Thriller

Hotel (2004)

Regie: Jessica Hausner
Original-Titel: Hotel
Erscheinungsjahr: 2004
Genre: Thriller, Horror, Drama
IMDB-Link: Hotel


Jessica Hausner ist nicht Stanley Kubrick. Und das ist auch okay so. Blöd nur, dass auf dem DVD-Cover groß damit geworben wird, dass es seit „The Shining“ von Kubrick kein gruseligeres Hotel mehr gegeben hat als jenes in Hausners „Hotel“. Große Worte. Und ja, auf den ersten Blick lassen sich durchaus Parallelen finden zwischen dem Hotel im Wald in Hausners Film und dem legendären Overlook in Kubricks Verfilmung des Stephen King-Romans. In beiden Filmen sind die Neuankömmlinge einen Großteil der Zeit auf sich selbst gestellt. In beiden Filmen ist die Atmosphäre des Hotels tatsächlich abweisend und auf eine ungute Art geheimnisvoll. Und in beiden Hotels geschehen schon bald Dinge, die sich nicht so einfach erklären lassen. Aber, so ehrlich muss man sein, die Fußstapfen, die Kubrick mit seinem genialen Film hinterlassen hat, sind einfach zu groß. Und man tut Jessica Hausner auch keinen Gefallen, wenn man ihren Film allzu sehr daran misst. „Hotel“ möchte etwas Eigenständiges sein, ist vielmehr Psychodrama mit sanften Horror-Anklängen und das – typisch österreichisch – eingebettet in eine Zurückhaltung und Lakonie, die an Sterilität grenzt. Dazu trägt das distanziert-nüchterne Ambiente des Hotels bei. Franziska Weisz in der Hauptrolle der neuen Rezeptionistin Irene, die mit den unbehaglichen Geschehnissen im Hotel konfrontiert wird, legt ihre Rolle sehr introvertiert an, was zusätzlich Distanz zum Seher schafft. Das alles macht „Hotel“ zu einem stilistisch sauberen Film, dem aber eines nicht gelingt: den Zuseher zu packen. Das Schicksal von Irene wird gleichgültig zur Kenntnis genommen. Und vor leeren Gängen in Hotels bei Nacht fürchtet man sich auch danach nicht. Nur vor dem Zimmer 237. Aber das ist einem anderen Film zu verdanken.


5,0
von 10 Kürbissen

Strange Days (1995)

Regie: Kathryn Bigelow
Original-Titel: Strange Days
Erscheinungsjahr: 1995
Genre: Science Fiction, Thriller
IMDB-Link: Strange Days


Millennium. Das neue Jahrtausend, der Wechsel von 1999 auf 2000. Wer erinnert sich nicht? An die Hysterie um den angeblichen Millennium-Bug, der am 1. Jänner 2000 sämtliche Computer lahmlegen würde? An die Prophezeiungen des Maya-Kalenders, dass die Welt untergehen würde? An die Gewissheit, dass Eurodance endgültig tot war? Und dann ist alles doch nicht so schlimm gekommen. 19 Jahre später blicken wir mit einem selbstgefälligen Lächeln auf eine friedvolle Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, uns das Klima davonläuft, weil wir immer noch CO2 hinausheizen wie die Blöden, der Nahe Osten zu einem einzigen Minenfeld geworden ist, wir Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen und allesamt keinen Dunst haben, wie wir in Zukunft all die hungrigen Mäuler inklusive unserer eigenen füttern wollen. Aber Hauptsache, eine Orange mit dem Intellekt einer Amöbe und eine Vogelscheuche mit Stroh im Kopf sind die Leader unserer Welt. (Und ja, ich weiß, die Vogelscheuche ist noch nicht im Amt, aber das ist nur eine Frage der Zeit, denn wenn wir aktuell eines aus der Geschichte lernen können, dann, dass die Grenze der Dummheit bei weitem noch nicht erreicht ist und Niveau zu einem fröhlichen Limbodance geworden ist, bei dem so gut wie alle Länder und Völker fleißig mitspielen.) Aber vielleicht sollte ich mal was über den Film schreiben, in dem in den letzten Tagen des 20. Jahrhunderts auch so einiges aus den Fugen gerät. Ralph Fiennes spielt den gestressten Ex-Polizisten Lenny Nero, der eine neue Art entdeckt hat, Kohle zu scheffeln: Er vertickt Erinnerungen, die quasi direkt aus dem Gehirn gezapft werden, an zahlungskräftige Kunden, die dann diese Erinnerungen nachempfinden können. Eh ganz lustig, quasi eine Vorwegnahme der Go Pro-Action-Cams. Blöd nur, dass Lenny eines Tages ansehen muss, wie eine solche Erinnerung gar unschön ausfällt – und fortan befindet er sich mit Angela Bassett auf der Flucht vor bösen Schurken und versucht, seine Verflossene, gespielt von Juliette Lewis, der grungigste Feger der 90er, zu retten – die aber nicht wirklich gerettet werden will. „Strange Days“ ist zwar nicht unbedingt würdevoll gealtert, aber einige gesellschaftliche Entwicklungen werden dennoch auf spannende Weise vorweggenommen, und die Thrillerhandlung ist handwerklich sauber inszeniert, wie man das von Kathryn Bigelow kennt. So unterhält der Film auch heute noch sehr gut und lässt im Anschluss an die Sichtung tiefschürfende philosophische Diskurse über Vorwegnahmen von Fehlentwicklungen zu. Aber vielleicht sollten wir uns auch einfach mal um unseren eigenen Kram des Jahres 2019 kümmern. Da haben wir ohnehin genug zu tun.


7,0
von 10 Kürbissen

Flucht in Ketten (1958)

Regie: Stanley Kramer
Original-Titel: The Defiant Ones
Erscheinungsjahr: 1958
Genre: Thriller, Krimi
IMDB-Link: The Defiant Ones


Der Film legt einen Blitzstart hin. Gerade noch trällert Noah Cullen (Sidney Poitier) einen Song im Gefangenentransporter, so kommt dieser auch schon von der Straße ab, überschlägt sich ein paar Mal, und ab geht’s in die Wälder und Sümpfe, denn so eine Fluchtmöglichkeit möchte man natürlich nicht verstreichen lassen. Blöd nur, dass Cullen angekettet ist. Und am anderen Ende der Kette hängt John Jackson (Tony Curtis) dran, der wenig erfreut darüber ist, zum Synchronschwimmpartner eines Schwarzen geworden zu sein. Aber Freiheit ist dann doch das höchste Gut, also arrangiert man sich miteinander. Zumal einem der Sheriff (Theodore Bikel) samt Hilfssheriffs und Hundemeute schon auf den Fersen ist. „Flucht in Ketten“ von Stanley Kramer ist einer jener Filme, die auf einer einfachen Prämisse basieren und kein großes Brimborium brauchen, um zu funktionieren. Die Story ist simpel: Schwarzer und weißer Strafgefangener befinden sich aneinandergekettet auf der Flucht vor der Polizei und müssen ihre jeweiligen Vorurteile überwinden, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Ein bisschen greift der Film also den Teambuilding-Maßnahmen vor, die später in Mode gekommen sind. Dass das deutlich reduzierte Geschehen, das zudem ohne eigens geschriebener Filmmusik auskommt, funktioniert, liegt vor allem an den Darstellern. Wirklich jeder macht hier einen großartigen Job, und so verwundert es nicht, dass sich sowohl Curtis als auch Poitier über Nominierungen als bester Hauptdarsteller freuen konnten, Bikel als bester Nebendarsteller und Cara Williams als beste Nebendarstellerin nominiert wurden. Diese ausgezeichneten Leistungen tragen einen hochgradig relevanten Film über den Abbau von Ressentiments und von Rassenhass, der ansonsten in seiner Simplifizierung vielleicht etwas plump geraten hätte können. So aber bleibt jeden Minute spannend und interessant, und die Botschaft hat bis heute (leider) ja nichts von ihrer Aktualität verloren. Nettes Detail am Rande: Tony Curtis setzte sich persönlich dafür ein, dass sein Partner Sidney Poitier ein besseres Gehalt bekam, da es damals unüblich war, schwarze Schauspieler angemessen zu entlohnen.


8,0
von 10 Kürbissen

Burning (2018)

Regie: Lee Chang-dong
Original-Titel: Beoning
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Thriller, Drama
IMDB-Link: Beoning


In Cannes wurde „Burning“ von Lee Chang-dong, der auf einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami basiert, von den Kritikern hymnisch aufgenommen. Dementsprechend groß war die Vorfreude bei mir auf diesen Film, zumal Murakami zu jenen Schriftstellern gehört, die ich besonders schätze. Aber wie es oft so geht, darf ich an dieser Stelle mal wieder eine Szene aus „Hot Shots“ zitieren: „Was liest du da?“ – „Große Erwartungen.“ – „Und wie findest du es?“ – „Hätte mir mehr erwartet.“ Dabei kann ich schon nachvollziehen, was an „Burning“ fasziniert. Die poetisch komponierten Bilder von Kameramann Hong Kyung-pyo, die Darstellerleistungen von Yoo Ah-in in der Hauptrolle des jungen Schriftsteller Jongsu, Steven Yeun als Ben und Jeon Jong-seo als Love Interest Haemi, der stete Zustand der Unsicherheit und Unwissenheit, der über allem schwebt – das alles spricht für den Film, der zunächst als Liebesgeschichte beginnt, dann eine Dreiecksgeschichte andeutet, ehe er in einen (sehr langsamen) Thriller umschlägt. Auch tut es mal gut, als Zuseher nicht alles erklärt zu bekommen, sondern genauso ratlos durch den Film zu tappen wie die Hauptfigur selbst. Allerdings (und jetzt mache ich mich unbeliebt bei sämtlichen Kritikern Cannes‘) hat mich die Handlung nur in den seltensten Augenblicken interessiert oder gar gepackt. Die Geschichte wird dermaßen träge erzählt, dass man hellwach sein muss, um den Geschehnissen 2,5 Stunden lang folgen zu können. Immer wieder schleicht sich gähnende Langeweile ein, die die Gedanken vom Film wegdriften lassen. Nein, es muss nicht immer alles mit schnellen Schnitten erzählt werden, und es muss auch beileibe nicht jede Story auserzählt werden, bis selbst der Dümmste sie begriffen hat, aber dennoch: Es wird mühsam, wenn Ratlosigkeit und Langsamkeit zusammenfinden. Vielleicht werde ich mir den Film noch einmal zu Gemüte ziehen nach intensiver Vorbereitung. Idealerweise braucht es vorher zehn Stunden Schlaf, dann zwei Tassen Kaffee, ein leichtes Omelett mit Gemüse, zwanzig Sit-Ups und eine lockere Radltour zum Wachwerden, ehe ich zur energetisch besten Zeit des Tages den zweiten Versuch starte. Vielleicht fällt dann die Bewertung besser aus. Vielleicht aber auch nicht, und der Film bleibt so langweilig, wie er stellenweise bei der ersten Sichtung nun mal war.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)

Bis dass der Tod sie scheidet (2015)

Regie: Elizabeth Allen Rosenbaum
Original-Titel: Careful What You Wish For
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Thriller
IMDB-Link: Careful What You Wish For


Spätpubertärer Teenager, der keine Erfahrung mit Girls hat, fährt mit seinen Eltern, die ihm so ähnlich sehen wie Sushi und Schweinsbraten ähnlich schmecken, auf Sommerurlaub an die Küste, lernt dort die scharfe Nachbarin und deren erfolgsverwöhnten Macho-Ehemann kennen, der viel auf Reisen ist, bei der ersten Begegnung des hormongeplagten Jünglings mit der magersüchtigen Schönen fallen gleich die Hüllen, der Ehemann ist eifersüchtig, das Frauchen schutzbedürftig, es folgen dramatische Wendungen und all das wird begleitet von melodramatischer Musik. Voilà, hier haben Sie einen Thriller der Marke „Wir haben noch fünf Millionen Dollar Budget übrig, die wir verbraten müssen, damit der Jahresgewinn nicht so hoch ausfällt, der Steuern wegen warat’s“ oder auch „Hirn aus, DVD rein“. Wenn’s wenigstens Tutteln zu sehen gäbe abgesehen von einer völlig überraschenden (*gähn*) Wet T-Shirt-Post-Gewitter-Szene, dann hätte man wenigstens ruhigen Gewissens noch das Label „Erotikthriller“ argumentieren können. Aber nachdem sich der Film diesbezüglich arg züchtig gibt und auch sonst außer ein paar angedeutet heißen Küssen und dem Auffangen einer herunterfallenden Milchflasche mit dem nackten Fuß keinerlei hormonelle Aufregung zu verkraften ist, fällt selbst der voyeuristische Aspekt weg. Wenn die Chemie ausfällt, gibt’s eben auch keine Biologie. So bleibt nur die Erkenntnis, dass mal jemand Isabel Lucas zum Essen ausführen sollte (viele Kohlehydrate, bitte, die Holde fällt sonst noch vom Schemel) und dass es manchmal auch solche Gurken braucht, um uns daran zu erinnern, was einen richtig guten Film ausmacht.


2,5
von 10 Kürbissen

Rebecca (1940)

Regie: Alfred Hitchcock
Original-Titel: Rebecca
Erscheinungsjahr: 1940
Genre: Drama, Thriller, Krimi
IMDB-Link: Rebecca


Es gehört zu den großen Missverständnissen der Filmgeschichte, dass Kobe Bryant einen Oscar hat und Sir Alfred Hitchcock nicht. Dabei sorgte gleich Hitchcocks erste US-Produktion, die Verfilmung von Daphne du Mauriers Welterfolg „Rebecca“, bei den Oscars für Furore. 11 Nominierungen, darunter jene für die beste Regie, letztlich zwei Auszeichnungen, darunter aber auch jene als bester Film – nur ging diese nicht an Hitchcock, sondern an den Produzenten David O. Selznick. Im Nachhinein konnte sich Hitchcock wohl damit trösten, zu wissen, einer der einflussreichsten Regisseure der Filmgeschichte geworden zu sein. Warum das so ist, zeigt das frühe Werk „Rebecca“ schon sehr deutlich: Der atmosphärisch dichte Spannungsaufbau durch Kamerafahrten durch neblige Wälder, ungewöhnliche Perspektive und geschliffen vorgetragenen Dialogen macht ihn zum Meister des Suspense. Als exemplarisch sei jene großartige Szene erwähnt, in der Maxim de Winter, gespielt von Superstar Laurence Olivier, seiner neuen Frau (wunderbar fragil gespielt von Joan Fontaine) von der letzten Begegnung mit seiner verstorbenen Frau Rebecca erzählt und die Kamera der Erinnerung von Rebecca folgt, also auf den leeren Raum hält, in dem sie zum damaligen Zeitpunkt der Begegnung gestanden ist. Und plötzlich manifestiert sich vor dem inneren Auge des Zusehers jene geheimnisvolle Schöne, die wir kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Selten wurde eine Abwesende wirkungsvoller und plastischer inszeniert als in Hitchcocks Film. Natürlich ist der Film trotz allem ein Kind seiner Zeit und weist historisch bedingte Schwächen auf, die einen heute die Stirn runzeln lassen. Sei es das Frauenbild, das hier gezeigt wird, oder das übertriebene Macho-Gehabe von Maxim de Winter, mit dem ich bis zum Schluss nicht warm geworden bin. Diesbezüglich waren andere Filme aus der damaligen Zeit durchaus fortschrittlicher und moderner. Die grandiose Inszenierung lässt aber auch über solche Mängel hinwegsehen, und so ist „Rebecca“ auch heute noch ein spannendes und toll gefilmtes Vergnügen.


7,5
von 10 Kürbissen

https://www.youtube.com/watch?v=t3YJcW2UQiw

Fugue (2018)

Regie: Agnieszka Smoczyńska
Original-Titel: Fuga
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Thriller
IMDB-Link: Fuga


Agnieszka Smoczyńska ist jene geniale Frau, die mit Sirenengesang das erste polnische Horrormusical über Meerjungfrauen auf die Leinwand gebracht hat (was wahrscheinlich auch das weltweit erste Horrormusical über Meerjungfrauen war). Ihr neuestes Werk „Fugue“ ist da deutlich gedämpfter und zurückhaltender, wenngleich der Einstieg schon ein Brett ist: Da kommt eine sichtlich desorientierte und schmutzige Frau in ihren Dreißigern aus einem U-Bahn-Schacht und klettert vor den verwirrten Blicken anderer Fahrgäste den Bahnsteig hoch. Diese Frau nennt sich Alicja, und sie hat keine Ahnung von ihrer Vergangenheit. Wenig später wird sie in einer TV-Show von ihrem Vater erkannt. Ihr Name ist Kinga, und sie gilt seit zwei Jahren als verschollen. Der Versuch, sie wieder in ihre Familie mit Ehemann und Sohn einzugliedern, geht zunächst ziemlich schief. Denn weder Alicja/Kinga noch ihr Ehemann oder ihr Sohn sind begeistert davon, wieder als Familie unter einem Dach leben zu müssen. Auch weist Alicja ein paar Wesenszüge und Eigenschaften auf, die befremdlich auf ihr Umfeld wirken. Die vermisste Kinga war anders. Der Film lässt sehr lange alle Interpretationsmöglichkeiten offen und die Zuseher fröhlich mitraten, was es mit der an Amnesie leidenden Frau auf sich hat. Smoczyńska weiß um den Suspense der Rätselhaftigkeit und nimmt sich Zeit für die Geschichte. Gabriela Muskała, die das Drehbuch geschrieben hat und für diesen Film auch gleich die Hauptrolle übernommen hat, legt ihre Alicja/Kinga auch ambivalent und spannend an: Man kann sich bei ihr nie sicher sein. Mal wirkt sie verletzlich, mal unnahbar, mal ängstlich und mal furchteinflößend. Diese Ambivalenz überträgt sich auf das familiäre Umfeld. Nach diesem Spannungsaufbau wirkt die Lösung am Ende fast banal. Aber der Weg dahin ist zumindest sehenswert. Ein durchaus gelungener Abschluss meines Besuchs des Crossing Europe Festivals 2019.

 


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

Arctic (2018)

Regie: Joe Penna
Original-Titel: Arctic
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Thriller, Abenteuerfilm
IMDB-Link: Arctic


Hollywood on Ice. Mit diesen drei Worten ist Joe Pennas Survival-Drama „Arctic“ ausreichend beschrieben. Mads Mikkelsen spielt darin einen Mann namens Overgard, der ein klitzekleines Problem hat: Er ist mit seinem Flugzeug gecrasht. In der Arktis. Ohne Hoffnung, gesucht und gefunden zu werden. Alles in allem eine doch etwas missliche Lage. Aber weil man ja so etwas wie eine Routine braucht, hat er es sich im Flugzeugwrack häuslich eingerichtet, angelt Fische aus dem Eis, die er dann als Sushi verspeist, und sucht die Umgebung nach Radiofrequenzen ab in der Hoffnung, auf sich aufmerksam machen zu können. Und dann geschieht das Wunder: Ein Hubschrauber kommt vorbei. Leider inmitten eines üblen Eissturms. Das Resultat: Ein zweites gecrashtes Luftfahrzeug. Mit einer schwerverletzten Co-Pilotin. Plötzlich hat Overgard eine Verantwortung, die über jene für sein eigenes Leben hinausgeht. Also packt er seine Siebensachen und die verletzte Pilotin ein und macht sich auf dem Weg zu einem mehrere Tage entfernten Camp, das er auf einer Karte im abgestürzten Hubschrauber ausfindig gemacht hat. Was nun folgt, ist ein Survival-Drama, das alle Klischees Punkt für Punkt abhakt. Immer dann, wenn man sich denkt: „An dieser Stelle müsste nun das und das passieren, um im Klischee-Bingo weiterzukommen“, passiert mit Sicherheit genau das Erwartete. Und da kann sich Mads Mikkelsen, den ich sehr schätze und der auch wieder gekonnt aufspielt, noch so sehr abmühen, aber den Film über den Durchschnitt hinausheben kann auch er nicht. Immerhin gibt es dank Islands Naturgewalt, wo der Film gedreht wurde, schöne Landschaftsaufnahmen zu sehen.


5,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

Messer im Herz (2018)

Regie: Yann Gonzalez
Original-Titel: Un couteau dans le coeur
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Thriller
IMDB-Link: Un couteau dans le coeur


„Messer im Herz“ von Yann Gonzalez ist eine mutige und farbenfrohe Angelegenheit. Denn der Film vereint das Genre des Giallo (in dem in den 70ern vorzugsweise junge, leicht bekleidete Mädchen von irren Serienmördern so farbenprächtig abgemurkst wurden, dass man eigentlich eine neue Bezeichnung für das strahlende Rot des Kunstblutes, das verwendet wurde, erfinden müsste) mit dem des Schwulenpornos. Hier sind es nun sinnliche junge Männer (manche davon mit beeindruckendem 70er-Jahre-Pornoschnauzer), die um ihr Leben bangen müssen. Diese Männer spielen allesamt in Annes (Vanessa Paradis) neuester Produktion mit. Anne hatte eine Beziehung zu ihrer Cutterin Lois (Kate Moran), die aber in die Binsen gegangen ist. Anne möchte nun das große Meisterwerk der drittklassigen Schwulenpornos drehen und damit Lois so beeindrucken, dass sie wieder zurückkehrt zu ihr. Blöd nur, dass ihr da der irre Serienmörder dazwischenkommt, der ihre Darsteller meuchelt. Da muss es eine biografische Verbindung geben, also beginnt Anne zu ermitteln. „Messer im Herz“ ist ein kompromissloser Film – völlig überdreht, stellenweise sehr komisch und bunt wie ein Papagei im Fasching. Man merkt an, wie viel Spaß es dem Regisseur bereitet hat, diesen Film zu drehen. Und er möchte – wie üblich beim Giallo – gar keine tiefgreifenden Botschaften vermitteln. Gonzalez möchte mit seinem Film nur zwei Dinge: Gut unterhalten und Vanessa Paradis abfeiern, die als Femme Fatale Anne eine gute Figur macht und heroisch gegen ihre miese Perücke anspielt. Ist das alles relevant? Nein. Ist das gut erzählt? Grundsätzlich schon, allerdings ist die Story selbst so konstruiert und unglaubwürdig, wie es sich für einen Giallo gehört (was ja durchaus ein Grund ist, warum ich mit dem Genre an sich nicht so viel anfangen kann). Aber macht das alles Spaß? Ja, das auf jeden Fall.


6,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)

Sons of Denmark (2019)

Regie: Ulaa Salim
Original-Titel: Danmarks sønner
Erscheinungsjahr: 2019
Genre: Drama, Krimi, Thriller
IMDB-Link: Danmarks sønner


Der Auftakt zu meinem diesjährigen Crossing Europe Filmfestival-Besuch in Linz beginnt mit einem Knall. Eine Bombe geht hoch. 23 Menschen sterben. Die Täter? Islamisten. Die Lösung: Die Gründung einer neuen rechten Partei, die damit wirbt, alle Ausländer aus dem Land zu werfen. Auch wenn Ulaa Salims Polit-Thriller „Sons of Denmark“ sechs Jahre in der Zukunft angesiedelt ist, ist der Schrecken, der sich auf der Leinwand entfaltet, nur allzu gegenwärtig. Man merkt: Da hat sich einer Gedanken darüber gemacht, wie wenig per Stand heute noch fehlt, um eine Gesellschaft zu radikalisieren. Denn der Terror spielt sich erst einmal im Kleinen ab. Vor den Häusern muslimischer Mitbürger werden blutige Schweinsköpfe abgelegt, und die Wände werden mit ausländerfeindlichen Parolen beschmiert. Im Fernsehen ist es plötzlich in Ordnung, wenn der Spitzenkandidat der rechten Partei davon spricht, bei gewalttätigen Handlungen, die von Ausländern begangen werden, ohne groß zu fackeln Gegengewalt anzuwenden. Und die Polizei, die zuvor noch die Reihen der rechtsradikalen Gruppierung „Söhne Dänemarks“ infiltriert hat, mit der der Spitzenkandidat natürlich nichts zu tun haben möchte (Kommt euch das bekannt vor?), stellt plötzlich die Ermittlungen ein, um sich wieder dem islamischen Terror zuzuwenden. Der laut Insider Malik (Zaki Youssef) nicht mehr existent ist. Denn die Bedrohung kommt vielmehr von militanten, radikalen blonden Dänen, die das neue Klima nutzen, um Jagd auf Immigranten zu machen. Ulaa Salim, der selbst einen irakischen Hintergrund aufweist, erzählt das alles sehr subtil. Zu Beginn vielleicht sogar etwas zu subtil, denn der Fokus der Geschichte bleibt ganz klar auf dem Persönlichen – zunächst auf dem 19jährigen Zakaria (Mohammed Ismael Mohammed), der zu Beginn der Geschichte radikalisiert wird, dann auf Malik. Die Kamera hängt dabei stets über der Schulter, der Blick ist dementsprechend beengt. Die großen gesellschaftlichen Veränderungen werden damit erst nach und nach sichtbar, und auch sie werden nur punktuell im persönlichen Lebensumfeld der Protagonisten gezeigt. Vielleicht hätte man noch etwas mehr aus dem Thema herausholen können, wenn der Fokus etwas weiter gefasst worden wäre. Die Botschaft ist dennoch klar. Das Jahr 2025 ist näher als man denkt.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival)