Kurzfilm

Ein Sturz aus der fünften Etage (1906)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Une chute de cinq étages
Erscheinungsjahr: 1906
Genre: Kurzfilm, Komödie
IMDB-Link: Une chute de cinq étages


Georges Méliès war einer der ersten Filmemacher, zumindest in Frankreich, dem Mutterland des Films, war er der Allererste, der sich ein professionelles Filmstudio einrichtete. Der Pionier des Films drehte hier einen Großteil seiner insgesamt etwa 500 Werke, darunter auch „Ein Sturz aus der fünften Etage“ aus dem Jahr 1906, den man als klassischen Slapstick-/Klamaukfilm bezeichnen kann. Ein vornehmes Paar kommt zu einem Fotografen in dessen Studio, um sich ablichten zu lassen, doch der schusselige Assistent löst das pure Chaos aus, im Zuge dessen der Fotograf nicht nur sein teures Equipment verliert, sondern auch noch die Straße unter dem Studio ins Desaster gestürzt wird. Die zweite Hälfe des etwa 2,5 Minuten langen Kurzfilms ist die reinste Anarchie und großes Gaudium. Man kommt nicht umhin, Vergleiche mit dem späteren Genie der Slapstick-Komödie, Charlie Chaplin, zu ziehen. Es ist durchaus möglich, ja, sogar wahrscheinlich, dass Chaplin bei den Filmen Méliès‘ gut hingeschaut hat. Noch deutlicher zeigt sich das im Film „Die Matratzen-Wollkämmerinnen“ aus dem gleichen Jahr, der hier ebenfalls noch besprochen werden wird. Jedenfalls war Méliès stilbildend für viele cineastische Elemente, die uns in den folgenden 120 Jahren so viel Freude beschert haben.


6,5 Kürbisse

Das geheimnisvolle Porträt (1899)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Le portrait mystérieux
Erscheinungsjahr: 1899
Genre: Kurzfilm, Fantasy
IMDB-Link: Le portrait mystérieux


Als Film, rein in der Frage nach dem Unterhaltungswert beurteilt, ist „Das geheimnisvolle Porträt“ von Georges Méliès eine recht durchschnittliche Angelegenheit. Der Kurzfilm, der nur 1,5 Minuten dauert, zeigt Méliès, wie er einen Bilderrahmen aufstellt, der durch Magie zum Leben erweckt wird. Künstler und Porträt sitzen plötzlich von Angesicht zu Angesicht. Viel mehr passiert hier nicht. Aber schaut mal auf das Jahr, aus dem der Film stammt. Wir schreiben noch nicht einmal das zwanzigste Jahrhundert, das Medium Film steckt noch nicht mal in den Kinderschuhen, sondern hängt noch an der Brust ihrer Mütter (der Brüder Lumière und eben Georges Méliès), und doch zeigt Méliès in diesem frühen Werk fast schon Perfektion in der Ausübung der (teils von ihm entwickelten) Spezialeffekte, die ihn schließlich weltberühmt machen sollten. Er war ein früher Meister des Stopptricks und der Doppelbelichtung – das zeigt dieser Beitrag aus dem Jahr 1899 sehr deutlich. Andere frühe Regisseure und Regisseurinnen mögen das narrative Erzählen des Films stärker vorangetrieben haben, aber Méliès, der Zauberkünstler, der zum Film fand, war derjenige, der die Magie des Kinos als erster begriffen hat.


5,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Die Brandstifter (1906)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Les incendiaires
Erscheinungsjahr: 1906
Genre: Kurzfilm, Krimi, Drama
IMDB-Link: Les incendiaires


Ein paar Taugenichtse zündeln herum und fackeln einen Schuppen ab. Das bringt natürlich sofort die Polizei auf dem Plan und nach einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd wird schließlich einer der Strolche geschnappt. Nach einer nicht so schönen Zeit im Gefängnis, in der er schon von der Guillotine fantasiert, wird ihm dann tatsächlich der Prozess gemacht. Der fulminante Höhepunkt dieses frühen Krimidramas ist die Exekution des Verbrechers durch die schon angesprochene Guillotine. Die Gerechtigkeit obsiegt, der Schurke ist einen Kopf kürzer. Filmpionier Georges Méliès bewegte sich mit „Die Brandstifter“ mal auf anderem Terrain als den üblichen fantastischen Tollereien oder spaßigen Zaubertricks. „Die Brandstifter“ ist eine durchaus ernste Angelegenheit und erzählt in etwas weniger als acht Minuten eine ganze Geschichte. Natürlich nutzt Méliès hier wieder stark seine Fähigkeiten als Magier, um mit frühen Special Effects filmische Illusionen zu erzeugen. Ich kann mir vorstellen, dass die Enthauptung des Bösewichts zu damaligen Zeiten für einigen Schrecken in den Vorführungen gesorgt hat. Abgesehen vom fehlenden Blut (das wäre wohl wirklich too much gewesen) wirkt die Darstellung der Exekution recht realistisch. „Die Brandstifter“ sind ein gutes Beispiel dafür, wie rasch sich Méliès in den wenigen Jahren, in denen er aktiv Filme dreht, weiterentwickelte und das neue Medium Film auf vielfältige Weise für sich nutzen konnte.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: Foto von A7A09064_017.JPG – © Archives du 7e Art/DR – Bild mit freundlicher Genehmigung photo12.com, Quelle http://www.imdb.com)

Die Meerjungfrau (1904)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: La sirène
Erscheinungsjahr: 1904
Genre: Kurzfilm, Fantasy
IMDB-Link: La sirène


Georges Méliès, der Magier unter den Filmmachern, nutzte das neue Medium, um etliche seiner Bühnentricks auf die große Leinwand zu bringen. Ein Klassiker unter den Zaubertricks ist das Kaninchen aus dem Hut. Méliès wandelt diesen Trick ein wenig ab und fischt aus seinem imposanten Zylinder ein paar kleine Fischchen, die er in ein Aquarium steckt, wo sie sich ihres Daseins freuen. Aber natürlich darf auch das Karnickel nicht fehlen. So weit, so klassisch. In der zweiten Hälfte des nicht ganz fünfminütigen Films wird es hingegen surrealer – und für die damalige Zeit auch deutlich gewagter – als eine leichtbekleidete Meerjungfrau erscheint und Kussmünder verteilt. Es ist die Assistentin des Zauberers, die zwischen Mensch und Fisch mäandert. „Die Meerjungfrau“ ist nicht viel mehr als eine kurze Sequenz, die auch gut in eine abendliche Zauberrevue passen würde. Das Medium Film wird hierbei nicht ganz ausgeschöpft. Diesbezüglich schuf Méliès im Laufe seiner kurzen, aber eindrucksvollen Karriere als Filmregisseure ganz andere Kaliber. Aber nett anzusehen ist diese kleine Zauberei dennoch, und man vertut sich angesichts der Kürze auch nicht viel Lebenszeit.


5,5 Kürbisse

Der Musikfreund (1903)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Le mélomane
Erscheinungsjahr: 1903
Genre: Kurzfilm
IMDB-Link: Le mélomane


Um Musik zu schreiben, braucht man Köpfchen. Das wusste auch Georges Méliès und setzte diesen Gedanken wortwörtlich um. In „Der Musikfreund“ von 1903 hängt ein Orchestermeister kurzerhand seinen eigenen Kopf als Noten auf und dirigiert dann sein Orchester nach eben diesen Noten. Diesen Special Effect der losgelösten (und duplizierten) Körperteile setzte Méliès oft und gerne ein. Und es ist erstaunlich, dass auch heute, fast 120 Jahre später, dieser originelle Zaubertrick eine solch gelungene Illusion hervorbringen kann. Inszeniert ist dieser etwa 2,5 Minuten lange Kurzfilm, wie es sich für einen guten Zauberer gehört, mit viel Schwung und Witz. Georges Méliès persönlich hampelt und strampelt sich vor seinem Notenblatt einen Haxen aus, und das ist lustig anzusehen und mitreißend. 2,5 Minuten, die ausreichen, um schlechte Laune verfliegen und ein Lächeln auf dem Gesicht erscheinen zu lassen. Allein dafür, dass er Kino eben nicht nur als dokumentarisches Festhalten von Alltäglichem gesehen hat wie ursprünglich die Brüder Lumière, sondern das Medium genutzt hat, um Leute zum Lachen zu bringen, macht Méliès so unsterblich und zum wahren Vater des Films.


6,0 Kürbisse

Kulinarische Hexerei (1904)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Sorcellerie culinaire
Erscheinungsjahr: 1904
Genre: Kurzfilm, Fantasy
IMDB-Link: Sorcellerie culinaire


Kochen ist wahre Hexerei. Jedenfalls für mich. Gut, etwas Gemüse und einen Fisch in der Pfanne anbraten, kriege ich noch hin, auch meine Thunfisch-Spaghetti würde ich mal als genießbar bezeichnen, und bei Palatschinken bin ich auch gut dabei. Aber die hohe Kunst des Kochens, wie man sie in den Haubenrestaurants dieser Welt erfahren kann? Das erscheint mir immer wie eine Mischung aus chemischer Wissenschaft, Besessenheit und einem Stück Alchemie. Georges Méliès hat sich das wohl auch gedacht, jedenfalls den Teil mit der Hexerei, und so schickt er seinen armen Koch in eine Tour de force, als drei Teufelchen in seiner Küche auftauchen und ihm mit ihren Streichen gehörig das Essen versalzen. Wild springen diese Teufel umher, sind nicht zu fassen, schlagen Purzelbäume – und wer sich eingehender mit dem Werk von Georges Méliès beschäftigt, merkt rasch, dass diese Teufelchen einen ganz besonderen Platz in seinem Schaffen finden. Teufel, die mit Purzelbäumen in oder aus Kesseln oder Kisten springen, gibt es bei ihm oft zu bewundern. Und irgendwie unterhält diese lustige Hüpferei auch heute noch. Es ist ein fröhlich unschuldiger Spaß, den sich Georges Méliès hier erlaubt, garniert mit der damals bahnbrechenden Tricktechnik, die auch heute noch zum Staunen einlädt.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Der geheimnisvolle Ritter (1899)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Le chevalier mystère
Erscheinungsjahr: 1899
Genre: Kurzfilm, Fantasy
IMDB-Link: Le chevalier mystère


Ritter der Tafelrunde mal anders. In diesem Fall ist die Tafel eckig, und der edle Herr, der davor sitzt, malt einen Ritterkopf auf eben diese. Durch Magie wird der zum Leben erweckt und guckt plötzlich recht freundlich aus der Tafel heraus. Damit nicht genug, pflückt der Herr den Kopf, jongliert mit ihm, erschafft aus dem Nichts heraus einen ganzen Ritter, ehe er ihn wieder auf die Tafel verbannt. „Der geheimnisvolle Ritter“ von Georges Méliès ist eine Zauberdarbietung innerhalb des neuen Mediums Film. Wie kein anderer hat Georges Méliès verstanden, Zauberei und Film miteinander zu verbinden. Die Kreativität, die in diesen fantasievollen Kurzfilmen steckt, ist enorm, und die Effekte können selbst heute noch überzeugen. Kein Wunder, dass Méliès zu den bedeutendsten Filmpionieren der Geschichte gehört und ihm selbst Martin Scorsese mit „Hugo Cabret“ ein Denkmal gesetzt hat. „Der geheimnisvolle Ritter“ zeugt jedenfalls von der Brillanz der Méliès’schen Spezialeffekte. Auch wenn der Film im Grunde keine Handlung aufweist und etliche andere Filme des Meisters noch witziger, noch unterhaltsamer sind, kommt man aus dem Staunen kaum heraus.


6,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Das unmögliche Ausziehen (1900)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Les déshabillage impossible
Erscheinungsjahr: 1900
Genre: Kurzfilm, Komödie
IMDB-Link: Les déshabillage impossible


„Das unmögliche Ausziehen“ aus dem Jahr 1900 ist ein zweiminütiger Sketch, der bereits Georges Méliès‘ Meisterschaft in der Beherrschung früher Spezialeffekte zeigt. Ein Mann kommt nach Hause und zieht sich aus, um sich ins Bett zu legen. Doch kaum hat er ein Kleidungsstück abgelegt, erscheint auf wundersame Weise schon wieder ein neues an seinem Körper. Er wird immer genervter und furioser, schmeißt die Kleidungsstücke wütend auf den Boden, doch ihm gelingt es nicht, sich auszuziehen. Ja, der Inhalt ist nicht besonders ergiebig, aber die absurde, körperliche Komik macht das Stück auch heute noch wahnsinnig unterhaltsam. Ich habe herzlich gelacht bei dem Bemühen des armen Kerls, sich seiner Kleider zu entledigen. Die eigentliche Magie des Kurzfilms liegt aber in der virtuosen Schnitttechnik. Es ist erstaunlich, wie präzise die Schnitte auf die Bewegungen des Mannes beziehungsweise vice versa abgestimmt sind, um so die Illusion der ständig aus dem Nichts auftauchenden Kleidungsstücke zu erzeugen – und das im Zuge der wildesten Verrenkungen des Mannes. Der Film zeigt eindrücklich, welch ein Meister seines Fachs Georges Méliès war, der Filmkunst und Zauberkunst auf unnachahmliche Weise miteinander verbunden hat.


7,5 Kürbisse

Ein Kartenspiel (1896)

Regie: Georges Méliès
Original-Titel: Une partie de cartes
Erscheinungsjahr: 1896
Genre: Kurzfilm
IMDB-Link: Une partie des cartes


Es war der 22. März 1895, als die Brüder Lumière mit der ersten Vorführung des Films „Arbeiter verlassen die Lumière-Werke“ den Bildern das Laufen lernten. Einer, der diese neue Technik mit Begeisterung aufnahm, war der Zauberkünstler und Filmpionier Georges Mélìes, der mit Die Reise zum Mond ein sehr frühes Meisterwerk der Science Fiction drehte. Zunächst aber musste er sich mit dem neuen cinematografischen Verfahren vertraut machen – was seine erste Fingerübung „Ein Kartenspiel“ aus dem Jahr 1896 noch recht ungelenk erscheinen lässt. In dem einminütigen Kurzfilm geschieht nicht viel. Drei Männer spielen Karten, die Kellnerin bringt ihnen Getränke, sie lachen und freuen sich. Man kann dieses frühe Werk des Films durchaus mit einer über 100 Jahre alten Flasche Wein vergleichen: Auch diese kann man heute, wenn gut gelagert, durchaus noch trinken, doch einen wirklichen Genuss ziehen wohl nur die geeichten und hartgesottenen Mägen daraus. Gleichzeitig aber ist man voller Ehrfurcht über dieses historische Erzeugnis, das 125 Jahre der Geschichte überdauert hat und Zeugnis gibt von einer Epoche, die nicht einmal mehr unsere Urgroßväter und -mütter miterlebt haben. Und was Georges Méliès betrifft: Der gab schon kurz nach seinem Regiedebüt richtig Gas und lotete das neue Medium dank seiner Kreativität und magischen Tricks komplett neu aus. „Ein Kartenspiel“ ist so etwas wie das erste Räuspern, ehe man zum großen Gesang ansetzt.


4,0 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle http://www.imdb.com)

Ein andalusischer Hund (1929)

Regie: Luis Buñuel
Original-Titel: Un chien andalou
Erscheinungsjahr: 1929
Genre: Kurzfilm, Experimentalfilm
IMDB-Link: Un chien andalou


Wenn sich die beiden jungen Verrückten Luis Buñuel und Salvador Dalí zusammentun und ein bisschen zu viel Absinth tanken, werden schon mal Augen aufgeschlitzt und Ameisen krabbeln aus Händen heraus. „Ein andalusischer Hund“ ist ein Fiebertraum von einem surrealistischen Film, der das damals immer noch junge Medium Film auf ein nächstes Level gehoben hat. In gewisser Weise markiert der berühmte Schnitt durch das Auge das Ende der Unschuld des Kinos. Der Schock fuhr dem Publikum in die Glieder, und von diesem Zeitpunkt an musste man sich im Kino auf alles gefasst machen. „Ein andalusischer Hund“ ist aber mehr als diese frühe Szene, die jeder mit dem Film verbindet. Auch der Rest der Szenen, die nur lose zusammenhängen, erzeugen ein Gefühl der Unsicherheit, sind unbequem und damit auch aus heutiger Perspektive noch interessant. Einen roten Faden gibt es nicht wirklich, aber wir sind hier schließlich auch im Surrealismus unterwegs – da wären Struktur und Ordnung ein Affront. Dennoch wird mit der Zeit assoziativ ein Bild erzeugt – eines von Liebe und Leidenschaft, von der Befreiung aus einer toxischen Beziehung und einem Rückfall in alte Muster. Soweit jedenfalls meine Gedanken zum Film, und dieser ist so offen und unbestimmt gestaltet, dass jede/r andere, eigene Assoziationen mitnimmt, die immer höchst persönlich und individuell bleiben müssen. Das ist nichts für jeden Moment im Leben, aber wenn man in der richtigen Stimmung ist, beim Filmschauen aktiv mitzuarbeiten, ist „Ein andalusischer Hund“ eine spannende Angelegenheit.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © Kino International, Quelle http://www.imdb.com)