Komödie

Kung Fury (2015)

Regie: David Sandberg
Original-Titel: Kung Fury
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Kurzfilm, Action, Fantasy, Komödie
IMDB-Link: Kung Fury


Ich bin der festen Überzeugung, dass es genau zwei Arten von Reaktionen auf die Sichtung von „Kung Fury“ gibt: Begeisterung, begleitet von hysterischem Lachen, oder völlige Ratlosigkeit. Ich oute mich als Zugehöriger zur ersten Gruppe. Schon als damals der Teaser-Trailer herauskam, mit dem David Sandberg via Kickstarter um die Finanzierung seines feucht gewordenen Bubentraums warb, war es um mich geschehen. 2015 konnte dann dank 600.000 US-Dollar Kickstarter-Spenden der ganze Film vorgestellt werden. Mit einer halben Stunde Laufzeit fiel das Werk dann doch etwas kürzer aus als ein normaler Spielfilm, aber andererseits: Wer in 30 Minuten so viel Irrsinn (und David Hasselhoff) hineinpacken kann, der braucht auch nicht mehr Zeit. Und das ist „Kung Fury“: Eine halbe Stunde völliger Wahnsinn. Sowohl Hommage als gleichzeitig Persiflage auf das Trash-Kino der 80er inklusive Störungen im Bild und einer Handlung, die diesen Namen nicht verdient. Aber das ist egal. Wenn ein von einer Kobra gebissener und vom Blitz getroffener Kung Fu-Supercop, nachdem er einen Amok laufenden Spielautomaten in seine Einzelteile zerlegt hat, in die Vergangenheit reist, um Adolf Hitler, den „Kung Führer“, zu töten, aber dabei versehentlich in die Zeit der Wikinger katapultiert wird, wo er zunächst von Laser-Raptoren beschossen wird, ehe ihn eine Walküre mit einer gezielten Salve aus ihrem Maschinengewehr rettet, und es dann doch zum Showdown in Nazi-Deutschland kommt, wo er Unterstützung von Thor, seinem Partner Triceracop, der Maschinengewehr-Wikingerbraut und einem sprechenden T-Rex bekommt, braucht man sich über kongruente Handlung wirklich keine Gedanken mehr machen. Aber damit ist auch alles über den Film gesagt, den man kostenlos auf Youtube bestaunen kann. Ein Trash-Fest, das absolut nichts ernst nimmt und eigentlich nur ein einziges Ziel hat: Immer dann, wenn der Zuseher glaubt, es geht nicht mehr absurder, noch mal einen Gang höher zu schalten.


8,0
von 10 Kürbissen

The Favourite – Intrigen und Irrsinn (2018)

Regie: Giorgos Lanthimos
Original-Titel: The Favourite
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Komödie, Historienfilm, Biopic
IMDB-Link: The Favourite


Giorgos Lanthimos hat es mit Tieren. In „Dogtooth“ redet ein Vater seinen Kindern ein, dass das gefährlichste Tier der Welt die Katze sei. In „The Lobster“ verwandelt er gleich paarungsunfähige Zeitgenossen in Tiere. Und in „The Favourite“ gibt es Entenrennen zu bestaunen und Kaninchen, die stellvertretend für die toten Kinder der Königin herhalten müssen. Im Gegensatz zu seinen früheren Werken gibt sich Lanthimos in seinem neuesten Werk allerdings erstaunlich zugänglich. Vordergründig ist „The Favourite“ ein Kostümfilm über die unfähige Queen Anne (zum Niederknien gespielt von Olivia Colman) und den Intrigen an ihrem Hof, befeuert durch ihre enge Vertraute und Ratgeberin Lady Marlborough (Rachel Weisz, smells like Oscar spirit) und der tief gefallenen Adeligen Abigail (Emma Stone, die ihren Kolleginnen um nichts nachsteht), die sich wieder nach oben arbeiten möchte in der Gesellschaft. Und die mit ihren Ambitionen naturgemäß die Stellung von Lady Marlborough bedroht, was diese nicht auf sich sitzen lassen möchte. Zwischen diesen beiden intriganten Damen und der Königin förmlich zermalmt werden die männlichen Figuren, die hier definitiv nichts zu melden haben. Frauenpower ist angesagt in Lanthimos‘ Werk, und das auf eine so schauerlich bitterböse Weise, dass einem schier die Luft wegbleibt und man eigentlich nur noch Mitleid mit den Figuren hat – mit allen nämlich. Genüsslich seziert Lanthimos Machtgefälle und Abhängigkeiten und kommt am Ende zu einem konsequenten Schluss: Intrigen gehen nie gut aus, am Ende sind alle verletzt. Der Weg zu dieser Erkenntnis ist dekadent ausgestattet, hinreißend gespielt, mit scharfzüngigen Dialogen und herrlich unkonventionellen Szenen gespickt – und immer wieder für eine Überraschung gut, in der Lanthimos zeigt, dass Authentizität nicht sein Ding ist, sondern vielmehr die innere Logik und Dramaturgie der Welt, die er filmisch vermisst. Und die ist immer stimmig, selbst wenn sie für die seltsamste und denkwürdigste Tanzeinlage seit „Pulp Fiction“ sorgt.


8,5
von 10 Kürbissen

Mary Poppins‘ Rückkehr (2018)

Regie: Rob Marshall
Original-Titel: Mary Poppins Returns
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Fantasy, Komödie
IMDB-Link: Mary Poppins Returns


Wer liebt sie nicht, Mary Poppins, die von Julie Andrews verkörperte Super-Nanny mit dem kleinen Extra? Ich sage euch jetzt ein Wort, und wetten, ihr müsst jetzt alle gleich los summen? Also? Eins, zwei drei: Supercalifragilistischexpialigetisch! Dieses Wort klingt durch und durch / furchtbar, weil synthetisch. Wer es laut genug aufsagt / scheint klug und fast prophetisch. Na, was ist? Alle dabei! Jedenfalls war ich mir ziemlich sicher, dass sich das Publikum im Saal, das sich für Rob Marshalls Fortsetzung „Mary Poppins‘ Rückkehr“ eingefunden hat, hier problemlos hätte mitsingen können. Dementsprechend groß war die Vorfreude. Aber wie das halt so ist, mit großer Vorfreude, oft folgt darauf dann eben auch eine Ernüchterung. Und was kann ich sagen? Eigentlich macht Rob Marshall mit seinem Film nicht viel falsch. Emily Blunt ist eine entzückende Mary Poppins, die Julie Andrews fast vergessen lässt. Der stets verpeilt wirkende Ben Whishaw spielt voller Herz und Seele. Lin-Manuel Miranda pfeift als Jack sympathisch von allen Laternenpfählen. Die große Meryl Streep hat einen denkwürdigen Kurzauftritt. Emily Mortimer darf ihre Bruchlandung in „Spectral“ vergessen machen lassen. Julie Walters als Haushälterin spielt wunderbar resolut, und selbst die Kinder sind gut gecastet. Dazu kommen liebevoll gestaltete Ausstattung und Kostüme, es gibt wieder die großen Show- und Tanzeinlagen und eine Zeichentricksequenz. Aber irgendwie hat man ständig das Gefühl, all das im ersten Mary Poppins-Film von 1964 schon mal gesehen zu haben. Zudem bleibt kein Song wirklich im Ohr. Alles ganz sympathisch gemacht und nett anzusehen, aber dem Film fehlt die eigene Note (und das im doppelten, nämlich auch wortwörtlichen Sinn). So ist „Mary Poppins‘ Rückkehr“ eher ein Remake des alten Mary Poppins-Film, nur mit schlechteren Songs. Für zwei Stunden Eskapismus in Zuckerlrosa reicht es aus, aber als Meilenstein wird der Film nicht in die Filmgeschichte eingehen.


5,5
von 10 Kürbissen

Julie & Julia (2009)

Regie: Nora Ephron
Original-Titel: Julie & Julia
Erscheinungsjahr: 2009
Genre: Biopic, Drama, Komödie
IMDB-Link: Julie & Julia


Gleich vorweg: Es gibt zwei gute Gründe, „Julie & Julia“ anzusehen. Der eine Grund ist Meryl Streep. Und der andere Amy Adams. Wenn die mitspielen, kann man eigentlich nichts falsch machen, zwei herausragende Größen ihrer Zunft (und auf Amy Adams habe ich zudem einen kleinen Crush, also, Amy, falls du meinen Blog lesen solltest: Darf ich dich zum Essen einladen?) Und schon wären wir beim Film selbst, denn in diesem geht es um kulinarische Kostbarkeiten, deren Zubereitungen und wie sie ein Leben (oder zwei) ändern können. Denn Julia Child (Meryl Streep) ist eine gelangweilte Amerikanerin in Paris, die als Zeitvertreib das Kochen für sich entdeckt, und gegen alle Widerstände und nur getragen vom Glauben an sich selbst und der Unterstützung ihres liebevollen Ehemanns (wunderbar warmherzig: Stanley Tucci) zu einer erfolgreichen Kochbuch-Autorin wird. Und Julie Powell (Amy Adams) ist eine etwas frustrierte Callcenter-Mitarbeiterin, die an ihrem Vorhaben, einen Roman zu schreiben, gescheitert ist, irgendwann aber die Idee hat, alle Rezepte aus Julia Childs Kochbuch innerhalb eines Jahres nachzukochen und darüber zu bloggen. So finden beide Frauen zu sich selbst. „Julie & Julia“ ist ein wirklich netter, leichtfüßiger Film, der den komödiantischen Anteil nicht übertreibt und das Drama nur subtil mitschwingen lässt. Eine ausgewogene Sache also, nicht unbedingt spektakulär, aber kurzweilig anzusehen. Ein Film, den man an einem verregneten Sonntagnachmittag auf der Couch gerne mal einlegen kann. Allerdings sollte das Telefon für die Bestellung beim Lieferservice griffbereit liegen, denn der Film macht tatsächlich Hunger. Und wenn es dann beim Abspann nicht gleich klingelt und keine dampfende Köstlichkeit in die Wohnung gebracht wird, schlägt sich das durchaus negativ aufs Gemüt. Man lädt den Ärger dann vielleicht sogar noch beim Film ab mit einer schlechten Bewertung – und das hat er sicher nicht verdient.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 67 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Womit haben wir das verdient? (2018)

Regie: Eva Spreitzhofer
Original-Titel: Womit haben wir das verdient?
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Komödie
IMDB-Link: Womit haben wir das verdient?


Fatima ist 16 Jahre alt, Muslima und hat gestern noch Nina geheißen, gekifft und die Schule geschwänzt. Jetzt zieht sie sich andere Drogen rein – Religion nämlich, und zwar den Islam. Was ihrer Mutter Wanda (Caroline Peters, die hier alle Register ihres Könnens zeigen darf) erst einmal sauer aufstößt, während der Vater und Ex-Mann (Simon Schwarz) gelassen reagiert. Aber eines lässt sich nicht leugnen: Der Haussegen der links-liberalen und atheistischen Patchwork-Familie hängt erst einmal schief, wenn da überhaupt jemals einer gehangen ist. Auf erstes Unverständnis folgt gut gemeinte, aber schlecht gedachte Toleranz und dann erst die eigentliche Beschäftigung mit dem Thema. Und die zeigt auf, dass Nina/Fatima (Chantal Zitzenbacher) auch noch nicht so richtig herausgefunden hat, worum es geht, was zu echt depperten Lebensentscheidungen führt. Und natürlich zu jeder Menge turbulenter Szenen und politisch inkorrekter, aber treffender Wortwitze. „Womit haben wir das verdient?“ von Eva Spreitzhofer ist eine überraschend gut gelungene Komödie, die die ganze Laufzeit über niveauvoll unterhalten kann und für etliche Lacher gut ist. Vor allem, wenn Simon Schwarz im Bild ist, der als Vater jede Szene stiehlt, in der er mitspielt, was aber Caroline Peters‘ Leistung nicht schmälern soll – sie muss vielschichtiger aufspielen, denn ihre Figur ist das Herzstück des Films. Auch der junge Angelo Konzett ist zu erwähnen – selten wurde ein mürrischer Teenager so authentisch verkörpert wie hier. Allerdings ist auch nicht alles rundum gelungen an diesem Film. Chantal Zitzenbacher wirkt als Nina/Fatima leider sehr aufgesetzt und anstrengend, und manche Dialogszenen sind zwar humorvoll vorgetragen, aber nicht immer stimmig. Auch die Demo am Ende regt zwar zum Schmunzeln an, aber man würde sich doch etwas mehr Biss wünschen. Wenn aber auf Youtube unter dem Trailer plötzlich überall blaune Wutbürger wie die Pilze aus dem Boden schießen und sich darüber echauffieren, dass der Film voller Klischees ist und gegen das arme Bürgertum hetzt, dann muss man doch ein bisschen schmunzeln und Eva Spreitzhofer zu einem gut gemachten und durchaus relevanten Beitrag zur aktuellen Islam-Diskussion gratulieren.


6,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Luna Filmverleih)

Private Life (2018)

Regie: Tamara Jenkins
Original-Titel: Private Life
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: Private Life


Eine Familie zu gründen ist manchmal gar nicht so leicht. Bei manchen ist es ja so, dass sie nur an Sex zu denken brauchen, und schon ist fröhlich der Nachwuchs im Anmarsch. Bei Rachel und Richard (Kathryn Hahn und Paul Giamatti in einer 1A-Vorstellung eines intellektuellen Paares) ist das nicht so. Und weil beide schon die 40 überschritten haben und der Kinderwunsch sehr ausgeprägt ist, versuchen sie es nun bereits mit den letzten verbleibenden Mitteln: Einer künstlichen Befruchtung. Doch auch da stellen sich Hürden entgegen, sei es eine Auszeit von Richards Spermien oder die Altersmüdigkeit von Rachels Eiern. Diese beiden Komponenten dazu zu bringen, miteinander neues Leben zu erschaffen, ist in etwa so erfolgsversprechend wie der Versuch, aus Nord- und Südkorea einen gemeinsamen Einheitsstaat zu machen. Um die Chancen zu verbessern, dass doch noch ein kleiner Intellektueller in die Idylle mit Buch und Hund gesetzt wird, soll also nun ein Ei herangezogen werden, das sich quasi auf dem Höhepunkt seiner Vitalität befindet. Jung und knackig. Rachel braucht naturgemäß eine Weile, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, aber als ihre Quasi-Nichte Sadie (Kayli Carter), nicht blutsverwandt, als College-Aussteigerin in das Leben des Paares geschneit kommt, tut sich da ein Fenster auf. Denn Sadie, die bislang nicht so wirklich etwas mit ihrem Leben anzufangen wusste, ist nur allzu bereit, ihren beiden Vorbildern den größten Wunsch zu erfüllen. Und das bleibt natürlich nicht komplikationsfrei, vor allem Sadies Mutter ist alles andere als begeistert von der Idee. Der Inhalt von „Private Life“ liest sich ein wenig wie eine Screwball-Komödie. Allerdings ist das Thema sensibel und mit vielen Zwischentönen umgesetzt. Die Komik ist nie aufgesetzt, und immer wieder übernehmen auch dramatische Töne die Regentschaft. Dabei hält der Film eine gute Balance. Auch das Schauspiel weiß durch die Bank zu überzeugen. Bis in die kleinsten Nebenrollen ist der Film gut und glaubwürdig besetzt. Und auch wenn ich selbst mit dem Thema der Familiengründung so gar nichts anfangen kann, hat mich der Film trotz seiner längeren Laufzeit von etwa zwei Stunden gut unterhalten. Dass er ewig in Erinnerung bleiben wird, glaube ich zwar eher nicht, aber empfehlenswert ist die Sichtung dennoch.


7,0
von 10 Kürbissen

Johnny Doesn’t Live Here Anymore (1944)

Regie: Joe May
Original-Titel: Johnny Doesn’t Live Here Anymore
Erscheinungsjahr: 1944
Genre: Komödie
IMDB-Link: Johnny Doesn’t Live Here Anymore


Es ist Krieg, von überall kommen Arbeiterinnen und Arbeiter in die Städte, um in der Rüstungsindustrie Arbeit zu finden. Was dadurch natürlich Mangelware wird: Wohnungen. Glücklicherweise lernt die junge Kathie Aumont (Simone Simon) durch Zufall den Marine Johnny kennen, der ihr kurzerhand ihre Wohnung überlässt, während er im Einsatz ist. Blöderweise hat Kathie aber auf der Zugfahrt in die Stadt unliebsame Bekanntschaft mit Rumpelstilzchen gemacht, als sie versehentlich einen Salzstreuer vom Tisch gestoßen hat. Sieben Wochen Pech, verspricht ihr der transluzente Gnom. Und so erweist sich der Glücksfall der freien Wohnung schon bald als ziemlich herausfordernd, da Johnny offenbar recht freigiebig mit seinen Wohnungsschlüsseln war, weshalb allerlei Volk in seiner Wohnung ein und aus geht, zumeist knackige Seemänner, was die misstrauische Nachbarin mit Argusaugen beobachtet. „Johnny Doesn’t Live Here Anymore“ ist eine wirklich amüsante Screwball-Komödie mit teils großartigem Wortwitz, wenn beispielsweise zwei neu angekommene und ziemlich ausgelassene Matrosen sich bei der entnervten Kathie vorstellen: „I’m Jack!“ – „I’m Mike!“, und sie darauf lapidar und mit einem charmanten Lächeln antwortet: „I’m going …“ Der ganze Cast ist gut aufgelegt, die Chemie zwischen allen Darstellern ist grandios. Und irgendwann darf auch noch der junge Robert Mitchum mitmischen, und sich vor fliegenden Torten in Sicherheit bringen. Ich musste mehrmals laut auflachen. Natürlich, irgendwie ist das alles schon sehr leichtgewichtig und ohne hintersinniger Botschaft (Witz schlägt Inhalt), aber der Film macht einfach Spaß, auch fast 75 Jahre nach seinem Erscheinen. Und mehr braucht es eigentlich nicht.


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Norwegian Film Institute)

Gegen den Strom (2018)

Regie: Benedikt Erlingsson
Original-Titel: Kona Fer Í Stríð
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Komödie, Thriller, Politfilm
IMDB-Link: Kona Fer Í Stríð


Es ist eine beschlossene Sache. Wenn ich im nächsten Leben nicht als Hauskatze wiedergeboren werde, dann werde ich Isländer. Ich bin dann ein begnadeter Handballer, extrem erfolgreich im Fußball, ein außergewöhnlicher und kreativer Musiker, züchte Schafe und Ziegen (und, ehrlich: gibt es ein lässigeres Tier als die Ziege?), meine Tochter heißt Freyja Kürbisdottir, ich habe international eine Vorbildwirkung in Politik und Integration, erfreue mich an den Haubentauchern im Garten, und meine Filme sind der absolute Hammer. Isländer können einfach alles. Selbst Haie vergammeln lassen, um sie dann zu essen. Aber gut, lassen wir das mit den Haien, konzentrieren wir uns lieber auf den diesjährigen Überraschungsfilm der Viennale, nämlich den Film „Gegen den Strom“ von Benedikt Erlingsson. Darin geht es um eine Frau in ihren Vierzigern, die als politische Guerilla-Aktivistin gerne mal das nationale Stromnetz lahmlegt, um die Schwerindustrie in die Knie zu zwingen, während sie sich gleichzeitig auf ihre Rolle als Adoptivmutter einer ukrainischen Kriegswaisen vorbereiten darf. Ein gefährlicher Spagat, denn ihre Aktionen werden immer tollkühner, und schon bald erklärt ganz Island den Krieg gegen die „Bergfrau“, wie sie sich in einem anonym gehaltenen Pamphlet bezeichnet. Dieser Kampf wird so lakonisch humorvoll wie dramatisch dargestellt, wie es wohl nur Isländer können. Eingebettet in faszinierende Landschaftsaufnahmen entfaltet sich eine Geschichte rund um Moral, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – und um die Frage, zu welchen Mitteln man greifen darf, um der gerechten Sache zu dienen. Diese spannenden Fragen werden allerdings auf eine sehr unterhaltsame und pfiffige Weise angegangen. Da taucht dann auch immer wieder mal ein spanischer Tourist auf dem Fahrrad auf, der als Running Gag stets zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Oder aber der Soundtrack wird von der dreiköpfigen Band live im Geschehen eingespielt – da sitzt die Kombo auch schon mal am Hausdach und begleitet mit stoischem Gesichtsausdruck die Szene, wenn Hjalla, die Heldin, ihre Pamphlete vom Himmel regnen lassen möchte. Die Protagonistin und die Band wissen voneinander, blicken sich vielsagend zu, interagieren aber nicht darüber hinaus. Eine herrlich ironische Durchbrechung der vierten Wand. Es ist eben dieser staubtrockene Humor, diese Absurdität im Kleinen, die dem Film mit seiner tiefgründigen Handlung einen leichtfüßigen Unterbau bietet. Als Wiener bleibt mir abschließend nur zu sagen: Isländer sind einfach leiwand. (Hauskatzen aber auch.)


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Polyfilm)

First Night Nerves (2018)

Regie: Stanley Kwan
Original-Titel: Ba Ge Nu Ren Yi Tai Xi
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Komödie
IMDB-Link: –


Sammi Cheng ist eine auffallend schöne Frau. Gigi Leung ebenfalls. Und eine Theaterbühne samt Backstagebereich gibt eine spannende und vielseitig nutzbare Kulisse her. Stanley Kwans „First Night Nerves“, der erste Film des Regisseurs seit zehn Jahren, ist optisch fein anzusehen. Und wenn das ungeschulte europäische Auge auch gelernt hat, die asiatischen Gesichter auseinanderzuhalten (was, zugegeben, in den ersten Einstellungen, als erst einmal fröhlich alle Figuren nahezu gleichzeitig eingeführt werden, eine echte Herausforderung darstellt), kann man sich auch auf die Story einlassen. Diese handelt von zwei Schauspielerinnen, einer recht jungen Witwe, die sich nach dem Tod ihres Mannes aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat und nun auf der Theaterbühne ihr Comeback feiert, und einer Newcomerin, die ihr einst eine Rolle weggeschnappt hat, und die an ihrer Seite spielen soll. Zwischen den beiden Grazien herrschen Animositäten vor, die natürlich für Sprengstoff sorgen, was die ganze Produktion bedroht. Noch dazu hat die Regisseurin, die sich gerade in der letzten Phase ihrer Frau-Werdung befindet, die Zügel überhaupt nicht im Griff. Einzig die beiden Assistentinnen der Stars scheinen miteinander klarzukommen. „First Night Nerves“ ist durchaus unterhaltsam. Allerdings plätschert der Film auch recht arm an Höhepunkten vor sich hin. Nett anzusehen, aber nichts, was auf Dauer im Gedächtnis bleiben wird. Ein bisschen sitzt der Film zwischen den Stühlen, und auch wenn ich solche Grenzgänger an sich mag, ist er auch hierbei nicht wirklich konsequent. Mit einem Schulterzucken, aber immerhin nicht dem Gefühl, seine Lebenszeit verschwendet zu haben, da die Unterhaltung ja keine schlechte war, verlässt man nach dem zuckrigen Ende den Kinosaal. Das Problem des Films zusammengefasst: Für ein Drama ist er nicht seriös genug, für eine Komödie nicht bissig genug.


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Viennale)

Diamantino (2018)

Regie: Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt
Original-Titel: Diamantino
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Komödie, Satire
IMDB-Link: Diamantino


Der Diamantino ist ein hochprozentiger Cocktail auf Basis eines nicht unbekannten Fußballspielers. Dieser Drink stammt aus Portugal und vereint nur die besten Ingredienzen. Man benötigt für die Zubereitung eines guten Diamantino folgende Zutaten: Vier Tonnen Haargel. Eine Yacht. Wütende Zwillingsschwestern. Ein lesbisches Liebespaar. Eine gewissenlose Ministerin im Rollstuhl. Drohnen. Brüste. Bedruckte Bettwäsche. Ein süßes Katzenbaby. Internet-Memes. Schokowaffeln mit Schlag. Absurde Werbespots. Illegale Konten in Panama. Einen perfiden Plan portugiesischer Nationalisten. Einen Säbel. Einen Motorroller. Ein Boot voller Flüchtlinge. Ein Labyrinth mit Schwein. Keinerlei Respekt vor irgendwas. Völlig absurden Humor. Und viele flauschige Pekinesen. Das mixe man wild durcheinander. Und füge sicherheitshalber noch eine zusätzliche Tonne flauschiger Pekinesen hinzu. Einmal gut geschüttelt – und der Diamantino aus Portugal ist genussfertig. Nicht alle Ideen dieser wunderbar bösen und völlig überdrehten Satire gehen auf, aber dafür bietet der Film so viel abstruse Momente, dass der nächste WTF-Moment nur eine Szene entfernt liegt. Wer etwas mehr über die Story wissen möchte: Diamantino, ein Fußball-Superstar aus Portugal, ist ein bisschen gar einfältig, aber dafür mit dem Talent in seinen Füßen gesegnet. Doch als er den entscheidenden Elfmeter im WM-Finale vergibt, nachdem er dank seines Vaters am Tag davor, als er auf seiner Yacht Kraft für das Endspiel gesammelt hat, noch Flüchtlinge aus einem Schlauchboot gerettet hat, hängt er seine Karriere an den Nagel, um stattdessen Vater eines Flüchtlingskindes zu werden. Er hat zwar keinen Plan, aber ein großes Herz. Blöd nur, dass er erstens im Visier zweier Geheimdienst-Ermittlerinnen steht, die Steuerhinterziehung im großen Stile vermuten, und zweitens von Ultranationalen für deren EU-Austritts-Propaganda missbraucht wird. Und auf welche Weise sich dieser Irrsinn entfaltet und immer noch irrsinniger wird, das muss man selbst gesehen haben. Ein Film, der zugleich grenzgenial wie grenzdebil ist. Sämtliche Ähnlichkeiten mit real lebenden Persönlichkeiten sind natürlich rein zufällig.


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Viennale)