzen, und mehr als ein mit der störrischen Frau überforderter Bezirksvorsteher hat wegen ihr und der Klage schon seinen Hut nehmen müssen. Während sich anfangs Li noch wie in Kafkas „Prozess“ fühlt, sehen sich die Bürokraten und Richter selbst bald in einem kafkaesken Albtraum gefangen. Das alles ist höchst vergnüglich und wahnsinnig bissig gegenüber der chinesischen Regierung. Allmählich empfindet man wirklich viel Mitleid für die geplagten Regierungsvertreter, im Grunde rechtschaffene Menschen, die einfach nur versuchen, ihren Job zu machen und diesen auch zu behalten, nicht ohne Mitgefühl für Lis Situation, aber aufgrund fehlender Möglichkeiten, die Lage unter Kontrolle zu bringen, schlicht heillos überfordert sind. Und dann kommen wieder Szenen, die das im Film angeprangerte Machtgefälle überdeutlich zeigen – auch jenes des Mannes gegenüber der Frau. Denn interessant ist, dass es nicht nur ein Kampf gegen die Unterdrückung der gewöhnlichen Bevölkerungsschichten durch die herrschende Klasse ist, den Li ausficht, sondern auch jener einer Frau gegen die Männerwelt, die die Frauen zu beherrschen und zu dominieren versucht. So gesehen ein kluger und wichtiger Film, der auch optisch mutige Ansätze wählt: Während die Szenen in der Provinz auf runden Tableaus präsentiert werden, sind die Szenen in Peking in quadratische Bilder eingefasst. Auch das unterstreicht noch einmal die Abgrenzung des Zentrums der Macht von der Bevölkerung am Land, von der sich die Herrschenden zu weit entfernt haben. Allerdings hat „I Am Not Madame Bovary“ bei einer Laufzeit von über zwei Stunden auch teils arge Längen. Nicht alle Szenen sind gleichermaßen geglückt, und manchmal wirkt der Film auch etwas unausgegoren, als wüsste er nicht so recht, ob er nun lieber eine Komödie oder eine Tragödie sein möchte. Für eine Komödie ist er eigentlich zu tragisch, für eine Tragödie zu komisch und zu absurd.


7,0
von 10 Kürbissen

Logan Lucky (2017)

Regie: Steven Soderbergh
Original-Titel: Logan Lucky
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Komödie, Krimi
IMDB-Link: Logan Lucky


Manchmal hat man einfach ein Pech. So wie die Brüder Clyde und Jimmy Logan (Adam Driver und Channing Tatum), in deren Leben so ziemlich alles schief geht. Was also tun, wenn die Geldsorgen immer größer werden und man gerade mal wieder aus einem Job entlassen wurde? Klar – einfach mal den größten Raub der Geschichte durchziehen, denn was soll denn schon schief gehen? Mit dem legendären Tresorknacker Joe Bank (Daniel Craig in seiner bislang wohl ungewöhnlichsten Rolle), zwei dauerbekifften Dumpfbacken und der Schwester im Team wird es ja wohl kein Problem sein, die Rennstrecke, die das wichtigste NASCAR-Rennen des Jahres veranstaltet, ausgerechnet am Rennwochenende zu beklauen. Dass Joe Bank wegen seines letzten krummen Dings noch ein paar Wochen abzusitzen hat, nämlich genau dann, wenn der Raub stattfinden soll, sind nur unbedeutende Hindernisse auf dem Weg ins Glück. Und so nimmt ein irrwitziger Plan allmählich Formen an.

„Logan Lucky“, der neueste Streich von Steven Soderbergh, ist ein unglaublich gut geschriebener und gespielter Blick auf das untere Drittel der amerikanischen Mittelschicht, ein durchaus wohlwollender Blick eines Regisseurs, der genau hinsieht und sich bemüht, seine Figuren ernst zu nehmen. Die Story ist richtig gut, und stellenweise ist das Ding enorm witzig. Allerdings hat Soderbergh sein ganz eigenes Timing. Und gerade das wird „Logan Lucky“ absurderweise ein wenig zum Verhängnis. Absurderweise nämlich deswegen, weil die realistische Darstellung der witzigen bis aberwitzigen Situationen die für Komödien so wichtige Situationskomik unterlaufen. Die Situationen sind immer noch amüsant, phasenweise zum Brüllen komisch, aber dadurch, dass Soderbergh fast gänzlich auf Tempo bei seinen Pointen und das Mittel der Zuspitzung verzichtet, geht dem Film ziemlich an Drive verloren. Auf der einen Seite kann man nun sagen: Ein toller, realistischer und dennoch witziger Film. Auf der anderen Seite wird dadurch auch das Potential verschenkt, das „Logan Lucky“ zur vielleicht besten Komödie des Jahres hätte machen können.


6,5
von 10 Kürbissen