Jon S. Baird

Drecksau (2013)

Regie: Jon S. Baird
Original-Titel: Filth
Erscheinungsjahr: 2013
Genre: Drama, Krimi
IMDB-Link: Filth


Schottland hat vieles, auf das es stolz sein kann: Dudelsäcke, wildromantische Schlösser, Kilts & Clans, eine Sprache, die sonst niemand versteht, Sean Connery und laut Schriftsteller Irvine Welsh, dem Autoren von „Trainspotting“ und „Filth“ ein ausgeprägtes Drogenproblem. Das ist aber nur ein Teil der Probleme des korrupten und abgewrackten Polizisten Bruce Robertson (James McAvoy, noch so ein Nationalheiligtum der Schotten). Andere Probleme des exzentrischen Charmeurs mit der Persönlichkeitsstörung sind der Wunsch nach einer Beförderung, für die er gegen all seine Kollegen intrigiert, eine Sexsucht, ein halb verdrängtes Kindheitstrauma, die komplette Zerstörung seiner Familie und generell ein ungustiöses Verhalten, auf das der Titel des Films wenig subtil hindeutet. Selbst seinen einzigen Freund, den leicht naiven Freimaurer Clifford (Eddie Marsan in einer weiteren denkwürdigen Rolle seiner eindrucksvollen Karriere), reitet Bruce rein, wo es nur geht. Dass dabei der Fall, der über seine weitere Karriere entscheiden soll, nämlich der Totschlag eines japanischen Austauschstudenten, ein wenig ins Hintertreffen gerät, passt nur ins Bild. Für Bruce ist alles eine persönliche Spielwiese, und wer bzw. was nicht seinem Vorteil oder seinem Vergnügen dient, findet einfach nicht statt. Warum wir diesem Ungustl, dieser Drecksau tatsächlich über 1,5 Stunden lang folgen wollen, liegt am Charisma und der Energie von James McAvoy. Auch wenn die Handlung immer schlimmer und schlimmer wird, und der Verfall des „Helden“ immer deutlichere Züge annimmt, bleiben wir dabei, insgeheim hoffend, dass diese tragische Gestalt doch noch die Kurve bekommt. Dabei bleibt kaum Luft zu atmen. Jon S. Baird inszeniert den auf Welshs Roman beruhenden Film in einem hohen Tempo mit grellen Farben, schnellen Schnitten und einer Portion Surrealismus, die den satirischen Aspekt der Geschichte gut begleitet, aber dennoch so wohldosiert eingesetzt ist, dass er ihn nicht unterläuft. Zuweilen wirkt das Geschehen auf dem Bildschirm dennoch recht anstrengend – v.a. zu Beginn muss man sich selbst auch Geduld auferlegen beim Versuch, in die Geschichte und ihre Protagonisten einzutauchen – aber je länger der Film dauert, desto fesselnder wird er, was auch ein Zeichen von Qualität ist. „Filth“ ist eine Tour de Force, die man so schnell kein zweites Mal erleben möchte, aber dennoch trotz einiger stilistischer Wagnisse als rundum gelungen bezeichnet werden kann.


7,0 Kürbisse

(Bildzitat: © 2013 – Lionsgate UK, Quelle: http://www.imdb.com)

Stan & Ollie (2018)

Regie: Jon S. Baird
Original-Titel: Stan & Ollie
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Biopic, Komödie, Drama
IMDB-Link: Stan & Ollie


Wir schreiben das Jahr 1953. Die legendären Komiker Stan Laurel (Steve Coogan) und Oliver Hardy (John C. Reilly) sind schon etwas in die Jahre gekommen, ihre Filme gelten bereits als Klassiker, doch statt große Hallen zu füllen, spielen sie vor einem kleinen Publikum in englischen Industriestädten und wohnen in heruntergekommenen Hotels. Der Zahn der Zeit. Diese England-Tournee soll den Weg bereiten für einen neuen Film der beiden, die Adaption des Robin Hood-Stoffs, an dem Stan Laurel arbeitet. Doch es ist alles nicht so einfach. Der Produzent ist telefonisch nicht erreichbar, der Tournee-Veranstalter Bernard Delfont hat im Vorfeld kaum Werbung gemacht und dann plagen Oliver Hardy auch noch gesundheitliche Probleme. Die Ankunft der Ehefrauen (Shirley Henderson und Nina Arianda) bringt eine zusätzliche Dynamik in das Geschehen. Am Ende ist „Stan & Ollie“ ein recht konventionelles Biopic über eine langjährige Freundschaft und die Zeit nach dem Ruhm und die Suche nach dem Erfolg der Vergangenheit, das den Zuseher in alter Tradition zufrieden aus dem Kinosaal gehen lässt. Allerdings hat der Film zwei, eigentlich drei große Trümpfe in der Hand, die er gekonnt ausspielt: Steve Coogan, John C. Reilly und Nina Arianda. Die beiden Ersteren sind genial in ihren Rollen als Laurel & Hardy. Die beiden gehen vollends auf in den Rollen der beiden Komiker, die so großartig darin waren, die Komik im Körperlichen zu finden. Sie haben alle Nuancen drauf und verschwinden als Schauspieler völlig in ihren Rollen. Vor allem Steve Coogan spielt unglaublich charismatisch, aber auch John C. Reilly ist toll. Zwei wahnsinnig unterschätzte Schauspieler, auch wenn beide bereits für einen Oscar nominiert waren. Es ist schön, sie dabei zu sehen, wie sie ihr ganzes Können ausspielen. Der dritte kleine Trumpf ist die schon erwähnte Nina Arianda, die mir vorher kein Begriff war. Sie spielt ihre Ida, die russische Frau von Stan Laurel, zum Niederknien mit einem trockenen Humor und gleichzeitig einem solch liebevollen Stolz auf ihren berühmten Mann, dass sie wirklich allen die Szenen stiehlt, wenn sie zu sehen ist. „Stan & Ollie“ ist also großes Schauspielkino, das Spaß macht und dem man dann gerne auch die eine oder andere kleine Schwäche im Drehbuch verzeiht.


7,0
von 10 Kürbissen