Marielle Heller

Can You Ever Forgive Me? (2018)

Regie: Marielle Heller
Original-Titel: Can You Ever Forgive Me?
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Biopic, Krimi, Komödie
IMDB-Link: Can You Ever Forgive Me?


An Melissa McCarthy scheiden sich die Geister, und das nicht nur seit ihrem Mitwirken in „Ghostbusters“. Dass sie aber wirklich verdammt gut schauspielern kann, wenn man sie nicht in nervigen Komödien als naives Pummelchen besetzt, beweist sie in Marielle Hellers „Can You Ever Forgive Me?“ In diesem komödiantisch angehauchten Biopic spielt sie die Schriftstellerin und Biographin Lee Israel, die von notorischer Erfolglosigkeit und einer gewissen misanthropischen Grundeinstellung geplagt wird. Durch Zufall entdeckt sie ein neues Geschäftsmodell für sich: Briefe berühmter Schriftsteller faken und für teures Geld an Antiquariate verkaufen. Ihr Partner in crime ist der exzentrische Bohemian Jack Hock (Richard E. Grant, neben Melissa McCarthy ebenfalls für einen Oscar nominiert). Gemeinsam mischen sie die Sammlerszene auf, und weil sie eben keine Profis sind, sondern mehr oder weniger naiv da hineinstolpern, stapelt sich schon bald nicht nur das ungewaschene Küchengeschirr neben Lees Spüle, sondern auch eine Menge Probleme. Marielle Heller erzählt die Geschichte mit einem Augenzwinkern und unprätentiös und verlässt sich dabei ganz auf die Kunst der groß aufspielenden McCarthy und Grant. Das allein reicht schon aus, um für einen unterhaltsamen Kinoabend zu garantieren. Das allein reicht aber nicht aus, um den Film zu einem denkwürdigen Meisterwerk werden zu lassen. Zu unspektakulär und beiläufig plätschert die Geschichte dahin, und dass Lee Israel hauptsächlich recht unsympathisch wirkt, lässt die Zuseher dann vielleicht doch nicht so ganz mitfiebern mit ihrem Charakter. Es fehlt einfach ein innerer Spannungsbogen. Hier lässt Marielle Heller die Zügel vielleicht ein wenig zu sehr schleifen. Dennoch ist der Film zumindest geeignet, bisherige Zweifler an McCarthys Schauspielkunst zum Verstummen zu bringen. Die ist schon gut, wenn man sie nur lässt.


6,5
von 10 Kürbissen

The Diary of a Teenage Girl (2015)

Regie: Marielle Heller
Original-Titel: The Diary of a Teenage Girl
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: The Diary of a Teenage Girl


Es sind die 70er. Die koksende, ständig Party machende Hippie-Mutter (Kristen Wiig) hat einen etwas jüngeren Lover in seinen Dreißigern (Alexander Skarsgaard), die 15jährige Tochter Minnie (herausragend und mit vollem Einsatz gespielt von Bel Powley) zeichnet Comics, versucht, die Welt zu verstehen und noch mehr das postpubertäre Gefühlschaos in ihr selbst. Der Lover der Mutter sieht ja eigentlich recht schnuckelig aus und plötzlich hat sie bei einem gemeinsamen Barbesuch seinen Finger im Mund und feuert laszive Blicke auf ihn ab, was ihn (und andere Teile seines Körpers) sichtlich … aufschreckt. Und da der junge Mann selbst irgendwie verloren wirkt, als wäre er noch ein Teenager, dem einfach zu schnell der Bart gewachsen ist, landen die beiden in der Kiste. Minnie erlebt ihr erstes Mal also mit dem Freund ihrer Mutter. Und ihr zweites Mal. Und drittes Mal. Und so weiter. Mit dem sexuellen Erwachen folgen interessante Experimente in den interdisziplinär verschränkten Fächern „Party machen“ und „Drogen konsumieren“, aber allmählich kippt das alles. Der Teenager ist mit der Situation zusehends überfordert (der Lover ist es schon längst), und dass es nicht ganz risikofrei ist, mit dem Freund der Mutter zu schlafen, sollte eigentlich auch klar sein. Die leichte Independent-Komödie kippt allmählich ins Dramatische, zwinkert aber auch da immer noch fröhlich mit den Augen – man ist ja schließlich in den 70ern, und da waren die Menschen lebenslustiger, gell? Und das ist auch mein Hauptkritikpunkt am Film. Zwar transportiert der Film ein bestimmtes Lebensgefühl sehr überzeugend und wirkt (dank großartiger Kameraarbeit, tollen Kostümen und einer bis ins kleinste Detail durchdachten Deko) tatsächlich aus der Zeit gefallen, aber die 70er werden mir dennoch zu stark auf Sex, Party und Drogen reduziert. Ich glaube, der einzige Protagonist, der kein mittelschweres Drogenproblem hatte, war die Katze. Und selbst die war wahrscheinlich massiv auf Katzenminze. Auch das Thema selbst, das hemmungslose Verhältnis einer 15jährigen mit einem 35jährigen, war für mich teils zu fröhlich dargestellt. Eigentlich hätte ich erwartet, dass die Protagonistin von der ganzen Geschichte einen massiven Knacks bekommt. Großartig hingegen das Spiel und die für Hollywood rotzfreche Umsetzung mit viel nackter Haut. Ja, es geht um Sex, also wird auch Sex gezeigt. Und da sind die Menschen nun mal nicht stets züchtig in weiße Bettlaken eingewickelt. Ich hätte dem Film gern eine höhere Wertung gegeben, aber unterm Strich blieb er für mich – trotz großartiger Umsetzung – zu leichtgewichtig, zu naiv. Aber gut, im Vergleich zu den Menschen in den 70ern sind wir heute wahrscheinlich ziemliche Spießer. Und als solcher Spießer bewerte ich eben auch den Film.


6,5
von 10 Kürbissen