Historienfilm

Angelo (2018)

Regie: Markus Schleinzer
Original-Titel: Angelo
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Historienfilm, Biopic
IMDB-Link: Angelo


Dass Markus Schleinzer keine Sissi-Romantik auf die Leinwand bringen würde, wenn er sich der historischen Figur des Angelo Soliman annähert, dem „Hofmohren“ des Kaisers, war zu erwarten. Und auch, dass der Film eher unbequem fürs Publikum werden würde. Dass diese Unbequemlichkeit allerdings mehr der wirren Struktur und einer Zähigkeit im Mittelteil, der viel Geduld und Sitzfleisch erfordert, geschuldet ist, kommt dann aber doch eher überraschend. Dies liegt auch daran, dass der Film zu Beginn Möglichkeiten andeutet, die er später nicht oder nur inkonsequent weiterverfolgt. Denn in der zweiten Szene des Films finden wir uns plötzlich in einer kahlen Fabrikhalle wieder, wo die gerade aus Afrika eingeschifften Jungs medizinisch untersucht werden, sodass eine edle Comtesse eines dieser eingeschüchterten Kinder quasi als „Sozialprojekt“ bei sich aufnehmen kann. Da steckt viel Zunder drinnen, wenn die Figuren in historischer Gewandung vom Neonlicht grell ausgeleuchtet werden. Doch genau das, was vielleicht anfangs irritiert, aber doch auch interessiert, wird danach kaum mehr weiterverfolgt. Statt eine konsequente Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart herzustellen und dem Film eine klare Botschaft dahingehend mitzugeben, wie wir das uns Fremde immer noch als Kuriosum wahrnehmen, verliert sich Schleinzer im Laufe des Films dann doch wieder in bedrückenden historischen Sets. Auch kommt die Struktur und Dramaturgie des Films dem Zuseher nicht unbedingt entgegen. Aufgebaut in drei Akten (Kindheit, das junge Erwachsenenalter, die späten Jahre mit dem bitteren Ende nach dem Tod) wirft der Film nur vereinzelte Schlaglichter auf Angelos Leben. Mit Ausnahme des von Lukas Miko großartig gespielten Kaisers Joseph II. gelingt es kaum, eine Beziehung zu einer Figur aufzubauen. Apropos Lukas Miko: Der legt gerade einen rasanten Aufstieg hin, und damit meine ich nicht nur den vom Junkie in Die Beste aller Welten über einen Adelsmann in Licht bis zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Durch seine Präsenz als an sich selbst zweifelnder Kaiser gelingen dann doch einige intensive Szenen im ansonsten leider ziemlich wirren Mittelteil. Der Schluss hingegen ist gelungen und bietet ein starkes Bild, das noch länger durch die Gedanken kreist. Als Fazit bleibt am Ende jedoch eine gewisse Ernüchterung übrig. Ein starkes Thema mit vielen spannenden Möglichkeiten wurde leider unnötig sperrig umgesetzt und braucht dafür schon ein hart gesottenes Publikum, das auch längere dramaturgische Durststrecken durchzustehen vermag.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 56 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen)

https://www.youtube.com/watch?v=zQKB4uXqefQ

Werk ohne Autor (2018)

Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Original-Titel: Werk ohne Autor
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Werk ohne Autor


Florian Henckel von Donnersmarck. Wer mit so einem Namen allein schon eine Viertelstunde für seine Unterschrift braucht, von dem kann man auch nicht erwarten, dass er kurze Filme dreht. So nimmt sich sein „Werk ohne Autor“, das sehr lose auf der Biographie des deutschen Malers Gerhard Richter basiert, auch über drei Stunden Zeit. Das ist also mal wieder einer jener Filme, bei denen sich langjähriges Beckenbodentraining bezahlt macht. Oder aber man verzichtet auf die Flüssigkeitszufuhr davor. Wie auch immer man diese drei Stunden durchstehen will: Gute Vorbereitung ist alles! Was man dann in dieser Zeitspanne serviert bekommt, ist eine Kost, die in Kritikerkreisen bislang nicht jeden Geschmack getroffen hat. Henckel von Donnersmarck verstünde nicht, was er da erzählen wolle, er kenne sich nicht aus in der Kunstszene – so beispielsweise ein Vorwurf. Auch die Montage, als in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges zeitgleich die Tode zweier Soldaten auf dem Schlachtfeld, die Vergasung der als wahnsinnig eingestuften Tante von Kurt (das filmische Alter Ego von Richter) und die Bombardierung von Dresden gezeigt wird, stieß auf Unverständnis. Durch die Gleichsetzung der Tode in Dresden und der Ermordung der Tante würde Henckel von Donnersmarck einen deutschen Opfermythos beschwören. Na ja. Dazu müsste man konsequenterweise aber auch annehmen, dass das durchschnittliche Kinopublikum dumm wie Brot ist und diese Szenen nicht differenzieren kann. Ich erlaube mir jedoch, für mich selbst einen IQ anzunehmen, der zumindest auf dem Niveau von Gemüse angesiedelt ist und damit deutlich über dem von Brot. Der Name dieses Blogs kommt ja nicht von Ungefähr. Jedenfalls kann man sich das Leben selbst allzu schwer machen. Ich jedoch habe es mir leichter gemacht und den Film als interessante und trotz der langen Länge unterhaltsame Künstlerbiographie und Suche nach sich selbst wahrgenommen, die trotz der klaren Einordnung in ihr politisches Umfeld (und der mit der Zeit einhergehenden schicksalshaften Verstrickungen) einen sehr intimen privaten Fokus auf den Maler beibehält, der von Tom Schilling mit großer Sensibilität verkörpert wird. Schade ist nur, dass gerade in der zweiten Hälfte des Films die von Paula Beer gespielte Freundin, dann Ehefrau Elli immer mehr zur Hintergrundfigur verkümmert, und das, obwohl sie eine tolle Einführung in die Geschichte erfahren hat und dank Beers leidenschaftlichem Spiel großes Potential gehabt hätte.


7,0
von 10 Kürbissen

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis (2015)

Regie: Natalie Portman
Original-Titel: Sipur Al Ahava Ve Choshech
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Drama, Biopic, Historienfilm
IMDB-Link: Sipur Al Ahava Ve Choshech


Ein Geständnis vorab: Im Alter von etwa 22 Jahren erwog ich die Möglichkeit, einen anderen Karrierepfad zu verfolgen als den eingeschlagenen. Ich wollte Autorenfilmer werden, meine eigenen Drehbücher schreiben und verfilmen, damit unglaublich erfolgreich und reich und angesehen werden, nach Hollywood gehen, mit Natalie Portman einen Film drehen und sie anschließend heiraten. Sagen wir so: Die Realisierung erwies sich als relativ schwierig, und so habe ich dieses wunderbar durchdachte Projekt dann auch zur Seite gelegt. Ein Drehbuch schreibe ich vielleicht noch, aber bei Natalie Portman könnte möglicherweise der Zug mittlerweile abgefahren sein. (Meine Portion Ultrarealismus für heute, wenn zur nächtlichen Stunde die Einsicht in die Glieder fährt.) Ein Bewunderer von Natalie Portman blieb ich dennoch, und so war es auch nur eine Frage der Zeit, bis ich ihre erste Regie-Arbeit, die Verfilmung von Amos Oz‘ Romanbiographie „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“, sichten würde. Nun war es soweit. Und ich muss leider sagen: Natalie, jetzt bin ich tatsächlich froh, nicht dein angetrauter Mann zu sein, denn als solcher hätte ich wohl sagen müssen: „Na ja, vielleicht ist da die eine oder andere kleinere Schwäche zu bemerken, wenn man genau hinsieht, aber du weißt ja, ich liebe ja alles, was du machst, Schatz, und dein Film ist toll und die Kritiker sind blöd.“ Dieser Eiertanz bleibt mir zum Glück erspart, und so kann ich frei heraus sagen: Sorry, das war nix. Man merkt es dem Film an, dass Portman in der Umsetzung wohl einen zu großen Respekt vor der literarischen Vorlage hatte (die ich im Übrigen selbst leider nicht kenne). Und auch wenn John Hustons Antwort auf Ray Bradburys Frage, wie er denn dessen Drehbuch zu „Moby Dick“ verfilmen wolle, nämlich: „Ich reiße Ihre Seiten aus dem Buch und stopfe sie in die Kamera“, ein prinzipiell löbliches Unterfangen ist, so sollte man nicht darauf vergessen, dass Buch und Film unterschiedliche Medien sind, die jeweils andere Erzählweisen bedingen. Die einzelnen Sequenzen des Filmes finden jedoch nie zueinander, folgen aufeinander in seltsamer Belanglosigkeit, denn das Gewebe, was sie im Buch zusammenhält, die Sprache nämlich, fehlt hier. So ist das alles eine sehr zähe, langatmige, fragmentarische Angelegenheit, die, um dem Genre gerecht zu werden, mit Sepiatönen zugekleistert wurde. Allein Natalie Portman vor der Kamera ist ein Pluspunkt des Films. Hinter der Kamera ist sie es leider nicht. Es tut mir wahnsinnig leid, Natalie, und ich verstehe, dass du mich jetzt garantiert nicht mehr heiraten möchtest.


3,5
von 10 Kürbissen

K-19: Showdown in der Tiefe (2002)

Regie: Kathryn Bigelow
Original-Titel: K-19: The Widowmaker
Erscheinungsjahr: 2002
Genre: Thriller, Historienfilm, Drama
IMDB-Link: K-19: The Widowmaker


Wenn man sich die Filmographie von Kathryn Bigelow ansieht, dann stellt man fest, dass sie ein Faible für Genres hat, die man in einer ersten spontanen Eingebung eher männlichen Filmschaffenden zuordnen würde: Ob Kriegsfilm („The Hurt Locker – Tödliches Kommando“), Polizeithriller ohne politischer Dimension („Blue Steel“) oder mit (Detroit) oder im Surfer-Milieu („Gefährliche Brandung“) oder Polit-Thriller („Zero Dark Thirty“) – die Dame fühlt sich wohl im Kreise ihrer männlichen Kollegen. In „K-19: Showdown in der Tiefe“ von 2002 taucht sie nun mit ihrer ausschließlich männlichen Besatzung (angeführt von Harrison Ford und Liam Neeson) in einem russischen U-Boot ab. Das soll Anfang der 60er mitten im Kalten Krieg der ganze Stolz der Sowjetarmee werden, aber da man die tauchende Zigarre ein wenig zu früh ihre Raketen abschießen lässt (quasi ein militärischer ejaculatio praecox), darf man sich schon bald mit ein paar Problemchen herumplagen, die man auf einem U-Boot nicht so gerne hat: zum Beispiel mit einem Leck im Kühlkreis des Kernreaktors, der das Boot antreibt und der in Folge dessen in die Luft zu gehen droht. Und weil man gerade recht nahe an einer NATO-Basis herumschippert und somit weit weg ist von russischer Erde, ist man erst mal auf sich allein gestellt. Weil: Die Amis anrufen und denen die Malaise zu schildern, käme politisch gesehen nicht so toll, da verliert man doch ein bisschen das Gesicht. Ein U-Boot als Atombombe neben ihren Schiffen hochgehen zu lassen, kommt aber auch nicht so gut. Und auch wenn man ein treuer russischer Volksgenosse ist, möchte man doch irgendwann mal gemütlich in der Tundra auf seiner Veranda sitzen und den Enkelkindern beim Spielen zusehen. Also sind Kreativität und Mut und Schnelligkeit gefragt. Und die Bereitschaft, das eigene Leben für das Wohl der Kameraden aufs Spiel zu setzen. Denn irgendwer muss da hinein zu diesem blöden Reaktor und das Ding wieder zusammenflicken. Die Geschichte von „K-19: Showdown in der Tiefe“ beruht auf wahren Begebenheiten. Dieses Unglücksboot, das sich noch vor dem Stapellauf den Beinamen „The Widowmaker“ verdient und diesen dann mit Havarien wie der hier beschriebenen weiter einzementiert hat, gab es tatsächlich. Natürlich werden die Ereignisse von damals stark verkürzt und dramatisiert erzählt – das ist eben Hollywood. Das eigentliche Problem des ansonsten sehr passablen, aber recht routiniert abgespulten Thrillers liegt in der Besetzung. Ich kaufe weder Harrison Ford noch Liam Neeson die russischen Offiziere ab. Da können sie sich noch so sehr mit einem pseudo-russischen Akzent abmühen (der bei Ford nach keiner nachvollziehbaren Logik kommt und geht), die Diskrepanz ist einfach da und nicht wegzuwischen.


6,0
von 10 Kürbissen

Macbeth (2015)

Regie: Justin Kurzel
Original-Titel: Macbeth
Erscheinungsjahr: 2015
Genre: Drama
IMDB-Link: Macbeth


Shakespeare war schon kein Übler, das muss man sagen. 400 Jahre nach seinem Wirken beschäftigt man sich immer noch mit seinen Dramen und Komödien, bringt diese in mal gelungenen, mal weniger gelungenen Adaptionen auf die Bühnen und ins Kino. 2015 war Justin Kurzel dran, sich eines klassischen Shakespeare-Stoffes auf seine eigene filmische Erzählweise zu nähern. „Macbeth“ spielt im Schottland des 11. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall des ehrgeizigen Macbeth (Michael Fassbender, wie immer grandios) und seiner Lady (Marion Cotillard), der durch Königsmord selbst zum König wird und dann zum Tyrannen. Keine wirkliche Feelgood-Geschichte also, die atmosphärisch von nebelgeschwängerten Highland-Bildern und einem düsteren Soundtrack noch einmal in die schwarzen Abgründe der Seele der Hauptfigur hinuntergezogen wird. Vorgetragen werden lupenreine Shakespeare-Verse – also besser die Untertitel dazuschalten, wenn man Englisch nicht auf dem Niveau eines Native Speakers spricht. „Macbeth“ verfügt also über fast alles: eine zeitlose, packende Geschichte über einen Tyrannen, den wir gerne fallen sehen, grandiose Darsteller, tiefsinnige Dialoge, auf die schönste Weise vorgetragen, atemberaubende Bilder (die Schlusssequenz, wenn Macbeth seinem Widersacher Macduff entgegentritt, ist eine selten gesehene Augenweide) und einen hörenswerten Soundtrack, der die düstere Geschichte gut untermalt. Allerdings reißt der Film dennoch nicht so ganz mit. Das mag natürlich zum einen der Reduktion des üppigen Shakespeare-Stoffs auf das Knochengerüst zu tun haben – für mehr hätte man wohl nicht einen, sondern fünf Filme gebraucht. Das geht natürlich zu Lasten der Tiefe der Charaktere. Zum anderen wirken viele Sequenzen trotz der Dramatik der Geschehnisse in der Tonalität ein wenig hinuntergeschraubt. Understatement ist hier Teil des künstlerischen Ausdrucks, und so ist „Macbeth“ eben ein wunderschöner und sehenswerter Film, aber kein besonders packender.


7,0
von 10 Kürbissen

Zama (2017)

Regie: Lucrecia Martel
Original-Titel: Zama
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Zama


Es ist nicht einfach, über „Zama“ zu schreiben, jenen Film, an dem Lucrecia Martel zehn Jahre lang gearbeitet hat und der schließlich von so ziemlich allen Spanisch sprachigen Filmschaffenden, die es derzeit gibt, mitproduziert wurde – sei es Pedro Almodóvar oder Diego Luna oder Gael García Bernal. Denn „Zama“ steht tatsächlich ein wenig außerhalb der üblichen cineastischen Erfahrungen. Die Titel gebende Hauptfigur Don Diego de Zama ist ein argentinischer Beamter der Spanischen Krone, der rund um das Jahr 1800 in einem Dorf an der Küste Südamerikas versumpft. Zuhause sind Frau und Kinder, die er jahrelang nicht mehr gesehen hat, und so wartet er sehnsüchtig auf seine Versetzung, zumal ihn mit Ausnahme des Anblicks von Doña Luciana, der Ehefrau des Schatzmeisters, nichts mehr hier hält. Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam, vor allem in der tiefsten Provinz Südamerikas. „Zama“ ist ein sehr langsamer, fast zäher Film. Das Leiden von Diego de Zama wird auf den Zuseher übertragen. Die Zeit rinnt langsam wie zähflüssiger Honig vom Kalender. Jahreszeiten gibt es nicht – es ist immer heiß, es ist immer schwül, die Langeweile greift um sich. In gewisser Weise hat mich die Geschichte in der ersten Stunde an J.M. Coetzees Roman „Waiting for the Barbarians“ erinnert – man wartet und wartet und wartet, und nichts passiert. Die zweite Stunde bietet dann etwas mehr Handlung – und rätselhafte Bilder, die einen packen und noch länger beschäftigen. Die Grenzen zwischen Realität und dem Mystischen verschwimmen, das Leben wird zum Traum – einem jener, in dem man vor dem Übel weglaufen möchte, aber feststellt, dass man sich nicht von der Stelle bewegen kann, um im nächsten Moment festzustellen, dass man noch immer träumt. So kann man die Wirkung von „Zama“ wohl am besten beschreiben. Ein besonderer Ohrenschmaus ist zudem das Sounddesign. Selten habe ich einen Film gesehen, bei dem der Sound so maßgeblich die Atmosphäre bestimmt hat. Viele Details der Handlungen sieht man gar nicht, sondern nimmt sie als Hintergrundgeräusche wahr, was dazu beiträgt, dass der Film rätselhaft bleibt. Ich kann ihn dennoch nicht uneingeschränkt empfehlen, denn „Zama“ ist zwar ein unglaublich sinnliches Filmerlebnis, aber eines, für das man Zeit und Geduld braucht – und eines, auf das man sich mit allen Sinnen, aber weniger mit dem Verstand einlassen muss.

 


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmgarten)

Wuthering Heights – Emily Brontës Sturmhöhe (2011)

Regie: Andrea Arnold
Original-Titel: Wuthering Heights
Erscheinungsjahr: 2011
Genre: Drama, Historienfilm, Liebesfilm
IMDB-Link: Wuthering Heights


Emily Brontës Roman „Sturmhöhe“ ist ein Klassiker der britischen Literatur. Wikipedia listet nicht weniger als 19 Verfilmungen des Stoffs auf. Andrea Arnolds Film aus dem Jahr 2011 ist eine der jüngsten Adaptionen. Wieder im 4:3-Bildformat gedreht, bindet sie die berühmte Liebes- und Leidensgeschichte von Heathcliff und Catherine in fast schon stoische Landschaftsaufnahmen ein. Das Moor um Wuthering Heights bildet eine raue Kulisse für diese zarten Gefühle, die man oft nur aus Andeutungen erahnt. Arnolds „Wuthering Heights“ ist ein stiller, meditativer Film, auch das Drama kommt hier auf leisen Sohlen und ohne pompöse Hintergrundmusik daher. Das verlangt den Darstellerinnen und Darstellern (Shannon Beer und Kaya Scodelario als Catherine, Solomon Glave und James Howson als Heathcliff) ein sehr subtiles Spiel ab, das alle vier bravourös meistern. Überhaupt sind die Besetzungen von Heathcliff hervorzuheben. Nicht nur optisch sind sich Glave und Howson sehr ähnlich, sondern auch in Gestik und Mimik, in ihren fragenden Blicken, sodass man tatsächlich vergisst, dass es sich um zwei unterschiedliche Personen handelt, die den jugendlichen und den jungen erwachsenen Heathcliff spielen. Die optische Ähnlichkeit ist bei Beer und Scodelario zwar nicht mehr so gegeben, doch auch die beiden bemühen sich nach Kräften, einen einzigen Charakter aus ihren beiden Persönlichkeiten zu machen. Das einzige Manko, das der Film in meinen Augen hat, ist, dass er zeitweise doch etwas zäh ist, dass die gewollte Subtilität eben auch zu Lasten des Spannungsbogens geht. Um die gesamte Spieldauer von zwei Stunden konzentriert bei der Stange zu bleiben, bedarf es auch der einen oder anderen Willensanstrengung. Trotzdem: Bilder und Darsteller machen aus „Wuthering Heights“ für mich einen sehr sehenswerten Film.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 65 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)

 


7,5
von 10 Kürbissen

Die Eiserne Lady (2011)

Regie: Phyllida Lloyd
Original-Titel: The Iron Lady
Erscheinungsjahr: 2011
Genre: Biopic, Drama, Politfilm, Historienfilm
IMDB-Link: The Iron Lady


Maggie, der britische Eisenschädel. Sie war und ist nicht unumstritten, und bei allen Verdiensten um Großbritannien, als besonders mitfühlend geht sie wohl nicht in die Geschichte ein. Sie fuhr schon einen harten Kurs, den vor allem die Arbeiterschicht am eigenen Leib zu spüren bekam. Thatcherism ist in der historischen Nachbetrachtung nicht unbedingt als besonders positiv eingeordnet. Aber wie sieht es um das Privatleben der Eisernen Lady aus? Phyllida Lloyd ging der Frage in ihrem Biopic aus 2011 nach. Und sie konnte sich dabei auf ihre Hauptdarstellerin verlassen, der unnachahmlichen Meryl Streep, die mal wieder völlig zurücktrat, um in ihrer Rolle als Margaret Thatcher aufzugehen. Verdient gab es dafür erneut einen Oscar für Streep als beste Darstellerin. Doch was bietet „Die Eiserne Lady“ darüber hinaus? Der Bogen ist jedenfalls interessant gespannt. Gleich zu Beginn sieht man Margaret Thatcher als alte Dame. Sie wird in ihrem Haus streng bewacht und führt Gespräche mit ihrem verstorbenen Mann (Jim Broadbent). Wir erleben Thatcher auf dem Boden ihres Lebens als demente Witwe. Und doch geht von ihr bzw. Streeps Darstellung eine große Kraft aus. In Erinnerungen und Flashbacks werden schließlich – schön chronologisch wie in den meisten Biopics – die wesentlichen Stationen ihres Lebens nacherzählt. Durch die Verknüpfung dieser Erinnerungen mit der Erkrankung wird der Film auch zu einem Drama über Altern, Krankheit und Demenz. Doch genau der Fokus auf diesen sehr menschlichen Aspekt in Thatchers Biographie lenkt ein wenig von ihrem Werden und Wirken als Politikerin ab. Immer wieder wird man als Zuseher an Punkte wichtiger Entscheidungen geführt, die sie getroffen hat, doch es bleibt meistens unklar, warum sie diese Entscheidungen so gefällt hat, wie sie es eben getan hat. Die (natürlich in der Politik oft komplexen) Hintergründe bleiben unklar. Und so besteht „Die Eiserne Lady“ primär aus einer Ansammlung von Anekdoten, die bestenfalls lose zusammenhängen. Das große Ganze erschließt sich nicht. Allerdings ist Meryl Streep dermaßen überragend, und gerade eben die Einbettung der Biographie in die Krankheitsgeschichte packt einen emotional dann doch, sodass der Film trotzdem immer interessant bleibt.

 


6,5
von 10 Kürbissen

Uzala der Kirgise (1975)

Regie: Akira Kurosawa
Original-Titel: Dersu Uzala
Erscheinungsjahr: 1975
Genre: Drama, Abenteuerfilm, Biopic, Historienfilm
IMDB-Link: Dersu Uzala


Das Medium Film ist international. So saß ich heute im Gartenbaukino in Österreich, um einen russischen Film eines japanischen Regisseurs mit schwedischen Untertiteln zu sehen, in dem es um einen Kirgisen geht, der eigentlich ein indigener Nanaier ist. Alles klar? „Dersu Uzala“ (wie der Film von Meisterregisseur Akira Kurosawa heißt, „der Kirgise“ im Deutschen ist schlicht ein Fehler) erzählt die Geschichte einer Freundschaft in der unwirtlichen Taiga. Der russische Entdecker Wladimir Arsenjew macht 1902 zufällig die Bekanntschaft mit eben jenem Dersu Uzala, einem älteren Nanai, der durch die Pocken Frau und Kinder verloren hat, und sich allein als Jäger durchschlägt. Arsenjew und Dersu Uzala sind sich sofort sympathisch, und so begleitet Dersu Uzala die russische Expedition als Führer. Auf dieser Expedition, bei der schon der kleinste Fehler den Tod durch die unbarmherzige Natur bedeuten kann, freunden sich die beiden sehr unterschiedlichen Männer an, doch mit dem Ende der Expedition trennen sich auch ihre Wege wieder. Als Arsenjew Jahre später wieder in die Gegend kommt, trifft er erneut auf Uzala, und wieder begleitet Dersu Uzala seinen alten Freund und die Männer, die er anführt, durch die Wildnis. Doch Uzala ist nicht mehr der Jüngste. Seine Augen werden schwächer, und Arsenjew erkennt, dass das Leben da draußen für ihn kaum mehr zu bewältigen ist, wenn er nicht gut sieht. „Dersu Uzala“ erzählt über 2,5 Stunden eine sehr reduzierte, fast schon unspektakuläre Geschichte. Es gibt keinen Feind zu bekämpfen außer der grausamen Natur selbst. Die meiste Zeit über sieht man Männer, die sich durch Schnee und Eis und dichte Wälder kämpfen. Und dennoch steckt sehr viel in diesem Film. Diese fast schon meditative Ruhe, die der Film in seinen grandiosen Naturaufnahmen ausstrahlt, bildet die Fläche, auf der sich die Freundschaft der beiden unterschiedlichen Charaktere aufbauen kann. Und dennoch spürt man, dass sich die beiden Männer trotz aller Nähe, trotz der Gefahren, die sie gemeinsam durchstehen, fremd bleiben – zu fremd nämlich sind sich die Welten, aus denen sie kommen. Dieser Clash of Culture wird von Akira Kurosawa ohne Wertung erzählt. Jeder behält seine Würde in diesem Aufeinandertreffen bei. Das Ende ist konsequent, lakonisch und hinterlässt dennoch (oder gerade deswegen) einen bleibenden Eindruck. Nur hier erlaubt sich Kurosawa so etwas wie einen zynischen Zwischenruf. Doch auch der ist im Grunde nicht sein eigener – denn die Geschichte von Dersu Uzala hat sich tatsächlich so abgespielt. Zynisch war hier das Schicksal selbst.


7,5
von 10 Kürbissen

Little Crusader (2017)

Regie: Václav Kadrnka
Original-Titel: Křižáček
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Drama, Historienfilm
IMDB-Link: Křižáček


„Little Crusader“ ist der erste tschechische Film, der mit dem Hauptpreis auf dem heimischen Filmfestival in Karlovy Vary ausgezeichnet wurde. Und wie so oft: Man kann über solche Preisverleihungen trefflich streiten. Der in blassen Farben und im ungewöhnlichen Academy-Format (1 : 1,37) gedrehte Film erzählt eine sehr simple Geschichte: Der junge Jenik reißt von der Heimatburg aus, um auf Kreuzzug zu gehen, sein Vater, der alte Ritter Borek, sucht ihn. Und ja, das ist dann auch schon die ganze Geschichte. Zwischendurch schließt sich ein junger Ritter dem Suchenden an, und mal spielen Kinder im Feld oder führen ein Theaterstück auf. Meistens aber wird schweigend durch die Gegend geritten. Es entsteht der Eindruck, dass man im Mittelalter nicht gesprochen, sondern nur das Gegenüber nach einer Frage minutenlang angestarrt hat. Passiv-aggressive Reaktionen auf blöde Fragen hatten die offenbar drauf. Eine Entwicklung der Charaktere ist nicht bemerkbar, dramaturgische Höhepunkte gibt es keine – der Film fließt mit minutenlangen Einstellungen einfach so dahin, ohne das Publikum mit Handlung zu schocken. Irgendwie hat das ja auch etwas. Und die Bilder sind schön anzusehen. Unterm Strich ist „Litte Crusader“ aber eine sehr dünne Suppe. Schöne Bilder allein reichen nicht. Handlungsarmut ist auch okay, aber wenn man das Gefühl hat, dass nicht die kleinste Veränderung in den Figuren passiert, dass man am Ende keine Botschaft mitnehmen kann, keinen Gedanken, den man selbst fortführen könnte, so ist das halt einfach zu wenig. Das haben offenbar auch einige andere Filmkritiker gesehen, die eine Diskussion darüber losgetreten haben, warum dieser Film den Hauptpreis in Karlovy Vary erhalten hat. Denn, wie gesagt: Über solche Preisverleihungen kann man trefflich streiten.


4,0
von 10 Kürbissen

(Foto: CROSSING EUROPE Filmfestival Linz)