Filmreisechallenge 2018

Manifesto (2017)

Regie: Julian Rosefeldt
Original-Titel: Manifesto
Erscheinungsjahr: 2015/2017
Genre: Episodenfilm, Experimentalfilm
IMDB-Link: Manifesto


Gleich vorweg: „Manifesto“ ist ein sperriges Ding. Hochgradig interessant – allein schon durch die Beteiligung der faszinierend wandelbaren Cate Blanchett – aber eben nichts, was man mal eben im Vorbeigehen konsumiert. Denn „Manifesto“ vom deutschen Filmkünstler Julian Rosefeldt basiert auf seiner gleichnamigen Videoinstallation aus dem Jahr 2015 und macht nichts Anderes, als Cate Blanchett in gleich zwölf unterschiedlichen Rollen (ob als Punkerin, als trauernde Witwe, Obdachloser, konservative Mutter, Nachrichtensprecherin etc.) Manifeste zu diversen Kunstströmungen rezitieren zu lassen. Mit dabei: Auszüge aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels, aus Dogma 95 von Thomas Vinterberg und Lars von Trier, Texte zu Futurismus, Dadaismus, Performance-Kunst usw. Das ist natürlich alles sehr anstrengend zu beobachten, vor allem, wenn die Bild-Text-Schere ein Stück weit aufgeht und hochkomplexe Gedanken in einem dafür unpassenden Setting wiedergegeben werden, zum Beispiel eben als Traueransprache oder über einen Lautsprecher in einer Fabrikhalle. Gerade diese Brechung zwischen Text und Bild ist allerdings jener Faktor, der den Film einerseits faszinierend und anders macht, andererseits aber auch bei mir die größten Probleme aufgeworfen hat – denn nie wird ganz klar, ob Rosefeldt seine Manifeste ernst nimmt oder ironisch bricht. Die Intention hinter dem Ganzen wird – mir zumindest – nicht ganz klar. Rosefeldt selbst hat sein Projekt als „Hommage an die Schönheit von Künstlermanifesten“ genannt, doch auch diese Aussage könnte wieder mit ironischem Unterton gelesen werden in Anbetracht der verschwurbelten, teilweise auch absurden Gedanken, die in diesen Manifesten niedergeschrieben sind. Worüber allerdings kein Zweifel besteht, ist die Schönheit der Bilder. Dank sensationeller Kamerafahrten und hochinteressanter, teils futuristisch anmutender Settings prägen sich die Bilder von „Manifesto“ ein. Oft kreist die Kamera von oben wie das Auge Gottes über den Schauplätzen, überall entdeckt die Kamera Symmetrie und Ordnung, die dann wiederum gebrochen wird – durch verfallene Gebäude oder auch mal einen überraschenden Blick ins Nebenzimmer, der Unerwartetes preisgibt. Allein dafür lohnt es sich bereits, „Manifesto“ anzusehen. Allerdings sei noch einmal gewarnt: Es ist kein Film im herkömmlichen Sinne. „Manifesto“ hat keine Handlung, keine Figuren (nur Rollen), und lässt die meisten Zuseher wohl erst einmal ratlos zurück.

Dieser Film ist als Reiseetappe # 70 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,0
von 10 Kürbissen

(Foto: Filmladen Filmverleih)

I, Tonya (2017)

Regie: Craig Gillespie
Original-Titel: I, Tonya
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Biopic, Komödie
IMDB-Link: I, Tonya


Im Vorfeld hatte ich relativ geringe Erwartungen an „I, Tonya“. Klar, die wahre Geschichte der Eiskunstläuferin Tonya Harding und ihrer Rivalin Nancy Kerrigan, der vor den Olympischen Spielen das Knie zertrümmert wird, ist ziemlich irre. Aber irgendwie war meine Erwartungshaltung heruntergedampft auf die typische Sportler-Bio, in dem Fall mit kriminalistischen Einschlägen. Dann kam der erste Trailer. Ich Ignorant! Nun, nach der Sichtung von „I, Tonya“ muss ich sagen, dass der Film – trotz geringfügiger Schwächen wie zB einer etwas zu langen Laufzeit mit einigen Redundanzen – zu denen gehört, die wohl bleiben werden. Margot Robbie als Tonya Harding ist eine Wucht. Völlig zurecht wurde sie für diese Leistung für einen Oscar nominiert, auch wenn ich Sally Hawkins und die letztlich verdiente Siegerin Frances McDormand da noch ein Stück darübergestellt hätte. Trotzdem: Großartig gespielt, vor allem die Unsicherheiten des Teenagerlebens wurden von ihr überzeugend dargestellt. Dass ihr Allison Janney als Mutter dennoch in jeder Szene ein wenig die Show stiehlt, soll diese Leistung nicht schmälern – sondern noch mal unterstreichen, wie irre gut Janney in diesem Film ist. Dafür gab es dann tatsächlich auch den Goldmann für die beste Nebendarstellerin. Der männliche Cast (Sebastian Stan als Freund/Mann/Exmann Jeff Gillooly und Paul Walter Hauser als völlig vertrottelter bester Freund von Jeff) ist auch gut besetzt, vor allem, wenn man am Ende des Films Aufnahmen der realen Personen sieht. Was „I, Tonya“ neben den schauspielerischen Leistungen aber von vergleichbaren Biopics und/oder Sportfilmen abhebt, ist der rotzfreche Zugang zum Stoff. Denn erzählt wird die Geschichte von den Protagonisten selbst, die für Interviews ihre Sicht der Dinge darstellen. In den Szenen selbst durchbricht Regisseur Craig Gillespie zudem oft die vierte Wand, zeigt eine Szene, um sie im gleichen Augenblick durch die handelnden Personen zu negieren. Und dadurch wird „I, Tonya“ zu einem amüsanten bis teilweise aberwitzigen Vexierspiel mit den Möglichkeiten, deutet Vieles an, ohne sich aber festzulegen und dadurch einer moralischen Botschaft (wie auch immer diese aussehen mag) zu unterwerfen, sondern haut dem Zuseher einfach den Stoff hin als würde er sagen: „Das ist doch eine verrückte Sache, nicht wahr? Ich habe ja auch keine Ahnung, was damals passiert ist, vielleicht dieses, vielleicht jenes, aber hey – das alles ist einfach verdammt interessant!“

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 58 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

Black Panther (2018)

Regie: Ryan Coogler
Original-Titel: Black Panther
Erscheinungsjahr: 2018
Genre:  Abenteuerfilm, Action, Fantasy, Science Fiction
IMDB-Link: Black Panther


Ich habe eine schwarze Miezekatze zuhause. Sie hört (nicht) auf den Namen Clarisse, und ich halte es durchaus für möglich, dass sie sich nächtens aus der Wohnung schleicht, um im Königreich Wakanda die Bösen aufzumischen. Das Gegenteil beweisen kann ich nicht. So muss ich Ryan Coogler vertrauen. Und der sagt mir: Black Panther, das ist Wakandas neuer König T’Challa (Chadwick Boseman). Und der hat erst einmal ein paar Probleme. Sein Vater hat im letzten Captain America-Film den Löffel abgegeben, und nun muss eben der Sohnemann zwangsläufig das Szepter schwingen. Zuerst aber muss er sich in einem archaischen Gedresche gegen einen Widersacher behaupten. Kaum hat er das erledigt, gibt’s innerwakandische Konflikte zu lösen, da sich ein Usurpator (Michael B. Jordan, das B. ist in diesem Fall aufgrund von Verwechslungsgefahr nicht wegzulassen) in Abwesenheit der Samtpfote aufschwingt, um das technologisch weit entwickelte, aber von der Außenwelt freiwillig abgeschottete Königreich zu übernehmen und auf die Landkarten dieser Welt zu bringen. Befreiung der Schwarzen, das klingt ja erst einmal nach einem hehren Ziel. Nur über die Mittel, die dem Bösewicht im Sinne stehen, lässt sich trefflich diskutieren, denn alle Weißen wegballern mag zielführend sein, aber moralische Diskurse gewinnt man damit nicht. So sieht das auch T’Challa, der mit Hilfe einiger sehr starker Mädels in seinen Reihen dem entgegentritt. Oder sagen wir so: Während T’Challa ein Schläfchen macht, machen sich die Damen auf den Weg, den Tag zu retten. Da wären wir auch schon bei einem der Aspekte, die ich an diesem Film sehr feiere: Starke Frauenfiguren, und zwar uneingeschränkt und ohne, dass man ständig darauf hinweisen müsste. Sie sind einfach tough, und das passt schon so. Auch schön ist natürlich, dass es mal einen ethnisch diversen Superhelden gibt, der auch in Afrika verwurzelt ist und sich dort behaupten darf/muss. Gleichzeitig aber knüpft daran einer meiner beiden hauptsächlichen Kritikpunkte an, weshalb der Film – bei mir – dann doch nicht so ganz gezündet hat: Mir ist klar, dass hier auf das kulturelle Erbe des Kontinents verwiesen werden soll, das als Säule für den spannend dargestellten Afrofuturismus dient. Ich habe aber das Gefühl, dass sich die Darstellung von Tradition und afrikanischem Erbe auf eine Ansammlung von Klischees beschränkt. Was verwundert, denn mit Ryan Coogler sitzt einer der spannendsten schwarzen Regisseure der Gegenwart auf dem Regiestuhl. Der zweite Kritikpunkt betrifft die Story selbst, die dem üblichen Superheldenmuster folgt und kaum bis gar keine Überraschungen für jene bereit hält, die mehr als zwei Marvel- bzw. Superheldenfilme kennen. Da hätte man mehr daraus machen können. Es ist gut, dass es den Film gibt, und wichtig, dass er einen solchen Erfolg feiert, aber dennoch wurden – in manchen Aspekten – ein paar Chancen liegengelassen. So ist „Black Panther“ für mich ein guter, aber kein großartiger Film.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 63 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

Schwein (2018)

Regie: Mani Haghighi
Original-Titel: Khook
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Komödie, Satire
IMDB-Link: Khook


Hasan Kasmai ist der größte Filmemacher Irans. Nur blöd, dass er aktuell Berufsverbot hat, da dem iranischen Staat seine Arbeit nicht zusagt. Noch blöder, dass deshalb die von ihm angebetete Schauspielerin Shiva Mohajer mit Hasans größtem Konkurrenten zu arbeiten beginnt. Doch am allerblödesten ist, dass ein Serienkiller sein Unwesen treibt und nach und nach die Filmschaffenden Irans enthauptet (mit dem Wort „Schwein“ in die Stirn geritzt). Nicht nur, dass Hasan so einige Freunde und Kollegen verliert, nein, wie kann sich der Killer erdreisten, ausgerechnet ihn, den größten von allen, zu verschonen? So etwas kratzt am Ego. Da muss dann auch mal die Mama tröstend einspringen, den armen Jungen in die Arme nehmen und ihm versichern, dass der Mörder auch noch zu ihm kommen werde, denn er würde sich nur den Besten für den Schluss aufheben. Damit ist die Grundtonalität von Mani Haghighis grotesker Satire „Schwein“ schon mal festgelegt. Hier geht es um verletzte (männliche) Eitelkeiten, die bis zum Wahnwitz ausgelotet werden. Und das ist saukomisch anzusehen. „Schwein“ verfügt über eine ganze Fülle an denkwürdigen Szenen, die bis zum Gehtnichtmehr gesteigert werden, bis sie sich über die Lachmuskeln fest einbrennen beim Publikum. Gleichzeitig ist der Witz in „Schwein“ höchst subversiv. Man merkt dem Film an, dass es Haghighi nicht einfach um ein paar laute Lacher ging, sondern um ein Statement zu Zensur, Moral, Eitelkeiten und eben dem Männlichkeitsbewusstsein im Iran. Am Ende müssen die Frauen den Tag retten – aber bitteschön öffentlichkeitswirksam auf Instagram! Eine bitterböse, manchmal etwas überdrehte Satire, die zwar durch und durch iranisch ist, aber auch bei uns sehr gut funktioniert.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 5 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

Draußen (2018)

Regie: Johanna Sunder-Plassmann und Tama Tobias-Macht
Original-Titel: Draußen
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Draußen


„Denn die einen sind im Dunkeln / Und die andern sind im Licht.  / Und man sieht nur die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht.“ Diese Zeilen aus der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht könnten als Motto vor dem Dokumentarfilm „Draußen“ von Johanna Sunder-Plassmann und Tama Tobias-Macht stehen. Es geht um vier Obdachlose in Köln: Elvis ist darum bemüht, Ordnung unter der Brücke zu halten. Sergio, der Film-Fan aus Kasachstan, war mehr im Gefängnis als auf freiem Fuß und ist drogenabhängig, hat aber seinen Humor nicht verloren. Matze, ein alter Punk, schämt sich vor seinen Kindern. Und Peter, genannt Filzlaus, war schon überall. Er schläft in Parks und neben den Straßen im Gestrüpp. Eines der stärksten Statements im Film kommt von ihm, als er gefragt wird, ob er denn Angst davor hätte, im Wald zu schlafen. Nein, antwortet er. Er habe keine Angst im Wald. Es sei eher so, dass er derjenige sei, vor dem man Angst haben würde, wenn man ihm im Wald begegnete, dabei tue er niemanden was. „Draußen“ zeigt vier Menschen, die abseits der Gesellschaft leben und dabei versuchen, sich ein wenig Menschenwürde zu bewahren. Der Film geht dabei weniger auf das Warum ein (warum sie auf der Straße leben, wird bestenfalls nur kurz gestreift), sondern auf das Wie. Was ist diesen Menschen wichtig? Was motiviert sie, jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen? Was sind die Gegenstände, die sie für ihr Leben da draußen brauchen, bzw. welche Gegenstände sind für sie Luxus? Darauf wird ein besonderer Fokus gelegt. Johanna Sunder-Plassmann und Tama Tobias-Macht sind dabei ganz nah dran an den Menschen. Sie lassen sie ihre Geschichten erzählen und ihre Meinungen sagen. Es sind oft überraschend zarte Geschichten und klare Einsichten. Wenn Matze erzählt, dass er froh ist, noch das Gefühl der Scham zu kennen, sagt das viel aus. Und plötzlich werden sie sichtbar: jene, die für uns im Dunkeln sind. Die beiden Regisseurinnen zeigen diese Menschen ohne falsche Sentimentalität, sondern einfach so, wie sie sind. Vom Leben gezeichnet, aber aufrecht.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 54 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


7,5
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) unafilm / Thekla Ehling)

Don’t worry, weglaufen geht nicht (2018)

Regie: Gus Van Sant
Original-Titel: Don’t Worry, He Won’t Get Far On Foot
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Komödie, Biopic
IMDB-Link: Don’t Worry, He Won’t Get Far On Foot


An Gus Van Sants neuesten Film vergebe ich gleich mal einen Preis: Jenen für den dämlichsten deutschen Verleihtitel seit „Vergiss mein nicht!“ für „Eternal Sunshine of the Spotless Mind“. Ehrlich: Wer zum Geier ist auf die Idee gekommen, aus dem herrlich-zynischen „Don’t Worry, He Won’t Get Far On Foot“ ein englisch-deutsch-verhatschtes „Don’t worry, weglaufen geht nicht“ zu machen? Wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet, sollte lebenslang mit einem Berufsverbot belegt werden. Der wirklich dumme Titel wird dem Film in keiner Weise gerecht. Gus Van Sant hat ja schon öfter gezeigt, dass er ein Herz für Außenseitern mit Problemen hat. „Good Will Hunting“ ist ein Paradebeispiel dafür. In „Don’t Worry, He Won’t Get Far On Foot“ erzählt Van Sant nun die (wahre) Geschichte von John Callahan (der grandiose Joaquin Phoenix), der ein schweres Alkoholproblem hat, das nicht unbedingt besser wird, als er in einen folgenschweren Autounfall verwickelt wird und seitdem querschnittgelähmt ist. Nach einigen Tiefpunkten und Selbstmitleidstouren landet er schließlich bei den Anonymen Alkoholikern unter der Leitung von Donnie (Jonah Hill). Er stellt sich seinen Dämonen, vor allem jenem seiner abwesenden Mutter, die ihn als Kind weggegeben hat. Was John dabei hilft: Sein humoristisches Talent, das ihn Cartoons zeichnen lässt, die – nun ja – aufgrund ihres derben, offensiven Humors nicht von allen Mitmenschen gleichermaßen wohlwollend aufgenommen werden. Doch im Zeichnen findet John allmählich zu sich und zu einer Möglichkeit, mit seinem Schicksal umzugehen. Auch die Schwedin Annu (bitte verratet mir: Wie ist es möglich, sich nicht in Rooney Maras strahlende Augen zu verlieben?) ist ihm dabei eine Stütze. „Don’t Worry, He Won’t Get Far On Foot“ ist klassisches Feelgood-Kino über einen Mann, der seine Schwierigkeiten bekämpft und trotz aller Rückschläge schließlich zu sich selbst findet. Das kann schnell mal zu erbaulichem No-na-net-Kino werden – fad und vorhersehbar. Dass „Don’t Worry, He Won’t Get Far On Foot“ nicht in diese Falle tappt, ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum Einen auf die nicht-lineare Erzählung, die mehr um die Figur des John Callahan kreist als darum bemüht ist, chronologisch die Fakten aufzutischen. Zum Anderen auf den durch die Bank überragenden Cast, angeführt von Joaquin Phoenix, der einmal mehr eine oscarreife Leistung abliefert – so wie auch Jonah Hill, dessen Vielseitigkeit immer wieder positiv überrascht. So geht man tatsächlich mit einem richtig guten Gefühl aus dem Kino heraus.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 55 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


8,0
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) 2018 AMAZON CONTENT SERVICES LLC / Scott Patrick Green)

 

3 Tage in Quiberon (2018)

Regie: Emily Atef
Original-Titel: 3 Tage in Quiberon
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama, Biopic
IMDB-Link: 3 Tage in Quiberon


Romy Schneider (Marie Bäumer), 42 Jahre alt, alkoholkrank und depressiv, macht eine Kur in einem französischen Hotel. Ihre Freundin Hilde Fritsch (Birgit Minichmayr, wie immer großartig) besucht sie. Und zwei Journalisten vom Stern, der Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner), mit dem sie eine langjährige Freundschaft verbindet, und der schmierige Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek). Romy Schneider hat eingewilligt, während der drei Tage ihres Aufenthalts ein exklusives Interview zu geben. In dieser Viererkonstellation bauen sich in weiterer Folge allerlei Spannungen auf, denn Hilde durchschaut den manipulativen Jürgs recht schnell, während sich Lebeck darum bemüht, Romy, für die er offensichtlich mehr als nur Freundschaft verspürt, ein wenig Halt zu geben. Denn die ist mit der Situation des Interviews völlig überfordert. Alte Wunden werden wieder aufgerissen, und verletzlich und unbedacht stülpt sie vor laufendem Aufnahmegerät ihr Innerstes nach außen – sehr zur Freude von Jürgs, der die Gelegenheit seines Lebens wittert und Romy weiter zusetzt. „3 Tage in Quiberon“ ist bemüht, eine private Romy Schneider zu zeigen, eine Frau mit Verletzungen und Ängsten und schweren Depressionen. Romy Schneider macht sich hier vor allem Gedanken um ihre Mutterrolle, die sie nie so richtig ausfüllen konnte. Gleichzeitig ist sie diese öffentliche Person und sich ihrer Rolle auch sehr bewusst, sie spielt auch damit. Gefilmt in eleganten Schwarz-Weiß-Bildern, die die Exklusivität des Kurhotels noch einmal unterstreichen, während sie gleichzeitig kollektive Bilder von Romy Schneider heraufbeschwören, ist „3 Tage in Quiberon“ durchaus sehenswert. Die Dialoge sind gut und scharfsinnig, und auch die Schauspieler/innen machen durch die Bank einen guten Job. Jetzt kommt das Aber. Aber man hat dennoch nicht das Gefühl, der Person Romy Schneider, trotz aller Bemühungen von Marie Bäumer, sie lebensecht darzustellen, nach dem Film ein wenig nähergekommen zu sein. Es werden Romy Schneider-Klischees bestätigt, die Theatralik in den Dialogen, in den Szenen, ist zwar dramaturgisch interessant, aber unterstreicht nur das Bild, das man in der Regel von Romy Schneider schon hat. Und das ist schade. Ich hatte das Gefühl, dass hier eine große Chance liegengelassen wurde, nämlich die Erdung der Filmgöttin, die auch mal Mensch sein darf. „3 Tage in Quiberon“ versucht zwar genau das, scheitert aber (auf hohem Niveau) daran. Romy Schneider bleibt mystisch verklärt.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 57 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) 2018 PROKINO Filmverleih GmbH)

 

The Bed (2018)

Regie: Mónica Lairana
Original-Titel: La Cama
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Drama
IMDB-Link: La Cama


Ein älterer Mann, eine ältere Frau. Nackt im Bett. Er bemüht sich verzweifelt um eine Erektion, doch es geht nicht. Sie versucht ebenso verzweifelt, ihm einen zu blasen, er wehrt ab, woraufhin sie hysterisch zusammenbricht. In „La Cama“ von Mónica Lairana ist nicht nur die Haut nackt, sondern auch die Seele. Bald wird klar, dass der letzte gemeinsame Tag anbricht, ehe der Umzugswagen kommt und das Leben als Paar endet. In all den Jahren hat man vergessen, wie man miteinander kommuniziert. So liegt ein bedeutsames Schweigen über dem Film. Gelegentlich flüchtet man sich in hilflose Floskeln, um zumindest Worten nachlauschen zu können, auch wenn diese bedeutungslos sind. Die gemeinsame Vergangenheit wird nur dann heraufbeschworen, wenn man über die Frage, wem nun die Socken gehören, zu diskutieren beginnt. Da zeigen sich die letzten Spuren des gemeinsamen Lebens, das Verschmelzen zweier Existenzen zu einem Paar. Umso klarer und schmerzvoller ist es, wenn man sich nun eingestehen muss, dass man zuletzt wieder auseinandergedriftet und sich fremd geworden ist. „La Cama“ ist sehr langsam erzählt. Oft gehen Einstellungen über mehrere Minuten, ohne dass ein Wort gesprochen wird. Die Kamera hält schonungslos drauf, wenn sich in die Gesichter die Fassungslosigkeit der Trennung legt, aber sie bleibt auch mit einem liebevollen Blick drauf, wenn überraschend – meistens nonverbal – ein Zeichen der Zuneigung und Vertrautheit gefunden wird. Zu spät, aber immerhin: man geht nicht im Zorn auseinander. „La Cama“ zeigt die Geschichte einer Entfremdung, und ist damit (und aufgrund seiner extrem langsamen Erzählweise) ein Film, der sicherlich keinen Spaß macht. Manchmal ist er auch schlicht langweilig, aber gut, auch Beziehungen sind manchmal langweilig. So gesehen spiegelt das Kino das Leben. Insgesamt ein anstrengender Film, der aber, wenn man in der richtigen Stimmung dafür ist, durchaus seine guten Momente hat.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 2 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,0
von 10 Kürbissen

Gordon und Buffy (2017)

Regie: Linda Hambäck
Original-Titel: Gordon och Paddy
Erscheinungsjahr: 2017
Genre: Animation
IMDB-Link: Gordon och Paddy


Gordon ist der Polizeiinspektor des Waldes und hat im Laufe seiner Dienstjahre schon viel gesehen. Seine Ermittlungsarbeit ist legendär, die Bewohner des Waldes vertrauen ihm. Nur ist Gordon allmählich im pensionsreifen Alter. So kommt es ihm gelegen, als er die aufgeweckte Buffy (im Original: Paddy, und es weiß mal wieder kein Mensch, warum man so eingängige Eigennamen ändern muss) kennenlernt und diese zur Assistentin und später Nachfolgerin aufbaut. Der erste gemeinsame Fall betrifft den Diebstahl von Eichhörnchen Valdemars Nussvorrat. Der Hauptverdächtige ist für Gordon rasch gefunden: Der Fuchs, der Listige, der Gefährliche. Und damit bekommt Gordon das große Zittern, nicht nur aufgrund der Winterkälte. Gordon ist nämlich nur ein kleiner Frosch und seine Assistentin Buffy eine Maus. Was soll man da gegen den großen, starken, schnellen und gefräßigen Fuchs anfangen? Nichtsdestotrotz nehmen Gordon und Buffy die Ermittlungen auf und versuchen, den Fuchs auf frischer Tat zu ertappen. „Gordon und Buffy“ ist ein liebevoll gezeichnetes Abenteuer für die Kleinen. Sowohl die Story als auch die Zeichnungen selbst sind sehr einfach gehalten und überfordern auch die Kleinsten nicht, beinhalten aber eine wertvolle Botschaft, nämlich jene, dass man sich vor Vorurteilen hüten sollte und dass selbst die Besten nicht davor gefeit sind. Die Einfachheit der Erzählung geht natürlich zu Lasten des Genusses für die Erwachsenen, denen das kindliche Abenteuer wohl zu simpel gestrickt sein dürfte, um wirklich gut zu unterhalten. Allerdings kann auch der ausgewachsene Kinobesucher sich an den im besten Sinne naiv gehaltenen Animationen erfreuen, und auch die musikalische Untermalung ist in „Gordon und Buffy“ sehr hörenswert. Und die Moral von der Geschicht‘: Der Fuchs ist böse, oder er ist es nicht.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 8 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


5,5
von 10 Kürbissen

(Foto: (c) LEE Film)

 

Infinite Football (2018)

Regie: Corneliu Porumboiu
Original-Titel: Fotbal Infinit
Erscheinungsjahr: 2018
Genre: Dokumentation
IMDB-Link: Fotbal Infinit


Der Provinz-Beamte Laurentiu gibt dem Filmemacher Corneliu Porumboiu ein Interview über seine revolutionären Pläne, den Fußball zu modernisieren. „Der Ball muss frei sein“, so seine Devise. Gleich zu Beginn des Interviews wird klar, dass die Pläne persönlichen Lebenskränkungen entsprungen sind. Die Verletzung als Jugendlicher beim Fußballspiel, die nicht eingetreten wäre, wenn Fußball nach anderen Regeln gespielt worden wäre. Die kurzfristige Absage eines Job-Angebots in den USA. Der langweilige Bürojob, den der Beamte nun schon seit zwanzig Jahren tagein, tagaus erledigt. Hinter all seinen Überlegungen, die er noch während des Gesprächs mit Porumboiu wieder verwirft, da er die Fehler und Unstimmigkeiten seines Regelwerks erkennt, steckt der Wunsch, etwas Bedeutsames zu leisten, anerkannt zu werden, eine Rolle im Weltgeschehen einzunehmen. Das macht „Infinite Football“ trotz des engen Themas zu einem sehr universellen Film. Gleichzeitig wirft Porumboiu eher beiläufig auch einen Blick auf die rumänische Bürokratie, an der schon so einige Träume zerschellt sind. Laurentiu steht hier stellvertretend für viele Menschen, die sich ihre Träume nicht verwirklichen konnten. Sein Umgang damit ist allerdings ein sehr eigener, sehr persönlicher, und teilweise auch rasend komischer, ohne dass Porumboiu Laurentiu zur Schau stellt oder gar auflaufen lässt. Das macht „Infinite Football“ auch zu einem mitfühlenden Film. Allerdings ist das Thema selbst trotz seiner universellen Gültigkeit keines, das geeignet wäre, den Zuseher durchzuschütteln. So gesehen verpasst man auch nicht viel, wenn man den Film nicht gesehen hat. Ihn zu sehen ist aber dennoch keine Zeitverschwendung.

(Dieser Film ist als Reiseetappe # 53 Teil meiner Filmreisechallenge 2018. Mehr darüber hier.)


6,0
von 10 Kürbissen