The Killing of a Sacred Deer (2017)

Regie: Giorgos Lanthimos
Original-Titel: The Killing of a Sacred Deer
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Thriller
IMDB-Link: The Killing of a Sacred Deer


Jene, die zum ersten Mal in einem Lanthimos-Film sitzen, erkennt man am unentwegten Aufstöhnen, gefolgt von ungläubigem Gelächter. Wenn dann die Lichter des Kinosaals wieder angehen, blickt man in ratlose Gesichter, in denen zu Grimassen verzogene Münder versuchen, das Gesehene in ganzen deutschen Sätzen zu kommentieren – woran sie aber gnadenlos scheitern, da sie über ein „Also, ich weiß ja nicht, das ist irgendwie …“ nicht hinauskommen. „Das war … interessant“, lautet meistens die abschließende Bewertung. Und dann, nach einigen Tagen Pause, in der das Geschehen auf der Leinwand einigermaßen eingeordnet und verarbeitet werden konnte, ist man entweder großer Lanthimos-Fan oder geht nie wieder in einen Film dieses Regisseurs. Ich gehöre zur ersten Gruppe. „The Killing of a Sacred Deer“, mein insgesamt dritter Lanthimos nach den überragenden „Dogtooth“ und „The Lobster“, kann auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz mit der Genialität der beiden erwähnten Meisterwerke mithalten, entfaltet aber auch eine große Wucht, die bei Lanthimos-Filmen immer überraschend in den Magen schlägt, da die Filme im Grunde sehr lakonisch erzählt werden. „The Killing of a Sacred Deer“ ist eine Geschichte rund um Abrechnungen/Gerechtigkeit/Balance und basiert lose auf dem Iphigenie-Mythos. Agamemnon, der antike Schlingel, tötete einen heiligen Hirsch und musste daraufhin Artemis, der Göttin der Jagd, seine eigene Tochter Iphigenie opfern, um diese zu besänftigen. Steven (Colin Farrell), dem Herzchirurgen, geht es nicht viel besser. Er macht die Bekanntschaft mit Martin (Barry Keoghan), dem Sohn eines ehemaligen Patienten, der auf Stevens OP-Tisch verstarb. Was zunächst nach einer Reue-Geschichte aussieht, entwickelt sich bald dank eines bösen Twists zu einem waschechten Thriller. Der Thrill wird dabei durch die Lakonie der Charaktere und dadurch, dass er sich fast ausschließlich im Haus der Familie abspielt und in nur geringen Dosierungen in den Alltag eingreift, virtuos unterlaufen. Lanthimos ist ein Zyniker, doch gerade durch die kalte Distanz, die er wahrt, gelingt es ihm, wirklich große menschliche Fragen zu Moral und Ethik an das Publikum zurückzuwerfen. Die zwischenmenschliche Zwickmühle, in die Steven im Laufe des Films gerät, hätte man vielleicht noch etwas mehr auskosten können – da hebelt der lakonisch-distanzierte Blick von Lanthimos doch die eine oder andere Situation aus, aus der man mehr hätte machen können – aber auch „The Killing of a Sacred Deer“ ist ein Film, der lange im Gedächtnis bleibt. Lanthimos-Filme vergisst man nicht so schnell, ob im Guten oder Schlechten.


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Thimfilm)

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