Krimi

Destroyer (2018)

Regie: Karyn Kusama
Original-Titel: Destroyer
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Krimi, Thriller
IMDB-Link: Destroyer


Es gab eine Zeit, in der Nicole Kidman botoxbedingt die Mimik eines Kühlschranks aufbrachte. Diese Zeit ist zum Glück vorbei. Älter werden ist gar nicht so schlimm, ein paar Fältchen können ja auch sehr sympathisch wirken, vor allem wenn sie sich als Lachfalten um die Mundwinkel ziehen. Doch viel zu lachen hat Nicole Kidman in Karyn Kusamas Film „Destroyer“ nicht. Und mit den Falten hat sie es auch ein wenig übertrieben. Ihre Detective Erin Bell wird zu Beginn jedenfalls als wandelnde Depression auf zwei Beinen vorgestellt. Diese Frau geht zum Lachen nicht einmal in den Keller, die quittiert einen guten Witz höchstens mit einem Fußtritt in das Allerheiligste. Dass so etwas nicht von ungefähr kommt, ist klar. Und so rollt sich allmählich anhand des Falls, in dem sie ermittelt, ihre eigene Vergangenheit auf, in der sie als junge Undercover-Polizistin mit ihrem Kollegen Chris (Sebastian Stan) eine auf Bankraube spezialisierte Vereinigung unter dem Boss Silas (Toby Kebbell) infiltriert hat. Und dabei ist nicht alles so rund gelaufen, wie man sich das im Vorfeld ausgedacht hat. 17 Jahre später plagt sie sich mit den Geistern der Vergangenheit herum und verfolgt eine sehr persönliche Agenda. Kleinere familiäre Probleme mit dem Nachwuchs erleichtern das Unterfangen nicht unbedingt. „Destroyer“ ist ein sehr entschleunigter Krimi, der einem gängigen Muster folgt: Kaputte Polizistin wird mit Fehlern der Vergangenheit konfrontiert. Allzu viele Kreativitätspunkte kann ich dafür nicht vergeben. Bleibt das Spiel von Nicole Kidman, die für ihre Rolle viel Lob einheimsen konnte. Doch obwohl ich Kidman mag, kann ich mich dem allgemeinen Jubelreigen nicht anschließen, da sie ihre Erin Bell für mich etwas zu grimmig anlegt und damit fast zur Karikatur werden lässt. Hier wollte sie meiner Meinung nach zu viel. Ein etwas subtileres Spiel hätte nicht geschadet. So ist „Destroyer“ ein seriöser Film, dem man seine Ambitionen anmerkt, aber die Rädchen greifen nicht ineinander und stellenweise breitet sich Fadesse aus. Das Ende weist mit einem schönen Twist auf, aber das hebt den Film für mich auch nicht mehr über den Durchschnitt hinaus. Einen halben Punkt dazu gibt es für die Verwendung des Songs „Gardenia“ von Kyuss im Soundtrack.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Elle (2016)

Regie: Paul Verhoeven
Original-Titel: Elle
Erscheinungsjahr: 2016
Genre: Krimi, Thriller, Drama, Erotik
IMDB-Link: Elle


Die grandiose Isabelle Huppert spielt in Paul Verhoevens Film eine Frau, die scheinbar nichts aus der Fassung bringt. Sie ist erfolgreiche Managerin einer Entwicklungsfirma für Computerspiele, sarkastische Tochter, geduldige Mutter, souveräne Ex-Partnerin … und fast gleichgültiges Vergewaltigungsopfer. Soweit die Ausgangsbasis für einen Thriller, der zunächst mit einer unglaublich starken Frauenrolle aufwartet, dann aber mehr und mehr in konventionelle Muster verfällt und aus diesen dann nicht anders auszubrechen weiß als auf Verhoeven-Art: Provokant, möglichst verstörend und schockierend. Gähn. Immer wieder fühlt man sich an Basic Instinct erinnert, und Paul Verhoeven opfert die Glaubwürdigkeit und Authentizität seiner Figuren auf dem Altar des Schock-Moments. Das ist jammerschade, denn die erste Hälfte des Films ist wohl das Beste, was er jemals gedreht hat. Isabelle Huppert ist, wie gesagt, überragend, sie wurde für ihre grandiose Leistung auch mit einer Oscar-Nominierung gewürdigt, aber auch ihre Figur leidet am Ende unter dem Verhoeven’schen Ziel, das Publikum möglichst durchzurütteln. Ja eh. Kennen wir schon. Ein wenig mehr Altersmilde und Subtilität würde Verhoevens Werk wirklich gut tun, aber in diesem Film bringt er das (noch) nicht. Ein Film mit durchaus vielen guten Ansätzen und auch in den schwächeren Momenten durchaus sehenswert, aber zu deutlich sehe ich das Potential, das Verhoeven hier liegen gelassen hat.

 


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

Can You Ever Forgive Me? (2018)

Regie: Marielle Heller
Original-Titel: Can You Ever Forgive Me?
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Biopic, Krimi, Komödie
IMDB-Link: Can You Ever Forgive Me?


An Melissa McCarthy scheiden sich die Geister, und das nicht nur seit ihrem Mitwirken in „Ghostbusters“. Dass sie aber wirklich verdammt gut schauspielern kann, wenn man sie nicht in nervigen Komödien als naives Pummelchen besetzt, beweist sie in Marielle Hellers „Can You Ever Forgive Me?“ In diesem komödiantisch angehauchten Biopic spielt sie die Schriftstellerin und Biographin Lee Israel, die von notorischer Erfolglosigkeit und einer gewissen misanthropischen Grundeinstellung geplagt wird. Durch Zufall entdeckt sie ein neues Geschäftsmodell für sich: Briefe berühmter Schriftsteller faken und für teures Geld an Antiquariate verkaufen. Ihr Partner in crime ist der exzentrische Bohemian Jack Hock (Richard E. Grant, neben Melissa McCarthy ebenfalls für einen Oscar nominiert). Gemeinsam mischen sie die Sammlerszene auf, und weil sie eben keine Profis sind, sondern mehr oder weniger naiv da hineinstolpern, stapelt sich schon bald nicht nur das ungewaschene Küchengeschirr neben Lees Spüle, sondern auch eine Menge Probleme. Marielle Heller erzählt die Geschichte mit einem Augenzwinkern und unprätentiös und verlässt sich dabei ganz auf die Kunst der groß aufspielenden McCarthy und Grant. Das allein reicht schon aus, um für einen unterhaltsamen Kinoabend zu garantieren. Das allein reicht aber nicht aus, um den Film zu einem denkwürdigen Meisterwerk werden zu lassen. Zu unspektakulär und beiläufig plätschert die Geschichte dahin, und dass Lee Israel hauptsächlich recht unsympathisch wirkt, lässt die Zuseher dann vielleicht doch nicht so ganz mitfiebern mit ihrem Charakter. Es fehlt einfach ein innerer Spannungsbogen. Hier lässt Marielle Heller die Zügel vielleicht ein wenig zu sehr schleifen. Dennoch ist der Film zumindest geeignet, bisherige Zweifler an McCarthys Schauspielkunst zum Verstummen zu bringen. Die ist schon gut, wenn man sie nur lässt.


6,5
von 10 Kürbissen

Buffalo ’66 (1998)

Regie: Vincent Gallo
Original-Titel: Buffalo ’66
Erscheinungsjahr: 1998
Genre: Liebesfilm, Krimi, Roadmovie, Drama
IMDB-Link: Buffalo ’66


Einer der 1001 Filme, die man gesehen haben muss, ehe das Leben vorbei ist, ist „Buffalo ’66“ von Vincent Gallo. Das ist der Typ, der Chloë Sevignys Karriere in Bedrängnis brachte, weil er mit ihr zusammen in „The Brown Bunny“ allzu offenherzig die Freuden des Oralsex vor der Kamera zeigte, dem ein medienwirksamer Beef mit Kritikerpapst Roger Ebert folgte, aber das ist eine andere Geschichte. In seinem Regiedebüt „Buffalo ’66“ geht es gemäßigter zu. Billy Brown (Vincent Gallo) kommt gerade aus dem Knast und muss erst mal pissen. Man kennt das ja. Und natürlich: Keine Toilette weit und breit in Sicht. Dafür aber die junge Layla (Christina Ricci), die der Häfnbruder mit der vollen Blase kurzerhand entführt. Und das, weil er seinen Eltern (Anjelica Huston und Ben Gazzara) vorgegaukelt hat, er wäre ein erfolgreicher Staatsbediensteter und glücklich verheiratet. Ersteres ist angesichts seiner Jahre in Staatsgewahrsam vielleicht noch Interpretationssache, Zweiteres lässt sich aber ohne passender Frau an seiner Seite nicht so einfach hinbiegen. Daher die Entführung. Und nach anfänglicher Skepsis spielt das Mädel dann auch brav mit, woraufhin sich allmählich tatsächlich zarte Gefühle einstellen, was Billy Brown zusehends verunsichert. Denn bald zeigt sich: So hart, wie er tut, ist er eigentlich gar nicht. „Buffalo ’66“ könnte ein amüsanter Film für zwischendurch sein, ein leicht schräges Independent-Komödien-Drama mit richtig guter Besetzung und ein paar witzigen Einfällen. Könnte. Ist er aber nicht. Und das liegt vor allem an Vincent Gallo selbst. Meine Kollegin in der Arbeit würde sagen: Eine Fresse wie ein Briefkasten. Links und rechts zum Hineinhauen. Sage ich natürlich nicht, denn das ist ja ein seriöser Blog. Husthust. Aber das Grundproblem von „Buffalo ’66“ ist tatsächlich, dass mir die empathielose, selbstsüchtige und gewaltbereite Hauptfigur von Anfang bis Ende auf die Nerven gegangen ist und ich ihr die Katharsis nicht vergönnt habe. Auch Christina Riccis Charakter stellte mich vor Probleme. Zwar ist ihre Layla gut gespielt (die Ricci kann schon was, keine Frage), aber ich glaubte ihr die aufkeimenden Gefühle einfach nicht. Auf welcher Basis? Liebe macht blind, sagt man. Okay. Aber blind und deppert? So hat mich „Buffalo ’66“ eher ärgerlich gemacht als gut unterhalten. Und was „The Brown Bunny“ betrifft: Die berühmte Szene gibt es kostenlos auf einschlägigen Internetseiten zu bewundern. Den ganzen Film tue ich mir wohl eher nicht an.


3,0
von 10 Kürbissen

The Mule (2018)

Regie: Clint Eastwood
Original-Titel: The Mule
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Krimi, Drama, Thriller
IMDB-Link: The Mule


Das Leben kann so vielfältig sein: Mal züchtet man bunte Blümchen, mal schmuggelt man Drogen im Wert von mehreren Millionen Dollar in seinem Pickup quer durch Amerika. Die Vielfalt macht’s, anders wäre es ja langweilig. Der von Clint Eastwood verkörperte Pensionist Earl Stone hat leider nicht genügend Knödel angespart, um sich auf die faule (und schon ziemlich faltige) Haut legen zu können. Seine Blumenzucht musste er wegen Insolvenz zumachen, seine Tochter spricht nicht mehr mit ihm, und dass er seiner heiß geliebten Enkeltochter, die demnächst heiraten wird, finanziell bei der Hochzeit nicht unter die Arme greifen kann, wurmt ihn schon. Eine Zufallsbekanntschaft bietet ihm aber einen lukrativen Nebenjob. Er soll eben Drogen kutschieren, also ein „Mule“ werden, ein Kurier. Hintergrund: Earl ist ja schon einige Jahre lang auf den Straßen Amerikas unterwegs, und er hat noch nie einen Strafzettel kassiert. Ein gesetzestreuer Bürger also, der zuverlässig bei Rot anhält und penibel das Tempolimit beachtet. Und eilig haben es die neuen mexikanischen Freunde ja nicht – nur sicher soll sie ankommen, die Ware. Während Earl Stone fröhlich singend über die Highways der USA zuckelt, braut sich im Hintergrund allerdings Ungemach zusammen – im Form eines eifrigen Drogenfahnders (Bradley Cooper) und eines Drogenbosses mit ungeregelter Nachfolge (Andy Garcia). „The Mule“, inszeniert von Dirty Harry himself, ist so etwas wie ein gemütliches Alterswerk. Man muss der Welt nichts mehr beweisen, es muss nicht mehr ständig krachen, sondern manchmal ist es ja auch fein, einfach nur im Auto zu sitzen und die Straße zu spüren. Soll doch im Saal nebenan der nächste Bombast-Film toben. Das ist zwar wohltuend anzusehen, reißt aber nicht mit. So tröpfelt der Film unaufgeregt vor sich her, vermeidet fast alles, was den Blutdruck hochschießen lässt (ein Clint Eastwood denkt eben mit und sagt sich: Das Publikum könnte ja mit mir gealtert sein, also muss man es ein wenig rücksichtsvoller angehen) und ist dann am Ende zwar eine runde Sache, aber irgendwie auch wurscht. Die Meisterwerke in Eastwoods Filmographie bleiben andere Filme.


5,5
von 10 Kürbissen

Das Wunder im Meer von Sargasso (2019)

Regie: Syllas Tzoumerkas
Original-Titel: To thávma tis thállassas ton Sargassón
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: To thávma tis thállassas ton Sargassón


„Das Wunder im Meer von Sargasso“ – nein, das ist kein Mash-Up von „Fluch der Karibik“ und „Das Wunder von Manhattan“, auch wenn ich wirklich gerne mal Captain Jack Sparrow als Weihnachtsmann sehen würde. Darauf müssen wir aber alle noch etwas länger warten. (So schnell enttäuscht man die Leserschaft.) Vielmehr handelt es sich bei Syllas Tzoumerkas‘ Film um eine Art griechischer Film Noir-Krimi, nur mit etwas besserem Wetter als im Film Noir üblich. Die Heldin, die zwangsversetzte Polizeiinspektorin Elisabeth (die wunderbare Angeliki Papoulia, die ich schon in mehreren Filmen von Giorgos Lanthimos bewundern durfte), ist eine klassische Antiheldin. Unterwegs im Streifenwagen zieht sie sich neben dem strebsamen Jungpolizisten schon mal eine Line des frisch beschlagnahmten Kokains hinein, um fit für die Ermittlungen zu sein. Und ganz selbstverständlich schläft sie mit dem verheirateten Arzt der Kleinstadt, in die sie versetzt wurde – sehr zum Missfallen ihres Teenager-Sohnes. Nebenbei träumt sie davon, irgendwann aus diesem öden Nest an der Küste wieder zurück nach Athen zu kommen – nur wie? Der Mord an einem lokal berühmten Sänger, der eines Morgens aufgeknüpft neben dem Strand aufgefunden wird, scheint da plötzlich einen Ausweg zu bieten. Nur ist alles ein wenig undurchsichtig, und, wie in solchen Filmen üblich, tun sich schon bald Abgründe in der verschlafenen Kleinstadt auf. So weit, so gut. Wie gut Thriller in der südlichen Hitze funktionieren können, haben schon einige Filme unter Beweis gestellt. Der spanische Thriller „Marshland“ fällt mir hierzu ein, dessen Setting sehr stark an „Das Wunder im Meer von Sargasso“ erinnert. Der Unterschied zwischen den beiden Filmen ist der: „Marshland“ ist tatsächlich ein packender, düsterer Thriller. „Das Wunder im Meer von Sargasso“ ist ein symbolhaft aufgeladenes Ding (inklusive einer modernen Krippenszene am Strand mit Besuch der Heiligen Drei Könige samt Ghettoblaster – WTF?), das viel mehr sein möchte, als es ist, und das zudem das Problem hat, dass trotz einer engagiert spielenden Angeliki Papoulia, der man keinen Vorwurf machen kann, kaum eine Figur wirklich glaubhaft wirkt. Wenn jeder ständig Scheiß macht, nur damit die Figur widersprüchlich wirkt, ist das irgendwann nicht mehr authentisch, sondern nur noch lächerlich. So hat der Film zwar gute Anlagen, wurde aber inszenatorisch eiskalt versenkt. Ob im Meer von Sargasso oder anderswo – untergegangen ist er jedenfalls.


4,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Kiki Papadopoulou)

Schloß Vogelöd (1921)

Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
Original-Titel: Schloß Vogelöd
Erscheinungsjahr: 1921
Genre: Drama, Krimi, Thriller
IMDB-Link: Schloß Vogelöd


Man kennt das: Da schmeißt man einfach eine gemütliche Party, und dann taucht genau der eine Vogel dort auf, den man definitiv nicht dabei haben möchte. Weil: Man hat die Witwe seines verblichenen Bruders eingeladen, die auf den Typen nicht gut zu sprechen ist. Wenn die dann auch noch mit ihrem neuen Haberer vorbeikommt und Grumpy Ex-Schwager im Nebenzimmer sitzt, verhagelt das ganz allgemein die Stimmung. So viel Mexikaner kann man gar nicht ausschenken, als dass sich die Gemüter noch erheitern. Wenn’s auch noch dauernd schifft und man ohnehin nichts tun kann, legt man am besten The Cure auf und versucht, irgendwie über die Runden zu kommen, bis der Spuk ein Ende hat. In der Zwischenzeit kann man sich mit bösen Gerüchten und Spekulationen die Zeit vertreiben. Hat denn der Ex nicht den eigenen Bruder auf dem Gewissen? Und wo ist eigentlich der ehrwürdige Pfaffe hin, dem die Ex-Frau des verstorbenen Bruders gerade noch ihr Herz ausgeschüttet hat? In der Nacht werfen diese Fragen allerlei unangenehme Träume auf, was auch nicht gerade zur Erheiterung beiträgt. Kurz: Es liegt was in der Luft. Und der finstere Typ im Nebenzimmer hat etwas damit zu tun.

Wenn ein Film fast 100 Lenze auf dem Buckel hat und trotzdem noch spannend anzusehen ist, dann kann man durchaus von einem Werk für die Filmgeschichte sprechen. „Schloß Vogelöd“ von Altmeister Friedrich Wilhelm Murnau reiht sich da jedenfalls ein, auch wenn der Film ein wenig zurückbleibt hinter seinen größten Werken. Das Setting mit dem alten Herrenhaus im Dauerregen ist aber gut gewählt, die Geschichte spannend und voller Wendungen inszeniert (M. Night Shyamalan muss den gesehen habe, da bin ich mir sicher) und die Darsteller geben auch alles. Da sieht man auch gerne über die eine oder andere kleinere Länge oder darstellerische, der Jugend des Films (der damals wirklich noch in den Kinderschuhen steckte) geschuldete Unbeholfenheit hinweg. Fazit: Kann man auch heute noch sehr gut ansehen.


7,0
von 10 Kürbissen

Shoplifters – Familienbande (2018)

Regie: Hirokazu Koreeda
Original-Titel: Manbiki Kazoku
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Manbiki Kazoku


Der goldene Staubwedel der Côte d’Azur ging 2018 nach Japan. Hirokazu Koreeda überzeugte die Jury von Cannes mit seinem Film „Manbiki Kazoku“, in dem er verhandelt, was in einer modernen Gesellschaft (und an deren Rand) Familie bedeutet. Der Film reiht sich ein in eine Reihe von großartigen Werken, die sich 2018 mit Fragen zu Familie und Familienzusammensetzung beschäftigt haben. Auch andere Filme wie beispielsweise „Meine Tochter„, „Leave No Trace“ oder „Glücklich wie Lazzaro“ behandeln die – oft selbst gewählte – Zusammensetzung von Familien. Irgendwas ist da also. Familie im 21. Jahrhundert scheint ein vielfältig ausgeprägtes Konstrukt zu sein. Und „Manbiki Kazoku“ fügt dem eine spannende Perspektive hinzu. Denn was auf den ersten Blick nach einer völlig normalen Familie aussieht (abgesehen davon, dass ein Teil des Lebensunterhalts auf nicht ganz legale Weise, nämlich durch Ladendiebstahl, gesichert wird), entpuppt sich im Laufe der Zeit als sehr heterogene Zweckgemeinschaft mit unterschiedlichsten Wurzeln. Und damit wird dem Zuseher die Frage gestellt: Was ist es, was uns als Familie tatsächlich verbindet? Allein das Blut wäre entgegen aller anderslautenden Beteuerungen ein sehr dünner Saft. Da muss es also mehr geben, und „Manbiki Kazoku“ zeigt dieses Mehr auf, als ein fünfjähriges Mädchen neu in das Patchwork hineingenäht wird. Allein das macht den Film schon mal hochgradig interessant. Dazu ist er toll gespielt, vor allem von den Kinderdarstellern (mit denen ist es ja oft so eine Sache, da Kinder gerne mal zu Overacting neigen). „Manbiki Kazoku“ berührt sehr und beschäftigt den Zuseher gedanklich auch nach dem Abspann noch länger. Allerdings ist er nicht frei von Längen. Zwar wird die Laufzeit von über zwei Stunden gut genutzt, um die Charaktere weiter auszuarbeiten, das geschieht allerdings fast beiläufig in vielen kleinen Szenen, die mitunter Sitzfleisch erfordern. Ich habe den Eindruck, dass man das etwas straffen hätte können. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau.

 


8,0
von 10 Kürbissen

Widows – Tödliche Witwen (2018)

Regie: Steve McQueen
Original-Titel: Widows
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Thriller, Krimi, Drama
IMDB-Link: Widows


Der Beginn hat es in sich: Gefühlt fünf Minuten und schon steht der Van, in dem eine Verbrecherbande nach ihrem Coup die Flucht versucht, nach heftigem Polizeibeschuss in Flammen. Zurück bleiben die trauernden Witwen Veronica, Linda und Alice (Viola Davis, Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki), die allesamt je einen Mann weniger und viele Sorgen mehr haben. Denn das von ihren Göttergatten gestohlene Geld gehörte dummerweise Jamal Manning (Brian Tyree Henry), der als Außenseiter für das Amt des Bezirksvorstehers kandidieren möchte gegen den windigen Eliteklasse-Vertreter Jack Mulligan (Colin Farrell). Und Manning ist ein Mann, der endlich das große Stück vom Kuchen will, koste es, was es wolle. Und das lässt er auch Veronica spüren. Er will sein Geld wiederhaben, oder sein Kumpel Jatemme (Daniel Kaluuya) sorgt dafür, dass sie sich nie wieder Sorgen machen muss. Glücklicherweise hat Veronicas verblichener Ex (Liam Neeson) ihr ein Notizbüchlein hinterlassen, in dem akribisch alle Details des nächsten geplanten Coups aufgelistet sind. Und der ist fünf Millionen schwer und würde mit einem Schlag alle Probleme lösen. So finden sich die drei trauernden Witwen zusammen, sichern sich noch die Verstärkung von Lindas Nanny Belle (Cynthia Erivo), und machen sich an die Arbeit. Steve McQueen kann bei seinem Genre-Film auf ein ganzes First-Class-Schauspieler-Arsenal zurückgreifen, das neben den Genannten noch durch Robert Duvall und Jackie Weaver in kleinen Nebenrollen veredelt wird. Und McQueen hält seine Star-Truppe auch gut im Zaum. Schauspielerisch ist das alles sehr fein anzusehen. Allerdings ist es nicht leicht, in den Film hineinzufinden. Denn erst nach etwa der Hälfte der 130 Minuten Spielzeit finden die verschiedenen Handlungsstränge zueinander, und viele Figuren, die lange für sich isoliert waren, werden endlich miteinander verbunden. Auch ist auffallend, dass McQueen die Geschichte sehr distanziert erzählt. Er bleibt oft bewusst weg von seinen Figuren, wenn beispielsweise von einem emotionalen Gespräch zwischen Mulligan und seiner Assistentin (Carrie Coon) nichts zu sehen ist, da die Kamera ausschließlich auf die spiegelnde Frontscheibe des Autos, in dem das Gespräch stattfindet, draufhält. Das ist zwar ein interessanter Regieeinfall, bringt dem Zuseher die Figuren aber nicht näher. Und so wird der Film erst in der zweiten Hälfte interessant, wenn die Fäden verknüpft werden und die Handlung Fahrt aufnimmt. So richtig gezündet hat das Werk bei mir dennoch nicht. Aber immerhin weiß ich nun, dass Elizabeth Debicki 190 cm groß ist – das musste ich nach dem Film ergoogeln, nachdem sie ständig aus so großer Höhe auf ihre Kolleginnen heruntergeschaut hat.


6,0
von 10 Kürbissen

Der Killer von Wien (1971)

Regie: Sergio Martino
Original-Titel: Lo strano vizio della Signora Wardh
Erscheinungsjahr: 1971
Genre: Thriller, Krimi
IMDB-Link: Lo strano vizio della Signora Wardh


Ich muss gestehen: Vor meiner Teilnahme an der Filmreisechallenge war mir das Genre des „Giallo“ kein Begriff. Im Rahmen der Challenge wurde mir aber nun eben auch dieses italienische Filmgenre aufgedrückt, in dem unter anderem Dario Argento für Furore gesorgt hat. Ein Giallo ist ein Krimi/Thriller, in dem stimmungsvoll und stilistisch ansprechend Mordserien mit sehr viel Ketchup und Kunstblut inszeniert werden, die einen Mehrwert durch frei hängende Tutteln attraktiver Schauspielerinnen erfahren. Und wenn einer dieser Filme schon unter dem Titel „Der Killer von Wien“ läuft, ist klar, welcher meiner erster Giallo sein muss. In diesem Streifen kommt die attraktive Signora Wardh (Edwige Fenech, wahnsinnig attraktiv und vom Schöpfer wohlgeformt) mit ihrem Bürokratengatten nach Wien, wo sie auf ihren sadistischen Ex-Lover, einen mysteriösen Macho und eine Mordserie an jungen Damen stößt – Ersteres wie Letzteres zu ihrem Leidwesen, Zweiteres zur Freude der Zuseher, wenn sich Fenech und George Hilton in den Bettlaken wälzen. Schon bald wird klar, dass der Meuchelmörder, der seine Opfer mit einem Rasiermesser aufschlitzt, etwas mit Signora Wardh zu tun hat. Bis es zum Showdown kommt, dürfen sich einige ansehnliche Nebendarstellerinnen mit Kunstblut beschmieren, und Kellner wie Portiere mit einem sehr authentischen Wiener Zungenschlag parlieren. Hierbei hat sich die Synchronisation wirklich etwas gedacht in Sachen Lokalkolorit. All das reicht schon mal aus, um 1,5 Stunden lang vergnügt mitzurätseln, a) wer der Killer ist, b) was er mit Signora Wardh zu schaffen hat und c) wie hoch der Booby Count noch wird. Was die Freude hingegen ein wenig trübt, sind das hölzerne Schauspiel der meisten Beteiligten, die wohl genre-üblichen Logiklöcher und fetzendepperten Handlungen der Damen, denen nachgestellt wird, sowie das Ende selbst. Die Auflösung soll schockieren mit einem genialen Twist. Stattdessen sorgt sie nur für Stirnrunzeln und den Wunsch, dass der Drehbuchautor mittlerweile wieder weg ist von dem Zeug, das ihm dieses Ende eingegeben hat.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 22 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=Vz2YIrAoFZw