Josef Hader

Andrea lässt sich scheiden (2024)

Regie: Josef Hader
Original-Titel: Andrea lässt sich scheiden
Erscheinungsjahr: 2024
Genre: Drama
IMDB-Link: Andrea lässt sich scheiden


„Der Josef Hader ist ein lustiger Mensch. Der macht Kabarett, erzählt Witze, ein richtiger Komiker eben. Doch Hoppla – warum stellt sich da bei seinen Bühnenprogrammen gelegentlich ein solches Unbehagen ein, als würde der Witz gerade auf unsere Kosten gehen, indem wir einen Spiegel vorgehalten bekommen? Darf der das?“ Nun, Josef Hader darf, und er kann. Wer also ins Kino geht, um seinen neuesten Film „Andrea lässt sich scheiden“ zu sehen, und eine lockere, vielleicht leicht schwarzhumorige Komödie erwartet, täuscht sich gewaltig und muss die Erwartungshaltung bald adjustieren. Statt einer Komödie über das lustige Landleben taucht Hader in einer grimmigen Studie menschlicher Emotionen ganz tief ein in die Welt der Ängste und durch Schuld/Scham verursachten Handlungsunfähigkeit. Im Zentrum steht dabei die Landpolizistin Andrea (eine wie immer großartige Birgit Minichmayr), die kurz vor einer Beförderung in die Landeshauptstadt St. Pölten steht, doch nach einem schicksalshaften Abend versehentlich ihren besoffenen Exmann überfährt. Doch statt das Richtige zu tun, flüchtet sie unbeobachtet vom Tatort. Wenig später wird sie zu eben diesem gerufen: Das Auto des Lehrers und abstinenten Alkoholikers Leitner (Josef Hader) liegt im Graben – er ist über den zu diesem Zeitpunkt schon toten Andi gefahren und glaubt nun, wie auch die Polizei, er hätte den Andi auf dem Gewissen. Kommt Andrea also mit ihrer Fahrerflucht durch? Das Interessante an „Andrea lässt sich scheiden“ ist, dass die menschliche Tragödie nicht überhöht wird. Das Leben geht irgendwie weiter, und doch tragen nun zwei Menschen einen großen Rucksack an Schuld mit sich – der sichtlich mitgenommene Leitner durchaus deutlich und für jedermann nachvollziehbar, Andrea hingegen unbemerkt. Es ist nicht schwer, Richtig und Falsch auseinanderzuhalten, doch es kann verdammt schwierig werden, danach zu handeln, wenn das eigene Leben davon betroffen ist. So die Botschaft von Hader, die er in lakonischen Bildern und Dialogen auf die Leinwand bringt. Und wenn der Film auch einige Längen hat, so führt Hader sein hochkarätiges Ensemble (Thomas Schubert, Maria Hofstätter, Thomas Stipsits, Branko Samorovski, Margarethe Tiesel und Robert Stadlober, die alle ihre Momente bekommen, um Eindruck zu hinterlassen) zu einem stimmigen Ende.


6,5 Kürbisse

(Bildzitat: Quelle: http://www.imdb.com)

Wilde Maus (2017)

Regie: Josef Hader
Original-Titel: Wilde Maus
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Komödie
IMDB-Link: Wilde Maus


Manchmal läuft es einfach g’schissen. Davon kann Georg (Josef Hader) ein Lied singen. Den Job als Musikkritiker bei einer renommierten Zeitung ist er aus Kosteneinspargründen los. Die junge Kollegin (Nora von Waldstätten), die von klassischer Musik keine Ahnung hat, kupfert still und heimlich ab, während sie die Betroffene spielt. Der eheliche Beischlaf verkommt aufgrund des Kinderwunsches seiner Ehefrau (Pia Hierzegger) zu einer Turnübung, die aber nicht die gewünschten Resultate zeigt. Die kleinen Rachefeldzüge gegen den ehemaligen Vorgesetzten (Jörg Hartmann) ufern irgendwie ein wenig aus. Und dass er seiner Frau nichts von seinem plötzlichen Freizeitüberfluss erzählt, macht die Geschichte auch nicht einfacher. Allein der ehemalige Schulkollege (Georg Friedrich), den er zufälligerweise im Wiener Prater wieder trifft und mit dem er eine Achterbahn, eben jene „Wilde Maus“ pachtet, bietet so etwas wie eine Rückzugsmöglichkeit für den gestressten Intellektuellen. Aber irgendwann bricht halt jedes Kartenhaus zusammen. Und nicht Georg fährt die Achterbahn, sondern das Leben fährt Achterbahn mit ihm.

„Wilde Maus“, das Regiedebüt von Josef Hader, der zudem auch das Drehbuch dafür verfasst hat, ist ein herrlich lakonischer Film über die kleinen und großen Schwierigkeiten des Lebens, über Rachegelüste, über den Versuch, Haltung zu bewahren und wie man zuweilen daran scheitert. Mit gewohnt stoischem Blick legt Josef Hader seinen Georg an, dem das Leben in den Händen zerbröselt. Großartig ist Georg Friedrich in seiner Paraderolle als Wiener Original – ich könnte ihm stundenlang zuschauen. Vielleicht mag der Film insgesamt ein wenig unentschlossen in seinen Nebenhandlungssträngen sein, die Lakonie liegt sicherlich auch nicht jedem, aber er ist ein sehr ehrlicher, unaufgeregter Film über die Probleme gewöhnlicher Menschen. Er dramatisiert nichts, spielt aber die Entscheidungen, die wie die Spiralen einer Achterbahn in den Abgrund führen, nicht hinunter. Nichts an diesem Film ist spektakulär, aber insgesamt ist er eine runde Angelegenheit und zeigt das Leben, wie es eben manchmal so ist. Eine Achterbahnfahrt mit offenem Ausgang, ob man während der Fahrt aus dem Wagen speibt oder trotz grünlicher Gesichtsfarbe bis zum Ende durchhält.


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)